Die Zeit war ihr endlos geworden. Zähe Minuten, die sich absolut nicht ergeben wollten, während sie in der Hütte auf dem Bett gelegen und die Wand angestarrt hatte. Schlaf hatte sie keinen mehr gefunden, dafür war sie auf einmal viel zu aufgekratzt gewesen. Noch eine ganze Weile hatte sie sich von einer Seite auf die andere geworfen, ohne allerdings zur Ruhe zu kommen. Hunger hatte sie ebenfalls keinen mehr verspürt, mehr ein seltsames Gefühl der Leere von dem sie wusste, dass sie keine Nahrung der Welt hätte ausfüllen können. Stattdessen hatten sich ihre Gedanken fieberhaft um die letzten Stunden gedreht, es war einfach viel zu viel geschehen. Und so hatte sie sich, erst Horatio, dann Walthams Gesicht vor Augen, seufzend aufgesetzt und das Gesicht in den Händen vergraben. Die Sicherheit, die sie in der Hütte eigentlich zu haben glaubte, hatte sich auf einmal sehr sehr drückend angefühlt. Es war eine gespannte Stille, von der Lucy jede Sekunde erwartet hatte, dass ein Schuss, ein Klopfen oder sonst ein Unheil erregendes Geräusch sie durchreißen würde. Beinah lauernd hatte sie den halben Vormittag auf der harten Pritsche gelegen und konnte sich entgegen sonstiger Gewohnheit sich überall zurecht finden zu können, einfach nicht wohl fühlen. Mit weit aufgerissenen Augen hatte sie auf jedes Knacken des Holzes und jeden Ton außerhalb ihres Refugiums gelauscht, bis sie schließlich den eigenen Nerven nicht mehr trauend abrupt aufgesprungen war, um die Flucht nach vorne anzutreten.
Und so war Lucy nun eine ganze Weile im Wald unterwegs, mehr oder weniger ziellos, sich aber stets den Weg einprägend den sie nahm, um bei späterer Gelegenheit wieder in den Schutz der Hütte zurückkehren zu können. Sie schlug Haken und hielt sich fernab von Wegen, suchte die Sicherheit von herabhängenden Ästen und floh so vor der eigenen Paranoia. Denn eigentlich war sich Lucy sicher, dass sie nicht verfolgt wurde. Weil sie aber dieses Warten auf nichts nicht mehr aushielt, zog sie die Kälte der Wärme ihrer Hütte vor. Ihre Nerven waren schlechter geworden in der letzten Zeit, das spürte sie ganz deutlich. Denn noch vor einem Jahr, da war sie sich sicher, hätte ihr dieses still sitzen und banges Warten nichts mehr ausgemacht. Nun war sie rastlos geworden.
Lucy konnte nicht verhindern, dass sie zusammenfuhr, als sie plötzlich ein lautes Rufen hörte. Nah, viel zu nah. Ihre Hand schnellte zu ihrem Revolver, den sie rasch zog. Dann stutze sie. Welcher Trottel ruft den solchen Mist?! Ihre Neugier besiegte rasch ihr Misstrauen, während sie durch die Bäume schlich und grob die Richtung anpeilte, aus der die Stimme erklungen war. Sie erblickte die Gestalt dann beinah schneller, als ihr lieb war. Der Mann, der da so hilflos stand sah auf den ersten Blick so lächerlich aus, dass Lucy sich ein lautes Auflachen verkneifen musste. Zwei Pferde und ein Mann im blauen Samtmäntelchen, nein, das war gar zu komisch. Na der Aufzug passt ja zu seinem Ausruf! Lucy spürte sofort, dass von ihm keine oder nur eine geringe Gefahr drohte. Und dass er reich war. Dafür hatte sie im Laufe der Zeit eine gute Spürnase entwickelt. Aber wer in Samt gekleidet und gleich mit zwei Pferden unterwegs war, der konnte wohl kaum ein Bettler sein. Lucy grinste und ihre Paranoia war so gut wie verflogen.
