Ben lief in einem Schritt, der ihren deutlich kürzeren Beinen sehr angenehm war. Er lernte schnell, hatte er doch noch heute Morgen seinen normalen Gang gehabt und erst angepasst nachdem er bemerkt hatte das sie kaum nachkam. Diesmal schritt er von Anfang an sehr langsam neben der halben Meter kleineren Frau entlang. Seinen Blick auf die Kutschen bemerkte sie sehr wohl. Eine gängige Berufskrankheit. Sie selber betrachtete Töpferwerk auch immer entsprechend, Fachmännisch und kritisch, vergleichend. Die ganzen Menschen auf der Mainstreet beachtete Abigail nicht über Gebühr. Man sah sich an, nickte freundlich und ging seiner Wege. Ein wenig wunderte sie sich über das hiersein des Soldaten, der bei der Blonden an der Kutsche stand, aber da die Kutsche an der Sheriffsstation auch Soldaten hatte, ordnete Abigail den Mann einfach diesen zu. Die Rede hatte sie ja verpasst und wusste nichts von den Geschehnissen. Am Arm von Ben bog sie in die Lake Street ein, vorbei an MacKays Spirituosenladen, den sie kaum eines Blickes würdigte und kramte ihren Schlüssel aus der Tasche ihres Mantels um Ben die Tür aufzuschliessen. Von drinnen war schon das erfreute bellen von Caden zu hören. Lächelnd trat sie beiseite, damit der grosse Mann eintreten konnte und folgte ihm dann in das kalte Haus, schaute schmunzelnd zu wie Caden an dem Hünen auf und ab hüpfte und schnappte sich ihren kleinen Liebling dann, setzte ihn vor die Tür damit er sein Geschäft machen konnte. Da der Hund dazu gerne Bäume nutzte, bevorzugt in der Nähe von Sträuchern, machte sie sich keine Sorgen das er irgendwelche ‚Geschenke‘ auf der Hauptstrasse hinterlassen würde.
Sie gab Ben einen Moment Zeit die Wohnung auf sich wirken zu lassen. Ein grossteil der Sachen die hier standen, stammten von der ehemaligen Besitzerin. Sie erinnerte sich noch an die kleine Emma. Das schmächtige Mädchen mit den braunen Zöpfen. Eine Tochter der Gründerfamilien, so wie selber auch. Es war schon etwas seltsam hier zu sein, auf ihren Möbeln zu sitzen, aber es sparte ihr für den Moment die Anschaffung teurer, eigener Möbel und es war immens freundlich von Emmas Verwandtem, das sie hier wohnen durfte. Sie schlüpfte aus dem Mantel, wobei Ben ihr wieder galant zu Hand ging und streifte dann die Haube ab. „Setz dich Ben, machs dir gemütlich.“ Sie wies auf den Esstisch, bei dem Ben noch mit ihr reden konnte während sie in dem angrenzenden Küchenstück den Kuchen bereiten würde. Mit ihren kurzen Schritten ging sie hinüber zur Küche und feuerte den Ofen an, wärmte sich kurz die Hände an dem Feuer, bevor sie die Klappe schloss.
