Die alte, leerstehende Hütte im Wald steht dort schon seit man denken kann. Keiner in Camden Village ist sich mehr so ganz genau sicher, wer sie eigentlich errichtet hat. Die Realisten unter den Einheimischen behaupten die Holzfäller hätten sie erbaut, um sich im Winter dort drinnen aufzuwärmen. Die etwas Versponnen und Abergläubischen unter den Bewohner berichten von der alten Bellingham-Farm, die dort 1850 errichtet worden war, von einem alten Kauz, der sich mit den umliegenden Ahornbäumen das große Geld versprach, ehe er im Wahnsinn Frau und Kinder erschlug. Es soll dort draußen in der alten Hütte noch immer spucken.
(Was man gerne im Ort vergisst - die Bellingham Farm stand östlicher im Wald und ist von Bellingham selbst niedergebrannt worden, um die Spuren seiner Morde zu vertuschen. Bellingham selbst wurde in St. John's gestellt und erhängt...)
Die Hütte besitzt nur einen Raum und einen kleinen Anbau in dem früher wohl Hühner oder Ziegen gehalten worden waren. Das Dach ist undicht, die herunterhängenden Fensterläden bieten kaum Schutz und außer Spinnweben und zerschlagenem Mobiliar gibt es dort nicht viel, was für einen längeren Aufenthalt einladen würde....
Tief im Wald in der Nähe zu einer leerstehenden Hütte
Irgendwie musste er vom Weg abgekommen sein oder der blöde Gaul hatte es endlich geschafft, dass Gabriel die Orientierung verloren hatte. Kaum zu glauben, dass ihm das wirklich passiert war. Doch hier draussen in der vom Schnee veränderten Landschaft sah alles gleich aus. Laut dem Alten am Straßenrand hätte er bereits längst Camden Village erreichen müssen, doch von dem Kaff war weit und breit nichts zu sehen. „Verfluchte Scheisse!“ spie Gabriel wütend aus und haute mit der Faust auf den Sattelknauf. Sein Pferd riss erschrocken den Kopf hoch und begann nervös die Schritte zu verkleinern. „Hör endlich auf mit dem dämlichen Getänzel und kümmer’ dich lieber darum, dass wir vorwärts kommen, sonst sind wir heute Nacht Futter für die Wölfe.“ Er versenkte die Sporen in den Weichen des Tieres, so dass der Grauschimmel einen Satz nach vorne macht. Gleichzeitig begann er wütend nach hinten auszuschlagen, was ihm sofort wieder straff angelegte Zügel und einen unangenehmen Druck im Maul einbrachte. Schnaubend fügte er sich seinem Schicksal und stapfte vorwärts. „Ja, so schnell wirst du mich nicht los, Mistvieh!“ zischte Gabriel und sah dann wieder mürrisch auf, um nach Rauchschwaden oder irgendwelchen Anzeichen von einer Stadt Ausschau zu halten. Aber dem war nicht so. Und die nächste Stunde verstrich ebenfalls ohne irgendwelche Hinweise auf Zivilisation. Gabriel war mittlerweile mehr als schlecht gelaunt und ordentlich durchgefroren. Dennoch unterließ er es nicht die Augen offen zu halten nach Orientierungspunkten, um wieder auf den richtigen Weg zurückzufinden. So bekam er nicht mit, dass sein Pferd bereits zunehmend nervöser wurde. Und plötzlich gab es für den Schimmel kein Halten mehr. Abrupt stoppte er, um im selben Moment zu steigen. Mit einem schrillen Wiehern, das die Stille des verschneiten Waldes zerriss schlug er mit den Hufen nach vorne aus. Gabriel glitt mit den Füßen aus den Steigbügeln und hielt sich nur mit Mühe durch die blosse Umklammerung seiner Beine und einer Hand am Sattelknauf auf dem Rücken des Tieres. Als es kurzzeitig wieder auf allen Beinen zum Stehen kam, bäumte es sich sofort erneut auf und Gabriel verlor den Halt. Er stürzte mit voller Wucht in den Schnee. Es war eine äußerst harte Landung, die der Schnee nicht wie erwartet abfederte, sondern nach Gabriels Empfinden den Aufprall noch unangenehmer erschienen ließ. Ein scharfer Schmerz, der ihm wahrlich Sterne vor den Augen tanzen ließ, durchzuckte dabei sein Bein. Der Schimmel schlug derweil nun nach hinten aus und Gabriel schützte seinen Kopf mit den Armen, während er am Boden liegen blieb. „Du Teufel! Hör endlich auf mit der Scheisse!“ brüllte er wutschäumend und versuchte ausser Reichweite der Hufe zu kommen. Als er sich dann ächzend aufrichten wollte, hatte er plötzlich das Gefühl nicht mehr allein zu sein. Irgendetwas stand unmittelbar in seiner Nähe. Ohne zu überlegen griff er nach seinem Revolver und drehte sich damit der drohenden Gefahr zu. Das Klicken des gespannten Hahnes war zu hören, als er erkannte, dass er vor der Mündung seines Revolvers tatsächlich ein Ziel hatte. Ein Indianer! War das der Grund für die Eskapaden seines Pferdes? „Bleib wo du bist, Rothaut!“ zischte Gabriel abfällig und richtete sich mühevoll auf ohne den Kerl aus den Augen zu lassen. Dabei stellte er fest, dass der Sturz ihm einiges an Prellungen und Zerrungen eingebrachte hatte. Sein Rücken schmerzte unheimlich und nahm ihm einen Moment die Luft zum atmen. Und nicht nur das. Sein Bein versagte ihm im ersten Moment den Dienst, bevor er schließlich stand. Dennoch spürte er eine heisse Flüssigkeit am Oberschenkel, die nässte, während das komplette Bein pochte. Der Revolver blieb dennoch auf sein Ziel gerichtet, als Gabriel mit der freien Hand an die Stelle seiner Hose fasste. Seine Finger waren daraufhin sofort mit Blut bedeckt und Gabriel sah in den Schnee. Ein gesplitterter Ast ragte daraus hervor und hatte bereits die Farbe seines Blutes. Gabriel fluchte und sah schließlich wieder misstrauisch auf. „Hände weg von meinem Gaul, klar?“ drohte er mit ruhiger Stimme, während er den Indianer genauer betrachtete. Jeder wusste doch, dass die Wilden nur auf Pferde, Waffen oder Alkohol aus waren. Und sein Pferd stand in unmittelbarer Nähe des Indianers. Wenn dieser sich nun darauf schwingen und davon reiten würde, war Gabriels Schicksal besiegelt. Erst recht mit dieser Wunde am Bein, die versorgt gehörte. Gabriel fiel noch etwas ein, was er über die Wilden gehört hatte: Wo einer war, waren andere nicht weit. Gabriel besah sich kurz die nähere Umgebung, konnte aber keine weiteren Krieger entdecken. Als er dann wieder zu dem Krieger sah, fielen ihm die geflochten Zöpfe auf, die auf dem wärmenden Mantel lagen und auf dessen dunkler Farbe sich die weißen Flocken des neu fallenden Schnees deutlich abhoben. Er hatte also eine Indianerfrau vor sich! Augenblicklich wich die Anspannung etwas, denn von einer Frau hatte er nur halb so viel zu befürchten wie von einem ausgebildeten Krieger. „Verschwinde! Na los!“ versuchte er sie fortzujagen. Doch das Mädchen rührte sich nicht. Wütend bis er auf die Zähne und richtete den Revolver auf den Boden direkt vor ihre Füße. Er ließ dort zwei Kugeln einschlagen und brüllte nun: „Hau endlich ab, Rothaut!“ Ob Frau oder Mann, er musste jetzt allein sein und diese verdammte Stadt finden, denn nun begann erst Recht die Zeit zu ticken. Und er hatte nämlich nichts brauchbares für einen Verband dabei, um die Blutung zu stoppen. Und das alles hatte er nur diesem Weib zu verdanken!
Dakota hatte Schnee nie sonderlich gemocht. Aber die Unmengen, durch die sie sich nun schon seit Tagen kämpfte, konnten wohl selbst einem Liebhaber der kalten, weißen Masse die Laune trüben. Scheinbar war ihr Entschluss zu spät gefallen, sich in eine Stadt zurück zu ziehen bis das Wetter wieder wärmer wurde. Nun sie hatte ja nicht ahnen können, dass es so heftig kommen würde. Immerhin hatte sie sich am Tag vor dem ersten Schneefall auf den Weg gemacht. Schade nur, dass sie sich scheinbar wirklich gerade in der Mitte vom Nirgendwo befunden hatte. Denn bisher hatte sie noch nicht einmal eine Farm ausmachen können, wo sie hätte nach Arbeit und Unterschlupf fragen können. Es schien fast, als wäre die sogenannte Zivilisation hier wirklich noch nicht angekommen. Normalerweise ein wahrer Traum eines jeden Naturfreundes auf der Suche nach Ruhe. In Anbetracht dessen, dass ihr langsam aber sicher die Extremitäten abzufrieren drohten, entpuppte sich dieser nur leider zunehmend als Albtraum.
Sie wusste nicht, wie lange sie allein am heutigen Tag bereits unterwegs war, als sie endlich etwas hörte, was eindeutig nicht allein auf die winterliche Landschaft und seine Bewohner zurück zu führen war. Wenn sie sich nicht täuschte, dann schnaubte doch wirklich in der Stille des Waldes ein Pferd, knirschte der eisige Boden unter beschlagenen Hufen. Ohne lange drüber nachzudenken, ob dies nun schlau war oder nicht, begann Dakota sich in die Richtung zu bewegen, aus der das erste Zeichen auf einen anderen Menschen kam. Aus Angst, dass der Reiter schneller weg sein könnte, als sie bei ihm, beschleunigte sie ihre Schritte. Ein unbedachter Fehler wie sich schnell heraus stellte. Denn sie hatte gerade die helle Atemwolke des Grauschimmels ein paar Baumstämme weiter unten am leichten Hang entdeckt, als sie auf eine Eisscholle, verborgen unter feinem Schnee trat. Einen Moment ruderte sie noch im Versuch ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Im nächsten rutschte sie reichlich unwürdig auf dem Hintern die sachte Schräge hinab. Genau auf den unbekannten Reiter und sein reichlich nervöses Tier zu...
