Alle Zimmer sind in Ausstattung und Größe gleich geschnitten. Jedes Zimmer hat ein Doppelbett, egal ob es als Einzelzimmer oder Doppelzimmer vermietet wird. Die Betten sind aus edlem Holz gezimmert. Alles sind Himmelbetten. Zwei Matratzen übereinander. Viele Kissen zieren die Tagesdecke (Quilt), die in jedem Zimmer ein anderes Muster trägt. Die Wände sind mit Holz vertäfelt, der Boden besteht aus polierten Dielenbrettern. Schöne Teppiche bedecken ihn.
Nachttischen, Öllampen und ein Schrank runden die Zimmer ab. Ein kleiner Sekräter bietet darüber hinaus Platz für Briefverkehr und am Fenster steht in der Ecke ein kleiner runder Tisch mit zwei Stühlen.
Ein Ofen im Raum bietet an kalten Tagen die Möglichkeit das Zimmer zu feuern.
Eine Waschschüssel steht auf einem kleinen Regal neben der Tür.
Im hinteren Bereich steht eine Trennwand, hinter der sich umgekleidet werden kann.
Stevie stand müde und mit beiden Händen neben ihrer Waschschüssel aufgestützt vor ihrem Spiegel und besah sich das Bild des Jammers, das sich ihr darin bot. Die letzten Tage waren alles andere als erfolgreich verlaufen. Bisher hatte sie noch keinen Job ergattert, denn überall hatte man sich unter fadenscheinigen Gründen oder offen gezeigter Ablehnung bei ihrem Anblick gegen sie ausgesprochen, Türen vor der Nase zugeschlagen oder ihre Frage nach Arbeit überhaupt nicht ernst genommen. Teilweise hatte sie sogar Cassiel begleitet und selbst seine Anwesenheit hatte die Menschen in dieser Stadt zu keiner anderen Meinung bringen können. Man(n) sah nur eine Frau in Hosen vor der Tür stehen und schon stand die Antwort auf Stevies Frage ihrem Gegenüber im Gesicht geschrieben: Nein, nein und nochmal nein. Wütend schlug Stevie mit der flachen Handfläche auf den Schrank, so dass das Wasser in der Waschüssel erbebte. Die Leute konnten doch nicht so beschränkt sein. Was hatte ihr Äußeres mit ihrer Arbeitsleistung zu tun? Nichts und wieder nichts! Selbst Adam Baker hatte ihr nicht weiterhelfen können. Er hatte sich, tja wie sollte man es nennen, Stevie hatte fast den Eindruck nicht getraut ihr weiterzuhelfen. Er war rettungslos überfordert gewesen als sie bei ihm nach Arbeit angefragt hatte und hatte immer wieder davon gefaselt, dass er nicht der Richtige sei, der dies zu entscheiden hatte. Warren irgendwas war dann immer über seine Lippen gekommen und dabei hatte er ausgesehen als würde er vom Leibhaftigen sprechen. Die Nachfrage bei Cassiel hatte dann ergeben, dass es sich um einen Rancher handelte, mit dem wohl nicht zu spassen war. Und dieser Warren lebte ausserhalb der Stadt und war somit erstmal auch ausserhalb von Stevies Reichweite, denn bei diesem Wetter war es glatter Selbstmord zu Pferd durch die Schneewehen zu waten. Doch allmählich wurden die Finanzen knapp und die Not immer größer.
Stevie hatte Cassiel heute mehr oder weniger gezwungen sie nicht zum Frühstück im Gästehaus zu begleiten. Sie wollte sich bei ihm melden im Laufe des Tages. Er sollte nicht Opfer ihrer allmählich unkontrollierbaren schlechten Laune werden. Ein Wesenszug, dem sie sich nur selten hingab, denn eigentlich hatte sie bisher immer einen Weg gefunden weiterzumachen und sich durch nichts ihre frohe Art verderben lassen. Doch allmählich wurden die Spielchen ermüdend. Die ständige Ablehnung und die misstrauischen Blicken, die sie immer und überall musterten, das Flüstern hinter vorgehaltener Hand oder die eine oder andere abfällige Bemerkungen ließen sich nicht an jedem Tag gleich gut ignorieren und waren auf Dauer zermürbend.
