Jesse ging neben Megan und hielt sie seicht am Arm, als er sie auf einmal sehr fest drückte und als sie dann unter sich waren meinte er nur, als er sie anschaute: »Ach Megan, ich habe dich so wahnsinnig lieb. So sehr als das ... ich gar nicht mehr weiss, was passiert ...« Jesse nahm Megan sehr liebe voll in seinen Arm und zeigte ihr, wie lieb er sie hatte. Aber da war auch noch etwas anders. Pure Angst. Aber Jesse zögerte darüber zu reden. Er strich seiner Megan sanft über das Haar, l´egte liebevoll seine Hand auf ihren Bauch. Und blickte sie an. Und Megan konnte in seinen Augen die pure Angst sehen. Auch wenn er es versuchte, zu verbergen. Und Megan konnte sehen, dass er es versuchte zu verbergen, seine Angst. Jesse sah sie einfach nur an. In seinem Blick vereinte sich soviel: Der starke Mann, aber auch der so kleine Junge. Und dann blitze etwas in seinen Augen, und es war totale Panik. Aber eine Erklärung blieb aus. Jesse versuchte sich zu finden, alles zu überspielen. Er meinte es nicht böse, aber er spürte auch, dass es hier um sein ganzes Sein ging und dennoch das um Megan. Er kannte das irgendwie und er hatte Angst, furchtbare Angst,Aber er wollte auch stark sein, für seine Megan. Er wollte sie nicht enttäuschen. Er wollte stark für die sein und spürte, dass sein eigenes Leben eigentlich egal war. Und doch war es doch wichtig.
Aber was, wenn Butch auf Megan traf und Jesse gerade nicht da war? Was wenn??? Jesse hatte so große Angst , er war nun mal alles andere als perfekt, was, wenn er versagen würde? Wenn er seine neue Familie nicht würde schützen können?
Jesse wusste es nicht, aber dann tat er einfach nur eines: Er nahm Megan fest in den Arm. Mehr tat er nicht. Aber er nahm sie sehr liebevoll, sehr innig in den Arm, so, als wollte er sie nie mehr loslassen.
"Danke, Megan, aber nein, es geht schon und natürlich komme ich mit. " Megan schaute ihn an, mit einer leichten Mischung aus Dankbarkeit und Vorwurf. Er versuchte wieder stark zu sein, spielte seine Sorgen und sein körperliches Unwohlsein in den Hintergrund, für sie, für andere. Einerseits so unglaublich süss, das er diese Opfer für sie bringen wollte, aber andereseits wollte sie ihn ja auch nicht in eine Situation bringen, wo er eventuel einen neuerlichen Anfall bekommen würde. Das alte Dilema, der Mann hatte stark zu sein. " Ich will das auch. Wäre ja gelacht ..."
Dagegen konnte sie wenig sagen und es wäre wohl ohnehin sinnlos gewesen. Jesse war nunmal stur, auch wenn sie ihn halbwegs lenken konnte, mit Bitten, so wollte sie ihn doch nicht lenken. Seinen Gedanken, nah möglichkeit nicht als erstes im Gästehaus zu erscheinen, konnte Megan nachvollziehen und dabei dachte sie nichtmal an Holly. Vielmehr die Reaktionen der anderen, besonders die von Mrs Farley, war ihr erstes und bisher einziges zusammentreffen mit der Hotelbesitzerin doch alles andere als gut verlaufen und Megan mocht die Frau nicht. Eine blasierte Ziege in ihren Augen. Ein wenig Puffer, durch andere Gäste, welche Mrs Farley hoffentlich veranlassen würden zumindest ein wenig selbstkontrolle und Höflichkeit an den Tag zu legen wenn Megan ihr Lokal betrat, war etwas das die Blondine durchaus begrüsste. So gingen Jesse und Megan weiter die Lake Street lang und er legte liebevoll den Arm um ihre Schulter "Ich bin so froh, dass du da bist, mein Schatz ... " und bevor Megan etwas erwidern konnte, fühlte sie sich von Jesse mitgezogen, aus dem Blickfeld der anderen Bürger, an eine verborgene Hauswand. Er drückte sie leicht daran und begann sie leidenschaftlich zu küssen, was so gar nicht zu seiner Stimmung von eben passte, aber wer war sie das sie sowas ablehnte. Seid einer Woche lag er, wie ein leckerer Kuchen vor ihr auf dem Teller und lockte, besonders heute Morgen und so war es eine willkommene Näherung durch ihn, die sie sehr genoss. Megan erwiderte den Kuss, auch mit dem leichten Bauchgefühl, das es nicht so gewollt und ehrlich war, wie Jesse ihr glauben machen wollte. Jesse löste sich von dem Kuss und sprach wieder zu ihr. Er strich ihr sanft über das Haar, legte liebevoll seine Hand auf ihren Bauch. "...Ich gar nicht mehr weiss, was passiert ..."
Was sie allerdings in seinen Augen sah, war Angst, pure Angst. Die Zukunft war ungewiss, soviel stand fest, das war sie für jeden und jeder neue Tag war ein Geschenk und zugleich ein Sprung des Glaubens und Vertrauens. Was ihn belastete wusste sie nicht, auch nicht was ihm solche Angst bereitete aber sie konnte es ahnen. "Ach Schatz, ja wir haben viel vor uns, aber wir haben einander und wir werden das schaffen. Du wirst ein toller Papa sein, ich hoffentlich eine gute Mutter. Wir werden ein ganzes Rudel an Kindern zusammen grossziehen, gemeinsam alt werden. Ich habe keine Angst mehr vor der Zukunft, ich habe dich. " lächelte sie zu ihm hoch und kuchelte sich an ihn. "Wir haben einander, alles ist gut, alles wird gut." Sagte sie gegen seine kräftige Brust. Irgendwie musste sie ihm die Angst nehmen. Hatte er Angst das sich das Schicksal seinen Wynona widerholen konnte? Das er eines Tages Heim kam und sie nicht mehr da war? Oder schlimmer, er Tristans Schicksal erleiden musste? Das wäre eine Angst die sie ihm nur schwerlich würde nehmen können, etwas das sie einfach auf sich zukommen lassen mussten, in Hoffnung und Gottvertrauen, das es niemals eintreten würde. Mehr konnten sie nicht tun.
"Versuch weniger auf dem herumzudenken was Schlechtes sein könnte und denk mehr auf dem Guten, das sein wird herum mein Schatz." Sie schaute wieder zu ihm hoch. "Ich werde mein bestes tun jeden Tag mindest zwei deiner süssen Lächler auf Dein Gesicht zu zaubern und dich so mit Liebe und Zuneigung überschütten, das du keine Zeit hast über schlechtes nachzugrübeln. Versprochen."
Megan und Jesse am Rand der Strasse, an einer Hauswand
Für Jesse war es eine ungeheure Bestätigung, dass Megan seinen Kuss erwiderte. Es war mehr als nur ihre Lippen so nah an den seinen zu spüren. Er konnte es nicht mal wirklich erklären. Er schmeckte und fühlte sie so nah bei sich und es ging ihm für dem Moment einfach nur gut. Sie liebte ihn und er liebte sie. Aber da war auch mehr. Ja, Jesse hatte Angst. Wollte aber weder darüber reden, noch diese Angst zeigen. Auch wenn er es tat, ohne es wissentlich zu tun. Natürlich wollte er ganz der Mann sein. Wollte zeigen, dass er mit allem klar kam, denn sonst wäre er ja kein Mann. Und dennoch wusste er, dass es mit Megan anders war. Sie liebte ihn, wie er war, mit all seinen Schwächen und Ängsten. Aber Jesse hatte ein Problem: Er liebte sich selber nicht wirklich. Wie sollte er da jemand anderes lieben? Und wie würde es sein, wenn er Liebe erführe und sie dann nicht erkannte? Ein Dilemma, dem Jesse sich nicht stellen konnte, weil er dieses Dilemma einfach nicht sah oder nicht wusste, wie er es erkennen sollte. Jesse war auf seine Weise stark. Er wollte nicht aufgeben. Dennoch wusste er, dass er mehrmals in seinem Leben hatte aufgeben wollen. Ganz offentlichtlich damals im Zuchthaus, als er sich die Pulsadern mit einer stumpfen Scherbe aufschlitze ...