Sie fasste die Waffe fester und hob sie an. Der Mann war offenbar allein und er schien hilflos. Die Situation war perfekt, wie Lucy schnell schaltete. Das Straßenleben hatte sie so einiges gelehrt. Besonders, wenn man zugreifen musste. Oder war das eine Falle? Und wenn ja, was für eine? Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Nur ein Dummkopf würde sich so eine Chance entgehen lassen. Freundlichkeit war nicht. Ganz im Gegensatz zu ihrer Begegnung mit Waltham konnte sie fast sicher einschätzen, dass das hier einfach zu werden versprach. "Hey du!" gab sie ihrer Stimme einen bedrohlichen Klang, während sie ihr Halstuch mit einer raschen Bewegung über Mund und Nase zog, sodass nur noch die Augen unter der Hutkrempe zu sehen waren. Gleichzeitig trat sie aus dem Schatten der Bäume, um sich mit erhobener Waffe zu erkennen zu geben. "Geld her und zwar schnell und denk nicht dran um Hilfe zu schreien. Hier hört dich keiner." Sie richtete den Revolver auf den Kopf des Fremden. "Komm nicht auf die Idee ne Waffe zu ziehen. Ich bin sowieso schneller! Los jetzt!"
Lawrence orientierungslos, Pete/Lucy in ausraubender Position
Als ein "Hey du" erklang hatte Lawrence schon geglaubt, das sein Flehen erhört wurde. Natürlich war dies keine Art ihn azusprechen. Auch ein Indianer hatte ihn bei seinem Titel zu rufen, allerdings war er bereit darüber hinweg zu sehen da der Wilde wohl nicht in der Lage war einen Höhergestellten auf den ersten Blick zu erkennen. Aber die Gestalt die sich da aus dem Schatten schälte sah so gar nicht nach freundlichem Ureinwohner aus. Der Kerl trug geradezu lächerliche Kleidung, aber das war er hier im Westen ja gewohnt. Er selber würde so abgenutzte Klamotten nicht einmal zu einem Kostümball tragen. Hinzu bildete er sich ein, das ein übler Gestank von diesem Rabauken herüber wehte, ein Bad hatte er sicherlich lange nicht mehr genommen.
Doch was er von ihm verlangte, war wirklich unerhört. Er wagte es anscheinend zu versuchen ihn auszurauben. Lawrence hatte keine Angst, was vielleicht angebracht gewesen wäre wenn man bedachte das eine geladene Waffe auf ihn gerichtet war. Allerdings war er aufs höchste empört, was auch in seiner Stimme mitschwang. "Ich verbiete mir so etwas, sie haben wohl keine Ahnung mit wem sie hier reden." Er straffte seinen Mantel, war allerdings darauf bedacht seine Hände nicht in die Nähe seines Revolvers oder des Gewehres zu bringen. So viel Vernunft saß auch in seinem Schädel. Auch ein adeliger Kopf reagierte allergisch auf Blei. Nicht das er wirklich glaubte, das dieser Typ es wagen würde, wenn er erst einmal erfahren würde wer er war, aber er wollte diesem wilden Barbaren auch kein Motiv geben. Solange er ohne Waffe in der Hand war, konnte ihm ja nciht viel passieren. Kein Gentleman auf dem gesamten Erdenrund würde einen unbewaffneten Mann nieder schießen.
"Ich bin Lord Lawrence Keiston, angehender Earl of Kent und Neffe 3. Grades der Queen. In Anbetracht ihrer vermutlichen Unwissenheit, bin ich bereit über ihren Fauxpas noch einmal hinweg zu sehen, wenn sie jetzt die Waffe weg stecken und mir den Weg in die nächste Stadt weisen." sprach er im herrischen Ton. Das er gerade dabei war sein Leben zu verspielen, wenn der Outlaw schlechte Laune hatte, war ihm nicht klar. Natürlich kannte er Straßenräuber auch aus England, finstere Gestalten die raubten und mordeten, aber keiner von ihnen würde sich an jemanden wagen der vom Blute war. Denn die Rache wäre schnell und grausam. Nein, überfallen wurden nur Leute von niederem Geblüt. Normalerweise hätte er ihn wohl schon alleine für den Versuch hängen lassen müssen, aber er war bereit dieses Mal noch Gnade vor Recht ergehen zu lassen, wenn dieser unsägliche Gemeine ihn aus seiner eigenen Misere half.