Aus den Schränken kramte sie eine Schüssel und Zutaten. Milch, Mehl, Zucker, einige Eier und ein paar Äpfel und ein kleines Säckchen Rosinen sowie eine Zimtstange. Die Vorräte hier waren schon deutlich geschrumpft. Einiges, zumindest was sich in Dosen aufbewaren liess, war quasi Teil des Inventars gewesen. Die Äpfel und ein Schälmesser gab sie an Ben. „Wärst du so lieb?“ fragte sie ihn mit Kulleraugen und machte sich dann daran den Teig zu rühren. Das würde noch ein gutes Stück dauern, bis der Kuchen dampfend auf dem Tisch stehen würde, aber solange musste Ben halt aushalten. Wenn der Teig angerührt war, würde sie sich und ihm auch erstmal was zu trinken machen. „Tee oder Kaffee? Ich glaube ich hab noch etwas.“
Vorsichtig war der riesige Mann eingetreten, nachdem Abigail ihm die Tür geöffnet hatte. Er war es gewohnt, an Türstöcken den Kopf zwischen die Schultern ziehen zu müssen. Seinen Hut, den er vor dem Betreten des Hauses abgenommen hatte, in den Händen drehend, schaute er sich kurz um. Dann wandte er sich an seine Angebetete und sah zu, wie sie den kleinen Hund nach draußen ließ, der nur kurz schnuppernd um seine Beine gestrichen und einige Male auf und ab gesprungen war. Der Vierbeiner hatte es anscheinend sehr eilig damit, das Freie zu gewinnen. Mit einem Lächeln auf seinem breiten Gesicht sah Ben Hund und Frauchen zu. Seine Abby schien ein Händchen für Tiere zu haben, zumindest für diesen Hund. Das gefiel dem Stellmacher, zeigte es doch, wie sehr sie sich um andere kümmerte – eine wesentliche Voraussetzung für die künftige Mutter einer reichen Kinderschar. Als seine Gastgeberin die Tür schloss und ihm einen Platz anbot, trat er nach ihr in die Küche und setzte sich langsam auf einen der Stühle am Esstisch. Man merkte ihm an, wie viel Vorsicht er dabei walten ließ. Es war manchmal nicht einfach, wenn man einen Körper wie den seinen hatte. Bei der Arbeit halfen ihm seine gewaltigen Kräfte, doch wo es darum ging, sich etwas vorsichtiger zu bewegen, waren Körpermasse und Muskeln meist eher im Weg. Misstrauisch sah er sich den Stuhl an, bevor er ihm sein Gewicht anvertraute, und auch bevor er seinen Bowler auf den Tisch legte, äugte er nach Tassen, Tellern oder anderen Gegenständen, die womöglich zu Bruch gehen konnten, wenn er sich nicht vorsah.
Es war jedoch nichts in seiner Nähe, das er versehentlich hätte vom Tisch fegen können, und so lehnte er sich auf dem Stuhl zurück. Kurz erstarrte er mit erschrockenem Gesicht in seiner Bewegung, als die hölzerne Lehne verdächtig knarrte, dann beschloss er, doch lieber aufrecht, mit geradem Rücken sitzen zu bleiben. Sicher war sicher. Die großen Hände auf dem Tisch liegend sah er Abby zu, wie sie mit der Routine der Hausfrau zu werken begann. Das Lächeln kehrte auf seine Züge zurück, und er folgte ihren Bewegungen mit glänzenden Augen. Eine gute Hausfrau, ja, ja, das war sein Mädchen! Er hatte es immer gewusst – es gab einfach nichts an ihr, was man sich anders hätte wünschen können! Vage beschwor sein Verstand das Bild eines glücklichen Familienlebens herauf, in dem sie unter einem Dach lebten und in ihren jeweiligen Reichen wunderbares leisteten, er in seiner Werkstatt, sie in Küche und Haushalt. Dazu viele Kinder, eines wie das andere so schön wie die Mutter, und vor allem auch so klug. Eine angesehene, eine respektable Familie... sein Lächeln nahm etwas Abwesendes an, während er zu träumen begann. Die Nachbarn, die ihn höflich grüßen würden, die sich anerkennend über seine Arbeit äußern und ihn voller Begeisterung weiterempfehlen würden, die Nachbarsfrauen, in deren Mitte seine kleine Abby in ihrer Küche, in ihrem Reich, sitzen und plauschen würde, sie so anerkannt und respektiert wie er. Niemand würde über sie lachen, über seine Dummheit oder über Abbys mangelnde Körpergröße. Es würde ein schönes Leben sein, wie er es sich immer schon gewünscht hatte...
Als ganz unvermittelt eine Schüssel mit Äpfeln und ein Messer vor seinen Augen auftauchten, brauchte der Hüne wie üblich einige Momente, um wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren und sich klarzumachen, dass er gerade angesprochen worden war. Mit einem leichten Erröten, halb verlegen, halb erfreut, griff er sich beides und grinste Abby an. "K-klar. Machich doch glatt! Für dich, meinich..." Er gluckste vor Freude darüber, dass er sich getraut und wieder eine seiner gewagten Schmeicheleien ausgesprochen hatte. Am liebsten hätte er die kleine Frau liebevoll getätschelt, als sie ihm mit einem reizenden Lächeln Messer und Schüssel reichte, aber das hätte seinen Mut für den Moment denn doch etwas überstiegen. Er begnügte sich daher damit, ihr nachzuschauen, wie sie wieder zu ihrem Teig zurücklief, verräterische rote Flecken auf seinem Gesicht. Dann machte er sich daran, die Äpfel zu schälen. Erstaunlich geschickt handhabte er das kleine Küchenmesser mit seinen riesigen Händen, auch wenn er sich sichtlich auf seine Arbeit konzentrieren musste und dabei die Zunge zwischen die Zähne klemmte. Erfreut sah er auf und unterbrach seine Arbeit, als ihn Abby nochmals ansprach. "’n Kaffee wär’ schön, ja!" Als er zu ihr hinüber sah, hob er mit sichtlichem Stolz einen halb geschälten Apfel, als wolle er ihr zeigen, wie sorgfältig er das Obst behandelte. "Gut so, ja?" Dabei grinste er wieder verlegen.
