Verlässt man den Ort in östliche Richtung passiert man die Sheriff Station und einen leerstehenden Hardware-Store. Vor einem liegt ein breiter ausgefahrener Weg, der nach St. Johns führt. Ebenso erstreckt sich der See zur linken mit dem Wald dahinter und einer weiten Ebenen, sie sich bis nach St. Johns zieht.
Timothy Drake, in der Ferne auf der Ebene, dann im Wald
Eine kleine Gestalt kämpfte sich über die große weiße Ebene, die sich zwischen St. Johns und den Wäldern von Camden Village erstreckte. Nichts weiter als ein kleiner dunkler Punkt, der hinter sich eine tief Spur im Schnee herzog. Hin und wieder strauchelte die Gestalt, sank im tiefen Schnee ungeschickt ein, so dass sie bis zur Hüfte darin versank und kämpfte sich dann tapfer wieder in die Höhe, um ihren Weg erneut aufzunehmen. Das Ziel schien der Waldrand zu sein und dazwischen standen Massen von Schnee und ein unerbittlicher Schneefall, der einem die Sicht raubte. Bei näherer Betrachtung entpuppte sich die kleine Gestalt als ein recht magerer, kleiner Junge, der sich mit mehreren Laken von Fetzen, die nur noch schwer als Hemd, Jacke und Mantel zu erkennen waren, gegen die Kälte zu schützen versuchte. Er trug keinen Schal und keine Mütze und entsprechend blau rot gefärbt waren seine Ohren und seine Nasenspitze. Um seine Finger davor zu bewahren in dieser Kälte einfach zu erfrieren, hatte er sich Stofffetzen um die Hände gewickelt. Die vor Schmutz starrende Hose war bis zu den Knien vom Schnee bereits aufgeweicht und seine Zehen fühlte er schon längst nicht mehr. Timothy hatte nun schon vieles in seinem Leben mitgemacht, von tagelangem Hungern bis hin zur Kälte und eine weitere Vielzahl von Entbehrungen, die ein Junge von gerade einmal acht Jahren nicht unbedingt hätte erfahren müssen. Aber dieses Unwetter in Wyoming übertraf alles, was er seit seiner Flucht vor dem Kinderzug erlebt hatte. Dabei hatte er ganz gute Erfahrungen mit dem Wetter und seine Fähigkeiten sich entsprechend dagegen zu rüsten, war recht beträchtlich zu nennen. Bei Regen zumindest suchte er sich ein trockenes Plätzchen, bei Unwetter eine sicherer Höhle, bei Hitze zog er sich in den kühlen Wald zurück und bei Kälte versuchte er einen Job zu finden, der ihn in ein warmes Haus führte. Gegen Schnee hatte Timothy dazu auch überhaupt nichts einzuwenden. Seit er ihn das erste Mal außerhalb von New York erlebt hatte, hatte er fasziniert festgestellt, dass er etwas beruhigendes hatte, weil er die ganze Welt mit ihrem Unrat in ein wunderschönes Weiß verwandelte. Mit Schnee wirkte die Welt friedlich und still. In der Stadt war der Schnee nie lange geblieben und auf den Straßen hatte er sich unter Pferdehufen und Radwerk rasch in braun, grauen Matsch verwandelt. Schön war Schnee in New York City nur am ersten Tag gewesen. Doch auf dem Land hatte er von Anfang an etwas Faszinierendes für den Jungen gehabt. Nein, dem Schnee wollte Timothy seine Schönheit nicht absprechen. Aber diese Kälte setzte ihm langsam zu und die Tatsache, dass er seit gut vier Tagen nichts mehr gegessen hatte, schwächte ihn auf ungewohnte Art und Weise. Die Kombination war sichtlich unangenehm. Hinzu kam, dass ihn die Höhe des Schnees hier draußen völlig überrascht hatte. Er kam kaum vorwärts und jeder Schritt strengte ungemein an. Es war natürlich gut möglich, dass es auch daran liegen konnte, dass er seit der Nacht seiner Vertreibung ständig unterwegs war und überhaupt nicht so recht wusste, wohin er sollte. Die anderen Jungs aus der Scheune hatten von diesem Camden Village geredet. Ein Ort weiter nördlich, wo man vielleicht unterkommen konnte. Ausprobiert hatte es wohl noch keiner, denn sie waren alle ziemlich unsicher darüber gewesen, wie man mit Vagabunden dort umging. Jetzt war es wohl an Timothy es selbst herauszufinden, denn zurück konnte er nicht mehr. Die Bürger von St. Johns hatten sich mobilisiert, um sich von dem "Ungeziefer" zu befreien. Alle leeren Gebäude hatten sie im wahrsten Sinne des Wortes vor vier Nächten ausgeräuchert und auch Timothys Scheune war der Hetzjagd auf Vagabunden zum Opfer gefallen. Sie waren mitten in der Nacht gekommen, als sie alle schon geschlafen hatten und das kleine Feuer längst ausgegangen war. Timothy hatte sich so sehr erschreckt, dass er kopflos losgelaufen war, aus Angst einmal mehr verprügelt zu werden und hatte demnach alles was ihm gehört hatte zurückgelassen. Später hatte er sich nicht mehr zurück getraut um nachzusehen, ob sein Reisebündel noch existierte. So reiste er nun ohne seine Decken, den Proviant, die Streichhölzer, Schnüre, Angelhaken... nur sein Taschenmesser hatte er noch bei sich, aber das war ihm im Augenblick nicht sonderlich von Nutzen. Die Decken und die Streichhölzer hatten ihn am ärgsten getroffen, dicht gefolgt von den drei Konservendosen und dem Stück Brot. Ohne Nahrung und ohne Wärme hatte er in alten Hütten die Nächte verbracht und schrecklich gefroren. Zumindest hatte er Schutz vor den Wölfen, dem Wind und Schnee gehabt. Aber nun plagte ihn doch der knurrende Magen. Ganz schrecklich fühlte sich das an. So als wollte sich der Magen selbst aufessen. Gegen den Durst hatte er einfach immer wieder eine Handvoll Schnee gegessen und inzwischen auch schon mal zwei oder drei, um das Hungergefühl zu stillen. Doch inzwischen nach Tag 4 seiner ungewollten Diät ließ sich der Magen nicht mehr austricksen. Alleine die Hoffnung bald Camden Village zu finden, ließ Timothy funktionieren. Auch wenn ihm langsam der angstvolle Gedanke kam, er habe sich verlaufen und irrte herum. Obwohl Timothy in all den Monaten viel lieber alleine gewandert war, wünschte er sich im Augenblick nichts sehnlicheres als die Gesellschaft der Jungs zurück, die er in St. Johns kennengelernt hatte. Sie waren älter gewesen als er und in ihrem Umgang mit ihm ziemlich ruppig gewesen. Aber das kannte Timothy noch gut von den Straßen New Yorks. Man musste sich nur anpassen, dann konnte man gut mit ihnen leben. Der Plan war auch in der Scheune in St. Johns aufgegangen und Timothy hatte regelmäßig etwas zu essen bekommen und einen warmen Platz gehabt. Weil sie füreinander gesorgt hatten. Sicherlich war er ihnen auch das eine oder andere Mal zur Hand gegangen, hatte selbst aus den ortsansässigen Läden Essen entwendet oder einem Farmer Eier gestohlen, aber das waren Dinge, die er sonst gewöhnlich auch tun musste, um zu überleben. Aber was er nicht oft hatte, waren Geschichten, die unterhielten und die kalten Nächte erträglicher machten. Geschichten konnten die Jungs ihm eine Menge erzählen. Damit hatten sich die langen Nächte doch ganz gut und gemütlich angehen gelassen.