Eigentlich hatte Lucy erwartet, dass der Fremde sich verängstigt geben würde. Oder zumindest erschrocken oder den Versuch starten würde zu fliehen oder gar sich zu wehren. So, wie es Normalsterbliche im Normalfall bei einem Überfall eben reagierten. Und Lucy hatte schon einige Überfälle durchgeführt oder mit angesehen, um sagen zu können, was eine normale Reaktion auf die drohende Gefahr für Leib und Leben war. Der Mann war allein, also einmal mehr Grund, sich furchtsam zu verhalten und sofort alles heraus zu rücken, was er besaß und was Lucy, einer Elster gleich, zu tragen im Stande war. Die Reaktion des Fremden war dann allerdings so widernatürlich, dass Lucy nicht umhin konnte, ihn entgeistert anzustarren. Was man dank des vorgezogenen Halstuches allerdings so gut wie gar nicht erkennen konnte. Lediglich ihre Augen waren ein Stück zu weit aufgerissen und das konnte der Mann aus der Entfernung wohl kaum bemerken. Scheiße, das glaub ich nicht! Ist der wirklich so ein Trottel oder tut er nur so?! "Freundchen, ich geb einen Dreck auf das was du denkst oder mir verbieten willst. Reiß den Mund nicht zu weit auf!" knurrte sie und der Ärger und die Drohung in ihrer Stimme waren noch nicht einmal gespielt.
Sie ging einige weitere Schritte auf ihn zu, allerdings ohne ihm allzu nahe zu kommen. Gerade so, dass es ein wenig bedrohlicher wirkte und ausreichend, um sich so schnell wie möglich in den Schutz des Waldes zurück zu ziehen. Sie musterte ihn spöttisch von Kopf bis Fuß. Was bildet sich dieser aufgeblasene Schnösel eigentlich ein?! Was glaubt er denn, wer er ist?! Als Lucy dann seinen Namen hörte lachte sie laut und höhnisch auf. Die Antwort auf ihre Frage hatte sie schneller erhalten als gedacht, selbst wenn sie rhetorischer Natur gewesen war. Denn eigentlich interessierte es Lucy herzlich wenig wie er hieß, so lange sein Name nur mit Gold behaftet war und er es dementsprechend aus der Tasche springen ließ.
"Interessiert mich n´Scheiß wie du heißt. Dein dreckiges Blut ist genauso rot wie meins, von wegen blaublütig und so! Hör auf zu faseln, rück dein Reichtum, raus du Heuchler!" Sie funkelte ihn wütend an. Wie dreist dieser Kerl doch war und wie anmaßend. Typisch reich, zz! Sie zielte mit der Waffe augenscheinlich auf seinen Kopf und drückte dann ab. Sie wollte nicht lange hier herumstehen, ein Überfall hatte schnell von statten zu gehen. Sie waren so tief im Wald, das wusste selbst Lucy mit ihrem eher schlechten Orientierungssinn, dass niemand diesen Schuss hören würde. Denn wer, außer womöglich Horatio und Waltham waren bei diesem Hundewetter unterwegs? Horatio wähnte sie verletzt und Waltham wieder zurück auf dem Weg in die Stadt. Ein bisschen Druck machen hatte noch nie geschadet.
Natürlich traf Lucy nicht, wie vorhergesehen. Aber dieser Warnschuss sollte genügen um ihm zu beweisen, dass sie auch bereit war einen Schritt weiter zu gehen und ihre Waffe auch zu benutzen, anstatt nur mit ihr herum zu fuchteln. Was interessierte es sie, was der Kerl in der Stadt wollte? Wie es aussah hatte er sich verirrt und das kam ihr nur Recht. Sie konnte ihn ausrauben und zurücklassen, dann bestand auch nicht die Gefahr, dass er allzu schnell Hilfe finden oder sie bei dem Gesetz anklagen würde. "Überzeugt dich das, hm? Wenn du noch lange schwafelst sehen wir bald, wie rot, Pardon, blau dein Blut wirklich ist! Jetzt zieh erst mal schön langsam dein blaues Samtmäntelchen aus, na los!"
Es war unglaublich, der Kerl zeigte keinerlei Form von Respekt. Er hatte hier in Amerika ja schon eine Menge erlebt, aber das war wirklich der Boden der Unverfrohrenheit. Und dann noch ihre Ausdrucksweise. Er zog die Augenbraue zusammen. "Ich finde ihre Fäkalsprache derart widerlich, das ich es vorziehen würde wenn sie schwiegen!" sagte er, während er verächtlich die Nase rümpfte.
