Matt sucht Ben u. Jerry (beide hinter dem Schuppen)
Matt hatte ohne Weiteres das warme Wohnzimmer verlassen und als er sich im Flur seine Jacke anzog, ging ihm auf, dass Ben womöglich von Jerry abgelenkt und hoffentlich nicht zu Unfug angestiftet worden war. Das war nämlich typisch für Ben, über irgendeinen Unsinn hinweg, die väterliche Anweisung unmittelbar wieder heimzukommen, zu missachten. Für Matt himself war das wohl gut, denn so hatte dieser die ihm mehr als willkommene Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten, aber in Bens Haut wollte er nicht stecken! Genaugenommen nicht einmal in meiner eigenen.. Noch war Matt froh, dass er den Mut gefunden hatte, seine Zukunftspläne offenzulegen, und war überrascht darüber, dass sein Vater diese nicht grundweg als völlig abwegig betrachtete hatte. Im Gegenteil schien er sogar ein bischen Stolz auf Matt zu sein. Das zumindest konnte man der Geste, mit der er seine Hand kurz auf den Oberschenkel Matts gelegt hatte, wohl genauso sicher entnehmen, wie das Einverständnis mit den Plänen. Dennoch seufzte Matt innerlich, als er in die warmen Stiefel schlüpfte, denn sollten sich seine Ideen nicht umsetzen lassen, oder war Clayton nicht von seiner Eignung zum Deputy zu überzeugt sein, konnte der Schuss ganz schnell wieder nach hinten losgehen. In dem Fall kann ich mir wieder anhören, wie vermessen der Gedanke sei, wie abwegig das Ganze sei und überhaupt.. Schnell, bevor sein Vater sich die Sache noch einmal überlegen konnte, verließ er die Wohnung, wobei er ohne Lärm zu machen, denn doch zwei Stufen auf einmal nahm.
Schade.. den Gefallen hätte ich ihm glatt noch getan.. Ein bisschen enttäuscht war Matt darüber, dass es nicht mehr nachgeschneit hatte, seit sein Vater geräumt hatte. Gerne hätte er noch einmal Schnee nachgeräumt, um den Vater für den Rest des Tages noch für sich einzunehmen. Das könnte auch gelingen, falls ich Ben gleich finde - nur dafür muss ich ihn eben erst einmal finden.. Nachdenklich musterte Matt zunächst die Lakestreet und runzelte die Stirn, als er den Reverend in Begleitung zweier Kinder in Richtung der Kirche stapfen sah. Das Mädchen erkannte er als Clara, aber der Junge dazu war weder Jeremiah noch Ben. Vermutlich denkt er, die Jungs seien längst bei uns.. Matt verzichtete darauf den Reverend anzurufen, denn dieser hatte sicherlich genug um die Ohren und offenbar auf Clara und ihren Bruder, Eli?, zu achten. Wo stecken die Beiden nur.?. Noch rief Matt nicht laut, nach den Jungs, sondern ging zunächst den schmalen Weg zwischen den Häusern hindurch, bis er links von sich den Garten seiner Eltern und rechts den des Pfarrhauses liegen hatte. Weder von Ben noch von Jerry war Etwas zu sehen, aber er entdeckte die Spuren des Versuchs, eine Kugel durch Rollen auf dem Schnee zu vergrößern. Na, dass sieht den Beiden ähnlich - einen Schneemann bauen wollen. Matt grinste, denn auch er vermochte kaum der Versuchung, den Schnee in die Hände zu nehmen und Bälle daraus zu formen, widerstehen. Wenn es nicht so kalt gewesen wäre und er gegen den Wind, der ihm noch um die Handgelenke herum strich, die Hände in die Jackentaschen gesteckt hätte, hätte er das womöglich sogar noch getan! Zahlreiche Abdrücke von Stiefeln im Schnee zeigten, dass zumindest einer der Beiden vom Zaun zum Schuppen gelaufen war und auf den zweiten Blick entdeckte Matt auch, dass eine Kugel liegengeblieben war. Sie haben aufgehört - aber warum? Matt konnte sich darauf keinen Reim machen, denn neben dieser ersten Schneekugel waren weitere Spuren im Schnee, die daraufhinwiesen, dass mindestens noch Schnee mit den Händen aufgenommen worden war. Warum nur, wenn nicht um einen Schneemann zu bauen? Die Schneefläche jenseits des Zaunes auf der Seite zum Laden hin war unberührt geblieben und Matt wandte sich von dem Anblick ab. Da waren die beiden also nicht hingegangen, auch nicht um nach den Tieren zu sehen. Das allerdings hätte Ben wohl eine gute Ausrede für seine Verspätung.. Oh, moment - hat Stevenson nicht auch ein Pferd zu versorgen? Erleichtert grinsend musterte Matt den Schnee vor sich und konnte auf den zweiten Blick tatsächlich die Spuren zweier Paar Stiefel ausmachen. Diese hatten sich in Richtung des Schuppens bewegt und falls Matt sich nicht vollkommen irrte, hatte der Reverend dort sein Pferd untergebracht. Der Auslauf des Tieres war leer und so vermutete Matt, dass Jerry das Pferd noch zu versorgen hatte und sicherlich stellte er es gleich in den Auslauf. So - also - nett von Ben zu helfen - auch wenn Pa das sicherlich wieder als Ungehorsam begreifen wird... Mit langen Schritten ging Matt nun auf den Schuppen zu und stutzte, als er gewahr wurde, dass sich die Spitzen der Stiefel nicht etwa kurz vor der Schwelle zur Tür verloren. Die Tür zum Schuppen war zu und schien verriegelt, so dass Matt den Verdacht hegte, dass Niemand darinnen war, oder zumindest nicht darin gesehen werden wollte! Gerade wollte Matt sehen, ob er die Tür unbemerkt würde zur Seite schieben können, als er sah, dass die Spuren nicht abrupt endeten, sondern an scheinend um den Schuppen herum liefen. Versteckten die Jungs sich - womöglich vor ihm? Warum sollten sie? Matt hatte keine Erklärung dafür und folgte nun den Fußspuren. Tatsächlich - hinter dem Schuppen steckten Ben und Jeremiah! Beide hielten ein bisschen Ausschau, aber in eine andere Richtung, als in die, aus der Matt gerade kam. Na, die haben wohl doch etwas ausgefressen - nur was? Kurz zuckten Matts Mundwinkel bei der Vorstellung den Beiden einen Streich zu spielen und sie tüchtig zu erschrecken, aber nein - das wäre wohl nicht fair gewesen. "Hmm.. " Matt räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen und nahm an, dass das alleine den Beiden bereits einen Schrecken einjagen konnte. Immerhin rechneten sie nicht mit seinem Kommen und vielleicht nicht einmal damit, dass Irgendjemand hier auftauchte. "Ihr versteckt Euch doch nicht etwa vor mir, oder?" Fragend und kritisch musterte er die vor ihm im Schnee geduckt hockenden Jungs.
Jerry's Furcht vor der Entdeckung war im Augenblick viel zu groß, um Rücksicht auf Ben zu nehmen. Er hatte sich ja noch nicht einmal die Zeit genommen nachzusehen, ob das Klirren und Scheppern tatsächlich eine kaputte Fensterscheibe bedeutete oder nicht. Er wollte nur weg und sich hinter dem Schuppen verstecken. Zur Sicherheit. Denn für einen Sonntagmorgen hatte sich Jerry nach eigenem Geschmack schon viel zu viel geleistet. Nicht auszudenken was sein Pa sagen würde, wenn er sie dabei erwischte, wie sie scheinbar mutwillig Nachbars Scheibe bzw. Bens Haus, zu zerstören versuchten. Damit übertrieb Jerry sicherlich maßlos, aber in seiner kindlichen Vorstellung mochte es für einen Erwachsenen nun einmal genauso aussehen. Woher sollte sein Pa auch wissen, dass sie nur versucht hatten Matts Aufmerksamkeit zu erhaschen? Sicher würde Pa nachfragen, wie es dazu hatte kommen können, aber Jerry kannte sich nur zu gut. Vor lauter Angst vor einer Strafe würde er zu stottern anfangen und sich statt souverän aus der Miesere zu manövrieren, würde er sich mit Gestottere und Ausflüchten nur tiefer in den Mist fahren, obwohl er gar nichts schlimmes getan hatte. Nein, da war es besser die Sache hinter dem Schuppen auszusitzen und alle Fragen nach einer Mitschuld heftigst zu verneinen.
Bens Murren ließ Jerry seufzen. "Natürlich kenn ich die Technik, sonst hätte ich sie gar nicht erst angewendet. Ich hab nur ein wenig die Entfernung unterschätzt," fügte er ein wenig kleinlauter hinzu und fragte sich wie cool nun dieser Matt tatäschlich war, wenn er sich wegen einer kaputten Scheibe aufregen würde. Hinter dem Schuppen war es Wind geschützter und Jerry ließ sich erleichtert gegen die Rückwand fallen. Sicherheit! Nur Ben konnte seinen Mund nicht halten und plapperte. Jerry blinzelte zu ihm hinüber und winkte ab. "Den Lärm hat man sicher bis vor auf die Straße gehört. Es ist unwahrscheinlich, dass es niemand mit bekommen hat. Aber so schnell wie wir geflitzt sind, hat uns bestimmt keiner gesehen. Siehst du denn jemand," fragte er neugierig und schob sich an Bens Seite um um den Schuppen herum zu spähen. Ihm war so als hörte er ein Fenster das geöffnet und gleich darauf wieder richtig heftig geschlossen wurde. Aber sehen konnte er selbst niemand. Entsprechend ertappt fuhr Jerry bei dem leisen Räuspern von Matt hinter ihnen zusammen und herum. Sein Herz raste wie verrückt und sein Hals schnürte sich in ängstlicher Erwartung von großer Schimpfe zusammen. Bens Bruder hinter ihnen zu erkennen war erst einmal eine kleine Erleichterung, obwohl Ben der Meinung war, dass sich auch Matt ärgern würde. Böse sah Matt nämlich gar nicht aus. "Eh nein," stammelte Jerry geistesgegenwärtig und sprang wieder auf die Füsse, klopfte sich den Schnee ab und sah dann betreten zu Ben. Es war nicht an ihm herauszufinden was dessen Bruder wusste oder nicht wusste. Und schon gar nicht wollte er damit anfangen müssen zu lügen.... Aber er kam einfach nicht gegen seine Natur an... "Wir, wir spielen nur..."