Gemütlich war es längst nicht mehr und obwohl Timmy hin und wieder seine kalte Nase rieb und auch die Ohren, befürchtete er sie könnten längst erfroren sein. Ungeduldig machte ihn diese Vermutung und er wollte nur noch einen warmen Ort erreichen. Egal welchen. Hauptsache er bot Schutz vor dem Schnee. Ihm war es gleich ob er nur eine alte Hütte fand oder ob er sich wieder mit einer Lügengeschichte etwas Wärme erbetteln musste. In diesen Fällen konnte er sich meist auf sein junges Alter verlassen und wenn er dazu seinen inzwischen meisterlich geübten Hundeblick aufsetzte, widerstand ihm keiner. Aber da er durch den Winter mit wenig Wasser in Berührung gekommen war, hatte er empfindlich an Niedlichkeit eingebüßt. Er war schmutzig, die Kleidung starrte vor Dreck und er roch sicherlich genauso wie er aussah. Er kratzte sich überall, weil Flöhe und Läuse sich ebenfalls Schutz vor dem Winter gesucht hatten - ausgerechnet auf seinem Kopf und in seinen Kleidern und seine Haare waren ein wirres, dreckiges Durcheinander. So jemanden schlug man wohl eher die Tür vor der Nase zu, weil er garantiert nichts Gutes verhieß. Aber Timothy war zu müde um sich zu sorgen. Er war selbst seiner augenblicklichen Lage gegenüber optimistisch eingestellt und versprach sich nötigen Erfolg, alleine schon weil niemand bei diesem unwirtlichen Wetter ein Kind sich selbst überlassen konnte.
Als Timothy den Waldrand erreicht hatte, ging er ein gutes Stück an seiner Grenze entlang und fragte sich wie weit es wohl noch sein würde. Oder ob er am Ende gar die Stadt verpasste. Dieser Gedanke ließ nun doch etwas Panik aufkommen und Timothy erhöhte sein Tempo, als könnte er mit Eile diesen Umstand verhindern. Aus einer Laune heraus bog er in den Wald ab und suchte sich einen neuen Weg durch Büsche und Birken. Es war ja gut möglich, dass Camden Village auf der anderen Seite des Waldes lag. Da musste er unbedingt nachsehen....
"Schau, Pôhkeso, die hat mir dieser Taggert gegeben...", sagte Anovaoo'o zu Sanuye und lächelte sie aufmunternd an. Sie reichte Sanuye ihre hübschen Hightop Moccassins, die ihr einer der Nótâxévé'hó'e von den Füßen gerissen hatte.
" Kóóhe [armes Ding], dein Knöchel sieht ganz schön hässlich aus... Aber das wird bestimmt wieder. So schnell fällt einem der Fuß nicht ab...", murmelte sie und hoffte, dass sich nach ihrer Ankunft irgend jemand vielleicht darum kümmern würde.
Aber machte das jetzt überhaupt noch einen Unterschied?
"Was machen die jetzt mit uns?", fragte Ó'kêséena. "Wieso bringen die uns in diese Stadt?"
"Nátaohkêsáa'ée-totáxetanó'tóhe hová'éhe. Násáaxae-héne'enóhe..." [Ich behaupte nicht, immer alles zu wissen. Ich hab' keinen blassen Schimmer...], murmelte Anovaoo.
Anovaoo'o schwieg eine Weile ratlos.
"Notaxe'vé'ho'e, é-tónetónóva? É-tónetóo'xëvahoo'o?" [Der Soldat, worüber sprach der? Was hat er angekündigt], fragte Mo’ôhtaveo’kome.
Anovaoo'o schaute hoch zu ihm und begriff, dass er nicht nur wenig, sondern ja gar nichts davon kapiert hatte, was der Obersoldat gesagt hatte.
"Er hat teilweise Wörter benutzt, die ich nicht kenne...", murmelte sie.
"Na, komm schon, Anovaoo'o", meinte Ó'kêséena. "Du warst doch jahrelang in dieser Schule! Du kennst doch ihre Wörter!"
"Was weißt du denn schon von Vé'ho'énêstsestôtse?", entgegenete Anovaoo'o genervt. "Die ordnen ihre Wörter wie in Babysprache an. Aber sie haben dafür sehr viele Wörter. Und viele Wörter davon merkt sich ein normaler Mensch gar nicht, weil wir solche Wörter gar nicht haben..."
Sie blinzelte und versuchte sich zu erinnern während der Wagen pausenlos weiter rumpelte.
"Da war so ein komisches Wort, das der Obersoldat benutzte... Wir sollen auf einen Trei'el gesetzt werden. Er sagte 'You'll be put on trial', das sagte er..."
Die anderen blinzelten verständnislos.
"Das dumme ist, ich weiß nicht, was ein Trei'el ist.
"Das ist bestimmt das Gerüst, auf dem wir stehen, wenn sie uns aufhängen...", sagte Mo’ôhtaveo’kome düster.
"Aber das hätten sie ja auch schon im Fort machen können. Dafür müssen sie uns doch nicht erst in diese Stadt fahren...", gab Ó'kêséena zu bedenken.
"Ist doch klar...", murmelte Mo’ôhtaveo’kome. "In der Stadt leben all diese Vé'hó'e... Die bringen uns dahin, damit die alle zugucken und johlen können, wenn wir am Strick den ewigen Tod sterben..." Er schaute auf die schweren Eisenketten. Zwecklos... Was hätte er dafür gegeben, jetzt aus dem Wagen sprigen zu können, um schnell zu sterben und seine Seele nach Seaano reisen zu lassen...
"Ich weiß nicht...", meinte Anovaoo'o. "Shepard, der oberste Soldat, der und dieser andere, der versuchte unsere Sprache zu sprechen, die wollten unbedingt von uns wissen, was genau passiert ist. Ich glaube langsam, die werden uns nicht gleich umbrigen. Ich glaube, die werden vielleicht so ne Art Ratsversammlung abhalten..."
"Vielleicht... vielleicht wird ja doch noch alles gut...", sagte Ó'kêséena vorsichtig. Hoffnung glomm in seinem Blick auf.
"Willst du bei denen jetzt um Gnade winseln?" Mo’ôhtaveo’kome spuckte aus.
"Werd' ich auch nicht!", sagte Anovaoo'o fest. "Und kein Wort über... ihr wisst schon...!", sagte sie gepresst...
Eine ganze Weile war nur das Rumpeln des Wagens zu hören.
"Wie ich Tadewi kenne, wird er versuchen, Hilfe zu organisieren", sagte Anovaoo'o irgendwann. "Er tut mir so leid...", sagte sie mit einer Stimme, die plötzlich sehr viel weicher klang als zuvor.
"Vielleicht sagt er Késsê'el bescheid. Das ist ein Vé'ho'e, der in der Stadt lebt. Eine Art Freund..." Sie stockte kurz, und ihr Blick huschte zu Sanuye hinüber. "Soweit ich verstanden habe, lebt er davon, dass er bei solchen Versammlungen für jemanden spricht."
"Er lebt davon, bei Ratsversammlungen zu sprechen...?", fragte Mo’ôhtaveo’kome ungläubig. "Wie soll man davon leben können? Vom Reden ist noch niemand satt geworden..."
"Er bekommt dafür etwas. So wie ein Medzinmann, der einen besucht, wenn man krank ist", erläuterte Anovaoo'o.
"Tja, dumm nur, dass wir heute wohl nicht mehr zum Jagen kommen. Da werden wir nichts haben, was wir ihm geben könnten...", meinte Mo’ôhtaveo’kome sarkastisch.
"Er würde es auch so tun, da bin ich mir sicher...", meinte Anovaoo'o, und ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
"Na wenn du meinst...? Und das soll uns jetzt plötzlich retten? ist doch Unsinn... Die Vé'hó'e sind unsere Feinde. Wir haben drei von ihnen getötet und skalpiert, einen verwundet und sie komplett ausgeplündert. Jetzt haben sie uns durch List und Tücke gefangen genommen. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir da lebend heraus kommen!", echauffierte sich der Krieger.