Doch der Räuber meinte es offensichtlich ernst,er gab einen Schuß ab der direkt an Lawrence vorbei ging. Er zuckte nicht mit einem Muskel, als Mann von Adel hatte er gelernt sich stets unter Kontrolle zu haben. Sein Blick wurde nur noch verächtlicher, ob dieser rohen Gewalt aber sein Hirn war zum Glück nicht von seinem teuren Parfüm vernebelt. Kurz überlegte er ob er nicht selber zur Waffe greifen sollte und dem Rohling ein paar Manieren beibringen, verwarf aber dern Gedanken schnell wieder. Dies wäre sein Todesurteil, das wusste er auch. Also schüttelte er nur kurz dem Kopf. "Ich beuge mich der Gewalt! Aber das wird ein Nachspiel haben sie... sie Wüstling! Der Constable wird davon erfahren." meckerte Lawrence, während er langsam den Mantel abstreifte. "Meine Geldbörse befindet sich in der linken Tasche, ich nehme an darauf haben sie es abgesehen und wir können dieses unangenehme Treffen schnell beenden." Er hatte dort knapp zweihundert Dollar drin, ein kleines Vermögen, aber natürlich nur ein Teil seines Reichtums. Ein Großteil befand sich in seinem Stiefel, einer der Tipps den ihm seine Führer gegeben hatten. In diesem Moment war er froh auf sie gehört zu haben, wenn sie auch sonst Rüpel gewesen waren.
"Darf ich Ihnen mit noch etwas dienen?" fragte er im verächtlichen Ton. Mochte ja sein, das der Räuber im Moment die besseren Karten hatte, aber keinesfalls wollte er ihm auch noch die moralische Überlegenheit geben. Lawrence bemerkte dabei nicht, das er an seinem eigenen Grab schaufelte und andere Männer ihn wohl schon längst über den Haufen geschoßen hätten. Wahrlich, er konnte wohl nur noch darauf hoffen das sein Gegenspieler ihn entweder für zu amüsant hielt um ihn umzubringen oder zu verwirrt von seinem seltsamen Verhalten war, um ihn umzulegen.
Der Schuss hallte noch eine Weile in ihren Ohren nach. Alles klang ein wenig taub und verzerrt, als hätte jemand die Welt angehalten und als würde alles nur in Zeitlupe ablaufen. Das tat es natürlich nicht und so hielt Lucy ihre Waffe weiter drohend errichtet. "OOps, das tut mir aber leid", frotzelte sie. Von Zeitlupe hatte ihr Gegenüber ebenso wenig etwas gehört oder gespürt. Sein Mund klappte auf und zu und heraus kam ein Schwall Worte, die Lucys Grinsen nur noch fester in ihr Gesicht zementierten. Lächerlich, wirklich lächerlich! Sein offensichtlicher Ekel amüsierte sie in der Tat, auch wenn seine Arroganz den Knoten der Wut in ihrem Bauch ein wenig enger zog. Wie ihr diese versnobten Reichen doch verhasst waren. Wer gab ihnen das Recht, die Nase so weit oben in der Luft zu tragen, dass es beinah hinein regnete?! Warum hielten sie sich der Welt überlegen? Nur weil sie auf etwas weicheren Laken schliefen und ihr Frühstück möglicherweise nicht ganz so hart war, wie das ihre. Das Geld, auf dem sich das gehobene Bürgertum ausruhte war das einzige, was alle Ungerechtigkeit der Welt wieder wett machte. Denn wenn es einem schon nicht vergönnt war in seichten Tüchern zu liegen oder weich gekochte Eier am Morgen zu verspeisen, dann war es nur das Recht des Stärkeren und das Gesetz der Straße, die es einem erlaubten sich das zu nehmen, was dem Armen zustand.
