Sarah hat neben ihrem Bett und dem Kleiderschrank auch eine kleine Spielecke (links vom Fenster), wo sie eine kleine Spielzeugküche für ihre Puppe hat. Unter dem Fenster hat Eric ihr einen kleinen Schreibtisch eingerichtet für ihre Hausaufgaben. Dann gab es noch eine Truhe, wo anderes Spielzeug lag. Viel besaß sie nicht, aber genug, wie Eric meinte. Ihr Zimmer geht nach hinten hinaus, mit Fenster auf die Veranda, zu der man aber nur durch Erics Zimmer Zugang hat.
Eric: Erst Schlafzimmer, dann Schnee holen, dann Bad und Küche und Wohnraum. Schliesslich in Sarahs Zimmer
Heute war Sonntag. Der fromme Tag und natürlich wollte Eric mit Sarah zum Gottesdienst. Zum Glück war dieser nicht allzu früh, wie er erfahren hatte würde der Reverend die Pforten so gegen 9.30 oder so öffnen. Also lies Eric Sarah noch ein wenig ausschlafen, denn heute war für sie keine Schule. Also stand er als erster auf. Er holte Wasser, diesmal nicht aus dem Brunnen, denn dieser war zu gefroren, aber ein Eimer Schnee reichte auch, um diesen leicht zu erwärmen, um sich dann anschliessend zu waschen. Nachdem Eric dann den Eimer Schnee auch in einem großen Topf, welchen er aus Josephines Haushalt hatte mitgenommen, erwärmt hatte, zweigte er einen Teil für sich und einen Teil für Sarah ab und wusch sich erst einmal ausgiebig im Bad. Dann rasierte er sich und zog sich an. Das Feuer im Ofen in der Küche war schon warm, hatte er doch den Schnee auftauen müssen, und so erwärmte der Ofen auch schon den Wohnraum. Aber er hatte auch den Ofen im Wohnraum entzündet, denn sonst würde es ewig dauern. Ein wenig schade fand er es, dass sie keinen Kamin im Wohnzimmer hatten, aber man musste sich mit dem begnügen, was da war.
Eric bereitete dann das Frühstück vor. Er hatte die Woche überall so viele Vorräte, wie er konnte, eingekauft, nur einiges war inzwischen ausverkauft. Dennoch wollte er Sarah ein kleines Frühstück bereiten. Es gab ihren geliebten heissen Kakao, Brot mit etwas Butter und Käse, wenig Schinken. Aber Honig, den Sarah liebte. Viel war es nicht, aber hungern mussten sie nicht. Und er machte sich einen herrlichen Kaffee. Er war schon fein angekleidet in seinem Anzug, bereit für die Kirche.
Draussen schneite es mal wieder heftig, so sehr, dass man kaum etwas aus dem Fenster erkennen konnte. War auch gut so, denn dieses Bordell schräg gegenüber störte ihn schon. Ihn persönlich zwar weniger, aber für Sarah war es nicht gerade förderlich. Da musste er sicherlich noch etwas erklären. Aber später.
Also trat er an Sarahs Bett, welche friedlich schlief, ihre Puppe in den Armen. Selig schaute Eric auf seine kleine Nichte. Dann stellte er den Becher mit lecker duftenden Kakao auf den kleinen Nachttisch und fasste Sarah sehr behutsam an die Schulter und wisperte erst einmal leise: »Sarah, mein Engel. Aufwachen. Der Herrgott hat uns einen neuen Tag beschert.« Seine Stimme klang wie meist: mild und nicht aufdringlich. Er hoffte, das Sarah gut geschlafen hatte, aber das würde er dann noch fragen.
Mit einem müden Blinzeln erwachte Sarah, als die Stimme ihres Onkels sie aus dem Schlaf aufweckte. Wie gewöhnlich war ihre Bettdecke zerwühlt, und selbst ihre Schlafhaube wirkte ein wenig zerknittert, denn das Mädchen hatte oft Abträume, die es nachts nicht für lange zur Ruhe kommen ließen. Sie träumte sehr intensiv, und zumeist von Mama, die ihr nach wie vor unsagbar fehlte. Lediglich – und auch das war gewöhnlich am Morgen der Fall – Josephine hielt sie noch immer so fest umklammert, wie sie die Puppe auch beim Einschlafen gehalten hatte. Schläfrig hob Sarah den Kopf ein bißchen. Sie mußte gähnen, hielt sich jedoch dabei artig eine Hand vor den Mund. Dann lächelte sie Onkel Eric kurz an. "Guten Morgen, Onkel Eric." Langsam munterer werdend strampelte sie sich von der Decke frei, und ihr ebenso wie die Haube leicht zerknittertes Nachthemd kam zum Vorschein. Sorgsam setzte sie Josephine neben sich ab und lehnte die Puppe mit dem Rücken an ihr Kissen. Dann rieb sie sich die Augen. Heute war Sonntag, also würde Onkel Eric nachher mit ihr in die Kirche gehen. Doch zuvor würden sie gemeinsam frühstücken. Schon zog der Duft von heißem Kakao in ihre Nase.