"Wer weiß... Késsê'el ist sehr geschickt mit seiner Zunge", sagte Anovaoo'o und musste plötzlich unwillentlich schmunzeln. "Er hat versucht, es mir zu erklären. Er ist ein Redner, also genauer gesagt ein Lügner. Also, in seiner Sprache heißt das "Liar". Er hat es etwas komisch ausgesprochen, so "Lawyer", oder so ähnlich, aber er kommt wohl von woanders, wo seine Art Vé'hó'e etwas anders spricht. Er lügt, um Leuten, die ihm etwas geben, auf Ratsversammlungen zu helfen. Und er macht das offenbar ganz gut. Jedenfalls kann er davon leben..."
Anovaoo'o wußte nicht, ob sie ihren eigenen Worten trauen sollte. War Késsê'el wirklich gut darin, für andere Leute zu lügen? Konnte er wirklch davon leben? Zu essen bekam er wohl eher von seiner Schwester, die dieses Café hatte. Und da half er ihr oft, das hatte er erzählt. Hatte er überhaupt Erfahrung als Liar? Anovaoo'o seufzte und schaute zu Sanuye. Sie blickte in ihr schmutziges Gesicht, auf ihren geschwollenen Knöchel und auf Sanuyes Bauch, wo man noch gar nichts erkennen konnte. Sie legte den Arm um Sanuye.
"Ich hoffe es jedenfalls...", seufzte sie.
"Komische Vé'hó'e-Freunde hast du da...", murmelte Mo’ôhtaveo’kome, erkennbar nicht überzeugt.
"Wäre er nicht komisch, wäre er ja auch kein Vé'ho'e, oder?", gab sie gereizt zurück und schaute zur Seite aus dem Wagen heraus.
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(Anmerkung Team: hier hat bitte nur der Beitrag oder das Posting zu stehen. Informationen über Kleidung sind seit Monaten bitte im Profil nachzutragen. Banner fürs Spiel haben im Beitrag und Posting nichts zu suchen)
Sich selber innerlich immer wieder ins Gesicht schlagend durchstreifte Arthur den Wald. Die winterliche Landschaft mit den grossen, alten Bäumen war schon schön anzusehen aber im direkten Vergleich mit dem warmen Speisesaal des Gasthauses, stank der Wald doch ganz gewaltig ab. Die Idee sich die Gegend anzusehen war ja ganz gut, nur das Timing war gewaltig daneben. Gemütlich sass er auf dem Rücken seines Pferdes, den Mantel soweit es ging zugezogen um sich gegen die Kälte zu schützen und den Blick auf den Boden vor dem Pferd gerichtet, um notfalls anhalten zu können. Ritte durch Wälder, zumindest abseits der Wege, waren immer etwas kritisch, konnte der Gaul doch auf Wurzeln ausrutschen und sich die Beine brechen. Pferde waren teuer und das letzte was Arthur brauchte, war ein Fussmarsch zurück in den Ort. Er began langsam zu frieren und die kleinen Wölkchen vor seinem Mund, wann immer er ausatmete, halfen nicht gerade dabei sich wärmer zu fühlen.
Der Südstaatler wähnte sich hier draussen in relativer Einsamkeit, aber das war etwas was ihm dieser andere Bursche von vorhin ja schon bewusst als falsch aufgezeigt hatte. Das ihm am selben Tag gleich zweimal so eine Zufallsbegegnung wiederfahren sollte, damit hätte der wandernde Gesetzeshüter nicht gerechnet. Gerade erreichter er halbwegs den Waldrand, als er Schritte im Schnee zu vernehmen glaubte, die der Wind ihm zutrug. Arthur stoppte sein Pferd um die störenden Geräusche zu unterbinden und lauschte kurz. Bestätigt, das da wirklich Schritte waren, lenkte er sein Pferd in die Richtung aus der die Schritte kamen. Mit vielem hätte Arthur gerechnet, ausser der abgerissen Gestalt, welche die Ursache der Schritte war. Ein Kind, deutlich in abgewetzte, zerschlissene und teils kaputte Kleidung gehüllt, alles viel zu gross für ihn. Schmutzig und der Wind wehte eine Duftnote zu Arthur herüber, die einem nassen, schmutzigen Hund nicht unähnlich war. Ein Kind, nichtmal 10 wie Arthur vermutete und automatisch sah er sich nach einem Erwachsenen um, denn das der Junge alleine Unterwegs war, erschien Arti doch recht unwahrscheinlich.
Mit dem ganzen Schnee, der Timothy ins Gesicht geweht wurde und die Augenbrauen verklebten, wurde es immer schwieriger zu erkennen was vor ihm lag. Öfter als ihm lieb war übersah er so einen herabhängenden Ast, der sich in seinen Haaren verfing oder ihm ins Gesicht schlug. Einmal blieb er an Ranken hängen, die ihm die Wange zerkratzten und mehr als einmal musste Timothy anhalten um nach Luft zu ringen. Solch einen anstrengenden Fußmarsch hatte der Junge noch nie erlebt. Am liebsten wäre er wieder umgekehrt, nur dummerweise wusste er längst nicht mehr aus welcher Richtung er gekommen war. Da nutzte es ihm auch nichts, wenn er kurz stehen blieb und verzweifelt durch den Wald seinen Blick streifen ließ. Für einen kurzen Schreckmoment glaubte der Junge in einiger Entfernung einen Reiter zu erkennen, aber als er sich den vielen Schnee aus den Brauen und Wimpern wischte, hatte sich schon wieder dichter Schnee wie ein Vorhang erhoben und machte es dem Jungen unmöglich zu bestimmen wo genau er den Reiter zu sehen geglaubt hatte. Doch alleine zu glauben, dort wäre noch jemand im Wald, machte Timothy schreckliche Angst. Was wenn die Leute aus St. Johns sie jagten, um dafür zu sorgen, dass sie nie wieder zurückkamen? Der Gedanke machte Timothy erneut Beine obwohl sie sich beide so schwer wie Mühlsteine anfühlten. Immer weiter, schneller, keuchend, mit kleinen Atemwölkchen vor sich hertreibend kämpfte sich der Junge tiefer in den Wald. Als er erneut stolperte und über eine Wurzel fiel, konnte er den Sturz nicht mehr auffangen. Er schlug der Länge nach in den Schnee, der ihm sofort in Nase, Mund und Ohren eindrang. Panisch schlug Timothy um sich....
Das kurze umblicken liess Arthurs Aufmerksamkeit von dem Jungen abweichen und als er wieder dorthin schaute wo der Knirps eben noch gewesen war, war dieser verschwunden. Der Südstaatler rieb sich die Augen, spähte erneut und sah kleine Wolken aus Schnee die zwischen den Bäumen wehten. Da rannte jemand und da nur er und der Junge hier draussen waren, war die Ursache der Wolken wohl eindeutig. In einem kleinen Bogen lenkte Arthur sein Pferd, ging auf Abfangkurs für den Flüchtigen. Er dachte einfach zu sehr als Sheriff. Der Junge rannte und sofort assozierte sein Kopf das mit Flucht. Schlimm. Nichtsdestotrotz, das Pferd um die Bäume herum lenkend holte er den Kleinen mit leichtigkeit ein und überholte ihn und ritt dann von Süden auf den Jungen zu. Der verschwand kurz aus Arthurs Blickfeld, als er sich umsah und dabei über etwas stolperte und sich lang hinlegte. Die kleine Gestalt verschwand in einer Wolke aus Schnee und mehr Schnee wurde aufgewirbelt. Der blonde Südstaatler hopste vom Sattel des Pferdes und ging mit schnellen Schritten zu der Stelle, wo der Kleine in den Schnee geplumpst war und fast schon panisch um sich schlug. Er prustete Schnee und schüttelte den Kopf, was Schnee durch die Gegend fliegen liess. Beherzt trat Arthur an ihn heran, packte ihn kurzerhand am Hosenbund und hob ihn aus dem Schnee, stellte den Knirps auf. "Mach mal ruhiger, ist doch nur Schnee." meinte er mit beruhigender Stimme, während er die kleine Gestalt nun aus der Nähe sehen konnte, ebenso wie riechen.