Aber er wollte daran nicht mehr denken. Er wollte auch sterben, als man ihm seine Wynona nahm ... aber damals hatte er dann einen neuen Freund gefunden: Den Whisky. Und jetzt? Jetzt war er verlobt und sollte erneut Vater werden. Und ja, er hatte Amagt, furchtbare Angst. Er konnte sein Glück nicht fassen, weil da etwas waar, das ihm sagte: Vorsicht: Du weisst, es kann ganz anders kommen. Jesse traute sich nicht mehr, dieses Glück wirklich zu leben. Dabei bemitleidete er sich nicht einmal. Er wollte sich nur schützen. Vor Schmerz und Trauer.
Und dennoch hatte er Megan an den Rand der Strasse und hinter eine Hauswand gezogen und leidenschaftlich geküsst. Und Megan hatte seinen Kuss erwidert. Für ihn war es das größte. Ja, sie liebte ihn. Dies war eine Bestätigung, die er einfach brauchte. Und sie fragte nicht nach seinen Ängsten. Die Angst vor Butch oder davor, von diesem wieder beherrscht, missbraucht zu werden. Jesse wollte sich nicht mehr so hilflos fühlen. Und doch wusste er nicht, wie er es anstellen sollte. Also blieb ihm einfach nur ein kleiner Strohhalm: So zu tun, als wäre er stark. Und er ging einen Schritt weiter: Er WAR stark. Versuchte es zumindest, es sich einzureden. Aber das allein half schon.
Aber bei Megan war das alles so anders. Und als sie sich so nahe waren, lauschte er ihren Worten. Und diese waren einfach nur positiv und nirgends war ein Wort des Zweifels oder des Vorwurfs. Jesse spürte, dass Megan ihn wirklich liebte, ohne Forderungen. Das war fast ein wenig neu für ihn. Oder ganz neu. Da gab es einen Menschen, der einfach für ihn da war, egal, wie er dachte oder fühlte. Es erinnerte ihn etwas an Wynona, sie war ähnlich. Aber bei Megan spürte er es um einiges mehr. Megan liebte ihn einfach, wie er war und dies war eine relativ neue Erfahrung für den Mann aus Montana. Es war, als würde er das erste Mal erfahren, dass es da jemanden gab, der ihn ohne Kompromisse liebte, ihn annahm, wie er war. Auch wenn er es langsam so sah, es würde noch etwas dauern, es wirklich so zu sehen.
Dennoch hielt er Megan sehr liebe voll und nicht zu fest und fordernd im Arm. Er selber wusste, wie es war, wie es war, zu sehr festgehalten zu werden ...
Und dann lauschte er Megans Worten und nickte einfach nur. Seine Liebste war so vorausschauend. Sie war so perfekt, dass er es erst nicht wahrhaben wollte. Und dennoch sprach Megan einfach nur etwas aus, was sie als wahr empfand. »"Ach Schatz, ja wir haben viel vor uns, aber wir haben einander und wir werden das schaffen. Du wirst ein toller Papa sein, ich hoffentlich eine gute Mutter.«
Ja, sie hatten sehr viel vor sich. Aber Megan hatte Recht. Gemeinsam würden sie es schaffen. Und ob er ein guter Papa werden würde, daran wollte er glauben. Aber Megan sicherlich. Sie würde eine tolle Mama. Und kurz lenkte ihn diese Gedanken von seiner Angst ab. Er sah sich und Megan mit dem Kind gemeinsam und liebevoll spielen.
Doch dann war da wieder die Angst und Butch. Und dieser Scheisskerl hatte sich dermaßen in Jesses Hirn gebrannt, dass Jesse nur noch kotzen wollte. Kurz stellte er sogar Gott die Frage: Warum? Warum ich? Warum das alles? ein Grund mehr, warum Jesse dann eigentlich doch nicht bereit war, an diesen seltsamen Gott zu glauben. Nicht mal nur wegen ihm, aber wo war Gott bei all den Schlachten mit den Indianern? Wo war er bei all den Ungerechtigkeiten?
Doch Jesse wollte nicht daran denken, er wollte bei seiner Megan sein. Und diese sprach dann etwas so seltsam fremdes und doch so klares aus: Er sollte eher positiv denken. Statt bei all dem Schlechten ... sie hatte so Recht. Aber sie sagte dann noch so viel mehr und auch wenn Jesse ein eher einfacher Geselle war, nicht sonderlich gebildet, so wusste er, was sie meinte. "Ich werde mein bestes tun jeden Tag mindest zwei deiner süssen Lächler auf Dein Gesicht zu zaubern und dich so mit Liebe und Zuneigung überschütten, das du keine Zeit hast über schlechtes nachzugrübeln. Versprochen."
Jesse war verzaubert. Noch nie hatte man ihm so etwas liebes, so etwas großes und doch bescheidenes gesagt. Jesse musste seine Tränen unterdrücken, nein, er wollte es, weil er Angst hatte, wieder Schwäche zu zeigen. Aber Jesse war eben nun mal Jesse und auch wenn die Tränen nicht über seine Wangen liefen, so füllten sich seine Augen mit einer Nässe, die nicht zu übersehen war. Wodurch seine Augen, sein Blick seltsam strahlten. »Ach Schatz ...« Jesse wollte so viel sagen. Er war so ungemein gerührt. Aber dann versagte einfach seine Stimme vor Emotionen. Und dabei wollte er doch in diesem Moment Megan etwas ähnlich liebevolles zurückgeben. Aber ihm fehlten einfach die Worte. Denn das, was Megan ehrlich meinte, verzückte ihn so sehr, dass er nicht wusste, darauf zu sagen. Und dies war vielleicht ehrlicher, als wenn er nun irgendeine Floskel von sich gegeben hätte. Aber es gab nichts schöneres zu sagen, als Megans Worte. Dennoch wollte Jesse zeigen, wie sehr er diese Worte annahm, schätze ... und so nahm er sie einfach nur in seine Arme. Liebevoll, fest, aber nicht fordernd, sondern dankend. Und statt Worten, kam nur ein dankbares Schluchzen. Eines, dass Jesse erst hatte unterdrückend wollen. Aber es war von ehrlicher Intensität, ehrlich als denn je. Eines vor lauter Glück und Erkenntniss. Er hiel seine Megan liebevoll in seinen Armen, drückte sie an sich, war für sie da, ohne Worte, denn Worte fand er einfach nicht.