Mit einem erneuten Blinzeln setzte sie sich vollends auf. "Gehen wir nachher in die Kirche, zum lieben Gott beten, Onkel Eric?" Sie sah sich um, mußte sich einige Momente in dem noch ungewohnten Raum orientieren. Dann fiel ihr Blick auf die dampfende Tasse, die ihr Onkel mitgebracht hatte. Es war ihr anzusehen, daß der Kakao sie reizte. Dennoch legte sie die Hände brav in den Schoß. Onkel Eric würde ihr gleich erlauben, sich über das leckere Getränk herzumachen. Er erlaubte ihr viele Dinge, wenn sie artig war. Auch Dinge, die Mama ihr nicht erlaubt hatte, wie etwa im Bett zu essen oder zu trinken. Mama war strenger gewesen, als es ihr Vormund nun war. Man hätte durchaus sagen können, daß sich Sarah irgendwo in ihrem Hinterkopf bewußt darüber war, mit ihrem engelhaften, immer braven Verhalten wohl genau das zu unterstützen. Doch eine böse Absicht lag nicht dahinter. Sie respektierte ihren Onkel und Vormund, und es machte sie froh, wenn er ihr immer wieder zeigte, daß er zufrieden mit ihr war. Und so wartete sie auch jetzt wie gewohnt darauf, daß er ihr die ersehnte Erlaubnis gab, in der fröhlichen Gewißheit, daß es genau so kommen würde.
Geduldig wie Eric war, besonders heute, denn ihn plagten keine Kopfschmerzen, wartete er, bis Sarah aufwachte. Niedlich sah sie irgendwie aus. Sie war ganz sie selbst. Dennoch bemerkte er wieder die zerwühlte Decke, aber er wusste, dass Sarah unter Albträumen litt, ähnlich wie er. Aber sie war heute Nacht nicht in sein Zimmer gekommen, war damit wohl also heute Nacht mal besser klargekommen.
»Guten Morgen, Sarah!« lächelte er sie an. Das ihre Haube nicht mehr richtig saß, störte ihn nicht. Wenn er ehrlich war, fand er das Ding eh lächerlich im Bett. Das verrutschte doch immer.
»Jaa, heute gehen wir in die Kirche. Wie jeden Sonntag.« gab er dann zu Verstehen. »Aber vorher wäscht du dich und dann frühstücken wir.«
Das er Sarah den Kakao ans Bett brachte, obwohl sie nicht krank war, tat er absichtlich. Vielleicht tat man das als Elternteil nur, wenn das Kind krank war und Eric erinnerte sich nur zu gut, wie es in seinem Elternhaus war: Nur wenn er krank war, gab es alles ans Bett. Weswegen er schon mal geflunkert hatte, als er sehr klein war, denn manchmal war es schön, krank zu sein oder zu "spielen", eben WEIL es dann etwas ungewöhnlich war, alles an Bett zu bekommen. Daher brachte er nun aber Sarah den warmen Kakao ans Bett, denn auch wenn sie nicht krank war, wollte er ihr etwas gutes tun. Sie sollte merken und lernen, dass dies nicht immer nur geschah, wenn sie krank war. Natürlich brachte er ihr nicht jeden Morgen warmen Kakao, aber heute war Sonntag und schon wohnten sie hier knapp eine Woche.
»Hast du gut geschlafen? Oder haben dich wieder böse Alpträume gestört?« fragte er ganz offen. Dann aber nahm er war, wie ordentlich und gerade sie da saß und doch der Kakao sie reizte, aber brac wie immer abwartete. Also deutete er mit seinem Kopf zu dem Becher: »Bediene dich nur, als kleine Vorabstärkung ...«
Sarah ließ es sich nicht zweimal sagen, daß sie ihren Kakao nehmen durfte. Fröhlich schob sie ihre Nachthaube zurecht, damit sie wieder richtig sehen konnte, und griff mit beiden Händen nach der dampfenden Tasse. Von den Gedanken Erics bei ihrem Anblick ahnte sie dabei nichts – Mama hatte sie bereits frühzeitig an geordnete Verhältnisse, an Sauberkeit und geregelte Abläufe gewöhnt. Die Haube gehörte für sie zum Schlafen dazu, weil es immer so gewesen war. Daß das Kleidungsstück im Bett keinen sehr großen praktischen Nutzen hatte – abgesehen davon, ihr die langen Haare aus der Stirn zu halten – war daher für sie nicht wesentlich. Gewohnheiten, vertrautes, das war ihr wichtig. Dinge, die Geborgenheit und Sicherheit vermittelten. So wie die Haube zur Nacht, wie das Tischgebet und wie früher ihre Mama – nun Onkel Eric – an ihrem Bett, abends beim Einschlafen und morgens beim Aufwachen.
