Vorne rechts ist die Tür zum Behandlungszimmer, welches etwas kleiner als der Warteraum ist. Als Sichtschutz dient eine bewegliche Trennwand, welche vor der Behandlungsliege steht. Für wartende Begleitpersonen gibt es hier auch noch einmal zwei Stühle. Am Ende des Zimmer befindet sich die Hintertür zum Hof und eine Treppe führt nach oben in die zweite Etage, in der sich Zimmer mit Betten für Patienten, die unter Beobachtung stehen müssen, befinden.
Sie hatte endlich ein Einsehen und der Junge gab fleißig zu verstehen, dass er die Tasche würde tragen können. Also geleitete Adrian sowohl Miss. Alcott am einen Arm, als auch Mrs. Alcott an der anderen Seite vorsichtig aus der Rezeption hinaus, über die vereiste Straße und hinüber zur Klinik. Dort hatte seine Frau zu seiner großen Befriedigung bereits so weit alles vorbereitet, dass er Miss. Alcott in Ruhe behandeln konnte. "Danke, Junge. Stell die Tasche bitte dort auf den kleinen Tisch in dem Zimmer. Und dann gehst Du zurück zu Deiner Großmutter." wies er den Jungen freundlich an. "Und Sie, Mrs. Alcott, warten bitte hier. Nehmen Sie bitte Platz." bot er der Älteren einen der kleinen Stühle im Flur an, der als Wartezimmer diente.
Seine Frau erschien sofort mit zwei Tassen heißem Tee und lächelte die Neuankömmlinge freundlich an. Dann verschwand Adrian vorsichtig mit Helen im Behandlungszimmer und schloss die Tür hinter sich. "Setzen Sie sich bitte." bat er und deutete auf einen Stuhl. "Ich werde die Wunde gleich noch mal vernünftig säubern und dann nähen." sagte er ruhig und freundlich.
Adrian schlüpfte aus Mantel und Gehrock und zog seinen weißen Kittel über. Dann legte er sich alle Utensilien bereit, die er benötigen würde. "Mögen Sie mir nun in Ruhe erzählen, was passiert ist? Sie sagten ein Unfall mit der Postkuschte? Danken Sie Gott, dass es keinen Genickbruch gegeben hat." fuhr e fort und wartete dann ab, dass Helen anfing zu erzählen. Er würde nachfrage stellen, um die Frau abzulenken. Zwar galt er als geschickt mit Nadel und Faden, aber er konnte die Wunde nicht wirklich betäuben. Da musste sie durch. Daher versuchte er das Ablenkungsmanöver.
Laura, die sichtlich noch immer von den guten Manieren dieses Arztes angetan war, war rasch dabei ihrem Enkel eine leichte Kopfnuss zu verpassen, als dieser Einfaltspinsel die Aufforderung von Dr. Smith tatsächlich in Frage stellte. Dieser war schließlich nicht nur ein Erwachsener, sondern ein studierter noch dazu. "Er würde dich kaum fragen, du dummer Junge," entnervt rollte Laura die Augen und warf Helen einen von zahlreichen anklagenden Blicken zu. Die diesen jedoch wie viele zuvor auch ignorierte und etwas unwillig den Kopf schüttelte. Sie konnte immerhin die Verwunderung ihres Sohnes nachvollziehen. Er war gerade vom Dieb um einige Stufen in der Gesellschaft wieder aufgestiegen. Und wahrscheinlich war er darüber genauso schrecklich verwirrt, wie über den Umstand, dass sie alle nun zur Klinik aufbrechen würden, anstatt wie angekündigt etwas Warmes zu essen und zu trinken. Sie würden das kaum nachholen können, nicht nach dem eng bemessenen Terminplan, den sie heute eigentlich gar nicht geplant, sondern sich einfach so ergeben hatte. Etwas einfaches heute Abend auf der Ranch würde reichen müssen, um den ärgsten Hunger zu stillen. "Ja sicher darfst du," gab Helen die unnötige Zustimmung und schmunzelte ein wenig. Gedanken darüber, ob der Junge die Tasche heil in die KLinik bekommen würde, machte sie sich im Gegensatz zur eigenen Mutter nicht. Calvin war ein umsichtiges Kind und hatte oft genug bewiesen, dass man sich auf ihn verlassen konnte. Heute nicht unbedingt, aber sie bezweifelte, dass es Calvin auf zwei Zwischenfälle nicht ankommen lassen wollte. Er würde besser aufpassen, als an einem gewöhnlichen Tag.
Nachdem dies geregelt war, und man zum Aufbruch bereit war, nickte Helen den anwesenden beim Gehen kurz und knapp zu. Sie kannte diese Menschen nicht, aber sie wusste, dass sie in naher Zukunft mit einigen von ihnen zu tun haben würde. Besser sie hinterließ gleich einen guten Eindruck.
