Jethro lehnte auf den Unterarmen abgestützt gegen das baufällige Geländer seiner Veranda und kaute auf einer Zigarillo. Gegen die Kälte hatte er über den Mantel einen alten Poncho gezogen und den Hut tief in die Stirn gesetzt. Die Hände waren mit schwarzen Lederhandschuhen gegen den Wind geschützt, der vergeblich versuchte unter die Veranda zu fegen. Kleine Krähe stand in einem warmen Wollmantel neben Jethro und hatte die Hände tief in den Manteltaschen stecken. Er fror ein wenig, aber zugegeben hätte er das nie. Immerhin floß in seinen Adern stolzes Blut. Aber trotzdem fühlten sich seine Zehen an wie Eisklumpen, seine Nasenspitze war bereits taub und der Wind griff nach den Ohren, die leicht schmerzten. Was er hier draußen so furchtbar herausgeputzt sollte, war ihm noch schleierhaft. Jethro hatte vor dem Frühstück nur darauf bestanden, dass er sich ordentlich wusch und seinen Schulanzug aus dem Schrank holte. AUf seine neugierigen Fragen, hatte er nur unverständliche Worte gebrummt, die Kleine Krähe Zeichen genug waren, um besser nicht weiter zu bohren. Und während seine Mutter drinnen sich um den Abwasch kümmerte, hatte Jethro ihn nach draußen mitgenommen. HIer hatte er viel Zeit darauf verschwendet sich eine Zigarillo zu drehen und rauchte diese nun gefühlt eine Stunde. Jethro bekam die Unruhe des Jungen durchaus mit, aber war noch immer in Gedanken damit beschäftigt die richtigen Worte zu formen, um Jacob und seiner Mutter seinen Beschluss mitzuteilen. Da war kein Raum sich um den Jungen zu kümmern. Einige Bewohner der Straße strömten Richtung Kirche, deren Glocken gerade verklangen und die Zeit drängte. Er würde bereits schon nicht im Bordell nach dem Rechten schauen können, aber in dieser Hinsicht konnte er sich wohl auf Foster verlassen. Wirklich mögen tat er seinen Geschäftspartner noch immer nicht und er hielt ihn auch nach wie vor für einen eingebildeten Stadtmenschen, aber sie hatten überraschend viel zusammen in einer Woche auf die Beine gestellt. Damit hatte Jethro nicht einmal annährend gerechnet. Er konnte sich also auf ihn verlassen. Und die Kirche ging nun einmal vor.
"Wir geh'n in die Kirche, Jacob," knurrte Jethro schließlich und fand, dass sich das überlegen seiner Worte gelohnt hatte. "Wird Zeit, dass das verurteilende Volk dieser Stadt zu akzeptieren lernt, dass wir n'Familie sinn. Die können ruhig glauben was se wollen. Ihr gehört zu mir und als ne anständige Christenfamilie gehn wir in n'Kirche. Egal ob die tot umfallen. Geh, sag deiner Mutter Bescheid." Dass Kleine Krähe Jethro mit großen Augen anstarrte sah dieser nicht, denn sein Blick ruhte in der Ferne. Zusammengezogene Brauen, eng zusammengekniffene Augen, starre Miene. Alleine dass der RAuch aus der Zigarillo aufstieg, bewies, dass Leben in dem Mann herrschte. Kleine Krähe murmelte ein "Ja, mach ich", und sprang zur Haustür. Er hatte die Schule spannend gefunden, bis zu dem Augenblick als dieser Lehrer Hawkins angefangen hatte ihn vorzuführen, um einen Grund zu finden, ihn schlagen zu können. Er hatte einiges ausgehalten, Jethro zu liebe, aber meist war er noch vor Unterrichtsbeginn weggelaufen und hatte sich im Wald versteckt. Die Kirche übte zwar eine gewisse Faszination auf ihn aus, aber wenn der neue Gottesmann dort genauso war wie Hawkins verspürte Kleine Krähe wenig Lust auf ein weiteres Abenteuer in der Welt der Weißen. Die neue Lehrerin