Die Schüssel mit den Äpfeln stand vor Ben und er schmeichelte ihr sogar wieder einmal. Auf seine eigene Art eben. Sie hörte sein typsiches Glucksen, wenn er sich über etwas freute und schmunzelte leicht auf dem Weg zurück zur Arbeitsfläche in der Küche. Rasch setzte sie etwas Wasser auf für den Kaffee, der Ofen heizte ja bereits und machte sich dann daran den Teig zu kneten, während Ben die Äpfel schälte. Sie blickte sich um, als er fragte ob der Apfel so gut geschält war, grinste Ben an und nickte. „Genau so. Wenn du ihn danach noch in dünne Scheiben schneidest wäre das eine grosse Hilfe.“ Fügte sie hinzu und zeigte mit zwei Fingern an wie dünn sie meinte. Dann versanken beide eine Weile in Schweigen. Ben weil er sich auf das schälen konzentrierte, was bei den kleinen Äpfeln, dem kleinen Messer und seinen grossen Händen ganz gewiss nicht einfach war, während Abigail sich sprichwörtlich in den Teig stürzte. Die Ärmel des Kleides hochgekrempelt walkte und knetete sie die langsam fester werdende Masse und verteilte sie nach einigen Minuten in einer Kuchenform. Der Vorteil wenn man den Haushalt einer Frau bezog, die wirklich relevanten Sachen waren vorhanden.
Eine dünne Schicht Apfelmus strich sie auf den Teig und kam dann mit der Schüssel zum Tisch an dem Ben sass, stellte diese vor ihm ab. „So, fast soweit das er in den Ofen kann.“ Lächelte sie und wischte sich dann an einem Tuch die Finger sauber. Der Kessel mit dem Kaffeewasser pfiff und bettelte um Aufmerksamkeit, so das Abby erstmal wieder zum Ofen hastete und den Kessel vom Feuer nahm. Schnell ein paar Kaffeebohnen in die kleine Mühle stand sie da, mahlte die Bohnen und sah zu Ben. „Würdest du den Zimt da aus dem Schrank holen? Die kleine blaue Dose.“ Bat sie ihn, während sie weiter die Kurbel drehte und dem seichten Knirschen aus der Kaffeemühle lauschte. Ben holte den Zimt und sie füllte das Kaffeepulver in ein dünnes Tuch, das schon deutliche, dauerhafte Flecken aufwies, die deutlich machten wozu dieses Tuch benutzt wurde. Vorsichtig goss sie das heisse Wasser in eine Kanne, gab das Pulver hinein und rührte einige Male kräftig um mit einem Kochlöffel und goss das Wasser aus der einen Kanne in eine neue, durch das Tuch. Langsam, so das die Pulverrückstände im Tuch bleiben konnten. Aus der neuen Kanne goss sie dann zwei Tassen und stellte beide auf den Küchentisch. „Zucker kommt sofort.“ Wieder tippelte Abigail vom Tisch zur Arbeitsfläche, wo ja noch Zucker stand den sie für den Kuchen verwendet hatte und stellte die Dose vor Ben auf den Tisch, zusammen mit einem Löffel.
Dann nahm sie Platz und nahm die Apfelscheiben, die Ben vorbereitet hatte und verteilte sie gleichmässig auf dem Kuchen, krönte das ganze mit einer handvoll Rosinen und zwei bis drei Prisen Zimt, bevor sie die Form nahm und in den nun gut vorgeheizten Ofen stellte. Die kleine Sanduhr nahm sie mit zum Tisch, um die Backzeit besser abschätzen zu können. Wieder am Tisch krempelte sie die Ärmel wieder runter und griff nach dem Becher. „Es ist schon ein sehr angenehmer Zufall das wir beide fast zu selben Zeit wieder hierher zurück gekommen sind. Darauf stoss ich an..“ strahlte Abigail, wirklich erfreut doch noch einige bekannte und vor allem lieb gewonne Gesichter in Camden vorzufinden und hob den Kaffeebecher um mit Ben anzustossen.