Woran es lag, dass sie nur knapp vor den Hufen des inzwischen wild scheuenden Pferdes zum Halten kam, wusste Dakota nicht. Es war ihr aber auch herzlich egal. So lange sie nur den scharfen Hufen entging. Doch genau das verlangte danach, dass sie sich bewegte! So schnell wie es ihr eben auf dem glatten Untergrund und mit dem durchweichten Mantel möglich war, kam sie wieder auf die Beine und entfernte sich schnell einige Schritte von dem sich wild gebärdenden Tier. Dabei blieb ihr Blick jedoch wachsam auf der sich für den Reiter dramatisch zuspitzenden Szenerie vor ihr hängen. Kaum hatte sie selber sich in Sicherheit gebracht, passierte es. Der Mann fiel von dem durchgegangenen Pferd und kam so unsanft auf, dass Dakota gleich befürchtete, dass das nicht gut für ihn ausgehen konnte. Noch bevor sie sah, wie der Stoff seiner Hose und der Schnee sich rot zu färben begannen und der Mann selber seine Verletzung bemerkte. Dieser hatte aber auch wahrlich andere Sorge, so wie dessen Reittier nach ihm ausschlug. Besorgt trat Dakota doch wieder vor und hob dabei vorsichtig die Arme, um das Tier abzulenken oder im besten Fall sogar etwas zurück zu drängen oder zu beruhigen.
Das zumindestens war ihr Plan gewesen. Sie hatte jedoch erst einen Schritt getan, als sie die Arme schon wieder sinken ließ und wachsam stehen blieb. Denn da drehte sich der verletzte Reiter ihr zu. Wieso nur musste die Weißen immer bei jedem Geräusch erst ihre Waffe ziehen, bevor sie genauer hinsahen oder lauschten, was dieses verursacht hatte? Ergeben stemmte Dakota die Hände locker in die Hüfte und wartete ab. Wobei ihr Blick schon etwas angespannt kurz zu dem entsicherten Revolver hinab glitt. Doch wich ihre Sorge schnell mildem Ärger, als der Mann nicht schoss, sondern sie erst einmal beschimpfte. Eindeutig die bessere Variante, aber wenigstens ebenso unverständlich wie das Ziehen und Zielen ohne zu wissen warum und worauf. Ergeben hob Dakota kurz betont die unbewaffneten Hände und blieb folgsam stehen wo sie war.
Ihr Blick verfolgte dabei aber scharf, wie der Mann endlich seine Verletzung entdeckte. Wurde ja auch mal Zeit! Doch anstatt, dass ihr Gegenüber endlich mal seine Prioritäten in die richtige Reihenfolge brachte, zielte er noch immer auf sie. War das denn zu fassen? Männer! Weiße Männer! Die hatten doch einfach alle einen ausgeprägten Knall. Grummelnd zog Dakota ihre Tasche nach vorne und schlug sie auf, um in deren Tiefen nach etwas zu suchen, was sie zum Abbinden der hässlichen Wunde benutzen konnte. Das würde ihr nun wirklich noch fehlen, dass sie einen weiteren Weißen tot zurück ließ.
Ein Fluchen, gefolgt von einer lächerlichen Drohung lenkte ihren Blick zurück zu dem Verletzten und von diesem zu dem nun ruhig dastehenden Pferd. Als wenn sie mit diesem etwas anfangen könnte. „Klar.“, bestätigte sie trotzdem denkbar knapp und langsam gereizt. Sie hasste es, wenn man ihr etwas unterstellte. Denn genau das tat der Fremde doch, indem er ihr offensichtlich zutraute, einfach mit seinem Pferd abzuhauen. Solche Probleme wollte sie auch mal haben. Das war doch wirklich lächerlich! Und es wurde noch lächerlicher, als der Mann begann, die nähere Umgebung sorgsam mit dem Blick abzusuchen. Pro forma ließ sie ihren dem seinen folgen. Doch natürlich war dort niemand. Vielleicht das ein oder andere neugierige Wildtier, aber ein anderer Mensch? Sicher nicht. Zu dem Ergebnis kam er dann aber offensichtlich auch. Denn er ging dazu über, sie gründlich zu mustern.
Diese Musterung gekonnt ignorierend wandte sich Dakota wieder ihrer Suche zu. Scheinbar eine gute Idee, denn wieso auch immer war der Weiße sichtlich entspannter, als sie erneut aufsah. Sie wollte sich gerade nähern, um endlich die stetig blutende Wunde abzubinden, als der Mann sich erneut absolut grundlos absolut irrational verhielt. So langsam ernsthaft verstimmt zog Dakota die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie würde ganz sicher nicht verschwinden und ihn hier blutend zurück lassen. Nicht, wenn sie sich nicht sicher sein konnte, an der Verletzung nicht schuld zu sein. Ihr Entschluss geriet zwar einen Moment lang ernsthaft ins Wanken, als kurz vor ihren Füßen zwei Kugeln eintrafen, doch sie blieb ihm treu. Selbst wenn sie ohne es verhindern zu können erblasste und würgend schlucken musste, als die alten Ängste sie einen Atemzug lang durchspülten.
Doch noch immer blieb sie stehen. Das wäre ja noch schöner, dass sie sich einem offensichtlich geistig Verwirrten fügte. Sie wusste nicht wie lange sie so harrte, bevor die Waffe endlich sank. Umgehend entspannte sie sich etwas und ließ die Arme sinken. „Besser?“, fragte sie scharf nach und musterte den Mann ebenso. Wie lange würde es wohl noch dauern, bevor er unweigerlich in den Schnee kippte? Prüfend glitt ihr Blick hinab zu seinem Bein und dann wieder hinauf zu seinen Zügen. Gesund war diese Gesichtsfarbe sicher nicht mehr zu nennen. Also wohl eher nicht allzu lange. Blieb die Frage, ob sie das nun kümmern sollte oder nicht...
OOC: Tut mir leid, dass ich so auf mich warten ließ. Danke, dass du durchgehalten hast. Ich versuche auch, es nicht mehr auszureizen und hoffe, der Post geht so.
Irgendwo im Wald in der Nähe der leerstehenden Hütte Dakota und Gabriel
Es war nicht zu glauben, aber die Indianerin zuckte kaum mit der Wimper, als die Kugeln vor ihren Füßen einschlugen. Vielleicht war sie ein wenig blass um die Nase geworden, aber Gabriel hatte sich einen weitaus größeren Erfolg von dieser Aktion versprochen. Normalerweise hätte sie davon laufen müssen wie ein Hase. Nun, dem war nicht so. Diese hier blieb stehen und verschränkte trotzig ihre Arme vor der Brust. Als sie dann auch noch fragte, ob es nun besser gehen würde, war Gabriel das erste Mal in seinem Leben verblüfft, so dass er sich weniger darüber wunderte, dass sie seine Sprache konnte. Der Schmerz fraß sich derweil rasend durch sein Bein und ließ ihn sich immer schwächerh fühlen. Die Waffe weiterhin auf die Frau gerichtet besah er sich nochmals seine Wunde. Sie blutete stärker, als er angenommen hatte. Schlecht. Aber es war wohl zu erwarten gewesen, dass dieser Mist-Tag in einem Desaster enden würde. War doch nur passend nach all den Missgeschicken, die bereits passiert waren. Jetzt war er auch noch drauf und dran den Löffel abzugeben. Und das auch noch hier in der Einöde und möglicherweise in Gegenwart einer Indianerin, die sich dann über seinen Skalp und sein Pferd hermachen würde. Als Gabriel wieder wütend zu der Rothaut aufsah, bemerkte er das leichte Zittern seiner Hand. Gereizt biss er die Zähne zusammen und ließ den Revolver sinken, um ihn dann wieder im Gürtel verschwinden zu lassen: „Mach doch was du willst.“ gab er eine verspätete Antwort auf ihre provozierende Frage und befühlte wieder die Verletzung. Abermals waren seine Finger von frischem, rotem Blut bedeckt. Ohne die Indianerin weiter zu beachten humpelte er auf sein Pferd zu, das wieder völlig ruhig da stand als wäre nie etwas geschehen. Jedoch legte es sofort misstrauisch die Ohren an, als sich Gabriel die Zügel griff und versuchte seinen Fuss in den Steigbügel zu schieben. Der erste Versuch misslang gründlich, denn ein Stehen auf dem verletzten Bein war definitiv nicht möglich. Scharf zog er die Luft ein und verlagerte das Gewicht sofort wieder auf das gesunde Bein, um das verletzte entlasten zu können. Dann humpelte er wieder um das Pferd herum und versuchte es nun auf der anderen Seite in dem er das verletzte Bein nun zuerst in den Steigbügel schieben wollte. Auch das war nur unter wahnsinnigen Schmerzen möglich, doch er schaffte es. Das anschließende hochziehen am Sattelknauf misslang jedoch sofort wieder. Ein Schmerz, der ihn wahrlich schwarz vor Augen werden ließ, ließ ihn stöhnend zu Boden gehen. Abermals ein harter Aufprall und da lag er wieder. Der Grauschimmel wich nervös zur Seite aus und schnaubte beunruhigt. Gabriels Atem ging nun nur noch stoßweise und er wartete den Moment ab, bis der Schmerz wieder etwas nachlassen würde. Die Aufsteigversuche hatten ihn ungewohnt viel Kraft geraubt. Wieso musste gerade ihm das passieren?! Wütend sah er zu der Indianerin, die gerade damit aufgehört hatte in ihrer Tasche zu kramen. Was sie hervorholte sah beinah aus, als wollte sie für ihn einen Verband basteln. Schon kam sie zögerlich einen Schritt auf ihn zu. „Bleib mir bloss vom Leib, Weib!“ fluchte er und richtete sich wieder umständlich auf. Es dauerte bis er wieder stand und selbst jetzt begann ihm schwindlig zu werden. „Kümmer’ dich um deinen Kram und lass mich in Ruhe.“ gab er motzig von sich und hatte vor sich dafür ausschließlich um seinen Kram zu kümmern. Schon torkelte er wieder auf sein Pferd zu, dass ihn misstrauisch beobachtete. Die unkontrollierten Bewegungen seines Reiters waren ihm nicht geheuer. Erschöpft lehnte sich Gabriel gegen sein Tier und wartete einen Moment bis er wieder zu Atem kam. Der Schwindel würde sicherlich gleich verschwinden und dann konnte er nochmals einen Versuch wagen aufzusitzen. Er hörte ihre Schritte nun hinter sich und ihre Position war ihm mehr als unangenehm. Normalerweise sorgte er dafür, dass er niemand in seinem Rücken hatte. Erst recht nicht jemanden, den er nicht vertraute, wobei das dann so ziemlich jeder war. „Hast du nicht gehört was ich gesagt habe? Du sollst endlich verschwinden, Rothaut!“ zischte Gabriel und griff wieder nach dem Sattelknauf jedoch mehr um einen weiteren Halt zu finden, als nochmals den Versuch zu wagen aufzusteigen. Ich werd’ mir doch nicht die Blösse vor einer Frau geben! Noch dazu ist es nur eine kleine Schramme und auszuhalten bis ich in der Stadt bin versuchte er sich selbst Mut zu machen. Ich hätte nie in diese verfluchte Gegend kommen sollen. Nervös begann er in der Hosentasche zu suchen und zauberte eine Zigarette hervor. Mit zittrigen Fingern ließ er ein Streichholz entflammen und entzündete die Zigarette, während er weiter Halt bei seinem Pferd suchte. Der Geschmack der sich dabei nun auf seiner Zunge entfaltete beruhigte seine Nerven. Doch auch das war sicherlich nur von kurzer Dauer.