Megan und Jesse am Rand der Strasse, an einer Hauswand
Jesse hielt sie liebevoll und nicht zu fest im Arm. Er gab ihr nie das Gefühl das er sie festhielt, nur das er sie fest hielt. Nähe, Geborgenheit aber zu keiner Zeit ein bedrängendes Gefühl. Sowohl Megan als auch Jesse waren beide Menschen die eher direkt aussprachen was sie dachten und wie sie fühlten. Zwei Menschen die sich nicht in die normalen Zügel der Gesellschaft zwingen liessen, sich ihre Individualität bewarten und taten was sie für richtig hielten, nicht was ihnen als richtig vorgekaut wurde. Ob sie wirklich beide gute Eltern abgeben würden, würde sich zeigen denn beide vermochten nicht in die Zukunft zu blicken aber Megan war überzeugt das sie beide ihr bestes geben würden. Mehr konnte man eigentlich auch nicht erwarten. Dem Kind ein gutes Vorbild sein, es erziehen und lenken, die richtigen Werte vermitteln und was sie selber anging, von ganzem Herzen lieben. Auf keinen Fall würde Megan zu der Frau werden, die ihre Mutter war. Nicht die typische strenge und auf die Kinder einprügeln. Wie oft das zu vernünftigen Erwachsenen führte, dazu brauchte sie sich ja nur erfolglos umsehen. Nein, ihr Kind würde Liebe und Güte bekommen, klare Regeln und ...ach es würde schon gut gehen, denn sie stand dieser Aufgabe nicht alleine gegenüber. Viel mehr brauchte man darüber eigentlich nicht nachdenken. An Planung war nur zu erledigen, das sie und Jesse Geld beiseite legen würden, sparen für das Schulgeld in einigen Jahren und das auch über alle Jahre hinweg, bis das eigene Kind irgendwann alt genug war eine eigene Familie zu gründen, auch stetig aufrecht erhalten. Genug zu essen und Kleidung zu jeder Zeit.
Sie sah sich selbst und auch Jesse vor sich, zwischen ihnen ihr Kind, ihre Kinder, alle mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen. Das waren die Tore zum Himmel. Eine liebe Familie, alt werden an der Seite eines wundervollen Mannes, den Nachwuchs gross ziehen, zusehen wie sie zu erwachsenen werden und ihren eigenen Weg gehen. Ein ewiger Kreislauf, richtig und gut. Bei ihrem letzten Satz konnte sie auf Jesses Gesicht förmlich sehen was er dachte, was sich in ihm regte, sah wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Es waren enfache Worte gewesen, ein einfaches versprechen ihrerseits, das sie ihr bestes tun würde um ihn glücklich zu machen und immer an seiner Seite sein würde. In guten und schlechten Zeiten, gemeinsam, Hand in Hand. Megan und Jesse gegen den Rest der Welt. Ein Team, das die Schlacht des Lebens gemeinsam schlagen würde, ohne wenn und aber. Die Tränen verliehen den Augen ihres Grossen einen seltsamen glanz, ein warmes strahlen. Er wirkte sprachlos, ob ihrer Worte und nahm sie einfach erneut in den Arm, liebevoll und fest, so als wolle er sie nie mehr los lassen. Eine dankbare und innige Umarmung und irgendwie griff Jesses Gefühl und Zustand auf Megan über. Sie kannten sich nun ein halbes Jahr, hatten viel erlebt und waren sich auch schon oft sehr nahe gewesen, aber selbst sie, die über beide Ohren in diesen Kerl verliebt war, hatte sich ihm noch nie so nahe gefühlt wie in diesem Augenblick. Es war für Megan so als würden ihre Seelen verschmelzen und das war ein wundervolles Gefühl.
Statt Worten,kam von Jesse nur ein dankbares Schluchzen. Rein und von ehrlicher Intensität, Glück und Erkenntniss. Ein wenig als wäre nun endlich in seinem Inneren alles geregelt und er hätte nun endlich realisiert was ihm hier gerade passierte und das es kein Traum war. Ein glückliches Schmunzeln legte sich auf Megans Züge und sie erwiderte die Umarmung auf die gleiche Weise. Vergessen war die Kälte und sie hätte ewig so stehen bleiben können. Aber das ging nicht und so nahm sie diesen Moment in sich auf, schloss ihn als wundervolle Erinnerung in ihrem Herzen ein und genoss einfach den Augenblick.
Megan und Jesse am Rand der Strasse, an einer Hauswand (verborgen vor Blicken) occ: Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass niemand sieht, wie sie sich küssen und innig umarmen
Ja, es war einfach unbeschreiblich, was zwischen Megan und ihm passierte. Der leidenschaftliche, vorausgegangene Kuss, die innige Umarmung. Nicht umsonst war Jesse schon ein wenig mit Megan die Lakestreet entlanggegangen, und hatte sie dann hinter eine Hauswand gezogen, noch bevor es jemand aus der Kirche oder vom Platz her hatte sehen können, außer, dass sie wohl recht innig mit einander waren. Aber als er sie geküsst und umarmt hatte, waren sie außerhalb all jener Leute, die dann nach ihnen die Kirche verlassen hatten. Jesse wusste zwar, dass sie hier als Aussenseiter angesehen wurden, aber dennoch hatte er genug Anstand, all dies mit Megan, was so persönlich war, nicht vor allen Leuten zu machen.
Und nun standen sie einfach da, Arm in Arm und Megan genoss es, das sah er in ihrem so wundervollen Gesicht. Ja, sie verband mehr als nur Liebe, auch er empfand so etwas wie eine innige Seelenverwandtschaft. Doch auch wenn es Megan vielleicht momentan noch anders vorkam, oder Jesse es irgendwie geschafft hatte, seine inneren Konflikte diesmal eben nicht so offen zu zeigen, war da eben auch etwas Gewaltiges, was ihm sehr zu schaffen machte. So sehr, dass er sein Glück zwar fassen und irgendwie fassen konnte, aber es noch nicht sinnlich erfassen konnten, so ganz absolut. Es gab da eine gewaltige Hürde: Horatio "Butch" Jones. Dieser Mann war immer noch auf freien Fuss und fast glaubte Jesse, langsam unter Verfolgungswahn zu leiden. Ohne es zeigen zu wollen, schaute er sich irgendwie immer wieder ganz unauffällig um. Schauten sie da ein Augenpaar hinter dem verschneiten Busch an, oder hinter dem Baum aus dem Garten auf der anderen Seite? Nein, sicherlich bildete er sich das nur ein. Von Butch hing doch inzwischen ein Steckbrief in der Stadt. Und dennoch, diesem Mann traute er alles zu. Horatio war so von Hass zerfressen, von Sadismus, dass Jesse sich einfach nicht wirklich fallen lassen konnte, auch wenn es ihm leid tat für Megan. Hinzu kam, dass er am eigenen Leib erfahren hatte, wozu dieser Unmensch fähig war. Und das nicht erst vor einer Woche. Jahrelang war Jesse in jungendlichen Jahren dessen Sklave im Zuchthaus gewesen und all das war einfach unweigerlich wieder hoch gekommen ...
Dennoch war Jesse weitblickend genug, dass er dies diesmal und gerade jetzt nicht bei Megan ansprach, dessen Augen so voller Liebe und Glück waren. Nein, mit seinen Sorgen musste er diesmal einfach wirklich alleine fertig werden. Er würde mit dem Sheriff sprechen und sich bald auf die Suche machen nach diesem Menschenschinder. Jesse hatte ein Ziel: Er wollte seinen echten Dämon endlich zur Strecke bringen. Aber Megan wollte er erst einmal davon nichts sagen. Sie wollte, dass sie ihr Glück genoß. Und auch Jesse wollte endlich sein Glück, sein ungeheures Glück irgendwann voll auskosten.
Und Jesse sagte nichts und genoß es eh, dass Megan und er auch gerade ohne Worte auskamen. Was gab es Schöneres, wenn man sich auch ohne Worte verstand, denn genau dies war etwas für Jesse, was er sehr schätze, auch wenn er manchmal gerne redete. Aber in diesem Moment fühlte er diesen Menschen neben und an sich, sah in Megans Augen und versuchte so gut er konnte, Stärke auszustrahlen, wie es ihm gerade möglich war. Jesse war wirklich so, wie Megan ihn einschätzte: Er konnte stark und unglaublich verletzlich sein. Und auch wenn er ihre Gedanken nicht lesen konnte, war auch dies dieser Zauber, den er spürte: Megan sah Jesse wie er einfach war. Und Jesse wollte Megan so sehen und fühlen, wie sie war: Ebenfalls sehr stark für eine Frau, aber auch sensibel. Jesse spürte, dass er diese Frau so sehr liebte, dass er es kaum fassen konnte. Kaum, denn da waren eben einfach Sorgen und er war nicht gut darin, das eine vom anderen zu trennen. Aber er wollte Megan niemals mehr verliren, also musste er sich nun einfach zusammenreissen. Und so machte er einfach eine relativ gute Miene zum bösen, innern Spiel. Nein, heute war Megans Tag. Er schaute sich noch einmal unauffällig um, eine Hand ging kurz und so unauffällig wie möglich unter seine Jacke, wo er seinen Revolver hinten am Hosenbund hatte. Nein Butch, heute bekommst du weder mich noch meine Megan dachte Jesse ...