Konzentriert widmete sich der Hüne seiner Aufgabe mit dem für seine Verhältnisse in der Tat winzigen Küchenmesser. Trotz seiner großen Hände schaffte er es jedoch in erstaunlich kurzer Zeit, die Äpfel in der Schüssel zu schälen und in schmale Scheiben zu schneiden, wie sie ihm Abby angezeigt hatte. Nur gelegentlich sah er während seiner Arbeit zu ihr hinüber und lächelte über sein ganzes Gesicht. Was er sah, bestätigte seine Meinung von ihr voll und ganz: Sie war ein fleißiges Mädchen, das ordentlich arbeitete und einen großen Haushalt zu führen in der Lage wäre. Ein gutes Mädchen, wie man es heiraten wollte. Vergnügt schnippelte er vor sich hin und ließ ab und zu, wenn Abby nicht zu ihm schaute, eine Apfelspalte zwischen seinen Zähnen verschwinden. In dieser Beziehung war Ben noch immer der kleine Junge, der er einmal gewesen war: Wenn es etwas zu naschen gab, konnte er sich oft nicht beherrschen, und wenn es gar verboten war, schmeckte es noch einmal so süß!
Als Abby mit ihrem fertigen Teig zu ihm kam, war er gerade beim vorletzten Apfel. Er sah auf – wenn er saß und sie stand, konnten sie sich direkt in die Augen sehen – und grinste verschämt. "F-fast fertig, Miss Abby!" Rasch beendete er seine Arbeit und wischte sich die Hände ab, während sie sich um das Kaffeewasser kümmerte. Dabei schielte er auf den Teig, dann auf die Äpfel. Das Wasser lief ihm schon im Mund zusammen. Er hoffte nur, sein Magen würde nicht laut zu knurren anfangen! Angesichts dieser Sorge war es ihm sehr recht, aufstehen zu müssen, um Abigails nächste Bitte zu erfüllen. Bereitwillig tappte er daher zum angegebenen Schrank und rumorte darin herum, bis er die beschriebene blaue Dose fand. Kaum dass er deren Deckel anhob, sah und roch er den Zimt darin. Hinter ihm erklang das Mahlen der Kaffeemühle, und er nutzte auch diese Gelegenheit, indem er rasch mit dem Zeigefinger hineintippte und diesen dann genussvoll in den Mund steckte. Dann schloss er den Schrank, wischte den feuchten Finger mit leichter Verlegenheit an seiner Hose ab und beeilte sich, die kleine Dose zu Abby zu tragen.
Feierlich stellte er sie vor ihr ab und setzte sich, von einem lauten Knarren begleitet, vorsichtig wieder auf seinen Stuhl. Dann faltete er die Hände und sah mit glänzenden Augen zu, wie sie den Teig mit den Apfelscheibchen belegte. Sein Blick folgte ihr, als sie den Kuchen schließlich in den Ofen schob. Er leckte sich verstohlen über die Lippen, bevor sie sich setzte. Dann ergriff sie ihren Becher und hob ihn an. Mit einem einfältigen Lächeln nahm er den zweiten und ließ ihn mit Schwung gegen den in Abbys Hand klirren. Ein paar Spritzer Kaffee landeten auf dem Tisch, und er errötete mit einem gemurmelten "Tschullljung..." Dann hob er rasch den Becher und schlürfte das heiße Getränk geräuschvoll. Sein Blick wanderte zum Ofen, dann wieder zurück zu seiner kleinen Angebeteten. Noch immer leicht rot lächelte er sie breit an. Ben war für den Moment der wohl glücklichste Bürger des kleinen Ortes.
Mit dem Kaffee stiessen sie an. Ben wie so oft ein wenig seine Kraft und seinen Schwung unterschätztend klackerten die Gefässe gegeneinander und etwas von dem Kaffee schwabbte über. Einige Spritzer nur, für die er sich auch sofort entschuldigte. Geräuschvoll schlürfte er seinen Kaffee, währen Abigail nur kurz daran nippte, sehr vorsichtig da dieser ja frisch aufgebrüht und entsprechend heiss war und stellte die Tasse vorsichtig ab. Ben schien zufrieden, warum auch immer. Vielleicht war es die Aussicht auf den Kuchen der nun noch mindestens eine halbe Stunde brauchen würde, bevor sie ihn aus dem Ofen holen konnte. Dann noch eine weitere halbe Stunde kühlen um die Bauchschmerzen zu vermeiden, die das essen von frischem Kuchen leider mit sich brachte. Eine Stunde die sie hier sitzen würden und Abigail hatte nicht vor diese schweigend zu verbringen. Sich einfach nur anzustarren war einerseits unhöflich, wenig gastfreundlich und half überdies weder ihm noch ihr.