hatte sich zwar als wirklich nett und ruhig herausgestellt, aber sie begegnete ihm dennoch mit spürbarem Misstrauen. Aber die Schläge blieben aus und die spöttischen Worte, auch machte sie sich nicht über seien Herkunft lustig und genauso wenig hatte sie sich dem Vorhaben verschrieben, ihm die "ach so guten" Werte der Weißen einzubläuen. Im Gegenteil. Erst am Freitag hatte sie eine Konfrontation mit diesem Collin und Sionn O'Neil verhindert. Die hatten doch tatsächlich vorgehabt ihn im Toilettenhäuschen einzusperren. Da hätte er nicht nur den Unterricht verpasst und wäre womöglich erfroren, nein er hätte ganz sicher von Jethro wieder zu Hause was mit dem Riemen bekommen, weil er dem Unterricht fern geblieben war. GEld verschwendete dieser Weiße wirklich nicht gerne, dass hatte Kleine Krähe schon zu spüren bekommen. Aber Miss Spencer war mutig genug gewesen, sich zwischen die zwei großen Jungs und ihn zu stellen. Wahrscheinlich kannten sogar solche unterbelichteten Hornochsen den Ehrenkodex. Man schlug Frauen nicht. Nun gut.. also die Kirche... Aber seine Mutter würde niemals mitgehen. Sie hatte so viel mit einem Gotteshaus der Weißen zu tun, wie er mit den Zeremonien seines eigenen Volkes. Zumal er Mutters Volk nicht einmal als das eigene betrachtete. Aber auch die Weißen waren nicht 'sein' Volk. Es war schwer herauszufinden wer er war und KLeine Krähe bemühte sich sowohl seiner Mutter gerecht zu werden, als auch der eigenen Neugier auf diese Weißen, deren Blut zum Teil auch in ihm floss. Aber ob Jethro Widerspruch dulden würde? Wenn sich dieser Mann etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann tat er es auch. Ganz gleich was andere darüber dachten oder wie er dieses Ziel erreichen konnte. Er hatte letztendlich auch diesen Saloon kaufen können. Und jetzt versprach er ihnen ein baldiges, besseres Leben. Wie auch immer das aussehen mochte.
Kleine Krähe war froh der Kälte kurz entkommen zu können, denn durch die offene Tür strömte ihm warme Ofenluft entgegen. Doch ehe er hinein huschen konnte, ermahnte ihn Jethro sich kurz zu fassen, die Zeit würde drängen. Also blieb Kleine Krähe im Türrahmen stehen und sah unsicher zwischen Jethro draußen und seiner Mutter drinnen hin und her. Auch wenn Jethro es nicht leiden konnte wechselte Kleine Krähe in seine Muttersprache, damit er sich ungestört mit Mutter unterhalten konnte. Auch wenn er sich erst einmal nicht gerade mit Erklärungen aufhielt. "Iná, Jethro möchte in die Kirche.... mit uns. Du sollst kommen."
Witashnah drinnen im Haus. Jethro auf der Veranda. Kleine Krähe schaut herein
Der gestrige Abend war sehr erhellend gewesen. Witashnah fühlte innerlich, dass es richtig gewesen war, ihr Schweigen zu brechen. Das, was sie zunächst als Druckmittel gegenüber Jethro gedacht hatte, hatte sich mehr und mehr als sinnlos herausgestellt. Jethro hatte zwar immer geschimpft, dass sie ihm nie geantwortet hatte aber eigentlich hatte sie den Weißen irgendwie doch immer gemocht. Zumindest dann, wenn er ihren Sohn nicht schlug. Solch ein Verhalten war absolut inakzeptabel.
Die Nacht danach hatten sie gemeinsam miteinander verbracht. Auch hier hatte Jethro sich einmal wirklich Mühe gegeben, jedoch war das ein aussichtsloses Unterfangen. Witashnah konnte keine Lust empfinden im Bett mit einem Weißen. Es war zwar irgendwie harmonisch aber wirkliche Lust hatte sie dabei noch nie empfunden.