Einen Erwachsenen hatte er nicht sehen können und jetzt aus der Nähe schrie die Gestalt Landstreicher aus allen Poren und Knopflöchern. Die Kleidung war ganz definitiv abgetragen, löchrig und abgewetzt, schmutzig obendrein und für den Jungen viel zu gross. Entweder sehr arme Eltern, aber selbst solche wären ja wohl in der Nähe, oder eben Landstreicher, Strassenkind und damit war die Kleidung wohl geklaut. Wedersprüchliche Gefühle waberten in Arthur. Einerseits der Soft Touch gegenüber Kindern, andererseits hatte er hier mit hoher Wahrscheinlichkeit einen kleinen Dieb vor sich. Eine Zwergvariante eines Gesetzesbrechers. Dabei war es recht egal ob nun aus Not oder aus Wunsch. Klauen blieb klauen. Arthur machte einen halben Schritt rückwärts, sowohl um dem Knirps ein wenig Freiraum zu geben, als auch um dem Duft und möglichem Ungeziefer das Leben etwas schwerer zu machen. Flöhe mochten die Kälte nicht, würden also, zumindest solange sie hier draussen waren und keinen zu direkten Körperkontakt hatten, an dem Jungen bleiben. Also Abstand. Das letzte was Arthur brauchte war neue Garderobe weil er sich an dem Bengel Ungeziefer einfing. "Wo sind deine Eltern?" fragte er ruhig und sah erneut suchend über den Bengel hinweg und schliesslich zu ihm herunter.
Anovaoo’o, Sanuye, Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena im Wagen auf dem Weg in die Stadt
Der Wagen war furchterlich. Er rumpelte und ratterte langsam durch die eisige Kälte und wenn sie versuchte aus dem offenen Teil hinten hinaus zu schauen hatte sie das Gefühl in einer weißen Kugel zu sitzen. Nur dass es eine eisige Kugel war und sehr uneben so dass der Wagen fürchterlich ruckelte. Und jeder Ruck schlug in ihren Knöchel hinein und ließ eine Schmerzwelle durch ihren Körper schießen.
Anovaoo'o hatte ihre Fellstiefel gerettet. Oder besser der eine Nótâxévé'hó'e hatte es getan und ihn ihrer Frau gegeben. Sanuye sah sie zweifelnd an. Mit den Ketten um die Knöchel würde sie die Stiefel nicht anziehen können aber wenn sie ihre nackten Füße dort wenigstens hineinstecken konnte würde das schon sehr helfen. "Néá'eše" murmelte die junge Frau und meinte es auch so. Doch ihre Laune ließ nicht viel mehr zu als das Gemurmel. Sie nahm die Stiefel entgegen und schob den einen Stiefel über ihren heilen linken Fuß so weit es ging. Gehen würde sie damit nicht können aber gehen konnte sie eh nicht. Der rechte Fuß war dagegen ein viel größeres Problem. Doch wenn sie nicht wollte, dass ihr die Zehen oder gar der ganze Fuß abfroren, musste sie den Stiefel anziehen. Also nahm sie allen Mut zusammen und schlüpfte ebenso weit hinein, wie es eben ging. Sie schrie nicht auf, aber als sie sich danach wieder zurück auf den Holzboden fallen ließ war sie schweißgebadet. Wie schön wäre es, jetzt einfach sterben zu können. Wenigstens war Anovaoo'o bei ihr und die beiden jungen Krieger. Sie würden ihr genug Mut machen können, diesen Weg zu beschreiten. Wären die Ketten nicht, sie würde es versuchen. Ganz schnell und einfach. Sie musste sich nur von dem Wagen fallen lassen. Dann würden die Nótâxévé'hó'e auf sie schießen und sie diesmal nicht verfehlen.
Aber sie taten es nicht und die Fahrt über den unebenen gefrorenen Boden ging weiter. Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena hatten offenbar noch genug Laune um mit Anovaoo'o zu schwätzen. Auf jeden Fall wollten sie gern wissen, was jetzt passieren würde. War das nicht offensichtlich? Man würde sie töten. Und so langsam aber sicher hatte die junge Cheyenne keine Angst mehr davor. Nein, sie würde stolz sterben. Sie würde sich von keinem der Vé'hó'e etwas erbitten. Sie würde ihnen die Wahrheit sagen. Alles. Sie würde erzählen, dass sie schon einmal aus einem reservat geflohen war weil sie sich nicht einsperren ließe wie ihre dummen zahmen Büffel. Sie würde erzählen, dass sie diesen fetten Obersoldaten eigenhändig getötet hatte. Mit ihrem Messer. Und dass sie dessen heiliges Tuch mitgenommen hatte. Und dessen Waffen. Und...
Und dann würden die Vé'hó'e Rache nehmen. Und das nicht nur an ihr sondern an ihrem ganzen Volk. Sie musste an Tadewi denken. Und an Bear Robe Woman. An Runs Ahead, ihrer jungen Schwester. Sie alle würden darunter zu leiden haben. Und ihr Baby... Tadewis Baby... lebte es überhaupt noch da drin in ihrem Bauch? Sie war sich so sicher gewesen. Heute Vormittag. Aber jetzt. Jetzt fühlte sie überhaupt nichts mehr. Hatte sie sich vielleicht doch geirrt? Oder war ihr kleines Baby schon gestorben. Um seiner heške [Mutter] voraus zu gehen, so klein, so ganz allein den langen Weg zum Horizont...
Sanuye fing leise an zu weinen. Sie wollte nicht sterben. Und sie wollte ihr Baby. Aber wenn ihr Baby tot sein würde wegen dieser Vé'hó'e, dann würde sie es sein, die Rache nehmen würde. Dann würde sie die Kriegerin sein. Dann würde sie die Vé'hó'e töten und nicht umgekehrt. Die Stadt würde brennen von einem Ende bis zum anderen und sie würde auch keine Angst mehr haben vor dem eisernen Ross. Man konnte es töten. Anovaoo'o hatte es erzählt. Sie würde...
Sie würde verlieren. Natürlich würde sie verlieren. Es gab einfach zu viele der Nótâxévé'hó'e. Und selbst wenn sie sie nicht finden würden, die Weißen würden sich wieder ihrerseits rächen. Es lief immer wieder auf dasselbe hinaus. Ihr Volk würde leiden. Alle. Tadewi. Bear Robe und Runs Ahead. Konnte man denn aus diesem Teufelskreis nicht ausbrechen? Das hatte doch schon einmal geklappt. Als sie den fetten Obersoldat getötet hatte und all die Waffen gestohlen hatten. Diese Waffen! Niemand wusste wohl, wo sie waren. Man konnte sie doch nutzen. Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit. Keinen offenen Kampf. Nichts, was diese Weißen Spinnen auf ihre Spur führen würde. Keinen Pfeil, kein Messer. Und keine Skalps. Nur Blut. Blut und Kugeln. Kugeln, die ihr Volk ja nicht hatte. Das würde die Weißen auf eine ganz andere Fährte bringen.
Sanuye lächelte nun grimmig. Ja. Das könnte gehen. Doch dazu musste sie leben. Wenn schon nicht für ihr Baby dann zumindest für ihre Rache.
Anovaoo'o legte ihren Arm um ihre Schulter und Sanuye atmete aus. "Es geht schon." sagte sie leise doch ihre Stimme war bitter...