Scheinbar hatte er mit einer anderen Reaktion gerechnet. Wahrscheinlich damit, dass sie wie eine Weiße kreischend zwischen den Bäumen verschwand. Schwachsinn! Sie mochte ja weißes Blut in sich tragen, aber da schlug dann doch ihr anderes Erbe durch und ließ sie stur harren. Allein seine Verblüffung war das schon wert. Selbst wenn man Dakota nichts von ihrem stillen Triumph, dem ebenso lautlosen Lachen ansah, als sie Gabriels blasse Züge wachsam musterte. Man sah ihm die Schmerzen an, auch wenn er sich nicht einen Moment dazu äußerte oder sie sonderlich ausgeprägt zeigte. Bewundernswert. Würde sie solch einen Zug an einem Weißen suchen. Was sie nicht tat. Langsam glitt ihr Blick entnervt von der noch immer auf sie zielenden Waffe zu dem nervösen Reittier und dann dem Verletzten. Was eine lächerliche Situation. Wenn sie schlau wäre, würde sie wirklich umdrehen und ihn hier verbluten lassen. Wäre sie nur schlauer. Dann würde sie jetzt nicht das Zittern der zielenden Hand ignorieren und nach Verbandszeug suchen.
Kurz glitt ihr Blick hoch, ohne dass sie den Kopf hob, als sie knirschende Schritte hörte. Der Idiot versucht doch wirklich aufzusitzen. Unfassbar! Und sie hielt sich für dämlich. Stumm leicht den Kopf schüttelnd suchte Dakota weiter in dem Chaos ihres Beutels. Da musste doch etwas Mull und Verband zu finden sein. Seine flapsige Antwort überging sie dabei gekonnt. Immerhin hatte sie ja auch genau das ohnehin vor. Ihre Suche dauerte auch nur so lange, weil sie immer wieder harrte, ob der Geräusche, die von dem irren Weißen kamen. Es wunderte sie kein bisschen, dass er scharf Luft holte, als er sein verletztes Bein belastete. Es wunderte sie auch absolut nicht, dass er anstatt aufzusitzen auf einmal im Schnee saß. Gerechte Strafe für so viel Dummheit. Endlich fand sie die gesuchten Rollen und ein kleines scharfes Messer in ihrer Tasche. Ebenso eine jodhaltige Salbe. Das musste reichen.
Zufrieden mit ihrer Beute sah Dakota auf und rollte langsam ernsthaft verstimmt über den wütenden Blick des Mannes mit den Augen. Vorsichtig seine Hände im Blick behaltend, trat sie langsam auf ihn zu. Sie hatte sicher nicht vor, sich doch noch wegen einem Anflug sinnloser Hilfsbereitschaft erschießen zu lassen. Aber vorerst erging sich der Fremde erst einmal wieder in wenig eindrucksvollen Flüchen. Aber wenigstens kam er dabei auch wieder auf die Beine. Schön. Damit blieb es ihr erspart, ihn hoch ziehen zu müssen. Wobei es schon nach einer Aufgabe aussah, ihn auf den Beinen zu halten, so wie er torkelte. Verdammt! Der Blutverlust und der Schock schienen langsam aber sicher ihren Tribut zu fordern. Sie sollte wirklich endlich die Blutung stoppen. Entschlossen, aber vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, um nicht wieder auf einer verborgenen Eisscholle auszurutschen und damit das Reittier aufzuscheuchen, bewegte sich Dakota also weiter. Inzwischen lehnte der Mann an seinem Pferd. So mehr oder weniger. Es sah ein bisschen danach aus, als würde er einfach umkippen, sollte das Tier einen Schritt zur Seite machen. Noch ein Grund mehr, sich nur sehr ruhig, aber eben nicht bedrohlich langsam zu nähern.
Sie war schon auf wenige Schritte an beiden dran, als er bemerkte wie dicht sie bereits war. Zuerst spannte er sich an, dann zischte er wütend los. Wurde er es nicht langsam müde? Merkte er denn nicht, dass das alles nichts brachte? Er brauchte offensichtlich Hilfe und sie war leider die einzige Menschenseele weit und breit. Ungeduldig darauf wartend, dass er auch zu dieser Einsicht kam, blieb Dakota zwei Schritte hinter ihm stehen und verschränkte erneut die Arme vor der Brust, wobei sie das Verbandszeugs sorgsam vor der Witterung verbarg. Und was tat der Mann? Er zündete sich eine Zigarette an. Wirklich unglaublich. Schnaubend schüttelte Dakota den Kopf und trat entschlossenen Blickes nun wirklich an den Mann heran. „Setzen.“ Fordernd deutete sie auf einen nahen Fels, den Blick kompromisslos in seinem. „Sonst verblutest du.“, fügte sie vorsichtshalber erklärend hinzu. Sonderlich schlau schien dieser Weiße ja immerhin nicht zu sein.
OOC: Es tut mir wirklich leid, dass es sich so hingezoge hat. Ich geb mein Bestes, dass das nicht wieder vorkommt.
Sie hatte sich nicht sonderlich von seiner abweisenden Haltung oder den harten Worten beeindrucken lassen. Stattdessen stand sie plötzlich unangenehm dicht hinter ihm. Wären die Umstände anders gewesen hätte er dazu vielleicht einen frechen Spruch auf den Lippen gehabt, denn normalerweise hatte er nur eine ganz bestimmte Art von Frauen so nah hinter sich. Doch diese hier zählte keineswegs dazu. Er drehte den Kopf in Richtung Schulter und sah sie misstrauisch an, als ihre feste Stimme ernst einen Befehl aussprach. Gabriels blaue Augen musterten sie kalt, als er sich ihr nun vollends zuwandte, das verletzte Bein dabei entlastend so gut es eben ging. Eine Warnung lag in seinem Blick, als er sie nun direkt ansah, doch sie blieb standhaft und erklärte nur knapp, dass er verbluten würde. Sie deutete auf einen Felsen, auf dem er wohl Platz nehmen sollte, doch Gabriel machte sich nicht einmal die Mühe in diese Richtung zu schauen. Er gab ihr zwar Recht, dass es nicht sonderlich gut um ihn stand, dennoch verstand er ihre Aufdringlichkeit nicht. Scheinbar gelassen nahm er einen tiefen Zug an der Zigarette und bließ ihr respektlos den Qualm direkt in das Gesicht. Selbst in seiner misslichen Lage war es für Gabriel ein Vergnügen seine Mitmenschen zu provozieren. Einen kurzen Moment sah er prüfend an sich hinunter und entdeckte im weißen Schnee das Blut, das stetig unter seinem Hosenbein warm über seine Haut rann, bis es schließlich den Hosensaum durchtränkte und den Weg ins Freie fand. Er musste eine Arterie oder ähnliches verletzt haben. Anders war der starke Blutverlust nicht zu erklären. Das Bein gehörte abgebunden, doch ehr würde Gabriel hier sterben, als das er die Hände dieses Mädchens an sich lassen würde. Er vernahm eine Bewegung ihrer Finger. Ehe er darüber nachdenken konnte, schnellte seine noch freie Hand reflexartig vor und packte die Indianerin fest am Handgelenk. Grob schlossen sich seine Hände um ihre feinen Knochen. „Wieso liegt dir so viel daran mir zu helfen?“ presste er die Worte wütend zwischen den Zähnen hervor, während seine Augen bedrohlich funkelten, „Etwa weil DU mein Pferd zum scheuen gebracht hast?“ er sah sie durchdringend an. Eine andere Erklärung gab es dafür nicht, dass sie wie aus dem nichts aufgetaucht war. Und vor was hätte sein Pferd in dieser Einöde auch sonst scheuen sollen? „Dann brauch ich deine Hilfe noch weniger.“ gab er herablassend von sich und stieß ihre Hand beiseite. Seine blutverschmierten Finger hatten nun auch auf ihrer Haut Spuren hinterlassen. Ein weiterer Schwindelanfall überkam ihn so plötzlich, dass er einen Schritt zurück trat, um anhand des hinter ihm stehenden Pferdes wieder Halt zu finden. Die Zigarette entglitt seinen zittrig gewordenen Fingern und versank zischend im tiefen Schnee. Der Grauschimmel schnaubte erbost, als sein Reiter abermals gegen ihn torkelte. Die Zeit wurde knapp. Er musste die Indianerin schnellstens loswerden und dann sein Bein abbinden und auf das Pferd kommen, sonst wäre er dazu nicht mehr in der Lage. Die Kälte würde ihn holen und darauf hatte Gabriel absolut keine Lust. Das Pferd begann unruhig mit dem Huf im Schnee zu scharren. Gabriel warf ihm einen entnervten Blick zu. Er würde niemals ohne Hilfe auf den Rücken des Gaules kommen. Nicht mit diesem Bein. Mit einem plötzlich amüsierten Funkeln in den Augen sah er wieder zu der Wilden. „Wenn du mir wirklich helfen willst, dann sorgst du jetzt dafür, dass ich auf mein Pferd komme.“ Mehr würde nicht nötig sein. Um die Wunde würde er sich dann selbst kümmern. Das hatte bisher auch immer geklappt. Hart griff er nach den Zügeln des Hengstes, um ihm mit einem Ruck von seinem unsinnigen Tun abzuhalten. Das Tier reagierte auf den Schmerz in seinem Maul in dem es abrupt den Kopf hochriss und seinem Peiniger auswich. Beinah riss es Gabriel erneut von den Füßen. Wutentbrannt zog er plötzlich seinen Revolver und richtete ihn auf den Kopf des Pferdes. „Du dämliches Miestvieh! Vielleicht sollte ich dich sofort den Wölfen zum Fraß vorwerfen!“ brüllte er rasend vor Wut und ließ seine Waffe plötzlich herum schwenken, um sie auf die junge Frau zu richten. „Und dir sage ich es nun auch zum letzten Mal: Verschwinde!“ brüllte er ausser sich, als ihm augenblicklich schwarz vor den Augen wurde. Mit einem Mal war nicht mehr zu unterscheiden, wo oben und unten war. Gabriel sackten die Beine weg und er fiel hart auf die Knie, um sich sogleich auch mit den Händen im eiskalten Schnee abzustützen. Die Waffe entglitt ihm, während er sich darauf konzentrierte in dieser Haltung zu bleiben und nicht vollends das Bewusstsein zu verlieren. Es gelang ihm nur mit Mühe und Not nicht ohnmächtig wegzusacken. Sein Atem ging schnell und er zitterte am ganzen Körper. Sein Herz raste und die Wunde pochte, so dass der Schmerz fast vollends sein Bewusstsein ausfüllte. Als er Schritte bemerkte, die sich ihm näherte, brachte er vor Anstrengung kein einziges Wort mehr über die Lippen. Er war ihr ausgeliefert. Gnade ihm Gott!