"Du bist sehr geschickt mit Holz. Meinst du ich kann dich um einen Gefallen bitten?" fragte sie vorsichtig, obwohl sie wusste das sie Ben gewiss um einen Gefallen bitten konnte. In der Töpferei waren Regale, die ausgebessert werden müssten und auch der Verkaufstresen könnte eine geschickte Männerhand vertragen um ihn wieder in einen repräsentablen Zustand zu bringen. Wenn sie hier ein Geschäft führen wollte, sollte dieses sich auch von der möglichst besten Seite zeigen. Leider fehlten ihr selbst dafür die handwerklichen Fähigkeiten, welche Ben allerdings ganz offensichtlich mitbrachte. Lächelnd betrachtete sie den grossen Mann, der wie erwartet begeistert zustimmte, wieder eines seiner dezenten Komplimente anbrachte. Dezent auf seine Art. Die Art wie er wieder und wieder 'Für dich' sagte, war irgendwie süss, selbst wenn es Abigail ein wenig das Gefühl gab ihn auszunutzen. Das wollte sie nun wirklich nicht.
"Also wirklich nur wenn deine Zeit es erlaubt. Ich hätte da zwei Regale, die neue Borten vertragen könnten und der Tresen in der Töpferei könnte einen neuen Schliff vertragen. Der Ort hier hat keinen Schreiner, da wärst du die beste Adresse." Lächelte sie verlegen zu dem Hünen, zu dem sie selbst im sitzen hochblicken musste. Einige leckere Mahlzeiten, ein paar Kuchen und Kekse war für den Moment leider alles was sie ihm an Entlohnung anbieten konnte, denn solange die Töpferei nicht eröffnet war hatte sie kein Einkommen und musste ihre Dollar zusammenhalten soweit es ging. Bei Ben hatte sie allerdings wenig bedenken das er sich auf so etwas einlassen würde, zumindest bis sie ihn richtig bezahlen konnte. Sie hob ihren Kaffeebecher und nahm einen Schluck von der bitteren Flüssigkeit, stellte den Becher wieder ab, hielt die Hände aber an der Tasse um sie aufzuwärmen. "Ich bekoch und bebacke dich dafür."
Tatsächlich verbrannte sich Ben leicht die Zunge, als er den heißen Kaffee genussvoll schlürfte. Doch zum einen wollte er sich trotz der schmerzenden Zungenspitze vor seinem Mädchen – überhaupt vor einem Mädchen – keine Blöße geben, und zum anderen war es eigentlich auch gar nicht so schlimm... aus irgendeinem Grund machte es ihm kaum etwas aus, denn Miss Abby nahm einen Großteil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch, weswegen das raue Gefühl und das leichte Ziehen in seinem Mund in der Wahrnehmung des Hünen etwas verblassten. Oh ja, ihr Kaffee war himmlisch, genauso wie sie selbst! Er schlürfte daher weiter aus der Tasse und sah sie mit breitem Lächeln an, das ein wenig einfältig, aber sehr offen wirkte. Vermutlich hätte der Stuhl unter seinem Hintern brennen können, ohne dass er es in diesem Moment gleich gemerkt hätte. Er war voll auf die Töpferin konzentriert. Auf ihre Frage wegen eines Gefallens nickte er daher auch sofort eifrig und brummte ein fragendes "Mmmhh..?" Als er dann hörte, worum es der kleinen Frau ging, strahlte er. "K-klar..! Das m-machich doch mit links! Besser als v-vorher!" Vor lauter Erleichterung und dem Bemühen, sich schnell zu äußern, fing er wieder an zu stottern. Es gefiel ihm nämlich ungemein, so entspannt abwinken zu können. denn um was ihn seine Angebetete da bat, war nun wirklich etwas, das er mit Leichtigkeit tun konnte. Das war kein großes Wunder, bedachte man seinen Beruf. Nichtsdestotrotz empfand er großen Stolz bei der Vorstellung, dass sie zu ihm – jawohl, zu ihm! – gekommen war mit ihrem Anliegen. Denn war das nicht ein Zeichens ihres Vertrauens in seine Fähigkeiten?