Ben schüttelte den Kopf, denn gesehen hatte er auch Niemanden. Jerry drängelte sich an seine Seite und spähe an ihm vorbei, so dass er nun gar nicht mehr Ausschau halten konnte. Ein zuschlagendes Fenster ließ ihn zusammenfahren, denn wenn dieses zu hören war, war auch das Klirren des Fensters laut genug gewesen, um auch von seinen Eltern gehört worden zu sein. "Hoffentlich hast Du Recht." Ben seufzte im Stillen, denn sein Vater war nicht dumm. Sicherlich waren sie sehr schnell hinter den Schuppen geflitzt, aber ihre Fußspuren verrieten sie doch und so sicher, wie Jerry, dass sein Pa oder seine Ma sie nicht gesehen hatte, war er nicht. Sie hatten vom Wohnzimmerfenster aus den besten Blick in den Garten. Obwohl er schon Strafe zu befürchten hatte, weil er nicht direkt und ohne Verzug heimgekommen war, würde er nun am Liebsten sofort nach Hause und die Sache seinem Vater berichten. Dafür eine Erklärung zu finden war nicht schwer, hatte er doch auf Jerry warten müssen, aber wie erklärte er, warum er Matts Aufmerksamkeit hatte erregen wollen? Ben überlegte und beschloss, dass er ja durchaus bei der Wahrheit bleiben konnte. Sie hatten eben Matt um Hilfe bitten wollen, ohne den Vater zu stören. Bei dem Versuch den Fensterladen zum Klappern zu bringen, hatte Jerry eben versehentlich die Scheibe getroffen. Dass er dabei einen Stein in den Schneeball gesteckt hat, fällt hoffentlich nicht auf - oder Matt behält das für sich, ach bestimmt. Ebenso wie Jeremiah fuhr auch Ben zusammen, als er Matts Räuspern hörte. Erleichtert aufatmend erhob er sich aus der Hocke in den Stand und grinste erleichtert, denn Matt war nicht wütend und ihr Plan hatte bestens funktioniert, denn Matt war auf sie aufmerksam geworden. "Du bist nicht wütend deswegen?" Fragend und erstaunt sah Ben den großen Bruder an. Er verdrehte jedoch die Augen, als Jeremiah Matts Frage mit einer handfesten Lüge beantwortete. Wohlwollend konnte man das natürlich als Spiel bezeichnen, aber Ben war sicher, dass weder Matt noch seine Eltern das Werfen eines mit einem Stein gespickten Balles als Spiel betrachten würden. Nein, in dem Fall wäre es besser, sie hielten sich an die Wahrheit und beichteten. Jeremiah war ihm darin wohl überlegen, denn Ben konnte nicht lügen, ohne dabei erwischt zu werden. Genausowenig wie er Schmerzen, Freude oder Trauer nicht für sich behalten konnte, gelang es ihm nicht, ein schlechtes Gewissen zu vertuschen. Verlegen und unsicher musterte Ben abwechselnd den Bruder und den Schnee, den er mit einem Stiefel zu seinen Füßen zusammen schob.
"Aha - spielen also." Matt statuierte trocken, war aber davon überzeugt, dass dieses Spielen von seinen Eltern wohl kaum als Ausrede für Bens Versäumnis akzeptiert werden würde. Was hat er sich denn dabei nun wieder gedacht? Kritisch musterte er die beiden Jungs vor sich, denn er war sich ziemlich sicher, dass die beiden nicht nur gespielt hatten. Dafür waren beide zu verlegen, vor Allem aber Bens Frage ließ Ben annehmen, dass dieser ein schlechtes Gewissen hatte. Nein, Ben wusste sehr genau, dass er sich falsch verhalten hatte und nun zu Recht Strafe befürchten musste. "Warum sollte ich deswegen wütend sein, Ben? Ich kenne Dich doch - allerdings solltet Ihr weder mich noch Pa mit weiterer Bummelei provozieren, nicht?" Matt lächelte auf den Bruder hinab und seufzte. Er wusste zwar nicht genau, wie viele Vermerke dieser schon in seinem "Strafbüchlein" hatte, aber er nahm an, dass sich Ben nicht mehr allzuviel zu Schulden kommen lassen durfte - nicht, so er nicht die Rute oder das Paddle auf seinem Allerwertesten spüren wollte. "Ach und ich dachte, Du wärest bestimmt wütend, wegen des Fensters., Am Besten gehen wir sofort mit Dir heim.." Ben machte Anstalten sich Jerry mit sich ziehend an Matt vorbei zu drücken, wurde von diesem aber aufgehalten. "Wegen welchem Fenster, Ben?" Matt zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete die beiden Jungs vor ihm mit mehr Aufmerksamkeit. Ihm war ganz offensichtlich was entgangen, denn Ben stieg die Röte in die Wangen und das war wohl nicht nur auf die Kalte