Jetzt wusch sie die Teller und das Besteck. Leider gab es keinen Fluss oder Back wo sie das hätte tun können aber vielleicht war es auch gut so. So musste sie immerhin nicht hinaus in die Kälte und unter die Menschen vor denen sie seit gestern doch wieder ziemliche Furcht empfand. Sie war gerade fertig als eine Kältewelle anzeigte, dass die Tür nach draußen offen stand. Die kleine Krähe stand dort und verkündete, dass Jethro zusammen mit ihm und ihr hinausgehen wollte. Wohin, das hatte sie nicht so recht verstanden.
Witashnahs erster Impuls war, abzuwinken. Sie konnte nicht hinaus. Es war noch so viel Arbeit zu tun. Aber sie wusste auch, dass das nicht stimmte. Es war nur ihre Furcht. Aber Jethro war doch bei ihr. Und er wusste genau, was er konnte und was nicht. Und er war mutig und gerecht. Das hatte er gestern wieder einmal unter Beweis gestellt. Sollte sie da nicht auch Mut zeigen?
"Was bedeutet das... Kirche? Wo möchte Jethro hineingehen?" fragte sie zurück. Ihr Sohn war recht klug für sein Alter und er kannte sich in den Dingen der Weißen schon gut aus. Ein Kind zweier Welten war er und Witashnah hatte das Gefühl, ihn für ihr eigenes Volk beinahe schon verloren zu haben. Aber da es sowieso keine Chance mehr für ihn gab, richtig aufzuwachsen, sollte er wenigstens die Chance haben in der Welt der Weißen zu Recht zu kommen. Deshalb - und nur deshalb war sie noch hier.
"Die Kirche" erklärte Kleine Krähe schnell, wobei er sich nach Jethro umsah, ob dieser wohl schon ungeduldig wurde "ist das große Haus des lieben Gottes... des großen Geistes der Weißen. Komm bitte!"
Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Jetzt wusste sie, um was es ging. Das Haus mit den Glocken darin. Dort versammelten sich alle Weißen - oder fast alle - einmal in der Woche und lauschten den Gesängen und Worten ihres Schamanen. Da wollte sie nicht hin. Gar nicht. Aber würde Jethro das zulassen?
Witashnah zweifelte. Zweifelte an sich. Wollte sie Streit mit Jethro? Ausgerechnet jetzt? Jetzt, wo gerade alles so harmonisch war? Und konnte ihr dort etwas passieren? Sicher konnte es das. Aber das konnte es ja auch immer und überall. Das hatte sich ja gerade gezeigt. Nur hier war es Jethros Wunsch und er würde zugegen sein.
"Iná?" Kleine Krähe wirkte unruhig.
"Ich komme!" nickte Witashnah, trocknete sich schnell die Hände ab und nahm ihre lange Felljacke, die sie von Tadewi geschenkt bekommen hatte. Es war eine schöne, ganz und gar indianische Kleidung, die sie trug. Von Kopf bis Fuß. Sie war warm und auch wieder sauber. Und sah richtig gut aus, so fand sie. Sie schlang sich den Gürtel mit dem Dolch daran um und trat dann nach draußen zu Jethro und ihrem Sohn.
"Jethro!" sagte sie dann. "Ich bin da. Ich komme. Aber ich bin Angst. Du helfen, ja?"