Es hätte ihr klar sein sollen, dass der sture Idiot natürlich nicht auf sie hörte. Trotzdem traf sie der misstrauische und kurz darauf so eisige Blick, mit dem er sie nach ihren Worten maß. Nicht, dass man ihr das ansah. Sie hatte schon vor Jahren gelernt, jede Emotion aus ihrem Blick, ihrer Mimik und Haltung heraus zu halten. Nur tief in ihr drin brodelte es langsam, ob so viel blinden Hasses auf die nun einmal sichtbare Hälfte ihres Erbes. Selbst als er ihr den Rauch bewusst provozierend ins Gesicht blies und ihr einen Atemzug lang die Luft nahm, blieb sie einfach nur ruhig vor ihm stehen, das Kinn erhoben und den Blick stoisch in seinem. Die Zeit war auf ihrer Seite. Je länger er hier herum diskutierte, desto mehr Blut verlor er, was wiederum hieß, desto früher würde er vor ihr im Schnee liegen. Das wäre dann wohl nur die gerechte Strafe, nicht auf sie gehört zu haben, als er noch hätte aufrecht laufen können. Was ihm wohl auch langsam bewusst wurde, so wie er an seinem Bein hinab sah. Sie ersparte sich den Blick. Sie hatte den immer größer werdenden dunklen Saum und den roten Ring um sein Bein herum schon bemerkt, als sie sich ihm genähert hatte. Nein. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Und sie wollte verdammt sein, wenn sie zuließ, dass man sie wegen noch einem toten Weißen verfolgte, der die Mühe nicht wert war!
Doch natürlich verstand er nicht. Einen winzigen Augenblick blitzte blanke Wut in Dakotas Augen auf, als er mit seinen blutbesudelten Fingern ihr Handgelenk schmerzhaft festhielt. Schon im nächsten Augenblick sah sie ihn aber genauso gelassen wie vorher an. Selbst wenn diese Gelassenheit mehr als gespielt war, als er so zielsicher einen ihrer Gründe, warum sie ihn nicht einfach zurück ließ, erkannte. Ihr einzige Reaktion bestand jedoch in einem kaum merklichen Anheben ihres Kinns. Und wenn es so war. Was sollte es ihn kümmern, so lange er mit dem Leben davon kam. Nicht, dass er das genauso sah. Dakota ersparte sich jede Erwiderung auf seine Worte. Er würde sie ja doch nur als Grund nehmen, um sie noch weiter beschimpfen zu können –oder gar doch noch seine Waffe auf sie abfeuern und treffen. Also ging sie nur betont langsam in die Knie und rieb sich sein Blut mit etwas Schnee von der Haut.
Dabei entging ihr keinesfalls, dass er schon wieder schwankte und gegen sein Pferd fiel. Zufrieden beobachtete sie, wie die Zigarette erlosch und richtete sich dann wieder auf. Fragend glitt ihre Augenbraue ein Stückchen hinauf, als er sie auf einmal belustigt ansah. Sie verstand nicht, wo diese Belustigung herkam. Aber das hatte sie bei den Weißen noch nie verstanden. Wieder schwieg sie, als sie nach seiner Aufforderung erst ihn und dann sein nervöses Tier abwägend betrachtete. Das würde nie klappen. Etwas, was er in diesem Moment selber merkte, als das zugegeben wirklich ziemlich temperamentvolle Pferd in erneut fast von den Beinen riss. Als er jedoch plötzlich die Waffe zog und auf das arme Tier zielte, spannte Dakota sich an. Unschuldige Tiere zu erschissen, weil man einfach die eigene Schwäche nicht zugeben wollte, ging dann doch zu weit. Sie wollte gerade entschlossen eingreifen und ihm versuchen die Waffe zu entreißen, als er auf einmal herum schwenkte und nun zitternd auf sie zielte. Umgehend verharrte Dakota, die Augen leicht verengend.
Was dann folgte, konnte sie wohl als dramatische letzte Versuche abbuchen. Denn bevor sie auch nur etwas erwidern konnte, so sie denn das überhaupt vorgehabt hätte, brach er wie erwartet zusammen. Lautlos seufzend, weil sie ihn nun doch hoch kriegen musste, sah Dakota hinab zu dem Verletzten, dann zu seinem Pferd, um abzuwiegen, ob dieses weg rennen würde oder nicht. Sie beschloss, es darauf ankommen zu lassen. Sie verstand zu wenig von Pferden, um es daran hindern zu können. Also näherte sie sich statt dessen dem Reiter, welcher erstaunlicherweise noch nicht bewusstlos war. Ruhig schob Dakota die Verbandssachen wieder in ihre Tasche, diese auf den Rücken und ging dann neben dem Fremden in die Hocke, um den einen Arm vorsichtig um seine Hüfte zu legen und sich mit der anderen Hand einen seiner Arme um die Schultern zu ziehen, bevor sie sich daran machte, ihn aus dem eisigen Schnee zu hieven. Verdammt war der Kerl schwer! Aber das waren wohl alle, die mehr bewusstlos als bei Bewusstsein waren.
Einen Moment verschnaufte Dakota, als sie endlich mit dem Verletzten stand. Dann schleppte sie ihn Schritt für Schritt langsam zu dem Felsen, auf den sie ihn vorsichtig absetzte. Sorgsam darauf achtend, dass er nicht zur Seite und damit wieder ins kalte Nass fiel, hockte sie sich dann vor ihn und inspizierte die Wunder erst einmal, in dem sie ganz sanft den durchtränkten Stoff weg zog. Das gehörte gereinigt, genäht und dann verbunden. Aber dazu bräuchten sie wohl ein etwas geeigneteres Umfeld. Seufzend öffnete Dakota ihre Tasche und zog erneut den groben, aber sauberen Verband hervor. Sie würde jetzt erst einmal die Blutung stoppen, dann konnte sie einen Unterschlupf suchen. Möglichst bevor er zu fiebern anfing. Bereits während sie diesen Entschluss fasste, schnitt sie ein Stück vom Verband ab und faltete es zusammen. Schnell das Messer wieder verstaut, noch einmal abgesichert, dass der Fremde halbwegs sicher saß und dann drückte sie das gefaltete Stück auf die Wunde, bevor sie diese fest, aber nicht zu fest verband. So. Das sollte vorerst reichen.
Einen Moment wartete sie noch ab, doch es sickerte kein neues Blut nach. Nur ein winziger roter Punkt tauchte auf, der sich aber nicht mehr vergrößerte. Zufrieden nickte Dakota, reinigte sich die Finger im Schnee und stand dann auf, um dem Fremden erst seine Waffe und nach einem letzten Zögern auch sein Pferd zu bringen. Wobei ihr Zögern eher daher rührte, dass sie nicht sicher war, ob das Tier ihr folgen würde. Doch letztendlich konnte sie ihm beides in die Hände drücken. Nachdenklich musterte sie ihn. Konnte sie ihn jetzt sich selbst überlassen? Wohl eher nicht, wenn sie nach seiner Gesichtsfarbe ging. War ja klar. „Wartest du hier, während ich einen Unterschlupf suche oder muss ich damit rechnen, deiner Spur folgen zu müssen, wenn ich dich allein lasse?“ Die Frage kam ruhig und frei von jedem Gefühl. Auch das hatte sie gelernt. Weiße schlugen zu leicht zu, wenn sie Gefühle witterten.
Dumpf wie durch dichte Nebelschwaden, die Gabriels Bewusstsein umwaberten, bemerkte er ihre Nähe. Er spürte den erstaunlich festen Griff um seine Hüfte und ließ es geschehen, dass sie seinen Arm um ihre Schultern legte. Irgendwie brachte sie es sogar fertig ihn wieder auf die Beine zu bringen. Alles drehte sich um Gabriel und das weiss des Schnees war mit einem Mal zu hell für seine Augen. Die Orientierung war immer noch schwierig und so lehnte er sich mit letzter Kraft auf das Mädchen in seinem Arm. Er hörte ihren angestrengten Atem, der sich mit seinem Ächzen vermischte. Das Bein war mittlerweile kaum noch zu belasten und der Schmerz beinah unerträglich. Als sie sich in Bewegung setzte und ihn mit sich schleppte, gelang es ihm irgendwie zu laufen, auch wenn jeder Schritt eine Qual war. Er biss die Zähne zusammen und humpelte so gut es ging an ihrer Seite vorwärts. Mit letzter Kraft schafften sie es zu dem Felsen, auf dem er mit einem Stöhnen Platz nahm und sich nun darauf konzentrieren musste, aufrecht sitzen zu bleiben, damit er nicht doch noch ohnmächtig im Schnee landete. Er war immer noch nicht richtig da und spürte mehr, als dass er es sah, dass sie bereits die Wunde versorgte. Als sie plötzlich Druck darauf ausübte, sog er scharf die Luft ein. Erschöpft stützte er sich mit einer Hand auf dem Felsen ab, um nicht umzukippen, während sein Atem nur noch stoßweise ging. Und plötzlich, während Gabriel noch mit seinem Kreislauf zu kämpfen hatte, war sie verschwunden. Gabriel war sich einen Moment nicht sicher, ob er darüber erleichtert oder besorgt sein sollte. Immerhin würde er so nicht weit kommen und dann hätte auch das Verbinden der Wunde nichts gebracht. Doch die Farben vor seinen Augen begannen sich allmählich zu verflüchtigen. Das Sitzen tat gut und schonte seine Kraft. Als sie wieder bei ihm war sah er überrascht zu ihr auf, als sie seinen Revolver in seine Hände drückte. Das hatte er in der Tat nicht erwartet. Und wenig später bot sie ihm auch die Zügel seines Pferdes an, die er verwundert annahm. Wieso tat sie das? Sie könnte ihm mit Leichtigkeit das Lebenslicht ausblasen, er war so gut wie wehrlos. Oder sie raubte ihm bei lebendigem Leib aus, nahm ihm die Waffe ab und schwang sich auf sein Pferd. Er wäre nie in der Lage ihr zu folgen und es gäbe auch niemanden, der ihn vermissen würde, wenn er nicht mehr auftauchte. Doch da stand sie und musterte ihn beinah mit besorgter Miene. Das war Gabriel absolut nicht gewohnt. Bisher hatte sich nie irgend jemand um ihn gekümmert oder gar Sorgen gemacht. Sie fragte ihn ernsthaft, ob er auf ihre Rückkehr warten würde, wenn sie sich nach einem Unterschlupf umsah. Gabriel sah sie mit einem schiefen Lächeln an. Im Prinzip tat sie genau das, was er auch getan hätte, aber zugeben würde er das niemals. Also begann er sie wieder zu provozieren und zu ärgern, denn das war seine Art mit seinem Mitmenschen zu kommunizieren. Eine andere kannte er nicht. „Wenn es dich glücklich macht, dann warte ich hier.“ grinste er sie an. „Aber zuerst nennst du mir deinen Preis!“ damit wurde sein Gesicht wieder ernst. Nur ein Funkeln blieb in seinen Augen, als er meinte Verwirrung oder gar Ärger in ihrem Blick festzustellen. Natürlich konnte man diese Frage auch falsch verstehen und das allein wäre eine Beleidigung für jede ehrbare Frau gewesen. So sprach man bekanntlich nur mit den käuflichen Damen dieser Welt. Andererseits stand hier definitiv keine ehrbare Frau vor ihm. Mehr eine Wilde, Halblut oder ähnliches. Er ließ absichtlich seinen Blick in anzüglicher Weise über ihren Körper gleiten. Wenn er sich die Kleidung wegdachte, konnte darunter durchaus ein ansehnlicher Körper zum Vorschein kommen. Sie verstand wohl tatsächlich nicht, was er meinte, also ergänzte er: „Was wird mich deine verdammte Hilfe kosten?“ fragte er trotz allem entnervt. Jeder wollte etwas. Er hatte zwar von Menschen gehört, die selbstlos anderen zur Hilfe eilten, aber bisher nie welche getroffen. Vielleicht waren es auch nur Märchen. Und Gabriel blieb niemanden gern etwas schuldig. Als würde sie ihren Preis nennen müssen. Spätestens wenn sie in die Satteltaschen schauen würde, wüsste sie, dass Geld nicht das Problem war.