Das Rettung nahte bekam Timothy in seinem fast verzweifelt anmutendem Kampf mit dem Schnee nicht mit. Die laut knirschenden Schritte gingen unter in den selbst erzeugten Geräuschen, die aus pusten, würgen und japsen bestanden. Dabei knirschte der Schnee um ihn herum viel lauter, als die Schritte des Mannes, weil Timmy um sich herum wühlte, strampelte und 'schwamm'. Er war einfach zu klein...verdammter Mist. Viel zu klein. Das hätte er bedenken müssen. Aber mit Schnee hatte der Junge in diesem Ausmaß noch keine Erfahrung gesammelt. Für die Zukunft würde er vorbereitet sein. Als Timothy sich jedoch urplötzlich am Hosenbund gefasst fühlte, an dem er aus dem Schnee gehoben wurde, durchfuhr ihn ein solcher Schrecken, dass er spitz aufschrie und noch wilder um sich schlug. Kräftige Hände, da steckte Kraft dahinter und die hatte nichts gutes zu bedeuten. Noch nie hatte sie gutes für Timothy bedeutet... Es galt auf einmal eine noch viel realere Gefahr zu bekämpfen. Einen Erwachsenen. Doch der zeigte sich sichtlich unbeteiligt, noch schien ihm das wilde Zappeln etwas anzuhaben, denn ehe es sich Timothy versah, stand er wieder auf den eigenen Füssen und keine bedrohliche Hand hielt ihn auf irgend eine Weise fest. Auch wenn der Junge wusste, dass er wohl urkomisch auf den Mann wirken musste, nahm er Kampfstellung an, hob die Fäuste und war bereit sofort Reißaus zu nehmen wenn nötig. Die Worte des Mannes ließen Timothy jedoch irritiert aufhorchen. Keine Drohung. Keine anstrengenden Fragen. Nur ein Rat, sich ruhiger zu verhalten. Ha, der Große hatte ja leicht reden. Ihm ging der Schnee ja nur bis zu den Knien. Timothy dagegen war tief eingesunken und da gar hineinzufallen.... Er verzog das Gesicht entsprechend wütend und setzte zu einer frechen Erwiderung an, die ihm auf den Lippen erstarb, als er den musternden Blick des Mannes auf sich ruhen fühlte. Zudem war dieser etwas zurückgewichen, was Timmy sofort nervös um sich blicken ließ. Da waren doch nicht noch mehr Männer? Wieso sonst sollte sich der blonde hier so sicher fühlen? Jeder andere an seiner Stelle hätte Timothy nicht einfach wieder losgelassen, aus Angst der verdächtige Langfinger könnte ihm irgendetwas nützliche mopsen. Die Erwachsenen waren da alle gleich.
Flüchtig kam dem Jungen in den Sinn, dass der eigene Selbstschutz doch zu wirken schien - ein paar gepflegte Flöhe und Läuse hier und da, etwas vom eigenen Duftstoff noch dazu... schon war man lästige, neugierige Erwachsene los. Um die Sache zu testen, kratzte er sich ganz ungeniert im wirren Haar, dann am Bauch. Spielen musste er dafür gar nichts, denn seine kleinen Mitbewohner sorgten schon von alleine dafür, dass er sich ihrer ständig bewusst war. Die Frage allerdings, die nun gestellt wurde, hatte der Junge erwartet. Gefallen tat sie ihm deswegen noch lange nicht. Aber er hatte Übung damit und entsprechend echt war sein vorgetäuschtes, trauriges Lächeln, als er dazu überging die seit Monaten wohl einstudierte Geschichte zum Besten zu geben. "Meine Eltern, Sir? Oh, wenn ich das nur selbst wüsste. Mein Pa wollte nach Camden Village, nach Arbeit fragen. Und ich und Ma sind in St. Johns geblieben. Aber ohne Geld und ein Dach über'm Kopf...," er seufzte schwer und klang überzeugend. Er war weder nervös, noch lief er rot bei seinen Lügen an. Das lag alleine daran, dass er die Geschichte schon so oft . "Iss Ma gestorben. Sie war krank und sehr schwach. Und mit ihr ist mein kleiner Bruder Ike gestorben, der war erst drei," er presste eine Träne hervor, schniefte etwas zu übertrieben und fuhr sich mit der Hand über die Augen. "Jetzt such ich natürlich meinen Pa und hab mich wohl verlaufen. Sie wissen nicht zufällig wie ich nach Camden Village finde, Sir?"
Der Junge stand schliesslich im Schnee, der ihm bis etwas über die Hüfte reichte. Als Erwachsener übersah man solche Details ja gerne mal. Wäre der Junge sauber und in anständigen Klamotten hätte er den Schwiegersonbonus in Miniausgabe. Dichtes Haar, grosse, durchaus gescheit blickende Augen in braun und diese Art von Gesicht, bei der Mütter weiche Knie bekamen. Aus dem Jungen konnte irgendwann mal ein echter Ladykiller werden wie Arthur eher nebenbei feststellte und die kleine Gestalt katalogisierte. Jetzt wo er nicht mehr wie irre um sich schlug wirkte er sogar recht zivilisiert. Die ruhige Frage nach den Eltern löste allerdings ganz unerwartete Reaktionen in dem Jungen aus. Das Arthur Abstand zu dem Jungen genommen hatte, lag mehr an dem Duft und den offensichtlichen Mitbewohnern, die der Knirps auch mit sichtbarem Kratzen die erzwungene Aufmerksamkeit schenkte. Der Gesichtsausdruck des Jungen nahm einen traurigen Ton an, gepaart mit einem symapthie erhasschenden Lächeln, als der Knirps davon berichtete das seine Mutter und ein Geschwisterchen von Krankheit dahin gerafft worden waren und sein Vater hier in Camden Village auf Arbeitssuche war. Aus St. Johns kommend suchte er diesen nun, da seine Familie ja in anderen Gefilden weilte.
Flöhe fing man sich nicht ein im Winter. Die Mistviecher liebten Wärme und selbst die miesesten Hotels oder Unterkünfte konnten die Krabbler ausrotten indem sie einfach die Fenster öffneten für eine Nacht. Der Frost erledigte den Rest. Die Kleidung des Jungen war abgetragen und deutete eigentlich darauf hin, das er schon länger in miesen Verhältnissen lebte. Rührseelige Geschichten hatte er als Deputy schon in Unmengen gehört und als wahr hatten sich bestenfalls drei herausgestellt. Der Rest war verlogenes Geschwafel gewesen. Aber selbst wenn hier ein kleiner Streuner vor ihm stehen sollte, änderte das nichts daran, das der Knirps bei diesen Temperaturen am Arsch war, wenn er sich verlief. Entsprechend sah Arthur über die Geschichte, die ihm aufgetischt wurde einfach mal hinweg und betrachtete den Kleinen. "Hartes Schicksal." Stellte er eher trocken und ungerührt fest. "Wie heisst dein Vater denn? Ich lebe in Camden und wenn er dort ist ist es leicht ihn zu finden und dich abzuliefern." Lächelte er und sah dem Kleinen in die Augen. Er hatte keinen Plan, wusste bestenfalls den Namen des Sheriffs, des Reverends und der anderen Gäste im Gästehaus und diese auch nur, weil er sie im Gästebuch gesehen hatte. Wenn die Geschichte wahr war, dann kamen, basierend auf der Einschreibezeit im Gästehaus nur zwei Männer in Frage. Foster und Bowman. Der andere, Mr Hall, war nicht lange genug im Ort. Arthur stiess einen leisen Pfiff aus, während er dem Jungen die Zeit gab zu antworten und das Pferd trottete gemächlich zu seinem Besitzer, knuffte ihn an der Schulter.