Stevie schöpfte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht und begann sich frisch zu machen, während sie fieberhaft überlegte wo sie heute nach Arbeit fragen sollte. Vielleicht sollte sie doch Whisky satteln und diesen Warren aufsuchen, auch wenn sie dort halb tot ankommen würde bei diesem Wetter, doch wenn sie am Ende Arbeit haben würde, wäre es die Strapazen wert. Und falls nicht konnte ihr dort auch nicht mehr blühen als ein erneutes: Nein!
Als sie ein frisches Hemd überstreifte und dieses anschließend in die Hose stopfte klimperte diese mit den letzten Münzen, die sie hatte. Für das Frühstück und eine weitere Nacht würde es noch reichen, aber dann…. Selbst die Unterkunft für Whisky wusste sie nicht mehr zu bezahlen und noch war kein Wetter, um das treue Tier auf der Strasse stehen zu lassen. Zum Glück weiss Cassiel nichts davon schnaufte Stevie und schlüpfte in ihre Stiefel. Wenn sie heute keine Arbeit finden würde, dann musste sie weiterziehen. Möglicherweise war Camden Village doch eine Sackgasse gewesen, auch wenn alles viel versprechend angefangen hatte. Ein letzter Blick in den Spiegel sagte ihr, dass sie auch weiterhin furchtbar aussah. Mit Schatten unter den Augen aufgrund durchwachter Nächte und blasser Haut, die sich nach der Sonne sehnte.
Ein Lächeln glitt trotz allem über ihre traurigen Gesichtszüge, als sie an Cassiel dachte. Er hatte ihr wirklich versucht volle Unterstützung zu leisten und war beharrlich an ihrer Seite geblieben wenn sie in der Stadt unterwegs war, auch wenn er dadurch mitsamt seiner rätselhafte Begleitung in aller Munde sein würde. Er hatte sie des öfteren zu Serenity eingeladen und Stevie hatte aus Geldnot das eine oder andere Mal tatsächlich das Angebot angenommen. In diesen Momenten hatte er es verstanden sie von ihren Sorgen abzulenken. Stevie mochte das Cafe und Cassiels Geschwister. Kaum trat sie dort ein fühlte es sich an als sei die Welt völlig in Ordnung. Erst als sie nach dem Essen und oftmals ein paar geselligen Stunden wieder vor die Türe trat waren Sorgen und Ängste wieder zurück. Doch davon hielt sie Cassiel fern, denn sie wusste, dass er sich sonst damit auch noch belasten würde und ihrer Meinung nach hatte er auch so schon mit ihr genug zu tun. Sie würde sich auf jeden Fall heute bei ihm melden, zumal er immer noch ihr einziger Anschluss in Camden Vilalge war, den sie gefunden hatte. Aber vielleicht änderte sich das ja heute nickte sie sich im Spiegel zuversichtlich zu und straffte die Schultern. Sie durfte jetzt nicht aufgeben, denn das wäre gegen ihre eigenen Regeln gewesen.
Doch zuerst galt es an diesem frühen Morgen etwas in den knurrenden Magen zu bekommen, bevor sie durch die Stadt streifen würde, auf der Suche nach einer Lösung. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass sich das Wetter in den letzten Tagen nicht gebessert hatte und Camden Village immer noch vom Umland abgeschnitten war. Sie hatte die Leute auf den Straßen darüber reden hören, dass auch die Lebensmittel allmählich knapp wurden. Bisher hatte Stevie hier im Twin Falls oder bei Serenity nichts bemerkt, aber sie wusste ja auch nicht wie es wirklich hinter den Kulissen aussah. Es wurde auf jeden Fall Zeit damit sich etwas tat. Und zwar nicht nur mit dem Wetter. Vorerst entschlossen verließ sie ihr Zimmer.