Wenigstens halb bewusstlos kooperierte er. Denn Dakota war wohl bewusst, dass sie es ohne seine wenn auch eher ungerichtete Hilfe nie geschafft hätte, ihn bis zu dem Stein zu bringen. Dazu hatte sie allein das Aufrichten zu viel Kraft gekostet. Nicht, dass sie ihm für seine Mithilfe dankte. Wieso auch? Immerhin hätte wahrscheinlich jeder Andere, der bei Verstand gewesen wäre, den Mann einfach liegen lassen. Was wohl wieder einmal bewies, dass sie nicht die Anderen war. Oder nicht bei Verstand. Letztendlich war das wohl egal. So oder so fühlte sie sich eindeutig besser, als sie den Verletzten notdürftig verarztet hatte. Langsam sah dieser auch wieder etwas besser aus. Man konnte förmlich sehen, wie sich sein Blick wieder etwas schärfte. Ebenso wie sie bemerkte, dass er nicht mehr ganz so unsicher auf dem niedrigen Felsen saß. Sehr gut. Das steigerte die Chancen, dass er auch noch auf diesem saß und nicht halb tot im Schnee lag, wenn sie wieder käme.
Sein Blick als sie ihm seine Waffe und die Zügel reichte, hätte sie wohl in jeder anderen Lage schmunzeln lassen. Offensichtlich hatte er etwas gänzlich Anderes von ihr erwartet. So wie sie die Weißen einschätzte, wahrscheinlich irgendetwas Falsches oder Brutales. Da war er bei ihr an der falschen Adresse. Sie vergriff sich nicht an anderer Leute Eigentum. Und das hatte verdammt noch einmal nichts mit den dämlichen Bibelstunden zu tun, die sie hatte erdulden müssen. Genauso wie ihre vollkommen unlogische Sorge um ihren noch immer ziemlich blassen Gegenüber nichts mit diesen zu tun hatte. Das hatte beides einfach mit reinem Überlebenswillen zu tun. Und da standen ihre Chancen nun einmal besser, wenn man einen lebenden Weißen und keinen toten Weißen fand. Ein Toter reichte vollkommen. Ungewollt zogen sich ihre Augenbrauen leicht gereizt zusammen bei dem Gedanken an ihren Mann. Gerade als er sie mit einem schiefen Lächeln ansah, dass durchaus... charmant wirkte. So sie denn an diesen Charakterzug bei Weißen glauben würde. Ihrer Erfahrung nach wurden diese aber nur dann nett, wenn sie etwas von einem wollten –oder einem in den Rücken fallen wollten. Eines von beiden erwartend verengte Dakota die Augen wachsam.
Tatsächlich folgte natürlich keine Nettigkeit auf ihre Frage. Das wäre ja auch etwas ganz Neues gewesen. Schnaubend, so dass ihr Atem kleine weiße Wolken bildete, rollte sie entnervt mit den Augen, nickte dann aber knapp. Gut. Dann musste sie sich wenigstens nicht noch Sorgen machen, wie sie ihn erneut aus dem Schnee gehievt kriegte, sollte er abhauen und zusammen brechen. Sie wollte sich schon umdrehen, um sich auf den Weg zu machen, als seine Forderung sie harren ließ. Irritiert sah sie ihn über die Schulter an. Ihren Preis? Ausdruckslos musterte sie ihn schweigend. Für was hielt er sie eigentlich? Und wofür wollte er bezahlen? Kurz blitzten sorgsam verdrängte Bilder aus dem, was ihre persönliche Hölle gewesen war, vor ihren Augen auf, doch Dakota blinzelte sie schnell weg und drehte sich wieder entschlossen von dem Fremden weg. Ohne etwas gesagt zu haben. So entging ihr glücklicherweise der anzügliche Blick, mit dem Gabriel sie so gründlich musterte. Sie hatte gerade die ersten Schritte von ihm weg gemacht, als er seine Frage anders formuliert wiederholte. Was hatten die Weißen nur mit ihrem Geld? Ebenso entnervt wie er drehte sie sich ihm noch einmal zu und ließ den Blick kühl über ihn gleiten. „Mein Leben.“, war alles, was sie denkbar knapp antwortete, bevor sie sich fest entschlossen, sich nicht noch einmal zurück halten zu lassen, auf den Weg machte.
Sie war mehr als froh, als sie allein im Wald war. Außerhalb seines Blickfeldes. Einen Moment blieb sie bebend stehen und lehnte sich gegen einen eisigen Baumstamm. In was war sie da nur wieder herein geraten? Verantwortlich für einen Verletzten. Einen Weißen, dessen Laune stetig zwischen grausam, verachtend und einfach nur zynisch schwankte. Wunderbar. Leise seufzend stieß sie sich erneut ab und stapfte lautlos fluchend weiter. Sie hoffte nur, dass sie einen Unterschlupf finden würde –und dass der Mann schnell heilte. Und wo sie schon so fleißig beim Hoffen war, dass das Wetter bald ein Einsehen haben würde. Sie konnte sich wahrlich besseres vorstellen, als mit einem Weißen möglicherweise wochenlang festzusitzen. Als hätten ihre Gedanken das Schicksal zum Einlenken verleitet, erblickte sie in dem Moment hinter dick zugewehten Sträuchern etwas, das verdächtig nach einem Dach aussah. So gerade Flächen gab es in der Natur nicht. Tatsächlich. Nachdem sie sich mühsam um die mannshohe Wehe herum gekämpft hatte, erblickte sie eine halb verfallene Hütte.
Nachdenklich musterte sie die Schneemasse auf dem Dach, dann das löchrige Holz, die schiefen Läden. Sich selber ermahnend, dass dies immer noch besser wäre als eine zügige Höhle, trat sie näher... und schließlich vorsichtig hinein. Eine Weile trat sie nur bedacht zwischen den kaputten Möbelstücken umher, musterte die Balken und wog ab. Bis sie in der Mitte des kleinen Raums stehen blieb. Es würde wohl reichen müssen. Doch damit sie hier einen Verletzten unterbringen konnte, ohne dass dieser Gefahr lief, Wundbrand zu kriegen, musste sie noch wenigstens ein gutes Stück des Staubs entfernen. Aber das wäre wohl machbar. Zumindestens würden sie durch die zerschlagenen Möbel ausreichend Feuerholz haben. So beruhigt, trat sie wieder hinaus und in den nicht minder vertrauenserweckenden Anbau. Prüfend glitten ihre Finger über die wirklich niedrige Decke. Sie hoffte, das Pferd würde hier herein passen. Draußen stehen lassen wollte sie es bei der Witterung nicht. Notfalls musste es eben mit in die Hütte. Mit einem Schulterzucken glitt ihr Blick durch den Raum. Auch hier musste sie erst einmal etwas entrümpeln, aber dann müsste es eigentlich gehen. Zufrieden mit ihrem Fund trat sie hinaus in die eisige Luft und suchte ihre Fußspuren, um auf diesen zurück zu finden.
Auf dem Rückweg versuchte sie einzuschätzen, wie weit die Hütte tatsächlich weg war. Immerhin würde sie den Fremden stützend dorthin bringen müssen. Auf sein Pferd würden sie ihn wohl kaum kriegen. Das würde ihren Schätzungen zufolge sicher den halben Tag in Anspruch nehmen, so langsam wie sie bei seinem Zustand wären. Dann noch einige Stunden die Räume herrichten. Tief seufzend richtete sich Dakota gedanklich darauf ein, wirklich mit dem Ekelpaket über Nacht fest zu sitzen. Ein Gedanke, der sie unweigerlich mürrisch das Gesicht verziehen ließ. Als sie sich jedoch schließlich wieder der Stelle näherte, wo sie Gabriel allein gelassen hatte, waren ihre Züge allerdings stoisch ruhig wie immer. Prüfend sah sie kurz zur Sonne. Sie war vielleicht eine, vielleicht auch zwei Stunden weg gewesen. Was hieß sie mussten sich langsam beeilen, um ihr Ziel zu erreichen und noch im Hellen wenigstens etwas herrichten zu können. Nachdem sie die Wunde dort etwas besser versorgt hatte. So er sie denn ließ. Falls er denn wirklich noch da war und sie ihn nicht doch erst suchen musste. Angespannt glitt ihr Blick zu dem Felsen, auf dem sie Gabriel zurück gelassen hatte, als sich dieser nach dem nächsten Baumstamm in ihr Blickfeld schob.