"Hast richtig Glück einen Einheimischen zu treffen. Weisst, es ist nicht ganz ungefährlich in der Gegend. Entlaufene Cheyenne in der Gegend und einige Gesetzlose treiben hier auch ihr Unwesen." Fügte Arthur hinzu, wohl weisslich um den Jungen ein wenig einzuschüchtern. Nicht auf ihn bezogen sondern die Umgebung. Wenn der Kleine den Drang verspührte von den Gefahren weg zu kommen, würde er fiel eher und fiel freudiger Informationen rausrücken.
Timothy kniff ein wenig die Augen zusammen, als sich keine nennenswerte Regung im Gesicht des Mannes nach seiner Geschichte zeigte und dessen Worte darauf auch eher ungerührt klangen. Das war nicht gut. Dass wusste Timothy. Aber er war viel zu abgebrüht, um sich Enttäuschung oder Überraschung anmerken zu lassen. Man durfte nicht zögern, nicht zu hastig reagieren und schon gar nicht erschrecken. Sicher raste Timmys Herz ein wenig schneller, jetzt wo er ahnte, dass er hier ein schwereres Geschütz auffahren musste, aber nach Außen hielt er den traurigen Hundeblick aufrecht und lächelte schwach, wie es einer tat, der der Welt müde war. Er zuckte nicht mal mit der Wimper, als der Mann offenbarte, dass er in Camden Village lebte. Damit hatte Timothy sowieso ein bisschen gerechnet. Denn wer ritt hier draußen bei Schnee und Kälte einfach so herum, wenn er nicht aus der Nähe stammte? Oder so verrückt war, wie Timothy selbst. "Doug Hanson, Sir", sagt er stattdessen ganz unbekümmert und verwendete wie meist den erst besten Namen, der ihm einfiel. "Und das ist ja wirklich ein Glück das ich da habe. Wenn sie sich auskennen in Camden Village, dann finde ich meinen Pa bestimmt ganz schnell wieder." Er strahlte auf einmal über das ganze Gesicht und täuschte Erleichterung und Freude perfekt vor. Den Blick des Mannes erwiderte er völlig offen und verriet mit nichts die eigene Nervosität. Zu oft hatte ihm in der Vergangenheit eine seiner Lügengeschichten geholfen, um Timothy das Überleben zu ermöglichen. Hätte er jedes Mal gekniffen, wenn es darauf angekommen wäre, hätte er sicher weniger zu essen und keinen Platz zum Schlafen gehabt. Und jetzt im Winter wäre er bestimmt schon längst erfroren. Er war auf die Gutgläubigkeit der Menschen angewiesen und log daher das sich die Balken bogen. Sicher, nicht überall hatte er damit Erfolge gehabt und bestimmt hatte er sich so auch die eine oder andere Tracht Prügel eingehandelt, aber das war im Gegensatz zu den Gewinnen verschmerzbar gewesen. Er musste nur ruhig bleiben. Dass das Pferd des Mannes auf einen Pfiff hin gehorchte und angetrabt kam, entlockte Timmy jedoch ein echtes, ungespieltes, kindliches Lachen. Es war lustig mitanzusehen, wie das Pferd den Mann an der Schulter stieß, als wollte es sagen 'hier bin ich schon'.
Die Worte des Mannes, die nun folgten, ließen Timothy ganz kurz unsicher werden. Cheyennen? Das waren doch Indianer. Oder nicht? Mit Gesetzlosen konnte er allerdings etwas anfangen. Denen war er sogar hin und wieder begegnet und aus dem Weg gegangen. Raue Gesellen waren diese Gesetzlosen, die mit allem, was ihnen schutzlos ausgeliefert war, derbe Scherze trieben. Das hatte er zum Glück nicht am eigenen Leib aber noch nie spüren müssen. "Wirklich, Sir?", fragte er aufrichtig besorgt und neigte den Kopf zur Seite. "Richtig gefährliche? Dann sollten sie mich vielleicht ganz schnell in die Stadt bringen, Sir," innerlich musste Timothy breit grinsen. Der Mann hatte offenbar mit dem Versuch ihn zu verunsichern wohl eher ungewollt ihm ein paar Dinge in die Hand gespielt, die ihn seine Geschichte ausbauen ließen. Und ihm sogar noch eine Mitreisegelegenheit bot. "Mein Pa würde es bestimmt begrüßen, wenn ich diesen Gesetzlosen nicht in die Hände falle. Ich bin doch alles was er jetzt noch von der Familie hat.
Der Name des Vaters kam spontan und unbekümmert. Ein Doug Hanson war Arthur unbekannt, was ja nicht verwunderlich war, kannte er ja eigentlich niemanden im Ort. Wenn sie beide logen, war der Kleine auf jeden Fall geschickter und vorbereiteter als es Arthur war. Zumindest sorgte die Art wie der Bursche reagierte dafür, das Arthur weniger misstrauisch wurde. Die Geschichte die ihm aufgetischt worden war, klang zwar immer noch eher unglaubwürdig aber es gab ja die abstrusesten Stories und Schicksale und wie hiess es, im Zweifel für den Angeklagten. "Wenn er noch da ist, aber da bei dem Schnee nur wenige eine Reise antreten denke ich, hast du Glück junger Mann." Lächelte Arthur dem Knirps zu. Auch er lächelte, was Arti allerdings eher dem Pferd zuschrieb, welches den Südstaatler mit der Nase anstubste um auf sich aufmerksam zu machen. Ein Lächeln, was bei der Erwähnung der Cheyennen und Gesetzlosen einen Hauch von Sorge auf das kleine Gesicht zauberte. Wer oder was auch immer der Knirps war, er hatte einen gesunden und funmtionierenden Überlebensinstinkt. Geschickt war er obendrein, das musste Arthur ihm zugestehen.
"Ja, wirklich." Nickte Arti und bestätigte die Aussage von eben. Inwieweit die Gerüchte nun noch der Wahrheit entsprachen und die flüchtigen Verbrecher noch eine Gefahr darstellten war egal, unbedeutend. Sie rannten hier herum, möglicherweise, und damit waren sie automatisch eine Gefahr für jeden. Deshalb waren es ja Gesetzlose. In der nähe eines Reservats auch mal einer Rothaut begegnen zu können war auch nichts ungewöhnliches und ein Kind war ein gefundenes Fressen. Blieb für Arti also nur die Frage wie er den Jungen in die Stadt bringen sollte. Auf dem Pferd gewiss nicht, nicht mit den Untermietern die er mit sich herum trug. Der Kleine schien keinen Gedanken daran zu verschwenden das Arthur selber einer der Gesetzlosen sein könnte die hier ihr Unwesen trieben, ihm das jetzt allerdings ins Gedächtnis zu rufen, war eher ungeschickt, also behielt Arthur das für sich und hoffte das die Idee weiterhin Kreise um den minderjährigen Wanderer drehte.
"Nimms mir nicht übel Junge, aber wir laufen. Wir mögen keine Untermieter." Warf der Südstaatler ein und deutete auf Timothys Hände, die weiterhin munter an ihm herum kratzten. Flöhe brauchte er nun wirklich nicht und sein Pferd ebenso wenig. Damit würden sie zwar langsamer vorankommen aber das nahm der Deputy gerne in kauf, wenn es sicher stellte das die Viecher sich nicht einen grösseren und ergiebigeren Wirt suchten. "Doug Hanson. " sinnierte Arthur halblaut. Er ging die Namen durch die er gesehen hatte. An der Schneiderei hatte kein Name gehangen. Spencer und Hunter hatte er getroffen, aber das waren Frauen gewesen. Clayton der Sheriff. Im Grunde hatten nirgendwo Namen gehangen an den Geschäften. Blieben also die Namen im Gästehaus. Marlowe, Hall, Foster, Bowman. Kein passender Name. Es gab soviele Möglichkeiten die ein Doug Hanson hatte um irgendwo unter zu kommen. Wenn er auf den Farmen half, mochte er gar ausserhalb leben oder in den Unterkünften der Minenarbeiter. "Was macht dein Vater denn? Das hilft bei der Suche wenn wir eingrenzen können wo er Arbeit gefunden haben könnte. Wann ist er denn weg aus St. Johns? Lange kanns ja nicht sein, sonst würde mir der Name bestimmt was sagen."