zurückzuführen. "Ich.. Äh.. Also, das war so: Wir wollen Dich auf uns aufmerksam machen, wegen helfen ..mit dem Schneemann und so.. und dann hat Jerry Deine Fensterscheibe getroffen und.. aber das war bestimmt nicht seine Absicht, ehrlich! Stimmt doch, Jerry." Aufforderung stieß er dem Freund den Ellenbogen in die Rippen, denn der konnte ihm nun ruhig zu Hilfe kommen. "Ihr habt was nach meinem Fenster geworfen?" Ben nickte und schalt sich selbst einen Esel.Hätte er doch nur den Mund gehalten! Matt hatte wohl nichts davon mitbekommen und nun hatte er Jerry verraten. "Ja.. leider.." Zerknirscht zog Ben eine Schippe und spielte immer noch mit seinen Fußspitzen im Schnee. "Aha, ja.. kaputt also. Ich bin gespannt, wie ihr da wieder rauskommen wollt.. Auf geht's." Matt ließ nicht locker sondern unterstützte seine Worte noch mit einer auffordernden Geste. Die Beiden glaubten doch wohl nicht im Ernst, dass sei damit oder mit Jeremiahs Schwindel durch kamen? "Bitte Matt.. kann das nicht unter uns bleiben.. Vielleicht weiß Pa ja nichts davon oder nicht, dass wie es waren. Kann doch sein.." Hoffnungsvoll flehend sah Ben Matt an, der nur den Kopf dazu schüttelte. "Na, was glaubt denn Ihr, hmm? Irgendwann wird Pa erfahren, dass mein Fenster kaputt ist, falls er es nicht hat Klirren hören und ich wäre nicht so sicher, dass er Euch nicht gesehen hat." Matts Ton ließ keine weitere Diskussion über das weitere Vorgehen zu. Er wollte keinesfalls vor seinem Pa als unzuverlässig oder gar ungehorsam gelten, weil er jetzt nicht unverzüglich mit dem gefundenen Bruder nebst Jerry daheim auftauchte. "Ab..aber.. ich bekomme dann bestimmt Hiebe und.. " Bens Unterlippe zitterte in dem Versuch, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Was würde Jerry bloß von ihm denken? Er wollte doch nicht vor diesem, wie ein Feigling da stehen! "Das ist möglich, Ben. Aber wenn er von der Angelegenheit bereits weiß und Du ihn belügst oder schweigst, wäre die Strafe deutlich schmerzhafter." Matt erklärte in ruhigem Ton, denn er wollte seinem Bruder keine Angst machen. Es war ihm nur wichtig, dass auch Ben lernte, zu seinem Handeln zu stehen und noch hatte er wohl nicht allzuviel zu fürchten, denn das Verbummeln konnte er durchaus mit einem Warten auf Jeremiah oder mit einem Helfen bei dem Pferd erklären. Den größeren Ärger bekommt sicherlich Jeremiah.. Nein, Pa bleibt nicht auf den Kosten für die neue Scheibe sitzen.. "Also - Zeit zum Beichten." Mit einer Geste forderte er die beiden Jungs auf, ihm voraus zu gehen. Wie er es erwartete, widersprach Ben nicht und auch von Jeremy erwartete Matt keine Widerworte. Der hatte wohl von Reverend Stevenson mehr Strafe zu erwarten, als von dem ihren. Fremde Kinder nämlich züchtigte er nicht, aber mit ein paar deutlichen Worten hatte wohl auch Jeremiah zu rechnen. "Nun kommt schon - die Angelegenheit fliegt eh' auf - früher oder später."
Jerrys Herz raste noch immer ein wenig. Doch der Schreck hatte sich längst gelegt. Jetzt war es die Aufregung und die Nervosität darüber, ob sie Matthew gegenüber mit ein wenig Geflunker durchkamen. Er musste ja nichts gesehen und gehört haben und ließ sie vielleicht daher arglos ziehen? Ben machte jedoch jeder Hoffnung einen Strich durch die Rechnung. Denn statt auf seine kleine Notlüge einzugehen, fragte er geradeheraus ob sein Bruder nicht wütend sei. Das hätte wohl selbst den naivsten unter ihnen stutzig und misstrauisch gemacht. Jerry verdrehte die Augen und unterdrückte ein Stöhnen. Wenn das nicht gleich ein paar neugierige und scharfe Fragen provozierte... Wie befürchtet klang Matthew nicht überzeugt von Jerrys Worten und Jerry fing an sich unwohl zu fühlen. Matt war so gut wie ein Erwachsener und Erwachsene log man nicht an. Da verstand sein Pa überhaupt keinen Spaß, wie Jerry erst am Montag am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte. Oder in der Vergangenheit. Nicht das Jerry jemals daraus eine Lehre gezogen hätte, aber sobald der Schaden angerichtet war, wusste er sich sehr wohl vor der Strafe zu fürchten. Wenn er nur jemals vor einer Lüge daran gedacht hätte...