Ja, das war Balsam für Bens Seele! Der große Mann, der zeit seines Lebens wegen seiner Beschränktheit verspottet worden war, hier bekam er eine Wertschätzung, noch dazu aus einem Mund, dessen Worte trotz der Zartheit seiner Besitzerin für den Riesen doppelt und dreifach wogen. Er war die beste Adresse, die erste, die einzige, an die sie sich wenden sollte, oh ja! Er grinste vergnügt und wedelte noch einige Male abschätzig mit seiner gewaltigen Hand. "Gar kein P-Problem!" Dabei sah er mit einem liebevollen Blick auf sie hinunter, der angesichts der Situation etwas kindlich-unschuldiges hatte. Ben war gerade weit davon entfernt, Gedanken zu hegen, wie sie ein anderer Mann vielleicht gehegt hätte, wenn ihn eine Frau mit einem so verlegenen Erröten um einen Gefallen gebeten hätte. Er sah die kleine Töpferin eher an wie ein Vater seine kleine Tochter, die ihn bat, ihr einen Drachen zu basteln oder eine Puppe zu schnitzen. Abigail hatte hier einfach etwas angesprochen, bei dem er Erfahrung hatte, sich auf sicherem, bekanntem Terrain wusste. Das ließ die innere Anspannung des Riesen schwinden. Hier war eine Sache, bei der er keine Angst haben musste, sich vor ihr zu blamieren oder etwas falsch zu machen! Er tat es ihr unbewusst nach und legte seine Hände um seine Kaffeetasse, mit dem kleinen Unterschied, dass die Tasse zwischen seinen riesigen Fäusten fast verschwand. Erfreut gluckste er, als sie anbot, ihn im Gegenzug mit ihren Kochkünsten zu verwöhnen. "Das wär’ ganz k-klasse!" Er räusperte sich ein wenig. "B-bist bestimmt die beste Köchin von allen M-Mädchen hier..." Seine Ohren glühten rot, und er grinste verschämt, nachdem er diese Worte eilig und etwas undeutlich losgeworden war. Dann hob er die Tasse rasch wieder an und versteckte sein Gesicht halb dahinter, einmal mehr geräuschvoll schlürfend.
Abigail konnte förmlich sehen wie sich die Gedanken in Bens Kopf abspielten. Er hatte diesen ganz speziellen Gesichtsausdruck wenn er sich etwas vorstellte. Genau wie damals. Die kleine Töpferin schmunzelte leicht und blickte kurz in ihren Kaffee. In der Hinsicht war Ben einfach gestrickt, im Grunde war er in allem einfach gestrickt, aber sie kannte nunmal seine Mimik und die Nuancen darin. Das erschreckendere war dabei, das sie sich seid damals nicht verändert hatten. Wenn Ben dachte hatte er eigentlich nur drei Gesichter. Ein ausdrucksloses, leicht angestrengt wirkendes, wenn er versuchte etwas zu verstehen. Ein halbwegs angestrengtes bei dem sich Missmutigkeit auf den Zúgen breit machte, wenn er an etwas unschönes dachte und eben das Gegenteil, das leicht zufriedene Grinsen im Gesicht, wenn es um etwas schönes ging. Bei ihrer Frage grinste er sogar vergnügt und bestätigte nochmals, das das gar kein Problem war. Wie sie auch legte er die Hände um die Tasse, nur bei ihm verschwand die Tasse gänzlich zwischen den Händen. Vom Ofen her verbreitete sich der langsam steigende Duft von Apfel und Zimt im Raum, gab dem Zimmer etwas heimisches, angenehmes, warmes. Ihr Vorschlag ihn mit ihren Kochkünsten zu entschädigen nahm er begeistert auf, was Abigail sehr freute, nahm es doch eine grosse Sorge von ihren Schultern. Das er sie als beste Köchin unter den Mädchen hier betitelte, trieb ihr wieder ein wenig Verlegenheitsröte auf die Wangen. Gut, sie war eine passable Köchin aber Ben übertrieb doch nur wieder. Undeutlich hatte er gesprochen und versteckte auch wieder sein Gesicht so gut es ging hinter der Tasse. Die kleine Frau wartete geduldig bis seine Röte aus den Ohren verschwunden war und er die Tasse wieder abgesetzt hatte, bevor sie über den Tisch langte und ihre kleine Hand kurz auf den Handrücken von Ben legte.