»Wir sollten los, sonst frieren wir hier noch fest ...« meinte dann der Pianospieler und grinste aber leicht. Sein Grinsen galt Megan und er versuchte seine Sorgen und Ängste vor Butch diesmal felsenfest zu unterdrücken. Es schien fast ein wenig so, als würde er ein klein wenig gewachsen zu sein. Keine Frage, er liebte Megan auch, dass er alles mit ihr teilen könnte, sich sogar weinend in ihre Arme fallen lassen konnte oder einfach eben nur schwach sein dürfte. Aber in Jesse war etwas vorgegangen: Und das hatte nichts damit zu tun, dass Megan als Frau schwach war, zumindest nicht im Geist. Aber nein. Nun musste Jesse zeigen, dass er es wirklich ernst meinte und ein ganzer Mann war. Auch wenn Megan ihn so liebte, wie er war.
Aber Jesse war nun mal ein Mann. Und er fühlte große Verantwortung für Megan, nicht nur, weil sie schwanger war. Kurz lugte er vorsichtig an der Hauswand vorbei: Wenige Leute waren auf der Lakestreet zu sehen. Zum Glück waren sie hier verborgen, wenn er auch nicht den Eindruck hatte, dass sie sicher vor Butch waren. Aber das war ein anderes Thema, welches Jesse versuchte, von sich zu streifen. Aber egal, da musste er nun durch. »Komm ..« hauchte er seiner Liebsten zu. Er fasste Megan sanft an die Hand und zog sie dann in einem Moment wieder so auf die Strasse, dass es hoffentlich niemanden auffiel, nur um dann schliesslich auf die Mainstreet und so zum Gästehaus zu gelangen.
Megan und Jesse am Rand der Strasse, an einer Hauswand (verborgen vor Blicken)
»Wir sollten los, sonst frieren wir hier noch fest ...« meinte dann der Pianospieler und grinste aber leicht. Megan erwiderte das Grinsen. "Ach, wenn ich hier mit Dir festfriere kann ich damit leben." Scherzte sie und verbreiterte ihr Grinsen zu ihrem typischen Sonnenscheinlächeln. Aber sie liess sich mitziehen, weg von diesem kleinen, privaten Ort den sie in Erinnerung behalten würde. So wie die vielen kleinen Meilensteine auf ihrem gemeinsamen Weg. Der Tag an dem sie sich kennengelernt hatten, jener Tag an dem den kleinen Injun verteidigt hatte und sie ihn beruhigt hatte, sein erstes Pianospiel das sie hören durfte, seinen Geburtstag, das gemeinsame Kochen, ihr erster Besuch bei ihm, ihre erste Nacht zusammen. Es gab soviele schöne Momente mit diesem Mann, an die sie sich erinnern konnte und auch gerne erinnerte. Vieles das ihr den Tag versüsste, wenn sie einfach nur die Augen schloss und an ihn dachte. Ein schönes Gefühl. Eher unbewusst legte sie wieder die Hand auf ihren Unterbauch. Ihr Kind, sein Kind. Seelig lächelnd folgte sie Jesse auf die Hauptstrasse und ging einfach nur neben ihm her, eingehakt und zufrieden mit sich und der Welt. Sie blickte positiv in die Zukunft, eine Zukunft mit ihm, so einfach war das. Es gab nichts zu fürchten wenn sie zusammenhielten.
Die Menschen um sie herum schauten auch bedeutend weniger offensiv oder abfällig, oder kam ihr das nur so vor? War es Einbildung? Wunschdenken? Vielleicht ein wenig von beidem. Sie dachte kurz darauf herum vielleicht kurz in den Saloon zu gehen, ihren Rücktritt öffentlich machen, bevor sie in das Gästehaus gingen. Einen definitven Schlusstrich ziehen und ohne Last in ihr neues Leben schreiten, aber es musste warten, konnte warten. So früh war Firth zwar schon im Saloon, aber sie musste ihm ja nicht so früh auf die Nerven fallen. Erstmal die Zeit mit Jesse geniessen. Sie schaute sich auf der Lake Street um. Das Haus der Craven und das ehemalige Haus von Miss Thompson, in das irgendjemand neu eingezogen war, daneben die McKays und ihr Alkohol. Unbewusst hakte sie sich etwas fester bei Jesse ein, als sie an dem Spirituosenladen vorbeigingen. Gegenüber die Schmiede die Megan schmunzeln liess. Die selbstbewusste und selbstständige Schmiedin, so direkt vor der Tür des Traditionalisten McKay, das war bestimmt nicht einfach. Auf der Mainstreet, der nun verlassene Gemischtwarenladen von Li Yue. Der Anblick stimmte Megan traurig. Wie es ihr wohl ging? Gerne hätte sie die liebenswerte Chinesin dabei gehabt oder zumindest irgendeine Kontaktmöglichkeit. Schräg gegenüber die Klinik. Noch eine Person die aufgegeben hatte, dem Druck der Bigotten Camdener stattgeben hatte. Auch hier zog jemand neu ein, oder war neu eingezogen. Ein neuer Arzt. Bliebe abzuwarten wie der wohl war. Saloon und Kanzlei und die Bank, die schon so lange keinen Betreuer hatte. Die Zeitung und das neue Bordell, das lustigerweise auch heute öffnete.
Dahinter dann auch das Gästehaus, auf das Megan und Jesse zusteuerten. Es war schon eine hübsche kleine Stadt, sehr persönlich, aber das addierte leider auch zu dem Problem. Jeder kannte Jeden, irgendwann. Gerüchte gingen schnell um die Häuser, Namen waren schnell in den Dreck gezogen. Eine echte Kleinstadt eben, ein Dorf, aber so bescheuert es für manche klingen musste, Megan fühlte sich wohl hier. Schliesslich kamen sie vor dem Gästehaus an und Megan schluckte leicht, sammelte nochmal allen Mut und folgte Jesse auf die Tür zu. Jesse bat sie schonmal vorzugehen und Megan nickte, lächelte Jes nochmal kurz zu und grüsste auch den jungen Mann, der auf der Veranda stand, mit einem freundlichen "Guten Morgen Mister." , bevor sie die Hand auf den Türknauf legte und ins Innere huschte.
Elisa und Cassidy, Ecke Mainstreet / Lake Street Richtung Stadtmitte
Cassidy seufzte innerlich auf. Elisa sprach deutlich aus, was sie beide unterschied. Sie, Cassidy, tat einfach nach was ihr der Sinn stand, ohne Rücksicht auf ihren Vater oder darauf, was der Rest der Bürger über sie beide denken mochte. Sie trug Schimpf und Schande genauso mit Stolz nach Hause, wie sie die väterlich beigebrachten Blessuren daraufhin ohne Scheu zeigte. Elisa dagegen war sehr um ihre Mutter und Familie bemüht und würde daher niemals impulsiv aus dem Bauch heraus Entscheidungen fällen. Jemanden in dieser Hinsicht einen Rat zu erteilen, war wie einem Ochsen ins Horn gepfetzt. Der Unterschied war allerdings nicht einer jener Sorte, den Cassidy belächeln würde, sondern sehr bedauerte. Elisa hatte Familie, die ihr etwas bedeutete und für die es sich lohnte zu verzichten. Cassidy hatte nichts davon und darum auch nichts, um das es sich zu kämpfen lohnte. Sie musste Entscheidungen treffen um zu überleben.