Der Weg war leider etwas weiter als gehofft. Helen gab es nicht gerne zu, aber die Verletzung machte ihr nun doch ein bisschen Sorge und ab und an empfand sie einen Schwindel, der ihr neu war. Zum Glück sorgte Dr. Smith dafür, dass sowohl ihre Mutter als auch sie sicher durch den hässlichen Schneefall kamen. Es war in der Tat bitterkalt und die einst freigeräumten Holzstege waren wieder mit ziemlich viel Neuschnee bedeckt. Ein paar Mal ermahnte sie aus Sorge um Calvin, jenen, damit er auf Eisstellen unter dem Schnee acht gab und nicht auch noch ungeschickt ausrutschte. Noch einen Verletzten mehr wäre doch des Guten zu viel gewesen. Als sie die Klinik erreichten erinnerte sich Helen daran vorhin auf den Pferden an diesem Gebäude vorbeigekommen zu sein. Sie glaubte sich zu erinnern, dass sie es sogar bemerkt hatte und den Gedanken an einen eigenen Arzt in der Stadt sehr beruhigend empfunden hatte. Dass sie selbst noch am selben Tag hier Patientin sein würde, hatte sie nicht einmal geahnt.
Der Empfangsbereich der Klinik war geräumig und Helen sah sich flüchtig um. Ein Schreibtisch und Schrank in der einen Ecke, Wartebänke auf der anderen Seite und dazu ein gemütlicher Kamin. Vom Behandlungszimmer war nichts zu sehen, aber es gab eine Tür, die vom Wartezimmer wegführte. Aufmerksam sah sie Calvin dabei zu, wie er unter Dr. Smith Anordnung die Tasche abstellte. Das war ja zum Glück gut gegangen. Da nichts dagegen sprach, dass Calvin bei Laura im Wartezimmer bleiben sollte, nickte sie auf die Worte des Arztes hin, damit Calvin sah, dass die Anweisung legitim war und er besser daran tat zu folgen. Laura nahm auf Angebot des Arztes hin auf einer der Wartebänke Platz und wirkte sichtlich ermüdet. Die wie aus dem Nichts auftauchende Ärztegattin, die zwei Tassen Tee hereinbrachte ließ Laura jedoch gleich wieder lächeln. Das war ja einmal zuvorkommend! Diese Smith gefielen Laura immer besser und mit einem leisen Danke nahm sie erst für Calvin eine Tasse Mrs. Smith ab und dann ihre eigene. "Trink, Calvin. Das wird dir gut tun. Und ablenken. Deine Ma ist bestimmt gleich wieder da," trotz ihres den Tag über gezeigten ungehaltenen Wesens dem Jungen gegenüber, schenkte sie ihm jetzt doch ein warmes, beruhigendes Lächeln und klopfte neben sich auf die Bank, damit der Junge sich setzte. Selbst sah sie jedoch viel besorgter, als sie zeigte dem Arzt und Helen hinter her, die durch die besagte Tür nach nebenan gingen.
Helen, die nur ungerne das Zepter aus der Hand gab, folgte Dr. Smith völlig ergeben. Sie fühlte sich furchtbar und war nur zu gerne bereit einfach nur noch zu tun, was erwartet wurde, ohne nachzufragen oder das ganze Handeln nach einem Sinn zu hinterfragen. Calvin wusste sie in guten Händen und konnte sich daher ganz auf Dr. Smith konzentrieren. Dieser führte sie nach nebenan, in den Behandlungsraum. Auch dieser war geräumig und unterschied sich kaum wesentlich von den Praxen die Helen kannte.
Helen sah sich nach dem Stuhl um, auf den Dr. Smith wies und nahm Platz. Sitzen war doch etwas angenehmer, als dieses Laufen und Stehen. "Danke," sagte sie dabei mit einem vorsichtigen Nicken und richtete die Falten ihres Kleides. "Tun sie sich keinen Zwang an, Dr. Smith. WAs sein muss, muss wohl sein," sagte Helen tapfer und durchaus mit der festen Absicht die Schmerzen auszuhalten, ohne großes Weh und Ach. Sie beobachtete den Arzt dabei, wie er sich umzog und alles vorbereitete, was er für ihre Behandlung brauchte. Ein klein wenig musste sie dabei doch schlucken und fragte sich wie schmerzhaft es wirklich werden würde. Sie war bereits zweimal genäht worden, aber es waren jedes Mal stellen gewesen, die genug Fett, Haut und Muskeln geboten hatten, um den Schmerz einigermaßen erträglich zu machen. Hinter ihrem Ohr gab es nichts.. nur Haut, Knochen und Nerven.
Sie seufzte schwer, als ihr klar wurde, auf was sie sich da eingelassen hatte. Zum Glück stellte ihr Dr. Smith eine Frage, die sie ein klein bisschen ablenkte. Ruhiger wurde sie dadurch nicht. "Ein Unfall ja, ganz recht," bestätigte sie erst einmal seine Worte und verzog das Gesicht bei der Vorstellung, dass es genauso gut ihre Mutter oder noch viel schlimmer Calvin hätte erwischen können. "Und glauben sie mir, Dr. Smith, ich bin mehr als froh. Nur viel erzählen kann ich ihnen nicht wirklich. Wölfe haben die Pferde scheu gemacht und die Kutsche geriet aus der Spur. Sie ist einfach umgekippt und wir, die Insassen sind gehörig durchgewirbelt worden. Irgendetwas schweres hat mich dabei getroffen. Am Kopf hatte ich gedacht. Mir war kurz schwarz vor den Augen, aber danach ging es mir eigentlich blenden."