Sie hatte sich bereits abgewandt und Gabriel rechnete nicht mehr mit einer Antwort, als sie plötzlich inne hielt und zurückschaute. Mit einem kühlen Blick, den Gabriel emotionslos erwiderte, sah sie ihn direkt an und antwortete nur in zwei einfachen Worten, die Gabriel abermals verblüfften. Dann drehte sie sich wieder um und verschwand im Wald. Ihr Leben, das war der Preis für ihre Hilfe? Obwohl er sich damit nicht auseinander setzen wollte, begann er darüber zu grübeln. Sie hatte also Angst, dass er ihr etwas antat? War das damit gemeint? Wieso wollte sie denn kein Geld? Das war doch beinah unmöglich. Er würde das Thema später, wenn er in besserer Verfassung war, wohl nochmals neu aufrollen müssen. Irgendetwas würde sie von ihm wollen, da war er sich sicher. Als er in die Richtung sah in die sie verschwunden war, kam ihm die Erkenntnis, dass er sie womöglich nie wieder sehen würde. So hätte er zumindest gehandelt. Wieso sollte man bei einem Menschen bleiben, der einem absolut nichts bedeutete und das eigene Leben womöglich gefährdete? Ja, er war sich sogar sicher, dass die Indianerin, oder was sie auch immer war, bereits das Weite gesucht hatte. Dann war es natürlich einfach nichts zu verlangen. Das Schnauben seines Pferdes, das immer noch dicht bei ihm stand, riss ihn aus seinen Gedanken. Gabriel betrachtete den Schimmel, der ihm heute so nutzlos erschien. Das prachtvollste Pferd hatte er seinem Vater gestohlen, doch das Temperament des Tieres war in vielen Situationen nur fehl am Platz. Irgendwie war der Andalusier nicht für ihn gemacht. Natürlich zog er neugierige Blicke auf sich, erntete bewundernde Worte und er als Reiter sah eindrucksvoll darauf aus. Aber die Schönheit des Tieres hatte seinen Preis. Das Pferd war grundsätzlich nervös und schreckhaft. Und es war durch und durch bösartig. Es dudelte ihn nicht in seiner Nähe, biss und trat um sich und es kam auch nicht mit seinen eigenen Artgenossen klar. Er konnte die Loblieder, die sein Vater immer von diesem Tier beinah gesungen hatte, nicht nachvollziehen. Gabriel verengte bei diesem Gedanken die Augen. Und als würde das Pferd seine Stimmungsschwankungen mit Leichtigkeit wahrnehmen legte der Schimmel die Ohren flach an den Kopf. Vielleicht würde er das dämliche Vieh bei nächster Gelegenheit auch verkaufen. Aber vorrangigstes Problem war erstmal zu überleben, bevor an den nächsten Schritt gedacht werden konnte.
Die Zeit schlich dahin und Gabriels Wut stieg von jeder Minute. Er hasste es so hilflos zu sein und wollte hier nicht sitzen und warten, dass die Wilde wieder zu ihm zurückkehrte. Er hatte gelernt keine Hoffnungen zu haben, da diese sowieso nur zu Enttäuschungen führten. Sie war nun schon eine ganze Weile weg und Gabriel sah sich in seiner Vermutung bestätigt, dass sie übe alle Berge war. Wer konnte ihr das Verdenken? Doch hätte er sie nicht getroffen säße er jetzt in einem warmen Saloon, eine Hure mit entblössten Brüsten im Arm und ein Glas Whisky in der Nähe. Stattdessen saß er hier in der Affenkälte mit einem verletzten Bein und einem nutzlosen Pferd, in dessen Sattel er nicht kam.
Ein Knacken hinter ihm verriet ihm die Anwesenheit des Mädchens. Mit einem frechen Grinsen drehte er sich ihr zu: „Ich hätte nicht gedacht, dass du…“ sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht. Wenige Meter von der Stelle entfernt, an der er zusammen gebrochen und den Schnee rot mit seinem Blut verfärbt hatte, stand ein Bär und schnüffelte interessiert. Gabriel ging der Anblick des riesigen Bären bis ins Innerste. Seine Chancen standen schlecht, denn offensichtlich witterte der Bär in ihm eine leichte Beute, die noch dazu verletzt war. Wohl ein Grund wieso er überhaupt so dreist war und aus dem Unterholz gekommen war. Das Gabriel ihn nicht bemerkte hatte, rechnete er seiner momentan nicht all zu guten Verfassung zu. Der dämliche Schimmel hatte sich bisher jedoch auch nichts anmerken lassen, ausser, dass er bereits seit einiger Zeit wieder nervös auf der Stelle trippelte, was er sonst aber auch oft genug tat. Nun aber blähte er angstvoll die Nüstern und riss die Augen auf. Gabriel ließ die Zügel los, um nicht abermals von seinem Pferd in den Schnee gerissen zu werden. Kaum bemerkte sein Reittier die neu gewonnene Freiheit wich es auch schon zurück. Der Bär hatte mittlerweile den Kopf erhoben und sog die Luft hörbar ein. Gabriels biss angespannt auf die Zähne, nun würde es richtig lustig werden. Als der Bär ihn als festes Ziel vor Augen nahm, spannte er leise den Revolverhahn und richtete in einer langsamen Bewegung die Waffe auf das riesige Tier. Falls es angreifen würde, musste bereits der erste Schuss sitzen, sonst wäre sein Leben vorbei. Anschiessen durfte er es nicht, denn dann würde er die blanke Kraft des Bären entfesseln. Und falls das Mädchen zurückkam würde sie bestenfalls gar nichts mehr von ihm finden. Die brummenden Laute und das kräftige Schnauben des großen Raubtieres gingen Gabriel durch und durch. Er war absolut machtlos. Die einzige Chance war tatsächlich die Waffe in seiner Hand. Plötzlich vernahm er eine Bewegung aus dem Augenwinkel und sah die Indianerin um die Ecke kommen. Sie war tatsächlich zurück gekommen! Unglaublich! Er sah wie auch sie erstarrte und ihre Blicke trafen sich für einen Moment ratlos. Schwerfällig setzte sich der Bär in Bewegung. Der Schimmel wieherte ängstlich und machte auf dem Absatz kehrt, um im Galopp davon zu stoben. Vielen Dank auch du treuloses Vieh schickte Gabriel ihm einen bösen Gedanken hinterher bis er wieder seine volle Aufmerksamkeit dem Bären zukommen ließ. Dieser kam schnaubend immer näher. Etwas musste passieren. Gabriel stand auf und erlangte so die volle Aufmerksamkeit des Bären, der in seinem Schritt inne hielt und den Kopf hob. Während die Waffe immer noch auf ihn gerichtet war, begann Gabriel mit der anderen Hand schnelle Bewegungen in der Luft zu vollführen, während er laute Rufe ausstieß, um den Bären zu verscheuchen. Sein Bein nahm ihm diese Handlung äußerst übel. Todesmutig schleppte sich Gabriel zwei Schritte auf den Bären zu und brüllte ihm zu er solle gefälligst verschwinden. Dieser war im ersten Moment völlig irritiert, doch dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und Gabriel stand vor einem Berg von einem Bären. Sein lautes Gebrüll, das ein riesiges Maul mit spitzen Zähnen entblösste, ließ Gabriel in seinem Tun inne halten. Das Gebrüll des Bären hallte in der Stille des Waldes mehrfach nach. Gabriel zielte mit dem Revolver auf den Boden, direkt vor die Tatzen des aufgerichteten Raubtieres und drückte ab. Auch der Schuss zerriss die Stille und brachte den Bären nun ebenfalls aus der Ruhe. Schnaubend kam er wieder auf alle vier Pfoten zum stehen und wich etwas zurück. Gabriel zielte erneut vor die Füße des Bären, so dass die dort einschlagende Kugel, Schnee aufspritzen ließ, der sich im Fell des Tieres verfing. Mit einem erneuten unwilligen Brüllen zog der Bär sich weiter zurück, bis er schließlich kehrt machte und davon eilte. Gabriel zielte noch lange auf das flüchtende Raubtier, bis es schließlich im Unterholz wieder verschwunden war. Dann ließ er erschöpft den Revolver sinken. Das war knapp gewesen. Zu knapp. Heute hatte es alles und jeder anscheinend auf sein Leben abgesehen. Als er zu dem Mädchen sah, brachte er im ersten Moment seiner Erleichterung sogar ein Lächeln zustande. Ihr Mut war etwas, dass Gabriel ihr positiv anrechnete. Weder von einem mürrischen Weißen noch im Angesicht eines Bären lief sie davon. Sie blieb an seiner Seite und das verwirrte Gabriel immer mehr. Er humpelte auf sie zu und ließ den Revolver ins Holster gleiten. „Lass uns von hier verschwinden.“ schnaufte er und blieb keuchend bei ihr stehen. Einen Moment sah er sie an ohne jeglichen Hochmut, der in seinen Augen glitzerte, oder Provokation auf den Lippen. Mit anerkennendem Blick und einem abermals erleichtertem Lächeln sah er sie an. „Gibt es eigentlich überhaupt etwas vor dem du davon läufst?“ er grinste. „Wie ist eigentlich dein Name?“ Er keuchte angestrengt, denn die Situation hatte seine letzten Kräfte empfindlich angegriffen. Doch er wollte nicht darum bitte, sich von ihr stützen zu lassen. Er war kein Weichei. Und momentan überwog das Interesse an der Fremden. „Ich bin Gabriel.“ Er wusste nicht warum er meinte ihr seinen Namen schuldig zu sein. Doch es fühlte sich in diesem Moment so an, als hätte sie sich dieses Wissen verdient.
Sie hatte mit einigem gerechnet, als sie zu der Stelle kam, wo sie den Verletzten zurück gelassen hatte. Allerdings ganz sicher nicht damit, diesen Auge in Auge mit einem Bären vorzufinden. Dakota neigte ganz sicher nicht dazu, allein durch den Anblick eines Raubtieres in Panik auszubrechen. Immerhin griffen Tiere gewöhnlich nicht grundlos an. Das galt allerdings nicht, wenn sie wusste, dass es nach Blut für dieses riechen musste, sie schutzlos war und dazu kam, dass vorher irgendetwas den Bären geweckt haben musste. Oder sollte dieser nicht um diese Jahreszeit in seiner Höhle liegen und friedlich schlafen? All diese Gedanken schossen in Sekundenbruchteilen durch ihren Kopf, als sie so abrupt stoppte. Einen Moment erfasste sie einfach nur ruhig die Szene, dann glitt ihr Blick bedacht zu dem Fremden. Er sah genauso verunsichert aus, wie sie sich fühlte. Irgendwie war sie sich nicht sicher, ob sie das beruhigen oder eher panisch werden lassen sollte. Sie beschloss, beides auf später zu verschieben und stattdessen einfach ruhig stehen zu bleiben. Sie roch wenn denn nur schwach nach Blut. Vielleicht schwach genug, dass der Bär sie nicht als lohnenswertes Ziel sehen würde.