"Das verstehe ich, Elisa," erwiderte sie daher sanft und mit verständnisvollem Ton. "Ich glaube ich an deiner Stelle würde in diesem Fall auch Rücksicht üben. Üben müssen," dass es für Weiße nicht nachvollziehbar sein sollte, dass Elisa lieber ausharrte bis sie für sich selbst verantwortlich war, wollte Cassidy dagegen nicht so recht verstehen. Möglich, dass sie eine Ausnahme bildete und Elisa viel andere Erfahrungen gemacht hatte, als Cassidy beurteilen konnte. Aber für sie war es mehr als nur nachvollziehbar, führte sie durch Sophie doch eine schrecklich komplizierte Beziehung, die sie sowohl geheimhalten mussten, als auch niemals später, als Erwachsene offen ausleben durften. Sie war in dieser Sache eine Außenseiterin wie Elisa. Doch nicht einmal ihr gegenüber wollte oder konnte Cassidy darüber reden. Sie konnte keinen Bezug herstellen, keinen Vergleich wagen. Nicht wenn Frau Frau liebte. Das wusste Cassidy bereits, wäre Selbstmord gleich. In manchen Bundesstaaten stand darauf sogar heute noch die Todesstrafe, bei Männern, und sie hatte einmal gehört, dass Eltern verzweifelt genug waren, ihre Töchter Zwangszuverheiraten, damit sie wieder auf den "rechten" Pfad zurückfanden. In manchen Fällen gab es gar den Rat sie zum Beischlaf mit einem Mann zu zwingen, dass sollte sie genesen lassen. Als wäre Liebe eine Krankheit... Unbedarft seufzte Cassidy laut auf und humpelte tapfer um die Häuserecke. Froh, dass sie das Thema gewechselt hatten, hatte Cassidy über ihre Zehen gesprochen. Es war besser das offen zu vertreten, als geheim zu halten. Sie vermisste ihre Zehen, aber behindert fühlte sie sich dadurch nicht und schämte sich auch nicht. Ihr Vater hielt es zwar für besser, damit nicht unbedingt zu prahlen, aber das hatte Cassidy ja auch nicht vor. Das Elisa über ihre Bescheidenheit kichern musste, ließ Cassidy kurz irritiert innehalten und die Freundin aufmerksam mustern. Scheinbar hielt sie ihre Tat tatsächlich für lobenswerter als Cassidy. Nun, Bescheidenheit war eine Tugend, dass wusste sogar Cassidy. Sie sah sich nur selbst nicht als bescheidene Person und war immer wieder aufs Neue überrascht, dass ihre Mitmenschen gute Eigenschaften an ihr fanden. Es hatte im letzten Sommer angefangen, als sie Sophie kennengelernt hatte und als Lily in die Stadt gekommen war. Es tat schon irgendwie gut, solche lobende Worte zu hören, aber sie machten Cassidy noch immer viel zu verlegen und das obwohl sie sonst gewöhnlich kein Blatt vor den Mund nahm. In diesem Fall war es nicht anders. Aber sie musste auch zugeben, dass Elisa recht hatte. Nicht jeder wäre wohl gesprungen. Dass Sophie für sie jedoch viel mehr war, als nur eine Freundin, konnte Elisa natürlich nicht wissen. Sprang man seiner Liebe nicht selbst in den Abgrund nach? Oder war das auch nur ein Wesenszug, den nicht jeder besaß? Sie wäre wohl auch gesprungen, wenn Mrs. Porter im See ums Überleben gekämpft hätte, oder ein ihr fremdes Kind, selbst Rev. Hawkins hätte sie herausgezogen. Das war es wohl, was Elisa meinte... Zum ersten Mal seit dem Gespräch konnte Cassidy ungezwungen ihre Lippen nach oben verziehen und schüttelte doch den Kopf. "Ach hör nur auf, Elisa.. bevor ich vor Verlegenheit rot werde. Helden sind wie es aussieht auch gewöhnlich dumm. Ich kann nämlich jetzt nie wieder mit allen zehn Zehen wackeln," sie lachte leise und ohne Verbitterung. "Na ja, dafür können nicht sehr viele Leute behaupten, dass sie nur mit acht Zehen wackeln können."
Inzwischen waren sie auf der Mainstreet angelangt und wurden von den ersten Kutschen überholt, die Richtung Gästehaus zuckelten. Der Schnee auf der Straße knirschte und das Holz der Räder ächzte. Die Pferde schnaubten hin und wieder und Gelächter von Kindern trug der Wind mit sich. Es war ein angenehem friedlicher Sonntag, der nicht von Hawkins dunklen Predigten überschattet wurde oder von der tollen Aussicht auf seine Sonntagsschule. BEfreiter wirkten die Menschen, auch wenn sich noch viele nicht mit Stevenson umgehen konnten.
Elisas Sorge über Sophies Sympathien ihr gegenüber waren leider berechtigt, aber Cassiyd konnte und wollte das nicht so recht zu geben. Immerhin war Sophie das Beste, was ihr in ihrem Leben passiert war und solch einen Menschen verteidigte man selbst dann noch, wenn man sich deswegen gehörig in die Nessel gesetzt hatte oder gegen eine Wand lief, sich blamiert hatte und im Fettnäpfchen steckte. Doch Elisa war nicht irgendjemand und daher beschloss Cassidy es mit der Wahrheit zu versuchen. Zumindest mit einem Teil davon. Elisa musste nicht wissen, dass Sophie in Bezug auf sie nicht viel anders dachte, als die meisten Menschen. Und dann spielte sicherlich auch noch ein bisschen die Eifersucht mit...
"Ihr ging es einfach nicht so gut in letzter Zeit. Wegen Thunder und so. Da hatte selbst ich das Gefühl, dass sie mich nicht sonderlich leiden konnte. Da darfst du dir nichts daraus machen. Sie findet sich im Moment mit allem schlecht zurecht. Das braucht Zeit, hat Dr. Leigh erklärt. Die müssen wir ihr geben."
Elisa und Cassidy, Ecke Mainstreet / Lake Street Richtung Stadtmitte
Cassidy nahm die Sache mit Humor, machte Scherze über ihre verlorenen Zehen. Elisa wusste nicht wie sie sich gefühlt hätte, wenn Teile ihres Körpers gehlen würden aber so locker wie Cassidy würde sie gewiss nicht reagieren. Da war sie sich sicher. Das Cassidy sehr wohl wusste wie es war ein Aussenseiter zu sein war etwas, das die Schwarze nicht ahnte. Wie hätte sie auch ahnen können, das die junge Frau neben ihr ihr Herz an eine andere verschenkt hatte und dies auch noch erwidert wurde. Eine geheimne Liebe, ihrer zu Jake nicht ganz unähnlich, wenn auch auf einer anderen Basis. Ob es nur eine Phase der Selbstfindung und Orientierung war oder wirkliche Liebe die halten mochte, das spielte in beiden Fällen keine wirkliche Rolle. So wie Cssidy ihre nur im geheimen ausleben konnte, so konnte auch Elisa nicht offen mit ihren Gefühlen sein.