Mit diesen Fragen ergriff Arti die Zügel des Pferdes und führte das Tier in Richtung Camden Village, Timothy eine einladende Geste gebend mit ihm mitzulaufen.
Timothys Lächeln beruhte auf zwei Dinge - er war höchst zufrieden mit seiner Darstellung und wahrte angestrengt den Schein für den Fremden. Jetzt durfte er nur nicht den Namen vergessen, den er eben genannt hatte. Doug Hanson. Das durfte ihm unter keinerlei Umstände entfallen. Nicht so wie erst neulich, wo er einer gutgläubigen Bäckerin das Blaue vom Himmel herabgelogen hatte. Er hatte irgendwann angefangen den eigenen Namen durcheinander zu bringen und war auf jede Fangfrage der Frau am Ende hereingefallen, als sie damit angefangen hatte, ihn zu prüfen. Oh je, was er sich da hatte anhören dürfen und er war gerade noch so ihrem Besen entkommen, mit dem sie ihm die ganzen Lügen austreiben hatte wollen. Brot hatte er natürlich so keines erbetteln können und im Ort hatte er auch nicht bleiben können. Das war kein rühmlicher Tag für ihn gewesen.
Mit innerer Entspannung konnte Timothy im Gesicht des anderen erkennen, wie dieser nach und nach bereit war, Timmy die Geschichte abzukaufen. Da war noch ein Funke Misstrauen, vielleicht auch bloß Skepsis im Blick des anderen, aber der größte Teil wirkte beruhigt und bereit Timothy zu helfen. Davon zeugten schon seine nächsten Worte, die nicht mehr wie eine alles hinterfragende Frage gestellt wurde, sondern eher eine Feststellung war. Timothy nickte und machte ein zerknirschtes Gesicht. "Ich will es hoffen, Sir. Ich kann bei diesem Wetter unmöglich noch länger suchen." Er schniefte leise und wischte sich mit dem zerrissenen Ärmel über das schmutzige Gesichtchen und aus reiner Vorsicht - schniefte er noch einmal. Da der Mann ihm auch noch bestätigte, dass er wirklich von Indianern und Outlaws gesprochen hatte, die gefährlich waren, fiel es dem Jungen nicht schwer ein überzeugend schockiertes Gesicht zu machen. Indianern wollte er nicht begegnen. Nicht wirklich. Der Gedanke, der Waltham durch den Kopf ging, war Timothy fremd. Ein Mann, der so nett war wie dieser, der auch noch bereit war ihm einfach so zu helfen, konnte unmöglich ein Verbrecher sein, vor dem er sich fürchten musste. Bei seiner Klassifikation von Gut und Böse verließ sich Timothy ganz auf seine kindlich naive Erfahrungen, die er bis lang mit Erwachsenen gemacht hatte. Die allerdings für sein Alter beträchtlich groß war.
Dass ihn der Mann nicht auf dem Pferd reiten lassen wollte, wegen den Flöhen und Läusen, ließ Timothy zum ersten Mal unbewusst ernst und gekränkt drein blicken. Alles während er sich recht intensiv erst am Kopf kratzte und dann am Bauch. Er verstand es natürlich, aber trotzdem war es kränkend für den Jungen, der sich seine Untermieter schließlich nicht selbst gesucht hatte. Zudem taten ihm die Beine weh und die Füße erst... Er seufzte jedoch ergeben und war froh überhaupt einen Begleiter zu haben, der ihm den Weg zeigen konnte und vielleicht sogar Schutz bot. "Also gut, wir laufen," sagte er mit einer recht geschäftlichen Stimme und sah skeptisch an dem Mann hinauf, der den Namen seines erfundenen Vaters vors ich hinmurmelte. War das ein schlechtes Zeichen? Wie erwartet kam prompt eine weitere Frage zu diesem Vater und noch eine... und Timothy seufzte leise, nicht frustriert sondern gespielt verzweifelt. "Ja woher soll ich das wissen, Sir," sagte er höflich und zog die Brauen nach oben. "Er sagt immer, er wäre überkale..qualifa... Dingsbums, halt... er würde viel mehr Geld verdienen wenn wir nicht hier gelandet wären. So aber nimmt er alles an, was sich bietet und wo man ihn bezahlt. Sagt Pa. Und wann ist er weg? Tja.. hmmm...," Timothy machte ein sehr angestrengtes Gesicht und folgte dem Mann, der mit dem Pferd am Zügel loslief. Da wo dieser einen Schritt machte, musste Timothy zwei machen, um mithalten zu können. "Ich glaube vor einer Woche, Sir. Aber das kann ich nicht so genau sagen. Ich kann nämlich nicht rechnen und weiß nur, dass es nach dem Gottesdienst war und heute morgen haben die Glocken in St. Johns geläutet. Ist das wichtig, wann er aufgebrochen ist?"
"Ja is nicht das beste Wetter um draussen zu sein und ewas zu suchen." erwiderte Arthur mit wenig Anteilnahme in der Stimme. Die Strecke hatte er selber ja auch zurückgelegt, bei den selben Wetterverhältnissen. Der Knirps und er waren als gleich bescheuert. Es rang ihm durchaus Respekt vor der kleinen Gesalt ab, das der Junge es alleine von St. Johns hierher geschafft hatte. Das fast schon theatralische Schniefen passte gut, war wohl platziert. Arthur war sich ziemlich sicher das der Kleine log, aber das würde ihn nicht veranlassen das Bürschchen hier im Schnee versauern zu lassen. Er war vermutlich weggelaufen oder ein Strassenkind, was der im wahrsten Sinne des Wortes, Verlauste Zustand ja noch unterstrich. Er hätte ihn weiter mit Fragen traktieren können, ihn in die Enge treiben und dann die Wahrheit aus ihm herauskitzeln, aber der kleine schien zufrieden mit seinem Leben und die Tatsache das er einen Erwachsenen an der Nase herumführen konnte zu geniessen. Warum dem Knirps den Spass nehmen?
Sie liefen schliesslich nebeneinander her, wobei Arthur kurze Schritte machte. Timothy mit seinen viel kürzeren Beinen kam so wenigstens halbwegs hinterher. Arthur lauschte den Erklärungen des Jungen, welche dieser so vage wie möglich hielt. Ein überqualifizierter Tagelöhner, so klang es zumindest, war dieser Doug Hanson. Von denen gab es sicherlich Dutzende im Ort. Camden besass eine Mine, das Arthur selber in St. Johns erfahren. Verschiedenste Ranchen. Auf diesen im Winter Arbeit zu finden war recht unwahrscheinlich, blieben die Mine und der Ort selber. So wie Timothy berichtete, knapp eine Woche im Ort.
"Warum? Ist doch einfach. Camden is ein kleiner Ort. Rumrennen und zu fragen ob jemand Leute kennt die erst ne Woche da sind, is einfacher. Ausserdem steigert das die Chancen das er noch da ist und nicht weitergezogen is." erklärte er dem kleinen Hanson den Grund seiner Frage. "Ich würd sagen wir befreien dich im Ort dann erstmal von deinen Untermietern, hmm?" ein lieb gemeintes Angebot, aber durchaus auch mit einem gewissen Selbstschutz darin.
Timothy Drake mit Arthur im Wald, kurz vor Camden Villages Stadtgrenze.
