Jeremiah grinste erleichtert, als er sichtlich die richtigen Worte gefunden zu haben schien. Andernfalls hätte sein Pa sicher nicht so gelöst geantwortet. Ein kleines Schmunzeln zeichnete sich deswegen auf seinen Zügen ab und er nickte heftig. Ja, sie waren sich mal einig. Das kam selten vor, aber auch wieder nicht soooo selten, dass Jeremiah vergessen hätte, wie gut sich Einigkeit anfühlen konnte. Im Moment jedoch war es ein ziemlich erhabenes Gefühl, denn es bewies, dass er trotz der eben erlittenen Züchtigung mit seinem Pa unbeschwert umgehen konnte. Ganz eindeutig musste sich Ben doch irren, denn im Augenblick fühlte sich Jerry geliebt und sicher aufgehoben. Er fürchtete ja nicht seinen Pa, sondern nur die Hiebe mit der Rute und wenn diese erst einmal ausgestanden waren, stand nichts mehr zwischen ihnen. Am liebsten hätte er jetzt endlich doch noch seinen Pa umarmt, aber dieser war an seinem Schreibtisch beschäftigt und Jerry konnte mit Besorgnis beobachten, wie dieser Geldscheine in seine Tasche steckte. Der Gedanke, dass damit möglicherweise sein angerichteter Schaden beglichen werden sollte, ließ ihn verlegen zu Boden blicken. Es konnte natürlich gut sein, dass sein Pa damit den Empfang im Gästehaus bezahlen wollte, aber irgendwie wollte Jerry das nicht glauben.
Dummerweise sorgte Pa nicht unbedingt mit seinen nachfolgenden Worten dafür, dass Jerry im Hinblick auf dessen Zugeständnis ein wenig mehr Klarheit über den bevorstehenden Nachmittag erhielt. So seufzte Jerry leise und verdrehte etwas gespielt theatralisch die Augen. "Okay Pa, also das Nächstliegende," was leider nicht den leisesten Hinweis darauf gab, ob Pa sich wirklich ernsthaft überlegte Jerry zu Hause zu lassen. Es gefiel ihm ganz und gar nicht noch einmal in die Kirche mitzumüssen, um für Ordnung zu sorgen. Zwar nicht alleine, dass hatte Pa gerade klar gestellt, aber dennoch würde er das kurze Wegstück mit seinen steifen Schritten bewältigen müssen. Genügend Leute würden ihn so sehen können! Da konnte er ja fast gleich mit zum Empfang gehen! Entrüstung machte sich in ihm breit, aber er hatte nicht die Worte von Pa vergessen... kein Murren mehr. Also öffnete er geschwind die ganze Tür, als ihn sein Vater noch einmal dazu aufforderte nach oben zu gehen und beschloss den Mund zu halten. Immerhin stand am Ende tatsächlich in Aussicht das langweilige Fest zu umgehen. "Ich beeil mich, Pa," versicherte er und ging gegen seine sonstige Gewohnheit recht langsam Richtung Treppenaufgang. Ein fröhliches Springen erschien ihm angesichts der Lage unangebracht und hätte seine Kehrseite auch niemals zu gelassen. Das Treppensteigen alleine war eine Qual und Jerry brauchte länger als gedacht, bis er oben ankam. Er musste schon gewaltig die Zähne zusammen beißen, um jeden Laut bei sich zu behalten, während er Stufe für Stufe nach oben schlich. Erleichtert oben angekommen zu sein, stieß er die Luft aus und sank gegen die geschlossene Tür. Ein klein wenig Ruhe nach dem turbulenten Morgen tat gut. Wie er sich allerdings eilig umziehen sollte, war ihm ein großes Rätsel und entsprechend resigniert sah er zu seinem Schrank. Alles zaudern half nicht, letztendlich musste er tun was Vater erwartete. Was blieb ihm auch schon anderes übrig? MIt staksigen Schritten ging er hinüber zum Schrank und öffnete sie. Es lag nicht viel darin und die beste Hose war eh hinüber, also blieb wohl nur die Schulhose, die etwas besser dastand als seine Alltagshose. Mit ihr in der Hand ging er rüber zur Waschschüssel und reinigte erst einmal seine Hände von all dem Schmutz, wobei er sehr vorsichtig mit der zerschlagenen Hand umging. Nur ja keine Seife hineinbekommen... ganz gelang ihm das nicht und er musste mehrmals einen herzhaften Fluch unterdrücken. Auch das Gesicht wusch er sich mit einem nassen Zipfel seines Handtuches und besah sich im Spiegel. Das sah schon wieder ganz pasabel aus und rasch glättete er sich das widerspenstige Haar mit der Hand und etwas Wasser. Die Hose nun auszuziehen war ihm ein Graus. Dafür musste er die Muskulatur bewegen und das würde Schmerzen bedeuten. Entsprechen langsam ließ er die Hose nach den gelösten Hosenträgern hinabgleiten und bewegte sich so wenig wie möglich. Ohne sich zu bücken streifte er die Hose mit den Füssen ab und kickte sie zur Seite. Er würde sie später aufheben, wenn er sich wieder bewegen konnte, ohne mit Angst und Schrecken an die Züchtigung zu denken. Welchen Schaden die Rute angerichtet hatte konnte Jerry im Moment nicht feststellen, denn dafür hätte er den Longjohn ausziehen müssen, der ihn bei der Kälte warm halten sollte. Obwohl die Neugier groß war, war Jerry doch froh, dass er nichts sehen konnte. Mit einem raschen Griff angelte er sich die Schulhose aus dem Schrank und kämpfte sich mühselig hinein, denn auch hier vermiet er tunlichst jede schnellere Bewegung oder gar ein Bücken. Ganz ohne Schmerzen ging es jedoch nicht und bis Jerry wieder hergestellt war, war ihm der eine oder andere Flucht über die Lippen gekommen und Tränen standen in seinen Augen. Diese wischte er rasch zur Seite, zog das Hemd gerade und prüfte den Sitz von Hose und Hosenträger. Am liebsten hätte er sich ihrer wieder entledigt, denn sie saß stramm und scheuerte unangenehm. Oh ja, er wusste schon, wieso er den Mut gefunden hatte, seinen Pa für ein Hierbleiben anzubetteln. Im Bett, auf dem Bauch liegend würde der Mittag einfach erträglicher sein...