Süffisant grinsend beobachtete sie den Neffen vierten Grades der Queen (oder war es dritten Grades? Egal, Hauptsache er hat Geld), wie er seinen blauen Mantel ablegte. "Nachspiel?" äffte sie ihn nach und schüttelte lachend den Kopf. "Wohl kaum! Wenn du in der Stadt oder wo auch immer ankommst bin ich schon längst über alle Berge. Naja, falls du dort ankommst. Man sollte die Temperaturen hier ja nicht unterschätzen und was hier sonst noch so im Wald unterwegs ist. Und wer weiß, vielleicht verärgerst du mich ein bisschen zu sehr, also pass auf!" Der Mann erinnerte sie an ein kleines Kind, das mit piepsend-quengelnder Stimme versuchte, seinen Willen durchzusetzen. Vielleicht hält er das alles nur für einen schlechten Witz! Na warte, dir wird dein Humor und dein hochnäsiges Getue schon noch vergehen!
"Sicher, nur her damit. Wirf mir die Geldbörse rüber!" befahl sie in einem herrischen Ton, ohne mit der Wimper zu zucken. "Wickel sie in dein blaues Nachthemd da ein und zwar schnell." Lucy musterte ihn. Schnell beenden? Was ist denn noch so aus dem Kerl heraus zu kitzeln? Natürlich traute sie ihm nicht. Nur ein Anfänger würde einen solch dummen Fehler machen und sich mit dem zufriedengeben, was das Opfer freiwillig herausrückte. Besonders, wenn es einer wohl bestückten Gans glich, die nur darauf wartete, ausgenommen zu werden. "Gut. Weitermachen!" Lucy gab eine unbestimmte Armbewegung auf seinen Körper, um ihm zu verdeutlichen, dass er sich weiterer Kleidungsteile entledigen sollte. Vielleicht kam dabei ja ein Goldkettchen oder ähnliches zum Vorschein. Außerdem würden die Temperaturen seinen Hitzkopf abkühlen. Erst der Mann, dann die Pferde und mal sehen, was dann noch übrig blieb.
Der Ganove verstand absolut nichts von guten Manieren. Wenn man in England überfallen wurde, dann hatten die Räuber wenigstens noch den Anstand höflich zu sein. Man gab ihnen das Geld und die Transaktion war beendet, so hatte er es wenigstens gehört. Selber überfallen wurde er noch nicht, auch weil er sich eigentlich nicht in Gegenden herum trieb die solch ein Gesindel anlockten. Er wünschte fast, dass er seine Begleiter wieder bei ihm hätte und bereute den Streit mit ihnen. Wenn er noch einmal die Wahl hätte, würde er sich auch darauf einlassen hier zu überwintern nur um nicht alleine dieser unangenehmen Situation ausgesetzt zu sein. Es war wirklich unglaublich, dass dieses Bauernpack hier frei herum lief. „Ich werde es wirklich begrüßen, wenn sie erst einmal über alle Berge sind. Sofern sie natürlich wenigstens die Höflichkeit haben werden, mir den Weg in die Stadt zu zeigen, wenn wir hier fertig sind.“ Das war ja wohl das Mindeste, was man erwarten konnte. Ein Gentleman lies einen anderen nicht zum sterben zurück. Aber wahrlich, dies hier ist nun wirklich kein Gentleman und ich bezweifle das er auch nur noch den Rest dieses Anstandes hat.
Folgsam wickelte er seine Geldbörse in seinen teuren Mantel ein. Alleine der Mantel würde ausreichen um eine größere Familie einen Monat lang satt zu machen, sogar zwei Monate wenn man sich zusammen riss. Aber was dann kam, ging einfach zu weit. Der Räuber machte eine deutliche Bewegung, dass er sich dem Rest seiner Kleidungsstücke entledigen sollte. Lawrence hatte von so etwas gehört, aber niemals erwartet dass er selber so etwas erfahren musste. Es war ganz klar, der Kerl war schwul. Und jeder wusste ja das Schwule grundsätzlich Vergewaltiger waren. Immerhin forderte er ihn ja auch auf sich auszuziehen. Lawrence hing durchaus am Leben, aber es gab Sachen die er niemals machen würde. Lieber würde er sterben als so etwas mit sich machen zu lassen. „Niemals. Ich muss sie enttäuschen, aber ich werde mich nicht ausziehen, damit sie meinen After penetrieren können. Wenn sie mich vergewaltigen wollen, schlage ich vor das sie mich lieber gleich erschießen!“
Er setzte sich aufrecht auf sein Pferd und starrte in den Wald hinaus, versuchte sich ein Bild der grünen Bäume zu erhalten, bevor er diese Welt verließ. Lawrence war nie der große Kirchgänger gewesen, aber jetzt wünschte er, er wäre öfters dort gewesen. “Der Herr ist mein Hirte, es soll mir an nichts mangeln… betete er innerlich. Äußerlich zeigte er keine Regung, ein stolzer Blick und die Augen fest geradeaus gerichtet. Es war klar, jede Sekunden würde der Knall kommen und er würde diese Welt verlassen. Aber wenn er es schon tat, dann wollte er es wenigstens seinem Stand entsprechend tun. Ja, er würde diesem Gröbling zeigen wie ein Mann vom hohen Blute es verstand zu sterben.