Sie lächelte Cassidy an, die ihren Scherz über die Zehen machte. Annerkennung lag in den Augen der gebürtigen Südstaatlerin, als sie die Blonde anschaute. "Du bist mir eine." Elisa musste sogar leicht lachen. Doch das Thema wechselte auf unangenehmeres. Sophie. Natürlich versuchte Cassidy die andere Freundin zu verteidigen, zu rechtfertigen wie sich diese benommen hatte aber Elisa kannte die Zeichen der Ablehnung zu gut. Die besondere Art der Blicke, der Ausdruck in den Augen, die Art mit ihr zu sprechen oder wie in Sophies Fall, nichtmal das. Das waren deutliche Zeichen. Das mehr dahinter steckte als die üblichen Vorurteile, Eifersucht gar, das ahnte Elisa natürlich nicht. Für sie war es nur die typische und so weit verbreitete Ablehnung einer Weissen ihrer Hautfarbe gegenüber. Sie würde ähnliche Verteidigungen machen, wenn es um Jake ging, wenn sie es denn offen könnte und so war es verständlich das Cassidy hier in die Bresche sprang. Sanft schüttelte Elisa den Kopf als Cassidy Thunder verantwortlich machte für Sophies Benehmen.
"Lass gut sein. Sie mag mich oder eben nicht. Wenn nicht, dann ist sie nur eine von vielen. Sowas stört mich nicht mehr. Ich ziehe Freude aus den wenigen Menschen die über meine Haut hinwegsehen können." wissend schmunzelte sie Cassidy zu.
Elisa und Cassidy, Ecke Mainstreet / Lake Street Richtung Stadtmitte
Cassidy war froh, dass sie Elisa ein wenig zum Lachen brachte, wenn auch nur, weil sie sich selbst nicht ernst nahm. Aber das Thema ihre verlorenen Zehen ließ rasch ihre Mitmenschen sehr ernst und nachdenklich werden. Und erst das ganze Mitgefühl. Das war für Cassidy nichts. Trübsal konnte sie alleine und zu Hause blasen. Im Moment wollte sie die Ablenkung und die Abwechslung genießen. Auch wenn sie durch die Unterhaltung über Sophie ganz rasch wieder ernster wurden. Dabei hatte Cassidy ganz schnell das Gefühl, sie rede sich umsonst um Kopf und Kragen für Sophie. Denn Elisa wirkte nicht sonderlich überzeugt, sondern schüttelte sogar sachte den Kopf. Jetzt konnte nur ein Widerspruch erfolgen und Cassidy wappnete sich innerlich schon dagegen. Sie kamen inzwischen am Pfarrhaus vorbei, auf dessen Veranda gerade Reverend Stevenson seinen Sohn ins Haus scheuchte und Cassidy fühlte sich mit einem inneren Grinsen daran erinnert, dass es dieser kleine Bengel gewesen war, der den langatmigen Gottesdienst aufgeheitert hatte. Das bekam ihm wohl gleich nicht so gut. Wieso sonst sollte wohl der Reverend noch vor seiner Gemeinde die Kirche und den Kirchhof verlassen haben?
Cassidy wandte ihren Blick wieder nach vorne, während Elisa nicht lange auf Worte warten ließ, die Cassidy verdeutlichten, dass sie mit ihrer mageren Erklärung über Sophies Verhalten nichts erreicht hatte. Es schmerzte ein wenig, dass Elisa Sophie über einen Kamm scherte, aber wohl leider zurecht. Dabei war Sophie nun wirklich nicht wie jeder andere. Zumindest nicht für Cassidy und es wäre sicherlich ein mühsames Unterfangen geworden Elisa vom Gegenteil zu überzeugen. Zugegeben war es auch ein wenig schmeichelhaft ihre Person betreffend, was Elisa zu sagen hatte, doch stand dies im Schatten in Bezug auf Sophie. Trotzdem schmunzelte Cassidy ein wenig und nickte. "Weniger ist manchmal mehr," und Cassidy wusste durchaus von was sie sprach. Hatte sie doch bis vor kurzem nur Sophie zur Freundin gehabt. Jetzt gab es auch noch Elisa und zwei Freundinnen zu haben war mehr, als Cassidy in den letzten fünf Jahren gehabt hatte. "Ich würde mich trotzdem freuen, wenn sich die beiden Freundinnen, die ich habe, verstehen würden," fügte sie mit einem Seufzen hinzu und wusste sehr wohl, dass das alleine an Sophie lag. Und somit bliebe ihr Wunsch wohl unerfüllt.
Als sie an der Klinik vorbeikamen, betrachtete Cassidy ein wenig betrübt die leere Stelle neben der Tür, an der Dr. Leighs Namensschild gehangen hatte. Die Vorhänge waren noch immer zugezogen, aber seltsamerweise war das Schild mit "zu verkaufen" aus dem Hauptfenster verschwunden. Cassidy konnte sich nicht daran erinnern, ihren Vater von einem neuen Arzt reden gehört zu haben. Sie wollte aber hoffen, dass das fehlende Schild genau dies bedeuten würde. Es wäre zu schön, hier wieder arbeiten zu können. Denn alles was sie bisher unter Dr. leigh gelernt hatte, hatte ihr Interesse geweckt. Sie wollte mehr über die Medizin erfahren und mit der Wissenschaft dahinter. Der Gedanke eines Tages wie Dr. Leigh eine eigene Praxis zu besitzen war zwar nicht vorherrschend in Cassidys Zukunftsplänen, aber durchaus eine Möglichkeit, die ihr gefallen würde.
"Hm... hast du zufällig mitbekommen, ob die Klinik bereits verkauft wurde," sie zeigte zum Fenster. "Da hing nämlich letzte Woche noch ein zu verkaufen Schild, als ich bei Dr. Leigh wegen der Behandlung war."
Elisa und Cassidy, Ecke Mainstreet / Lake Street Richtung Stadtmitte
Die Versuche, den Rotschopf schön zu reden, verliefen erfolglos im Sande. Sie tat es sicherlich nicht gerne, Sophie über einen Kamm mit dem groben Rest von Camden Village zu scheren, aber Sophies Benehmen ihr Gegenüber liess nunmal wenig Spielraum. Das es einfach ein schlechtes Timimg gewesen war konnte sie nicht ahnen. Es war kurz vor dem Unfall gewesen, der Tag des Unfalls und Sophie hatte ihren Abschiedsbrief an Cassidy geliefert. Das die rothaarige mit Cassidy hatte alleine sein wollen und deshalb wohl hauptsächlich so abweisend gewesen war, ds konnte Elisa nicht ahnen. Für sie stand da nur die Situation. Drei Mädchen um einen Tisch, Freundchaft von der einen Seite, Kälte und Ablehnung von der anderen. So sahs aus, daran liess sich nicht rütteln.
"An mir solls nicht liegen." schmunzelte Elisa Cassidy zu, als diese den durchaus nachvollziehbaren Wunsch äussterte, das ihre beiden Freundinnen sich untereinander auch verstanden. Aber das würde wohl wunschdenken bleiben so wie es derzeit aussah. Die Realität holte die beiden Mädchen wieder ein, als sie an der Klinik vorbeiliefen. Die stand nun, seid gut einer Woche leer, seid Dr Leigh weggegangen war. Sehr schade wie Elisa fand. Der Doktor war doch, wie Miss Tucker auch, ein Symbol gewesen. Erfolgreiche Frauen, die sich alleine in einer Männerwelt durchsetzten, ihren Weg gingen und das sogar durchaus erfolgreich. Vorbilder konnte man sagen. Sicherlich würden die bigotten Damen, wie Mrs Porter, Mrs McKay oder die freundliche, wenn auch stocksteife Miss Cornwall das ganz anders sehen, aber so waren sie nunmal. Als Cassidy sie darauf aufmerksam machte, das das Schild weg war, schaute Elisa genauer hin. Tatsächlich.
"Nee, keine Ahnung. Es gab ja ein paar neue Gesichter im Ort. Die kleine Frau neben dem Riesen, der so laut und schräg gesungen hat. Der Blonde der vor dir gesessen hat und so ein schnieke angezogener dunkelhaariger mit Familie sind mir aufgefallen. Wenn es schon Ersatz gibt, wird es wohl einer von denen sein. " merkte Elisa an und warf nochmal einen Blick auf die Klinik. Verlassen wirkte sie in der Tat nicht mehr.