"Eh ja, spielen," nickte Jerry dennoch und versuchte ein so ehrliches Gesicht wie möglich zu ziehen. Er hatte schließlich Übung darin. Und wie es Jerry langsam dämmerte, schien Matthew noch gar nichts von der kaputten Scheibe zu wissen, denn ihm ging es offenkundig darum, dass Ben viel lieber Zeit hier draußen im Freien verbummelte, anstatt wie angewiesen nicht sofort nach Hause gekommen war. Das gab wieder Hoffnung.
Oh dieser Ben... Jerrys Kopf ruckte herum und aus ungläubigen Augen starrte er den Freund an, der gerade seinem Bruder reinen Wein einschenkte. Pah.. verriet einfach so das Fenster. Hatte der denn gar nicht bemerkt, dass Matthew von nichts eine Ahnung hatte? War er wirklich so dumm? Jetzt hatte er sie doch regelrecht selbst verraten und trug Schuld daran, dass man sie dafür sicherlich bestrafen würde. Wobei... Jerry rieb sich die Nase in nachdenklicher Pose. Er hatte als Vergehen nur gelogen. Na ja gut ein wenig geflunkert. Davon musste sein Vater ja gar nichts erfahren. Die kaputte Scheibe konnte doch jedem passieren. Da würde sein Pa nur schimpfen und schwer enttäuscht sein. Aber ganz bestimmt bekam er dafür keine Schläge. Nicht wenn er den Stein unerwähnt ließ. Von daher... doch noch einmal Glück gehabt. Nur Matthew wollte nicht einlenken und hielt Ben auf, dem Jerry schon folgen wollte. Jetzt hagelte es doch Fragen, die sie ganz schön in Schwierigkeiten brachten. Welches Fenster... und die unausgesprochene Frage nach dem 'was war passiert'. Jerry dachte gerade darüber nach wie er rasch vor Ben eine gute Lösung der Problematik fand, als dieser fast ein wenig hektisch dazu überging die Sache so harmlos wie möglich dazustellen. Also war er doch nicht ganz so arg auf den Kopf gefallen, wie Jerry eben noch befürchtet hatte. Er war wohl in manchen Dingen nicht immer der Hellste, aber ganz ungeschickt stellte er sich gerade nicht an.
"Ja, stimmt, absolut", stimmte Jerry auch gleich kräftig ein, als Ben seine Unterstützung suchte und nickte heftig. "Und nein, natürlich war das keine Absicht. Ich wollte nur Ben helfen." Nach diesen Worten musste Jerry erst einmal leise aber aus vollem Herzen seufzen, denn noch hätte er wohl etwas gerade biegen können, doch durch seine Zustimmung war es nun unabwendbar, dass sie Mist gebaut hatten. Gemessen an Matthews Reaktion schien ein hoffnungsvolles Entkommen immer unwahrscheinlicher. Aber hatte Ben nicht stets betont, dass sein großer Bruder klasse wäre? Einer mit dem man scheinbar Pferde stehlen konnte und der immer zu ihm hielt? Was konnte ihnen da also schon groß passieren? Er würde vielleicht ein wenig schimpfen und sich den Schaden betrachten und sie dann bestimmt laufen lassen. Er war doch selbst noch ein Kind, dass hatte Ben genauso gesagt. Gerade eben. Dann musste Matthew ja wissen was es bedeutete Spaß haben zu wollen oder wie ihnen gerade im Moment die Knie zitterten. Schon wieder mit guter Hoffnung beseelt, gewann Jerry Matts Gegenwart etwas Gutes ab. Wurde aber je davon enttäuscht, als dieser ohne große Worte zu machen sie vor sich herschieben wollte. Auf geht's? Ja wohin? Verwundert blickte Jerry seinen Freund an, dann Matt und verstand absolut nicht, was gerade passierte. Nur ganz langsam dämmerte ihm der Verrat, als Ben sich aufs Betteln bei seinem Bruder verlegte, das aber auf taube Ohren stieß. Na prima. Das war ihm mal ein toller großer Bruder. Wieso Ben auf den so viele gute Stücke hielt, verstand Jerry überhaupt nicht mehr. Aber er sah sich mal wieder darin bestätigt, dass es besser war, keine Geschwister zu haben. Als Ben auch noch die Angst vor Prügel erwähnte, kehrte auch bei Jerry ein mulmiges GEfühl zurück. Gemessen an dem verkorksten Sonntag war es schwer abzuschätzen, wie sein Pa reagieren würde, wenn die McKays einen Grund zum Klagen haben würden. Er fand es stets furchtbar im Ungewissen zu sein. In vielen Dingen wusste Jerry sehr gut wie er bei seinem Vater dran war, aber es gab auch viele Tage, an denen die Laune seines Vaters eine Rolle spielten und der Verlust seiner Mutter hatte sowieso sehr vieles verkompliziert. Da hatte es Ben wohl doch irgendwie einfacher. Der schien für fast alles Schläge zu bekommen. Der wusste was ihm blühte und umging dies in dem er einfach nichts unternahm was Spaß machte. Da entging man wohl ganz automatisch Ärger. Kein Leben für Jerry, aber