MIt einem letzten Blick in den Spiegel verließ Jerry wieder das Zimmer und ging sehr steif und umständlich Stufe für Stufe sehr vorsichtig nach unten. "Ich bin so weit, Pa," rief er dabei angemessen laut durch das Haus und bekundete seine Bereitschaft zur Kirche aufzubrechen.
Kurz sah Terry verärgert aus, als Jeremiah so theatralisch seine Zustimmung erklärte. Was hatte der Junge denn gedacht? Dass er ihn so einfach davon kommen und daheim bleiben ließ? Doch wohl nicht wirklich. Terry konnte ihm das allerdings kaum vorwerfen, denn für seinen Jungen war es bekanntlich nicht immer so leicht, das Nächstliegende zu tun und, wenn er ehrlich war, war es das für ihn auch nicht immer, dann manchmal stellte das Nächstliegende ihn auch vor das bekannte Problem, das Eine tun und dabei das Andere unterlassen zu müssen. Das konnte schon manchen Erwachsenen überfordern. Statt den Jungen nun ärgerlich anzufahren, glitt ein kurzes Schmunzeln über Terrys Gesicht, denn bei dem gekonnten Augenverdrehen, war an diesem wohl doch ein Clown oder Schauspieler verloren gegangen. Nicht, dass er dies als lohnenswertes Berufsziel für Jeremiah im Auge hatte, nein bestimmt konnte Jeremiah eine bessere Ausbildung bekommen. Dumm war er ja nicht. Damit, dass Jeremiah nun seine Zeit brauchen würde, bis er sich umgezogen hatte, rechnete Terry sehr wohl, denn so eine Züchtigung tat eben weh - und das sollte sie auch, um nicht ihren Zweck zu verfehlen. Terry nahm sich noch einen Augenblick Zeit, um einen Augenblick in der Bibel zu lesen und zu beten, bevor er sich dann selber Schuhe und Jacke wieder anzog. Kurz sah er sich im Spiegel und fuhr sich mit der Hand über die Haare, damit diese wieder ordentlich saßen, bevor er den Hut aufsetzte. Im Stillen hegte er doch die Hoffnung, Erin sei noch in der Kirche oder er träge sie auf der Lake Street. Er wollte nur allzugern noch ein paar Worte mit ihr allein wechseln zu können. Allerdings hatte er seine Felle schon davon schwimmen sehen, als ihr Exmann sie zum Gehen aufgefordert hatte. Er war sich sicher, dass er sich nicht täuschte und Gott dazu hatte sprechen hören und doch war er sich nicht sicher, ob sie nicht doch wieder mit ihrem Ex-Mann gehen würde. Die Vorstellung tat ihm mehr weh, als er vermutet hatte und er wünschte sich fast, er wäre er nie begegnet, denn in dem Fall hätte er jetzt nicht.. nun, ja.. man nannte es wohl Liebeskummer -auch wenn er über die pubertäre Phase längst hinweg war. Ich bin so ein Feigling - Herr, hilf meinem Unglauben.. Sonst warf Terry nicht so schnell die Flinte ins Korn und er wusste doch gar nicht, ob Erin überhaupt nur in Erwägung zog, mit Randall zu gehen - und auch nicht ob sie in ihm überhaupt eine Alternative sah. Sie würde wohl kaum seinetwegen in Camden Village bleiben, wenn sie nicht wusste, was er für sie fühlte. Terry schüttelte den Kopf, denn er konnte die Angelegenheit nun drehen wie er wollte. Er musste, Erin wohl irgendwie zu verstehen geben, dass er für sie war - mehr noch: das sein Gott gerade dabei war eine Ehe zwischen ihnen zu stiften, so sie sich von ihm erobern ließe. Viel zu theoretisch gedacht.. echt ich fühle mich wie ein Teenie.." Terry gab es auf, darüber nachzudenken, und war froh, als Jeremy rufend verkündete, er sei nun so weit. "Na, denn - lass uns mal gehen." Terry ließ Jeremiah nun vor sich aus dem Haus und unterzog ihn nur einer kurzen Musterung. Dazu, dass Jeremiah nun seine Schulhose trug, sagte er nichts, denn obwohl diese die einzige war, die noch gut genug für die Schule war und bleiben sollte, hätte er wohl an Jeremiahs Stelle genau so gedacht.
[i]tbc. Lakestreet/ in der Kirche oder noch Kirchenplatz?