An dem heißen Getränk nippend hörte sie ihrem Onkel zu. Mit einem "Mhm" nickte sie. Aufstehen, waschen, frühstücken. Das war ihr allmorgendliches Ritual, an dem sie wohl auch festgehalten hätte, wenn es ihr kein Erwachsener gesagt hätte. Als er sie nach ihrer Nachtruhe fragte, stellte sie erst einmal den Kakao vorsichtig wieder ab, bevor sie antwortete. Der verschüttete heiße Kakao im Gästehaus, die Schmerzen der leichten Verbrühung und die Tränen hatte sie nämlich noch nicht wieder vergessen. "Ja, danke schön. Ich hab ganz gut geschlafen." Sarah log für gewöhnlich nicht, besonders ihrem Onkel gegenüber. Doch diese Worte waren ein wenig geflunkert. Natürlich hatte sie nicht richtig gut geschlafen, machte ihr doch die fremde Umgebung noch immer Angst. Vielleicht hatte sie im Schlaf auch wieder nach Mama gerufen. Das war schon oft vorgekommen. Aber sie wollte Onkel Eric keine Sorgen machen, denn es gab gewiß auch ohnedies genug Dinge, die ihm Kopfzerbrechen bereiteten. Darum beschwerte es ihr Gewissen nicht sonderlich, ihm in diesem Fall nicht ganz die Wahrheit zu sagen.
Was allerdings wenig daran änderte, daß sie keine gute Lügnerin war. Und da sie darum wußte, nahm sie auch eilig wieder ihren Kakao und senkte den Kopf, um erneut daran zu nippen. Direkt in die Augen sehen wollte sie Eric bei ihrer Flunkerei nicht, denn das konnte sie nicht. Dazu hatte sie zu großen Respekt vor ihm, und sie empfand auch zu große Zuneigung. Für Sarah war es stets ein Zwiespalt, ihm die Wahrheit zu sagen und damit zu riskieren, daß er traurig oder besorgt war, oder sich mit kleinen Notlügen oder Untertreibungen zu behelfen, was er nicht verdient hatte. Ein kleines Lächeln lief über ihr Gesicht, als ihr eine Möglichkeit einfiel, wie sie ihm Sorgen ersparen konnte, ohne etwas Unwahres sagen zu müssen. "Du, Onkel Eric? Darf ich zur Kirche das blaue Kleid anziehen?" Es war ihr schönstes, das sie nur zu besonderen Anlässen tragen durfte, mit einer großen Schleife und einer passenden Haube. Tatsächlich gefiel ihr der Gedanke, es wieder einmal aus der Truhe holen zu dürfen, in der es gut verpackt lag. Wenngleich sie mehr Begeisterung in ihre Frage legte, als nötig gewesen wäre. Hauptsache, Onkel Eric war von seiner Frage nach ihren Albträumen abgelenkt.
Eric schmunzelte innerlich, als er bemerkte, wie gierig Sarah schliesslich nach der Tasse mit Kakao griff. Auch wenn sie dann anschliessend eher daran nippte, aber es war ok. Ihre Worte dann kamen über ihre Lippen, auf seine Frage, b sie gut geschlafen hatte. Vielleicht log sie, aber dies war ihre Freiheit. Er konnte ihr nicht alles abnehmen. Selbst wenn sie Albträume gehabt hätte. Es war ihre Sache. Sie wusste, wenn es arg darauf ankam, konnte sie ihn in seinem Schlafzimmer aufsuchen.
Vielleicht mochte Eric zu "modern" wirken. Aber es gab halt immer Menschen, die auch anders reagierten, dachten oder sonst was. Er wollte nur Sarahs Wohl. Und er war und dachte nun mal über gewisse Dinge anders. Und das konnte er begründen.
Aber dann fragte ihn Sarah, ob sie ihr blaues Kleid tragen dürfe und Eric nickte nur. »Natürlich, darin siehst du aus wie eine Dame.« Er strich ihr sanft über den Kopf, mit Haube und meinte dann: »Nun aber ab ins Bad. Ich habe dir auch das Wasser angewärmt. Wir treffen und dann am Frühstückstisch, alles klar?«
Er begab sich dann in den Wohnraum. Wo er sich dann an den Tisch setze, auf dem das Frühstück stand.