aus Sicht von Ben verständlich. Im Moment hätte Jerry nämlich auch nur zu gerne gewusst, was sein Pa später zu der Angelegenheit zu sagen hatte. Und dieser ach so tolle Matt unternahm gar nichts gegen Bens Angst, sondern bestätigte diese auch noch. Das war ja... also.. Jerry fehlten die Worte. Aber sein ungläubiger Blick ruhte auf Matthew. "Ben hat doch gar nichts getan," entrüstete er sich prompt und vergessen war die Sorge, dass Matthew fast schon als Erwachsener durchging und entsprechend zu respektieren war. "Das ist unfair, wenn er dafür bestraft wird. Wenn jemand was beichten muss, dann ich. Aber nur meinem Pa!" Oh ja, er würde sich ganz bestimmt nicht von Mr. McKay aushorchen lassen. Der war nicht sein Pa! Und auch wenn Jerry ganz genau wusste, dass jeder Erwachsene ein Recht darauf hatte ihn für sein Handeln auszuschimpfen, gar strafen konnte, sollte es sich Mr. McKay ja nicht wagen. In dieser Angelegenheit war er durch die Erziehung seines Vaters und dessen Haltung zu der EInmischung in seine Erziehung stark geprägt und hatte nicht umsonst seine liebe Not mit dem Akzeptieren anderer Gewalten über ihn. In der Schule war das natürlich noch einmal eine ganz andere Sache, da war es ihm auch vom Vater ans Herz gelegt worden, sich zu benehmen und zu akzeptieren, dass die Rute regierte, wenn er sich nicht benahm, ohne das sich Pa gleich beim Lehrer beschweren würde. Also erduldete Jerry diesen Umstand Zähne knrischend. Aber alles andere... oh nein, da würde er zu einem kleinen, wütenden Berglöwen mutieren. WAhrscheinlich würde Mr. McKay dann gleich noch einen Grund zur Klage haben. Aber im Moment ging es Jerry weniger um sich selbst. Es ging um Ben, der sichtlich Angst hatte und das wohl auch zu recht. Jerry hatte nun oft genug die McKays in seinem Umfeld erlebt um zu wissen, dass man nebenan keinen Sinn für Unfug hatte und einen nur sehr beschränkten für Humor und Spaß. Und da lieferte der eigene Bruder den kleineren aus? WÜtend blieb Jerry so nichts anderes übrig als Ben zu folgen, der gehorsam der Aufforderung nachgekommen war. Wenn er Ben helfen wollte, musste er ja mit, auch wenn er eben noch bekräftigt hatte, dass ihm niemand etwas befehlen konnte. Aber bevor sich Ben wie ein Opferlamm auf den Altar legte, musste er, Jerry, eben zur Rettung eilen. "Also dein Bruder ist ja vielleicht ein blödes Aas. Der verrät dich einfach so? Ich dachte der hält zu dir," raunte Jerry Ben zu, als er ihn auf der Veranda eingeholt hatte. "Also wenn das mein Bruder wäre, würde ich mich dafür gründlich rächen!"
"Aha." Matt musterte Jeremiah und unterdrückte ein spontanes Grinsen. Tatsächlich war er kurz davor, seinem Vater lediglich den Zeitverzug Bens zu erklären. Noch könnte man sich wohl absprechen und den Anschein erwecken, Jerry hätte Ben um Hilfe gebeten, wenn da nicht die Sache mit dem kaputten Fenster gewesen wäre! Das ließ sich nicht einfach so wegdiskutieren, denn es musste ja irgendwie repariert werden. Ein kurzes Schmunzeln glitt dennoch über Matts Gesicht, denn dafür dass, Jerry Ben zunächst ungläubig angestarrt hatte, stimmte er ihm nun unbedingt zu. Das kostete sicherlich auch einen Jeremiah eine Menge Mut, denn auch dessen Vater würde das wohl kaum ungestraft lassen. Zumindest konnte Matt sich das nicht vorstellen. Den Worten des Jungen nach war das kaputte Fenster wohl wirklich nur ein Versehen gewesen, bei dem Versuch seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Wobei sollte ich Euch eigentlich helfen, Hmm?" Fragend sah Matt die Beiden an und legte sich bereits gleichzeitig seine Worte dem Vater gegenüber zurecht. Das kaputte Fenster nicht zu erwähnen, wäre auch dann dumm, wenn Matt keine Strafe zu fürchten hatte. Er war ja im Treppenhaus gewesen und hatte das Klirren so nicht gehört. Es war also keine Lüge, so er das nicht erwähnte. Wieder war Matt kurz davor, die Sache mit dem kaputten Fenster unter den Tisch fallen zu lassen. In dem Fall drohte Ben zwar eine Züchtigung wegen seines Zeitverzugs, aber den konnte man ja erklären. Andererseits barg derlei Schwindel ein Risiko in sich, denn nicht nur hatte der Vater wahrscheinlich das Klirren der Scheibe wahrgenommen, sondern möglicherweise sogar die beiden Jungs gesehen. Matt war hin- und hergerissen, denn er wollte seinem Bruder einerseits gerne eine Züchtigung ersparen und