Die Woche konnte man durchaus als kleine, persönliche Hölle bezeichnen. Die Warterei auf den Sonntag zerrte an Elisa und die ohnehin nicht sehr Geduldige, sah sich hier einer Zerreissprobe ausgesetzt. Es war schwierig genug die Gefühle in ihrem Inneren zu verbergen, damit niemand in der Familie mitbekam was los war. Ein Teil von ihr wollte jauzend und tanzend über die zugeschneiten Wiesen springen, der ganzen Welt zeigen wie glücklich sie in ihrem inneren war, der andere Teil rannte dem ersten hinterher und haute ihm auf den Kopf, so fühlte es sich zumindest an. Die irritierenden Momente, wenn ihr Blick ins leere wanderte und ihr Kopf auf Wanderschaft ging. Vor ihrem geistigen Auge das Gesicht von Jake erschien und Elisas Gesicht diesen gewissen Ausdruck bekam, der eigentlich verräterischer nicht hätte sein können. Aber Aaron war zu jung ihn zu verstehen und Grace zu beschäftigt ihn zu bemerken. Zum Glück, denn der Mutter in einem Gespräch ausgeliefert gewesen zu sein, wäre geradezu fatal gewesen. Wenn Elisa eines nicht konnte, weil sie es auch nicht wollte, dann war es ihre Mutter anzulügen. Dinge weglassen, das war ok, ebenso gar nicht erst darüber zu sprechen aber lügen? Nein, das ging nicht. Das hätte dieses gewisse Verhältnis zwischen ihr und Grace belastet und als Nigger musste man sich nunmal die wenigen Menschen im Leben, die zu einem hielten irgendwie bewahren. So war das nunmal. Von wegen Freiheit und Gleichheit. Vor dem Gesetz vielleicht, wenn man das mit viel wohlwollen betrachete aber was die Weissen letztlich zuliessen, das stand wieder auf einem ganz anderen Blatt. Nein, Elisa war dankbar das ihre Mutter so beschäftigt war und sie selber bekam so auch ein wenig Ablenkung von ihren Gedanken, welche sie Nachts immer so lange wach hielten. Den Luxus, so wie Jake, sich Erleichterung im Toilettenhäuschen zu verschaffen, den hatte Elisa nicht, zumindest wäre sie nie auf die Idee gekommen, zumal auch ihr Blutfluch wieder gekommen war, was Elisa nicht gerade zu einer angenehmen Gesellschaft machte. Aaron hatte gelernt das seine geliebte, grosse Schwester an einigen Tagen im Moment eine giftspuckende Kratzbürste sein konnte. Warum wusste er nicht, nur das es besser war der grossen Schwester in diesen Tagen aus dem Weg zu gehen. Das half Elisa ein wenig Zeit für sich zu haben, Zeit in der sie sich mit ihrer Gitarre ablenkte.
Heute, dem heiligen Sonntag war sie früh wach. Die Vorfreude auf die Kirche, unter einem neuen Reverent beflügelte Elisa ebenso wie die Aussicht Jake wiederzusehen und das was sie und er nach der Kirche vorhatten. Ihn im Wald, bei der alten Mühle zu treffen und dort Zeit mit ihm verbringen zu können, wieder ihr Boxtraining zu bekommen, ihm in die Augen schauen zu können, ihn zu küssen. Zwei Sachen auf die sie sich freuen konnte und nur eines davon hatte einen gewissen Teil von unvorhersehbarem an sich. Wie der neue Reverent war wusste sie nicht, hatte ihn bisher weder gesehen noch getroffen. Elisa schlich sich aus dem Haus, hinüber zum Schuppen in dem der Badezuber stand um dort den Ofen anzufeuern. Der Horizont zeigte die feine, rötliche Linie die den Sonnenaufgang ankündigte aber richtig hell würde es frühestens in einer Stunde sein. Schnell huschte sie in den Schuppen und gin direkt zum Ofen herüber. Die Asche leerte sie in einen Eimer aus, schichtete Holz in den Ofen und feuerte diesen an. Nun kam der schwere und bei der Kälte unangenehme Teil, das Wasser in den Zuber zu bringen. Sechs volle Eimer heisses Wasser und drei Eimer Schnee würden es sein müssen, bevor sie ihr erhofftes Bad würde nehmen können. Eine elende Plagerei, aber sie wollte heute besonders gut zur Geltung kommen. Sowohl für die Kirche als auch für Jake. Alles gründlich säubern, Haut, Haare, sich gut frisieren ohne zu sehr zu übertreiben damit es nicht doch noch auffiel, für Jake eben. Wenn heute nicht wieder etwas dazwischen kam war es ein bedeutender Tag, sowohl für sie als auch für ihn. Auch etwas auf das sich Elisa sehr freute, aber die letzten beiden Versuche waren auch schon in die Hose gegangen und so machte sie sich nicht allzu grosse Hoffnung das das Schicksal es heute mit ihnen besser mit meinen würde.
Wenn sie doch nur das Geld für eine Dampfmaschine gehabt hätten. Mit einer solchen und einem geschickten System aus Kupferohren müsste sich der Schuppen hier doch in ein ordentliches Badezimmer verwandeln lassen. Aber das waren wieder Wunschträume, Fantastereien wie Ma sie immer nannte. Wenn etwas für Züge funktionierte, warum dann nicht auch für einen verfluchten Badezuber? Im Geiste sich wieder ablenkend, indem sie ein Badezimmer erdachte, bei dem das Wasser gesammelt erhitzt wurde und man mit einer simplen Pumpe das erhitzte Wasser in den Zuber befordern konnte, bereitete Elisa ihr Bad vor. Ein elender Zeitaufwand aber er würde sich lohnen. Eine Stunde später verliess Elisa den Schuppen, gründlich gebadet und jeden Fleck ihres Körpers gründlich gereinigt. Die Haare halbwegs getrocknet und bereit gebürstet zu werden, eilte sie in ihrem Nachthemd wieder durch den Schnee zu Haus, in dem mittlerweile schon Leben herrschte. Grace war mit dem Frühstück beschäftigt, eine Aufgabe die Elisa ihr abnahm. So konnte ihre Ma sich in Ruhe baden und Elisa hatte ihre Mutter 'unter den Füssen weg'. Keine unangenehmen Fragen. Aaron half ihr mit dem decken des Tisches, während Elisa das Brot schnitt und den Käse. Viel Vorräte waren nicht mehr da. Nur noch ein Sack Kartoffeln, einige Kilo Mehl, der Käse und ein geräucherter Schinken, einige Hartwürste. Wenn nicht bald Vorräte kamen würde es verflixt eng werden. Nur kurz währten die Sorgen, bevor Elisa sich, Jake im Kopf, fröhlich wieder an die Hausarbeit machte und der Familie das Frühstück bereitete, während ihre Ma das zweite Bad genoss.