Elisa und Cassidy, Ecke Mainstreet / Lake Street Richtung Stadtmitte
Cassidy konnte nur leise ergeben seufzen, als Elisa ihr mit einem 'An mir solls nicht liegen' antwortete. An ihr nämlich selbst auch nicht. Aber mit Sophie über Elisa zu reden war eine sehr schwierige Angelegenheit. Aber sie nahm sich fest vor in diese Richtung etwas zu unternehmen. Sobald es Sophie ein bisschen besser ging.... "Das weiß ich doch," sagte sie allerdings noch und schenkte Elisa ein kleines, wissendes Lächeln. Jetzt galt ihre Aufmerksamkeit doch erst einmal der Klinik. Leider hatte Elisa keine Neuigkeiten darüber zu berichten. Sie hatte nur Vermutungen. Diese besagten neuen Gesichter hatte Cassidy in der Kirche durchaus gesehen, ein paar davon waren ja sogar zu spät gekommen. Aber bis auf diesen von Elisa als schniek bezeichneten Mann hielt Cassidy keinen für einen Arzt. Zumindest entsprachen die anderen nicht dem gängigen Bild über einen Arzt, das Cassidy besaß.
"Hm, ich hoffe es ist überhaupt ein Arzt, der das Gebäude erworben hat. Es wäre schon ein Rückschritt, wenn wir alle nach St. Johns reisen müssten, um uns untersuchen zu lassen." Die Vorstellung mit ihrem verletzten Bein jedes Mal eine Kutsche besteigen zu müssen, die jedes Schlagloch auf der Straße mitnahm, wurde es Cassidy etwas mulmig zumute. Mühsam machte Cassidy auf ihren Krücken wieder kehrt und humpelte weiter die Mainstreet hinab. Inzwischen hatten sie etliche Kirchgänger überholt und störmten zum Gästehaus. Sie waren definitiv langsam unterwegs. Auch John mit Miss Hunter und dem eben noch erwähnten Blonden, holten sie ein. Es kostete Cassidy ein wenig Mühe ihren Vater davon zu überzeugen, dass er besser daran tat für sie einen Tisch im Gästehaus zu erkämpfen, als ihr hier unter die Arme zu greifen, aber scheinbar begriff er schließlich doch noch, dass sie im Moment die Gesellschaft von Elisa der seinen und Miss Hunter vorzog. Allerdings ging er nicht, ohne eine gut gemeinte Ermahnung, Elisa solle auf sie gut acht geben. Eine unnötige Ermahnung wie Cassidy fand, aber in Bezug auf seine Einstellung zu dieser Freundschaft mehr, als sie beide womöglich erwarten hätten dürfen. Entsprechend zog Cassidy auch ein erstauntes Gesicht, kaum das die drei aus ihrer Hörweite waren. "Wer hätte das gedacht.. er vertraut dir," grinste Cassidy und fühlte trotz der leichten Heiterkeit in ihrer Stimme in Bezug auf ihren Vater ein bisschen ungewohnten Stolz. Er sprang in letzter Zeit über so viele Schatten...
Elisa und Cassidy, Ecke Mainstreet / Lake Street Richtung Stadtmitte
Überhaupt ein Arzt wäre in der Tat gut ja, da konnte Elisa der Freundin nur zustimmen, was sie mit einem Nicken auch tat. "Ja, jedes Mal nach St Johns wäre wirklich nicht so schön, besonders jetzt wo mal so gar nichts mehr geht wegen der Mistpampe. Schon seltsam. Wenn man bedenkt wieviele Verletzte und Kranke es hier gibt, da muss sie doch eigentlich gut verdient haben. " sinnierte Elisa. "Alleine an deinem Pa verdient sie ja schon gut." schmunzelte sie leicht. Ein Sheriff lief halt dauernd Gefahr das ihm was passierte. Ein wunder wie gut Cassidy damit umzugehen verstand. MEhr und mehr Kirchgänger passierten das ungleiche Duo und natürlich auch Mr Clayton, die nette, wenn auch etwas aufdringliche Engländerin und der besagte Blonde mit den schulterlangen Haaren kamen vorbei. Mister Clayton wollte helfen aber Cassidy überzeugte ihn, das es wohl besser war wenn er einen Tisch sicherte, was dieser auch einsah. Das wäre mal eine Tortur, wenn Cassidy mit dem Fuss die ganze Zeit stehen musste. Na herzlichen Dank.
So überliess der Sheriff dann Cassidy in der Obhut Elisas, sie solle gut auf Cassidy achtgeben. Elisa zuckte leicht zusammen als der Sheriff sie so unerwartet ansprach und knickste fast instinktiv. Selbst das leise "Ja Sir." rutschte ihr raus bevor sie es hätte aufhalten können. Was war denn mit dem los. Ein wenig verdattert schaute sie dem Trio nach, fand erst wieder in die Wirklichkeit als Cassidy sich den kleinen Scherz erlaubte. Mister Clayton, ihr vertrauen? Na soweit waren sie ja noch lange nicht, wie Elisa fand. "Ich könnte ein Fass mit Bausch ausstopfen und dich reinstecken. Gut gepolstert und eine harte Aussenhülle, das sollte dich gut schützen." scherzte Elisa zurück und nahm den langsamen Gang neben Cassidy wieder auf. "Er wirkt irgendwie weniger bärbeissig in letzter Zeit, oder bilde ich mir das ein? Auf jeden Fall eine gute Wandlung, was immer es ist." lächelte sie und dachte wieder auf der Ärtzin herum.
Elisa und Cassidy, Ecke Mainstreet / Lake Street Richtung Stadtmitte
"Hey," eine kurze, gespielte Welle der Entrüstung zeichnete sich in Cassidys Gesicht ab und hätte sie eine Hand frei gehabt, hätte sie Elisa sicherlich einen Stubser versetzt. "Mehr Respekt vor dem Mann, der sich für die Einwohner grün und blau prügeln lässt," doch so heiter wie sie klang war sie in dieser Beziehung überhaupt nicht aufgelegt. Ihr Vater war schließlich nicht mehr der jüngste und seine zahlreichen Blessuren, die er sich in Camden Village immer wieder zu zog, waren doch etwas zu viel nach Cassidys Geschmack. Thunder hatte ihn bereits übel zugereichtet gehabt und jetzt diese Walton-Gang. Davor die Schussverletzung dank Eli und blaue Flecken wegen Simones... Das riss irgendwie nicht ab. Und gesund war es bestimmt auch nicht. "Ich glaube aber nicht, dass Dr. Leigh wegen dem Geld weggegangen ist. Sie war irgendwie immer.. alleine. Verstehst du? Da war nur ihre Arbeitalt und sonst nichts," und über mehr hatte sich Cassidy auch nie bei der Arbeit mit der Ärztin unterhalten. Weil es einfach zu wenig gegeben hatte, dass Dr. Leigh mit ihr hätte teilen können. Cassidys Meinung nach war sie dorthin zurückgekehrt wo zumindest ein Teil Familie auf Leigh wartete. Das Zusammentreffen mit ihrem Vater hatte Elisa sichtlich etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Und Cassidy hatte der Versuchung nicht widerstehen können zu kichern, als Elisa, die sonst eine doch recht große Klappe hatte, völlig wortkarg wurde und auf einmal ach so höflich sein konnte. Sogar der Knicks hatte nicht gefehlt. Trotz der Belustigung wurde Cassidy wohl zum ersten Mal richtig bewusst, welchen Eindruck ihr Vater auf andere machen konnte. Bei Sophie hatte sie derer Angst stets für etwas übertrieben gehalten, einfach weil Sophie ein zurückhaltender und schüchterner Mensch war. Da machte natürlich ein Mensch wie ihr Vater mächtig Eindruck. Aber Elisa war niemand, der sich so rasch in seine Schranken verweisen ließ und sie war auch niemand der Furcht kannte. Am Ende blieb ein sachtes Schmunzeln zurück, als Elisa, wieder mit ihr alleine, gewohnt flapsig auf Johns Anweisung reagierte. "Tja, es wäre ein Versuch wert. Vielleicht hielte mich das auch vor weiterem Unsinn fern?" Ein wenig lachen musste Cassidy bei der Vorstellung allerdings schon. Elisas Bemerkung über das veränderte Wesen ihres Vaters ließ Cassidy jedoch wieder ernst werden. Woran es lag, dass er "weniger bärbeissig" war, wusste sie schwer zu sagen. Er trank weniger, fast nichts mehr, und er schien an Miss Hunter einen Narren gefressen zu haben, aber ob das ausreichen sollte? Vielleicht war es auch der nachhaltige Einfluss ihrer Tante, die zwar wähernd ihrer Anwesenheit nur wenig hatte ausrichten können, aber doch Einfluss geübt hatte. Womöglich hielt er sich auch schlicht an seinen Versprechungen fest, sich zu bessern und ihr endlich ein Vater zu sein. Entsprechend zuckte Cassidy mit den Schultern. "Ist schwer zu sagen. Da gibt es viele Gründe im Moment dafür," aber sie freute sich ungemein, dass seine Veränderungen sichtbar wurden und Außenstehende davon etwas bemerkten. Das ließ wirklich Hoffnung zu... "Es ist auf jeden Fall verdammt ungewohnt mehrmals am Tag danach gefragt zu werden, ob es mir gut geht," sie lächelte schief und war sich sicher, dass Elisa so etwas für selbstverständlich nahm. Aber bei ihrem Vater war es nun einmal völlig neu...