OOC: Du denkst dran, dass ich Kleine Krähe als vollwertigen Charakter spiele? Und nicht als mitführenden NPC
Jethro mit Kleiner Krähe und Witashnah
Jethro kaute auf seiner Zigarillo herum, spuckte ein wenig Tabak in den Schnee und stieß einen Rauchkringel in die Luft. Das Warten fiel ihm nicht schwer. Er hatte in seinem Leben Geduld zu schätzen gelernt. Manchmal war Geduld von Vorteil und oft nützlich. Überhitzte Gemüter und voreilig handelnde Menschen hatten Jethro in den letzten Jahren seiner Wanderschaft oft genug vor Augen geführt wie unklug sie damit ihr eigenes Leben verspielten. Heute ging es jedoch eher darum den Frieden zwischen Witashnah und ihm nicht zu zerstören. Ja, Witashnah. Sie hatte endlich einen Namen, dank ihrem Gespräch. Zwar tat sich Jethro noch ein wenig schwer mit ihrem Namen, aber es war angenehmer als ständig nur von 'der Squaw' zu reden. Nun, wenn sie mit Kleiner Krähe erst noch reden musste, und dann dennoch kam, war ihm das so recht, wie ein rascher Aufbruch. Es störte ihn zwar, dass die beiden in ihrer Sprache miteinander redeten, aber er wollte auch dies dem Frieden zu liebe nicht unterbinden. Schließlich hatten Witashnah und er gestern Nacht endlich wieder einmal nicht nur das Bett geteilt, sondern ein paar schöne Augenblicke miteinander verbracht. Zumindest ihm hatte es gefallen und er hatte sich die größte Mühe gegeben. Bei Witashnah war er sich allerdings nicht so sicher. Er hatte eine Menge Mädchen gehabt, professionelle verstand sich. Er wusste also, wenn man ihm etwas vorspielte. Witashnah hatte sich aber nicht die MÜhe gemacht etwas vorzugeben, noch hatte sie gezeigt, ob Jethro das richtige mit ihr tat. Aber ihr war auch nicht unbedingt Widerwille anzusehen gewesen, noch hatte er eine Ablehnung ihm gegenüber verspürt. Es war wenigstens nicht mehr ganz so gefühlsarm und kalt zwischen ihnen verlaufen, wie in den Nächten ihrer Wanderung, als es überdeutlich zwischen ihnen gestanden hatte, dass es eine reine 'geschäftliche' Abmachung zwischen ihnen gewesen war. Sein Schutz für ihr Stillhalten. Es hatte sich etwas geändert und Jethro gefiel diese Veränderung. Mehr als er zugeben wollte. Und das er bei den Gedanken die ganze Zeit über ein leichtes Lächeln zeigte, wäre ihm sicher peinlich gewesen, hätte er es bewusst mitbekommen.
"Sie kommt," Kleine Krähe war unbemerkt an Jethros Seite zurückgekehrt und er musste mit einer hochgezogenen Braue feststellen, dass dem Jungen wohl so mancher indianischer Instinkt angeboren war. Lautloses Schleichen... musste man wohl in Jacobs Fall nicht erst trainieren. Er grinste schräg. "Fein, ich frier hier nämlich langsam fest." Jethro wechselte den Stummel hinüber in den anderen Mundwinkel und richtete sich auf, als Witashnah in ihrer Felljacke gekleidet das Haus verließ. Nun damit würde sie sicher ein wenig Aufsehen erregen, aber das war Jethro gleichgültig. Es wurde Zeit, dass dieser Ort akzeptierte, dass das hier seine Familie war. Vielleicht nicht die Familie, die er sich freiwillig ausgesucht hatte, aber eben jene Menschen ohne die er sich sein weiteres Leben nicht mehr vorstellen konnte. Und es war nicht an ihm Witashnah zu verbiegen. Sie sollte sie sein. So wie er sie kennengelernt hatte. Und inzwischen auch zu lieben glaubte. Ein feines Lächeln lag auf seinen ansonsten starren Zügen und er nickte ihr zu. "Du siehst sehr gut aus," er wählte einfache Worte, damit sie ihn auch richtig verstand, auch wenn er fand, dass "sehr gut" noch zu wenig war. Ihren Dolch an ihrer Seite bemerkte er mit einem kritischen Blick. Es war ihr nicht zu verdenken, dass sie nach dem Erleben am Montag bewaffnet sein wollte und falls Jacob ihr erklärt hatte, wohin sie gingen, war es nur um so verständlicher. Er selbst trug auch seinen Revolver unter dem Mantel, aber durch den Poncho darüber war sie mehr als verborgen. Aber auch in dieser Sache hielt er den Mund. Witashnah musste ihr eigenen Erfahrungen machen.
"Gehen wir," sagte er schließlich knapp und trat an die Seite "seiner Frau" und schob Jacob vor sich her, damit er vor ihnen den Weg nehmen konnte. "Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin da. Das weißt du." Vielleicht, so kam Jethro dabei völlig ohne Zusammenhang in den Sinn, konnte Jacob oder gar Witashnah ihm heute Abend ein paar einfache Worte in ihrer Sprache beibringen? Damit er ihnen noch ein wenig mehr entgegen gehen konnte...
Tbc ~ Kirchenplatz (auf Witashnahs Bitte hin schreib ich da gleich den nächsten Post...)