die beiden Jungs nicht verraten, andererseits aber auch nicht das in ihn gesetzte Vertrauen enttäuschen. Denn das war es, was seine Mutter hatte ihn nach Ben sehen lassen - Vertrauen. Matt verzog nachdenkend den Mund, während er die Jungs vor sich her gehen ließ. Sie hatten bereits die Stufen der Veranda vor McKay's Beverages erreicht, als Matt abrupt stehen blieb. "Moment, mal.. Wer sagt, dass Ben dafür alleine bestraft werden soll? Nicht mit mir." Matt war nicht sicher, ob Jerry nicht doch gerade den Versuch unternahm, ihn dahingehend zu manipulieren, die Beteiligung Jerrys am kaputten Fenster seinem Vater gegenüber unerwähnt zu lassen, oder ob er gerade überraschend mutig für Ben einstand. "Das wäre allerdings nicht fair." Nachdenklich betrachtete Matt abwechselnd die Jungs und den grauen Himmel über sich, denn er war wirklich noch nicht sicher, wie er diese Angelegenheit behandeln würde. Erst nach einer für den verängstigten Ben gefühlten Ewigkeit nickte er dann und forderte die Jungs mit einer Geste auf ins Haus zu gehen. "Rein mit Euch, Ihr Beiden. " Matt öffnete die Tür zum Haus, die er nur angelehnt gelassen hatte, und ließ Ben und Jeremiah an sich vorbei ins Haus. Er selber wusste inzwischen ziemlich genau, wie er die Angelegenheit zu erklären gedachte, denn sein Pa würde sicherlich von ihm wissen wollen, wie und wo er die Jungs gefunden hatte, aber er war nicht bereit zu lügen. Zu genau hatte er die Androhung härterer Züchtigung noch im Ohr - und auch Ben würde sich sicherlich daran erinnern. Für Bens Verspätung kann ich ohnehin nicht gerade stehen -nur hoffen, dass er schlau genug ist, das entsprechend zu erklären..
Jeremiah hatte keine Zeit damit verschwendet sich länger als nötig im Gästehaus aufzuhalten. Die Erlaubnis nach Ben suchen zu dürfen, war ihm wie ein Geschenk erschienen und bei seinem ersten Anlauf dessen Versteck aufzuspüren, hatte er sich fest vorgenommen in den nächsten Tagen keinen Unsinn mehr als Dank anzustellen. Einfach um Pa zu zeigen, dass er sich benehmen konnte, ihm zu liebe. Das war bestimmt besser als jedes einfache Dankeschön. Er war wie meist felsenfest davon überzeugt, dass ihm dieses Vorhaben auch gelingen würde, obwohl er schon ungezählte Niederlagen erlebt hatte. Und er war wie stets bei seinen Vorhaben hoch motiviert. Alleine auch schon um seinen eigenen Hintern ein wenig aus der Schußlinie zu bringen. Der hatte doch diese Woche stark gelitten und er war sich auch ganz sicher, dass die Striemen vom Donnerstag heute noch gar nicht richtig verblasst gewesen waren. So etwas war ihm noch nie passiert. Es wurde dringend Zeit, dass er ein wenig ruhiger und überlegter an seinen Unsinn heranging. So wie zu Hause. Da war er doch auch immer wieder mal väterlicher Sanktionen entkommen. Bevor sich Jerry jedoch auf die Suche gemacht hatte, war er noch rasch in den Garten geflitzt, wo er Gott sei Dank seine Mütze tatsächlich im Schnee liegend fand. Sie war ganz schön kalt geworden und auch nass, aber das hatte ihn nicht davon abgehalten sie sich überzuziehen. Froh, sie nicht verloren zu haben, wie erst befürchtet, hatte er sich auf den Weg gemacht. So recht gewusst, wo er suchen sollte, hatte Jerry nicht, aber er wusste vom Stadtstall und hatte sich daher erst dort umgesehen. Das Anwesen von Simones war recht groß und hatte einige Ställe und Scheunen, wo man sich herrlich verstecken konnte. Zum Glück hatte sich dort nicht einmal der Stallbursche heute herumgetrieben und Jerry hatte völlig ungestört in jedem Schuppen nachsehen können. Aber von Ben keine Spur. Von dort war er über ein paar leicht erreichbare Gärten gestrolcht, die zu leerstehenden Häusern gehörten und hatte dort in den heruntergekommenen Werkzeugschuppen und Ställen nachgeschaut. In zwei Häuser war er sogar hineingekommen und hatte nach Ben gerufen. Aber auch hier hatte jede Spur gefehlt und langsam aber sicher hatte Jerry sich ernsthafte Sorgen um den Freund gemacht. Wenn er nämlich richtig weggelaufen war, und das wäre Jerry wohl an seiner Stelle auch, wenn sein Pa ihn so verdroschen hätte wie Mr. McKay Ben, dann konnte er ihn unmöglich finden. Das Versprechen nicht den Ort zu verlassen wollte er dieses eine Mal halten, denn der gute Vorsatz sich zu benehmen und keinen Unsinn zu machen, war frisch und entsprechend ernst nahm es Jerry noch damit.