Ein kurzes streicheln nur über seinen Handrücken, das sie mit einem lieben Lächeln bedachte. "Danke." Sagte sie nur, liess dabei offen ob sie seine Hilfszustimmung meinte oder sein Kompliment, oder beides. In Bens Fall vielleicht nicht sehr nett, aber so konnte er das Danke dahin packen wo es ihm am besten gefiel. Mit dem selben Lächeln blickte sie auf Ben, erhob sich und ging zum Ofen herüber, wo sie sich vorbeugte und in den Ofen blickte. Kurz nach dem Kuchen sehen konnte nicht schaden. Zufrieden schloss sie die Lucke wieder und kam zurück zum Tisch, wo sie wieder Platz nahm "Hättest du Zeit nach dem Kuchen kurz rüber zu gehen und dir das anzusehen? In der Zeit kann der Kuchen abkühlen und wenn wir wieder hier sind können wir den zusammen verputzen." Grinste sie aufmunternd.
Der Duft des Apfelkuchens zog verführerisch in die Nase des großen Mannes, und er sah unwillkürlich zum Ofen. Sein Gesicht zeigte einen verklärten Ausdruck, als er schnupperte. Abby streichelte mit ihren kleinen Fingern über seinen Handrücken, was ihn veranlasste, wieder zu ihr zu schauen, noch immer die deutliche Vorfreude auf den Kuchen auf seinen Zügen. Er strahlte sie an, als sie sich bedankte, froh, einfach nur stumm nicken zu können. Für den Moment war die Welt vollkommen in Ordnung, was Ben betraf. Seine Zukünftige – denn nicht anders dachte er von der kleinen Töpferin – stand auf, um nach ihrem Backwerk zu sehen. Lächelnd folgte ihr der Riese mit seinen Blicken. Sie war ein schmuckes Mädchen, seine Abby! Er war nicht wenig stolz darauf, wie adrett sie aussah, würde sie doch binnen kurzem sein Mädchen sein. Seine Begeisterung für die Bäckerin stand indes nicht einem erneuten sehnsüchtigen Blick in Richtung Ofen im Wege. Liebe ging in Bens Fall wahrhaftig zu einem Teil durch den Magen. Der liebliche Duft nach Äpfeln und Gewürzen schien Abbys Schönheit noch zu unterstreichen. Er war für den Hünen quasi eine Eigenschaft der Frau, die diesen Geruch schließlich mit ihrer Hände Arbeit geschaffen hatte. Und er mochte zwar ein wenig prosaisch sein, doch für den einfältigen Stellmacher tat es der Liebe zu einem Mädchen keinerlei Abbruch, wenn man auch die Erzeugnisse ihrer Koch- und Backkünste gebührend würdigte.
Und dieser Kuchen wartete nur auf ihn... so wie seine Abby, nur würde er auf den Kuchen noch weniger lang warten müssen! Behaglich schlürfte er den Rest des Kaffees aus der Tasse. Bei dem Gedanken an seine Zukunft – sowohl die unmittelbar bevorstehende als auch die fernere – wurde ihm warm ums Herz. Er stellt die leere Tasse ab und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, ohne auf das protestierende Ächzen der Lehne zu achten. Abby kehrte zurück und setzte sich ihm gegenüber, während er ihr verschämt zulächelte und mit seiner großen Hand verlegen an seinem Kinn entlang schabte. Sie grinste zurück und sprach ihn an. Bens Lächeln verschwand langsam von seinem Gesicht und machte einem angestrengten Ausdruck Platz. Unwillkürlich hatte er sich aufgerichtet, denn er war mehr als bereit, alles zu tun, um seinem Mädchen behilflich zu sein, nur... "Ähm-mmh... also meinste nu gleich oder nach'm Kuchen, Miss Abby..?" Er kratzte sich unschlüssig am Kopf. So ganz schlau war er aus ihren Worten nicht geworden. 'Nach dem Kuchen', das klang danach, als sollte es ihm erst vergönnt sein, seinen Appetit zu befriedigen. Wenn aber der Kuchen erst abkühlen sollte und sie ihn nachher zusammen essen würden – was durchaus vernünftig klang, und seine Abby war ja sehr klug – dann... er runzelte die Stirn und sah sie verwirrt an.