Da bewegte sich eben dieser... und es passierte, was wohl abzusehen gewesen war. Das schon vorher so nervöse Pferd ergriff die Flucht. Dakota sah ihm emotionslos hinterher. Genau genommen war das nicht wirklich schlecht. Auch das Reittier müsste nach Blut riechen. Ebenso wie nach Panik. Dazu die erhöhte Fleischmasse. Eigentlich die perfekte Beute für den Bären. Jetzt musste er das nur noch auch so sehen. Doch da passierte etwas, womit Dakota sicher ebenso wenig gerechnet hätte. Der Weiße lenkte die Aufmerksamkeit des Bären bewusst auf sich. Verwirrt musterte sie ihn. Ob er schon fieberte? Eigentlich sah er eher besser wie schlechter aus. Aber das konnte auf die Entfernung natürlich auch täuschen. Allerdings würde Fieber solch eine dämliche Aktion ziemlich gut erklären. In jedem Fall wusste Dakota nicht, was sie von den Gebaren des Mannes halten sollte. Regungslos verfolgte sie seine Bewegungen. Doch verstehen tat sie jene nicht. Weder warum er so herum hampelte, was seinem Bein doch sicher nicht bekommen dürfte, noch warum er das Tier verschonte, als er sich auf seine Waffe besann. Sie hatte noch nie erlebt, dass ein Weißer ein Wildtier –oder auch einen sogenannten wilden Menschen- verschonte, wenn er die Chance gewittert hatte, diesen erschießen zu können. Doch dieser hier tat es. Er schoss lediglich vor die tödlichen Tatzen. Und das obwohl das Gebrüll des Bären selbst sie hatte ordentlich zusammen schrecken lassen.
Irritiert von seinem Verhalten sah Dakota zu Gabriel, als dieser seine Waffe senkte. Er lächelte sie sogar an. Kein zynisches und abwertendes Heben der Mundwinkel, sondern ein ehrliches und erleichtertes Lächeln. Nein, sie verstand ihn wirklich nicht. Etwas, was ihr so gar nicht passte. Denn wenn sie nicht wusste, wie sie ihn einordnen sollte, dann wusste sie auch nicht, wie sie ihm begegnen sollte. Das Ergebnis war, dass sie wohl eine Spur zu angespannt und noch mehr in sich zurück gezogen war, als er sich ihr näherte. Auf seine geschnaufte Aufforderung nickte sie erst, zögerte dann aber. Wobei sich ihre Unsicherheit letztendlich doch noch in ihren Augen abzeichnete, als er sie plötzlich anerkennend ansah. Vollkommen verwirrt, wieso er sie auf einmal so gänzlich anders betrachtete, blinzelte sie und wich unwillkürlich einen winzigen Schritt zurück. Im selben Moment, als sie merkte, was sie tat, blieb sie aber auch schon wieder stehen. Gerade als er erneut keuchend, aber grinsend neugierig wurde. Eine Weile musterte ihn nur scharf. Zum einen, um seinen körperlichen Zustand zu sondieren, immerhin lag eine ziemlich anstrengende, wenn auch nicht allzu lange Strecke vor ihnen. Zum anderen aber auch, um endlich sein Handeln zu verstehen. Ersteres war deutlich einfacher. Letzteres gelang ihr nicht.
Schließlich besann sie sich aber mit einem kurzen Schulterzucken. „Dakota.“, beantwortete sie zuerst seine letzte Frage, bevor sie den Kopf leicht auf die Seite neigte und der ernste Ausdruck aus ihren Zügen etwas wich. Wenn sie auch noch lange nicht wirklich entspannt war. „Natürlich gibt es auch Dinge, vor denen ich weg laufe.“ Tote Ehemänner zum Beispiel. „Aber Bären, die man in ihrem Winterschlaf geweckt hat, gehören da nicht zu.“ Bewaffnete Weiße schon eher. Aber das würde sie ihm nicht sagen. Ihr wurde bewusst, dass sie eben wahrscheinlich ihren persönlichen Rekord an Worten an einen Weißen aufgestellt hatte. Wieso ausgerechnet dieses Exemplar sie dazu verleitet hatte... sie hatte keinen blassen Schimmer. Seufzend wandte sie den Blick von Gabriel ab und blickte stattdessen den irritierenden Gedankengängen ausweichend in die Richtung, in welche sein Pferd verschwunden war. „Sollten wir es einfangen?“ Fragend sah sie ihn an. „Brauchst du deine Satteltaschen?“ Sie mochte keine Ahnung haben, was er in diesen hatte, aber da er kaum was am Leib trug und ganz sicher nicht ohne Hab und Gut unterwegs sein dürfte, war die Frage vielleicht nicht allzu aus der Luft gegriffen.
Sie schien äußerst misstrauig zu sein. Ein Wesenszug, der Gabriel nur all zu vertraut war und beinah Sympathie wecken konnte. Sie verzog nur selten ihr Gesicht zu einer anderen Mimik als dem ernsten beinah leeren Blick, der seit ihrem aufeinander Treffen in ihren Augen lag. Eine immer währende Distanz schimmerte in ihnen, die sie auch zu wahren versuchte. Nun aber meinte er einen kurzen Moment in ihren Augen auch Unsicherheit zu erkennen. Er hatte bemerkt, dass sie sogar einen winzigen Schritt zurückgetreten war, ganz so als weiche sie plötzlich angstvoll vor ihm zurück. Etwas irritierte sie zunehmend. Nun ja, dann waren sie schon mal zu zweit. Schließlich kam kurz und knapp ihr Name über ihre Lippen und Gabriel horchte auf. Auch dieser erinnerte Gabriel an eine Indianerin, was nicht weiter verwunderlich war. Doch er hatte erst gar nicht mit einer Antwort von ihr gerechnet. Stattdessen hatte sie ihn auch damit wieder einmal überrascht. Und schließlich meinte er zu erkennen wie ihre innere Anspannung etwas von ihr wich. Sie richtete das Wort an ihn und er hörte das erste Mal bewusst ihre Stimme. Eine schöne weiche Stimme in der die Stärke, die in ihr schlummerte, bedeutungsvoll mitschwang. Und ihre Antwort vor was sie denn davon laufen würde, war zwar nichts sagend, aber immerhin ehrlich. Denn insgeheim flüchtete doch jeder vor irgendetwas. Er beispielsweise vor seiner eigenen Vergangenheit. Und seinem Stiefvater, wenn man es genau nahm. So gesehen war doch jeder irgendwie auf der Flucht. Er hörte ihr interessiert zu, denn sie hatte vollkommen Recht. Der dämliche Bär hätte sich eigentlich im Winterschlaf befinden sollen. Dieser Gedanke war Gabriel in seinem Schrecken erst gar nicht gekommen. Warum auch immer, aber das riesige Tier hatte es wohl für wichtig befunden Gabriel einen Besuch abzustatten. Er folgte ihrem Blick, der plötzlich von ihm abließ und in die Richtung blickte in die sein Pferd verschwunden war. Schon wollte er auf ihre Frage hin abwinken, ob man es einfangen sollte, als sie die Satteltaschen ansprach. Augenblicklich verfinsterte sich Gabriels Gesicht. Er wollte sich einfach nur noch ausruhen und wieder zu Kräften kommen, anstatt seinem verblödetem Tier von einem Pferd hinterherzujagen. Doch sie hatte unbewusst den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Satteltaschen brauchte er zurück und durften keinem anderen in die Hände fallen. Sonst wäre das viele Geld fort. Doch wer wusste schon wie weit dieser dämliche Gaul gelaufen war? Und wie weit es Gabriel selbst noch schaffen würde. Einen leisen Fluch auf den Lippen sah er seinem Pferd düster hinterher. „Ja, ich brauche die verdammten Satteltaschen. Sie enthalten alles was ich besitze.“ erklärte er nur knapp. Wehe sie würde Wind von dem Inhalt bekommen, dann war er sicherlich bald ein toter Mann. Denn dann würde sie sich doch noch umentscheiden und ihn hier verrecken lassen, während sie sich Geld und Pferd schnappen würde. Misstrauisch sah er sie an. „Bringen wir es hinter uns.“ schnaubte er schlecht gelaunt und setzte sich angestrengt humpelnd in Bewegung. Alles war wieder wie zu Anfang. Der Anflug von Freundlichkeit und beinah vertrauter Nähe war verflogen und die feindliche Distanz zwischen ihnen plötzlich wieder da, während man wortlos nebeneinander herging.
Sein Verhalten war für Dakota wirklich ein einziges Mysterium. Ihr Misstrauen schien fast so etwas wie Verständnis und Wohlwollen auszulösen. Was ja nun wirklich nicht logisch war... oder? Und wieso hörte er ihr so aufmerksam, wenn nicht gar interessiert, zu? War das nicht gegen die Ehre der Weißen einer Rothaut zuzuhören? Interesse zu bekunden? Es ergab einfach keinen Sinn. Überhaupt schien er anfangs regelrecht verwundert darüber, dass sie ihm antwortete. Nun gut. Das verstand sie wiederum. Das verwunderte sie schließlich selber. Doch nun war es zu spät, die Worte zurück zu nehmen und ihnen beiden damit die daraus resultierende Verunsicherung zu nehmen. Nun jedenfalls die Verunsicherung auf ihrer Seite. Er wirkte eher... sie hatte keine Ahnung wie er wirkte. So langsam war das wirklich frustrierend.
Ebenso wie seine abrupten Wechsel. Im einen Moment war er entspannt und nett, im nächsten... ganz der alte, misstrauische Durchschnittsweiße. Nur, dass sie mal wieder keine Ahnung hatte, wie sie zu dem Wechsel gekommen waren. Was hatte sie gesagt? Weil sie seine Satteltaschen angesprochen hatte? So langsam wurde es echt beleidigend –und langweilig. Hatte sie ihm denn nicht schon bewiesen, dass sie an seinem Eigentum kein Interesse hatte? Offensichtlich hatte der Mann ein Kurzzeitgedächtnis. Ergeben lautlos seufzend straffte sich Dakota. Es half ja alles nichts. Dann waren sie eben wieder bei Null angekommen. Eigentlich schade, aber offensichtlich nicht zu ändern. So nickte sie nur knapp auf sein Geständnis, dass er die Satteltaschen wieder bräuchte. Das hatte sie sich immerhin schon gedacht, dass in diesen sein Hab und Gut war. Sie hoffte nur auch noch etwas wärmere Kleidung. Das würde sich zeigen. So sie denn das Pferd fanden.