ALs sie bei ihrer Unterhaltung den Dorfbrunnen erreichten, atmete Cassidy tief durch. Langsam wurde ihr das Gehen mühselig und durch die langsamen Bewegungen wurde es ihr auch gar nicht richtig warm. Sie hatte zwar erst am Montag ganz andere Kälte ertragen müssen, aber der Schmerz darüber war längst vergessen. Im Moment hielt sie den Wind für unerträglich und die feuchte Kälte des Schnees für unertragbar. Seltsam wie schnell der Körper vergessen konnte....
"Kommst du bis zum Gästehaus noch mit," fragte sie Elisa, jetzt wo sie das Haus schon sehen konnten und auch die vielen Menschen davor, die ins Innere drängten. "Falls nicht... vielleicht können wir nächste Woche mal wieder ein bisschen üben? Mit der Gitarre? Ich habe vor in die Schule zu kommen, auch wenn John das für Blödsinn hält. Aber wenn ich das packe, kann ich sicher auch wieder andere Dinge tun. Krank im Bett liegen ist einfach die Hölle..."
Was sich zwischen den beiden Erwachsenen abspielte, fand auf einer anderen Ebene statt als jener, auf der sich Sarah bewegte. Das war im wörtlichen Sinne so – schließlich überragten Onkel Eric und Miss Tucker sie bei weitem – aber auch in einem übertragenen. Bei aller sensiblen Veranlagung war es dem Mädchen nicht möglich, die Regungen nachzuvollziehen, die große Leute bewegen mochten, wenn sie sich derart seltsam verhielten. All dieses Stottern und Zögern, die langen Blicke... sie selbst neigte zu solchem Verhalten, wenn sie aufgeregt war und sich im Mittelpunkt von anderer Leute Aufmerksamkeit wähnte. Das war ihr unangenehm und machte ihr Angst. Doch die Erwachsenen schlugen sich mit Sicherheit nicht mit derartigen Problemen herum. Ihr Vormund war nicht ängstlich oder schüchtern veranlagt, und was Miss Tucker anging, so beneidetet Sarah sie ein wenig. Ihr schien es nicht so viel auszumachen, wie fremde Leute sie ansahen oder ob sie jemandem mißfiel. Ein kleines bißchen so wie sie zu sein wäre gewiß nicht schlecht. So wie Mama auch gewesen war. Selbstbewußt und mutig. Auch schien Miss Tucker recht nett zu sein, wenn man von ihren befremdlichen Eigenarten absah. Sie schien weder verheiratet noch eine der alten Jungfern zu sein, die in ihrem gesamten Leben keinen Mann nahmen. Und dann übte sie einen Männerberuf aus, hatte einmal gar Männerkleider getragen, als Sarah sie gesehen hatte, was das Mädchen doch etwas schockiert hatte.
Miss Tucker war in der Tat interessant, in der Art, wie ein Wolf interessant war: Ein schönes Tier, dessen prächtiges Fell und funkelnde Augen man bewunderte und mit dem man in seinen Träumen um die Wette lief – aber doch auch eines, das einem Vorsicht gebot, weil es sich gar zu sehr von dem unterschied, was man kannte und als sicher und anständig kennengelernt hatte. Während Sarah am Arm ihres Onkels lief und sich mühte, mit den beiden Schritt zu halten, fragte sie sich, wieviel Miss Tucker wohl mit Mama gemeinsam hatte. Mama war trotz ihres unabhängigen und energischen Auftretens doch nie so weit von dem abgewichen, was von einer Frau erwartet wurde. Miss Tucker schien in gewisser Weise die ganze Art zu leugnen oder abzulehnen, wie man sich als "ehrbarer Bürger" verhielt, während Mama immer Teil der Bürger geblieben war, als eine von ihnen Änderungen hatte bewirken wollen. Beide Frauen waren Rebellinnen – etwas, das zu sein sie selbst wohl nie den Mut finden würde. Außer in ihren Träumen, in denen sie eine morgenländische Prinzessin war oder eine Piratenbraut, eine Märchenfee oder auch die Squaw eines großen Indianerhäuptlings, ja sogar ein Vogel, ein Fisch oder ein Fabelwesen... ganz wie es ihr gefiel. Wenn sie träumte, hatte sie keine Bedenken und fühlte keine Furcht vor den Blicken, den Meinungen der anderen.
Miss Tucker lebte wohl so, wie Sarah träumte – es fragte sich nur, wie glücklich man sein konnte, wenn man überall auf Ablehnung stieß? Da schien es ihr doch besser, wenn man ein braves kleines Mädchen war, dem niemand grollte. Sich unterzuordnen war wie sie meinte ein verkraftbarer Preis dafür, akzeptiert zu werden und ein geborgenes Leben führen zu können. Einige Male äugte sie zu der Frau hinüber, die sie doch mehr beschäftigte, als sie merken lassen wollte. Fast tat ihr Miss Tucker ein bißchen leid. Eigentlich wollte sie ja nichts, das böse oder falsch gewesen wäre. Nur eben Dinge, die Frauen nicht wollen sollten und die sie darum in Konflikt mit den meisten Menschen brachten. Es gab ihr einen kleinen Stich, als sie sah, wie Onkel Eric Miss Tuckers Hand von seinem Arm löste. Die beiden schienen einander doch zu mögen... ja, wenn sie nur eine normale Frau gewesen wäre! Sarah kaute auf ihrer Unterlippe und senkte dabei den Kopf, um auf ihre sonntäglichen Spangenschuhe zu schauen, während sie weiter neben Eric dahintrottete. Es war ganz deutlich zu spüren, wie wenig es den beiden großen Menschen gefiel, nebeneinander her statt miteinander zu gehen. Warum war es eigentlich so, daß nicht jeder sein durfte, was und wie er gerne sein wollte? So wie in einem Traum.