"Mhm," nickte Timothy ein wenig einsilbig zur Feststellung des Mannes über das Wetter und zuckte mit den Schultern. Er war gut vorbereitet und ließ sich nicht leicht zu einem Fehler verleiten. "Geht manchmal nicht anders, Sir." Was hätte er auch weiter darauf sagen sollen? Dass man ihn vertrieben hatte und irgendwo noch seine Verfolger herumirrten? Das hätte den Mann sicher misstrauisch gemacht. So war es doch besser, wenn er bei seinen Lügen blieb und froh über die Begleitung und den Schutz seinen Weg nach Camden Village fand. Es war zwar mühsam sich durch den Schnee zu kämpfen, aber der Mann an seiner Seite machte nicht ganz so große Schritte und Timmy konnte etwas mithalten. Wenigstens musste er nicht alle Kraft aufbringen, um nicht zurückzufallen und konnte sich so noch einigermaßen auf seine Geschichte konzentrieren. Denn die Fragen wurden doch langsam etwas haarig, wenn auch nicht übermäßig aufdringlich. Nur musste Timothy scharf darauf achten, dass er nicht zu viele Informationen preisgab, denn an die musste er sich am Ende ja wieder erinnern, falls der Mann ihn zu Leuten schleppte, die sich im Ort auskannten. Jetzt also ging es um die Dauer des Aufenthaltes seines angeblichen Vaters. Eine Woche, das konnte er sich gut merken. Und es wollte ihm auch einleuchten, dass diese Information wichtig war. Es ärgerte ihn jedoch, dass er nicht höher gegriffen hatte. Denn unter Umständen hätte er sonst tatsächlich vermuten können, sein Pa wäre weiter gereist. So aber würde er im Ort sicher von Tür zu Tür gehen müssen, um den Schein zu wahren. Na ja, erst einmal mussten sie den Ort erreichen. Er war bis lang aus viel haarigeren Geschichten wieder herausgekommen.
"Mhm... klingt logisch, Sir," stimmte Timothy überschwänglich zu und machte ein Gesicht, als hätte die Erklärung in ihm neue Hoffnung entfacht. "Da finde ich bestimmt Pa."
Nur was der Mann dann noch zu sagen hatte, erschreckte Timothy. Er wollte was? Ihn... baden? Himmel, wann hatte er das letzte Mal in einer Wanne gesessen? War schon verdammt lange her. All das Geschrubbe und das heiße Wasser erst.. furchtbar... da lobte er sich doch ein schönes Bad in einem See. Aber das erst im Sommer wieder. Aber es galt den Schein zu wahren und daher spielte er rasch seine Verblüffung herunter und machte ein Gesicht, als könnte er kein Wässerchen trüben und knipste sofort ein Strahlen ein. "Oh, das würden sie tun wollen, Sir? Das wäre ganz wunderbar. Es plagt doch einen sehr," er kratzte sich demonstrativ hinter dem Ohr, wo es in der Tat seit Tagen übel juckte und gleich darauf die Haare, die es auch übelst nötig hatten. Nur... um so länger er in der Gesellschaft des Mannes blieb, um so gefährlicher war es aufzufliegen. Mit Landstreichern verfuhr man nun einmal überall gleich. Und Timothy hatte weder Lust erneut in ein Haus einer kinderlosen Familie gezwungen zu werden, wo er einen geregelten Alltag zu führen hatte, oder zur Abschreckung über irgendwelche Knie eines Sheriffs gelegt zu werden, um eine tüchtige Abreibung zu spüren zu bekommen. Nee, da zog er die Kälte der Natur vor und das Schlafen in einer Hütte. Der nette Mann hier sollte ihn nur bis nach Camden Village bringen, damit er wusste, wo er sich das Essen mopsen konnte. Auch eine neue Decke war von Nöten und das eine oder andere frische Ei... oh ja, das würde ihm schon reichen. Fürs erste.... "Ist es denn noch weit," fragte Timothy nach einer kurzen Zeit des Schweigens und sah hoffnungsvoll sich, als könnte sich der Wald im nächsten Augenblick von selbst teilen und die Stadt ausspucken.
Timothy Drake mit Arthur im Wald, kurz vor Camden Villages Stadtgrenze.
Ja, manchmal musste ein Mann eben tun, was ein Mann tun musste und da war es ganz offensichtlich egal wie alt oder jung besagter Mann war. Der kleine Hanson, der neben ihm durch den Schnee stapfte und halbwegs mit dem Schritt des Erwachsenen mithalten konnte blieb weiterhin ein Rätsel. Arthurs berufsbedingtes Misstrauen war aber fürs erste gestillt. Entweder der Kleine war ein sehr geübter Lügner, was sich ja immer noch nicht ausschliessen lassen konnte, oder er sagte die Wahrheit. Zumindest basierend auf seinem Wissen. Zumindest wirkte er ehrlich, das war ja schonmal was, aber genau das war es, was in Arthur üblicherweise Misstrauen erregte. Menschen die zu ehrlich erschienen hatten zu oft etwas zu verbergen. Er konnte es eigentlich nur als innere Stimme beschreiben, als sechsten Sinn, nicht einmal als greifbaren Fakt, aber irgendwas an dem Jungen behielt diesen schalen Beigeschmack. Diesen letzten Rest Zweifel der sich nicht beruhigen lassen wollte. Aber selbst wenn er log das sich die Balken bogen, und so gut wie er auf Artis Fragen zu antworten wusste, wären die gebogenen Balken Wagenräder, beschloss der Südstaatler erstmal ihm zu glauben. Es war ein Kind und er wanderte hier draussen herum, also selbst wenn er log, es änderte nichts daran, das er Hilfe brauchte. Selbst wenn es nur im Augenblick war. Sollte er sich als Streuner herausstellen und anfangen zu klauen, konnte Arthur die Situation immer noch anders handhaben. Sollte er sich als Lügner und Dieb herausstellen hatte er zumindest keine Rücksicht mehr zu erwarten.
Die Erklärungen die Arthur ihm gegeben hatte, empfand er als logisch. Nicht wirklich überraschend, denn das waren sie ja schliesslich auch. Passte alles zusammen wäre es nicht schwer den Vater zu finden und der Junge konnte schneller in die Arme seiner verbliebenen Familie zurückkehren als er sich wohl selber ausgemalt hatte. Äusserlich schien er sogar dem angekündigten Bad zugetan zu sein, um die lästigen Parasiten loszuwerden die ihn plagten. Etwas das Timothy ja auch sehr eindringlich und anschaulich bestätigte indem er sich wieder einmal Kratze. Flöhe, eine verdammte Plage und hatte man sich die Viecher erstmal eingefangen blieb auch kaum etwas übrig als die Klamotten auszukochen und sich selber ausgiebig zu baden. "Nein, nichtmehr sehr weit. Eine Viertelstunde etwa, dann sollten wir am Ortsrand sein." Beruhigte er den Knaben, so nahm er zumindest an. Das es für Tim nur hiess, das er dem neugierigen Erachsenen noch mindestens 15 Minuten ausgeliefert war, stand auf einem ganz anderen Blatt.
"Hast dir nen guten Tag ausgesucht junger Hanson. Ist ein Empfang im Ort, da können wir bestimmt auch einen Happen zu Essen abzweigen. Ob wir das Bad im Badehaus organisieren müssen, oder eines im Gasthaus bekommen, sehen wir dann. Mal schauen wie die Besitzerin das sieht." Lächelte er leicht und strich sich mit zwei Fingern durch den Bart. Einen Hanson, der erst eine Woche hier war, sollte sich ja nicht so schwer finden lassen. Viele Móglichkeiten Arbeit zu finden hatte Arthur auf seinem Weg durch den Ort auch nicht gesehen, was die Orte an denen der Vater sein mochte, deutlich einschränkte. Arthur tippte auf die Mine. Im Winter bekam Mr Hanson mit sicherheit keinen Job bei den Ranchen im Umland. Die Eisenbahn fuhr auch nicht und die Läden brauchten, mit der Versorgungsproblematik in der Gegend gewiss auch keine Arbeitskräfte. Mine. Ja, alles deutete in Richtung Mine.