Sie blickte nachdenklich in die Fluchtrichtung des Tieres und versuchte einzuschätzen, wie weit es wohl gerannt war. Hoffentlich nicht allzu weit. Denn das würde Gabriel sicher nicht gut bekommen. Und sie brauchte ihn, konnte sie doch mit Pferden erwiesenermaßen nichts anfangen. Im Augenwinkel bekam sie mit, dass eben dieser sie gerade ansah. Also wandte sie ihm den Kopf zu und unterdrückte ein weiteres, dieses Mal entnervtes Seufzen. Also wirklich. Konnte er nicht jemand anderes mit diesem misstrauischen Blick durchlöchern? Emotionslos erwiderte sie seinen Blick und hob eine Augenbraue. Doch er ging auf die stille Frage –oder doch eher schon Herausforderung?- nicht ein, sondern schnaubte in einem weiteren Anflug schlechter Laune. Wieder nickte sie. Ja, brachten sie es hinter sich. Desto früher konnten sie zur Hütte, desto früher heilte sein Bein, desto früher trennten sich ihre Wege wieder.
Also setzte sie sich schweigend in Bewegung, wobei sie sich bewusst neben Gabriel hielt. Ohne ihn zu berühren, aber bereit ihn umgehend zu stützen, sollte er den Ansatz zeigen zu stürzen. Darüber hinaus achtete sie aber mehr darauf, dass sie sich den Weg zurück einprägte. Auf die breite Schneise, die das Pferd hinterlassen hatte, musste man sich nun wirklich nicht sonderlich konzentrieren. Der konnte sogar ein Weißer ohne Probleme folgen. Selbst wenn dieser Weiße schwer verletzt und in einer Laune gefangen war, die mehr als nervend war. Dakota hoffte wirklich, dass sie sein Pferd schnell fanden –und besser unverletzt. Sonst wäre das nachher auch ihre Schuld. Bis dahin stapfte sie eben schweigend neben ihm her. Sie würde die Stille sicher nicht unterbrechen! Er hatte ja mit dem Mist wieder angefangen!
Die eisige Stille zwischen ihnen nervte Gabriel genauso wie wenn Dakota einem Wasserfall gleich auf ihn eingeredet hätte. Warum er auf einmal auch ein Problem damit hatte, wenn man nicht mit ihm sprach, konnte er sich auch nicht mehr erklären. Er schob es abermals auf den Tag, der nicht sein bester war, ebenso wie seine körperliche Verfassung. Mit zusammengezogenen Augenbrauen warf er abermals einen finsteren Blick auf seine Begleitung, die wohl fest entschlossen war ihm nicht mehr von der Seite zu weichen. Sie sah wie eine Indianerin aus und sie erinnerte Gabriel auch mit allem was sie tat an eben diese Wilde. Er konnte sich nicht helfen, es war einfach so. Doch wäre sie ihm nicht vor sein Pferd gestolpert, dann wären sie nun nicht auf die gegenseitige Gesellschaft des anderen angewiesen. Gabriel schob seine Hände missmutig in die Jackentaschen und zog die Schultern hoch. Allmählich wurde es wirklich verflucht kalt und das Bein bereitete auch immer mehr Probleme. Gabriel hasste es wie ein Krüppel laufen zu müssen und dabei die Zähne zusammen beissen zu müssen, damit er nicht bei jeder Belastung des Beines aufkeuchte. Wenn sie diesen verfluchten Gaul nicht bald fanden, dann war er wirklich Futter für die Wölfe. Die Spur vor ihnen im Schnee, die von einem panisch davon gelaufenen Pferd zeugte, ließen die Wut des jungen Mannes immer mehr ansteigen. Wieder juckte es ihm in den Fingern den Gaul einfach über den Haufen zu schießen, sobald er ihn gefunden hatte. Nichts als Ärger hatte er mit diesem Vieh. Seine eigene Angst, die er im Angesicht des Bären empfunden hatte, war bereits wieder so gut wie vergessen. Das Pferd seines Vaters war einfach nur eine Last und hatte ihm nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Aber so war es eben manchmal im Leben. Man bekam nicht immer das was man wollte und oft genug dafür die Katze im Sack präsentiert. Gabriel rückte etwas von Dakota ab. Sie lief beunruhigend nah neben ihm. Beinah berührte man sich beim Laufen, zumal Gabriel gelegentlich schwankte. Und das musste seiner Meinung nach nicht auch noch sein. Sein Atem hatte sich bereits angestrengt beschleunigt und ihm war mit jedem Schritt plötzlich wärmer statt kälter. Schon meinte er auf seinem Rücken und der Stirn die Feuchtigkeit zu spüren, die man normalerweise nur nach körperlicher Anstrengung bemerken sollte. Nicht aber bei einem nervigen Spaziergang durch den Schnee. Wieder begann es vor seinen Augen zu flimmern. Sein Körper versuchte ihm mit allen Mitteln zu signalisieren, dass er längst genug hatte. „Moment…“ keuchte er nun doch erschöpft und suchte mit einer Hand Halt in den Ästen einer Tanne, die aufgrund der Schneelast tief herab hangen. Doch Gabriel bemerkte, dass es dennoch nicht besser wurde. Nervös überlegte er was er machen sollte. Er wollte auf keinen Fall hier und jetzt in Ohnmacht fallen, konnte Dakota aber auch niemals allein das Pferd suchen lassen. Die Satteltaschen waren dafür zu wertvoll. Angestrengt tippelte er auf der Stelle, denn stillstehen war auch nicht besser als laufen. Ein stechender Schmerz fuhr ihm durch das verletzte Bein, als er es erneut belastete und Gabriel biss die Zähne fest zusammen. Am besten man gab ihm auch gleich den Gnadenschuss, dann wäre die peinliche Szenerie für ihn auch beendet. Gerade als er Dakota davon unterrichten wollte, wieherte es ganz in der Nähe. Gabriel horchte auf. Das Pferd war also nicht mehr weit. Welch ein Glück!
Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie an seiner düsteren Mimik glatt ablesen... dass ihn das Schweigen zwischen ihnen ebenso nervte wie sie. Nur das dies keinen Sinne ergab. Er hatte es zum einen eröffnet und zum anderen... wieso sollte ihn das nerven, wo ohnehin jeder Blick, den er ihr zuwarf von Misstrauen geprägt war oder dazu geeignet sie tot in den Schnee sinken zu lassen. So ein Blick dies denn bewirken könnte. Oder war er einfach nur wütend, dass sie ihn nicht alleine ließ? Wieso sollte sie das tun? Wollte er in aller Ruhe erfrieren und verbluten? Oder doch lieber an Wundbrand eingehen? Still mit den Augen rollend schob Dakota ihre Zöpfe über die Schultern. Das würde sie sicher nicht. Sie würde ihre Schuld begleichen und ihn in die nächste Stadt bringen. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wo diese lag. Erst dann würde sie ihn nur allzu gerne allein lassen. Mit Freuden und ohne einen Blick zurück!
Im Moment glitt ihr Blick hingegen doch zu Gabriel, als dieser seine Hände in die Taschen steckte und die Schultern einzog. Sie hatte es geahnt. Er war aber auch leichtsinnig dünn angezogen für die Witterung. Allerdings bezweifelte sie, dass er in ihre Sachen passen würde –oder diese auch nur in Betracht ziehen würde. Also unterließ sie es, ihm etwas aus ihrem prall gefüllten Beutel anzubieten. Was nicht hieß, dass sie sich nicht auch weiterhin dicht neben ihm hielt und ihn vorsichtshalber aus dem Augenwinkel heraus auch scharf beobachtete. Er hatte Schmerzen. Kein Wunder. Doch war er offensichtlich auch nicht gewillt, diesen nachzugeben. Etwas was ihr gegen ihren Willen Bewunderung abverlangte. Wobei sie sich fast sicher war, dass er die Schmerzen einfach mit Groll überdeckte und nicht wirklich ausblendete. Das würde wesentlich besser zu seiner finsteren Miene passen.
Wahrscheinlich sollte sie froh sein, dass er sie nicht schon wieder mit seinen Waffen bedrohte, sondern nur auf einmal von ihr abrückte. Jetzt wurde es aber lächerlich! Schnaubend trat sie wieder dichter zu ihm, ließ ihm aber etwas mehr Raum und passte ihre Schritte auch vorsorglich seinem gelegentlichen Taumeln an, so dass sie sich nicht mehr berührten. Wenn er dachte, sie würde brav einen Schritt Abstand halten, nur damit er sich besser fühlte, hatte er sich geschnitten. Das könnte nämlich der Schritt sein, den sie zu spät kam, um ihn vor einem Sturz zu bewahren. Und wenn er erst einmal unten war, wäre das wohl weit erniedrigender und schwieriger.
Inzwischen glich sein Atem dem einer Dampflok auf Hochtouren. Dazu glänzten feine Schweißperlen auf seiner Stirn. Das war nicht gut. Sie hoffte nur, dass das nur Anzeichen für Überanstrengung waren und nicht für Wundbrand. Abwägend glitt ihr Blick an ihm herab zu seinem Bein. Blutete es wieder? Wäre eigentlich kein Wunder. Was lief dieser störrische Mann auch immer weiter! Dabei konnte sie doch an seinem Blick sehen, dass er schon wieder um sein Bewusstsein kämpfte. Das sah er wohl endlich auch ein. Erleichtert hielt Dakota neben ihm an, berührte ihn aber noch immer nicht. Erst als er zu trippeln begann und absehbar vor Schmerz die Zähne zusammen biss, trat sie neben ihn und legte ihm wieder entschlossen einen Arm um die Taille, um ihn zu stützen, aber auch, um ihm eventuell etwas Wärme abzugeben.
In dem Moment hörten sie das Pferd. Dakota drehte den Kopf sondierend. Das klang nicht sonderlich weit weg. „Stütz dich auf.“, befahl sie ihm fest und steuerte dann den Punkt an, wo sie sein Pferd vermutete. Tatsächlich... dort hinten stand es, die Zügel rettungslos in den kahlen Ästen eines umgefallenen Baums gefangen. „Es ist nicht mehr weit.“, informierte sie Gabriel knapp. Nur falls sein Blick nicht mehr so weit reicht. Ob er das packen würde, fragte sie nicht. Da würde er sie eh nur wieder anfahren, sie solle sich um ihren Kram kümmern. Zumindestens würde sie auf nichts Anderes wetten. Sie brauchten eine gefühlte Ewigkeit bis sie endlich bis auf wenige Schritte an dem Tier dran waren. Unsicher stoppte sie. Fast hätte sie nun doch gefragt, ob er das hinbekam. Sie biss sich im letzten Moment auf die Zunge und ließ ihn einfach nur vorsichtig los, bereit wieder zuzugreifen, sollten seine Beine ihn nicht weiter tragen.
OOC: Oh man... tut mir so leid. Ich weiß ja auch nicht, was da momentan wieder abgeht im RL. *grml*