"Über alle Berge? Na sicher, aber erst wenn wir hier fertig sind", gab sie gedehnt Antwort. Dieser versnobte Kerl gehörte eindeutig zu der etwas härteren Sorte. Seit wann waren Menschen denn so stur und uneinsichtig? Vor allen Dingen, wenn ihnen die Mündung eines Revolvers entgegenblickte. Der ist eindeutig nicht normal! Lucy schüttelte über seine Reaktion den Kopf, während der blaue Mantel samt Geldbörse neben ihr in den Schnee plumpste. Die Waffe weiterhin auf ihr Gegenüber gerichtet, die Augen ebenso wachsam in die seinen gebohrt, beugte sie sich hinab und angelte mit einer Hand das kleine Vermögen, um es sich dann so gut es ging in die Manteltasche zu stopfen. Würde der Lord noch mehr herausrücken, dann musste sie die Dinge eindeutig anders angehen und ihn womöglich dazu bringen ihr ein Bündel mit all seinen Reichtümern zu schnüren. Lucy konnte nicht umhin zu hoffen, dass es so kommen würde. Denn das bedeutete, dass sie erst einmal für eine Weile ausgesorgt hatte. Was auch immer er noch bei sich trug, sie musste nur zusehen, dass sie es irgendwo unauffällig verhökern konnte. Vielleicht nicht unbedingt in Camden Village, das war dann doch zu riskant. Wie weit war es bis zur nächsten Stadt? Nun, dieses Problem konnte ebenfalls umgangen werden. Lächelnd blickte sie auf die beiden Pferde, während es in ihrem Kopf zu rattern begann und sie sich schon in Gold baden sah.
Was sich zunächst in einem Grinsen unter ihrem Halstuch ausbreitete, verwandelte sich schnell in ein lautes und vor allen Dingen echtes Lachen, als sie seine Befürchtungen hörte. "Haha, du meinst, haha..." japste sie und musste sich stark zusammenreißen, um bei dem Gelächter die Waffe halbwegs ruhig zu halten. Absurd, völlig absurd! Hahaha. Vergewaltigen? Ich ihn?! Eindeutig von allen guten Geistern verlassen. "Nein, du Idiot!" Lucy bemühte sich ihr Lachen einzudämmen und wieder einen strengen Ton anzunehmen. An und für sich war der Gedanke gar nicht so abwegig. Es gab genug grausige Geschichten über Raubüberfälle, die kursierten und in vielen steckte mehr als nur ein Funken Wahrheit. Aber Lucy selbst war nie auf derlei Gedanken gekommen, davon abgesehen, dass sie mit einer solchen Aktion ihre Tarnung gefährden würde. Außerdem empfand sie den Kerl mehr als abstoßend, ein Schnösel eben.
"Runter von dem Pferd oder ich schieß es dir unter deinem Hintern weg!" befahl Lucy, während sie immer noch halb amüsiert, halb verärgert zusah, wie er stur geradeaus starrte. Meditiert der etwa?! "Und dein Hintern, egal wie reich der ist, interessiert mich nicht, du Trottel! Ich will an dein Geld! Und wenn du nicht runterkommst, dann muss ich wohl zu dir kommen, wenn ich ein paar Kugeln durch den Gaul gejagt hab." Sie schüttelte einmal mehr den Kopf. Wenn er hoffte, dass sie ihm den Gefallen tun würde, ihn einfach zu erschießen, dann hatte er sich geirrt. Lieber sollte er eines grausamen Todes sterben, aber erst, nachdem er alles herausgerückt hatte, was er besaß.
"Wenn du aber so sehr auf Leibesvisitation stehst, dann können wir das auch so machen-oder du rückst freiwillig alles raus, was du hast! Na los!"