Als er schließlich den Entschluss fasste auf dem McKay Anwesen nach Ben zu suchen, war es längst Nachmittag geworden und Jerry fühlte sich demoralisiert, müde, erschöpft und völlig verfroren. Am liebsten wäre er nach Hause gegangen um nach zu sehen ob sein Pa schon wieder da war. Zu Hause hätte es bestimmt heißen Tee gegeben und ein wärmendes Kaminfeuer. Doch er hatte noch eine Schuld zu begleichen und die konnte er nur wieder wett machen, in dem er Ben fand und sich um das Wohlergehen des Freundes kümmerte. Zwar hatte Jerry nicht wirklich die Hoffnung Ben auf dem McKay Hof zu finden, aber wo sollte er noch suchen? Er war über den Gartenzaun geklettert, so dass ihn Bens Hund nicht gleich bemerken konnte und wieder mit dem Kläffen anfing. Doch der Trick war nur von kurzer Dauer, denn kaum hatte sich Jerry dem ersten Schuppen genähert schlug der Hund an. Jetzt war Ben auf jeden Fall vorgewarnt. Und doch hatte Jerry jede Scheune abgesucht und nach Ben gerufen. Sogar im Werkzeugschuppen war er reingegangen, obwohl er diesen Ort für sehr unheimlich hielt, hatte er doch hier die Qualen seines Freundes beobachten müssen.
Frustriert hatte Jerry die Tür zugeschlagen und mit einem weiten Bogen um Mr. Hund den Weg nach Hause angetreten. Ben war nicht zu finden und jetzt musste er Pa um Rat fragen. Denn eine größere Suche würde er ihm bestimmt nicht erlauben, zumindest nicht ohne Begleitung. Niedergeschlagen stapfte Jerry durch den McKay Garten, stieg über den Zaun in den eigenen Garten und kickte mit den Stiefeln schlecht gelaunt den Schnee in die Höhe. Gewöhnlich erfreute sich Jerry dabei an dem Schauspiel aufwirbelnder Schneeflocken. Doch heute hatte er keinen Sinn für das Schöne. Er hatte wirklich gehofft Ben zu finden, um sich zu entschuldigen und um ihm zu helfen. Ben konnte ja kaum nachhause gehen. Der riskierte dort ja nur wieder Prügel!
Niedergeschlagen umrundete Jerry den Stall von Kendo und blieb verdutzt stehen, als er feine Spuren vor dem Schuppen verlaufen sah. Sie kam vom vorderen Gartenteil und endete unter anderem bei der Stalltür. Doch rasch schlug die Freude in erneutes Enttäuschung um. Das waren sicher noch ihre alten Spuren. Ben und er waren ja am Morgen hier draußen gewesen und hatten sich im und hinter dem Schuppen versteckt. Die großen Spuren stammten wohl noch von Matt, der sie gesucht hatte und.. Moment mal... Jerry ging in die Hocke und besah sich die Spuren etwas genauer. Ein Teil war nämlich durch den frischen Schneefall fast wieder zugeschneit worden. Nur eine Spur, die vom vorderen Teil direkt auf die Stalltür zu lief, wirkte etwas frischer. Zwar hatte sich auch hier der Neuschnee wieder niedergelegt, aber die Spur war noch deutlicher zu erkennen, als die Spuren vom Morgen. Jerrys Herz machte einen Freudensprung. Und ganz aufgeregt stellte er fest, das der Riegel vor der Stalltür entfernt worden war. Sollte es so einfach sein Ben zu finden?
Leise näherte sich Jerry der Tür, öffnete sie vorsichtig und schlupfte durch den Türspalt in das dämmrige Dunkle dahinter. Er hörte Kendo schnauben, und etwas unruhig mit den Hufen stampfen. Rasch schloss Jerry die Tür wieder und flüsterte: "Ruhig, Kendo. Bin doch nur ich," er trat etwas näher an Kendos Stellplatz heran und ließ das Pferd seine flache Hand beschnuppern. Erst als er sich sicher war, dass Kendo ihn erkannt hatte und wieder ruhiger wurde, sah sich der Junge im Schuppen um. Es war recht dunkel hier drinnen und er konnte Kendo auch nur an seinen Umrissen erkennen. Sollte Ben hier irgendwo sein, musste er ihn wohl aufstöbern.
"Hey, Ben? Ben? Bist du hier irgendwo?", rief er laut, aber nicht zu laut um Kendo wieder aufzuregen. "Und stell dich ja nicht tot. ich hab deine Fußspuren gesehen!"
Ben fuhr zusammen, als Kendo sich bewegte und mit einem Huf fest auf den den Boden stampfte. Er wusste gar nicht, wie lange er schon so im Stroh gesessen oder gelegen hatte. War es denn schon abend, oder war Matt schon früh gekommen? Seine Augen fühlten sich noch immer verquollen an, so dass er sie mit den Fäusten rieb. Sein Rücken schmerzte von der ungewohnten Lage so halb sitzend und halb liegend im Stroh, beinahe genauso wie sein wunder Po. Mit steifen Beinen zog er sich ein bisschen in die Höhe und glaubte zunächst, sich die Stimme Jeremiahs nur einzubilden. Tot stellen -gute Idee..Jerry?! Bens Herz schlug schneller, als Ben allmählich bewusst wurde, dass er weder unter Wahnvorstellungen litt noch schlief. Sein Erleben gerade war ebenso echt und wirklich, wie die Züchtigung am Morgen oder seine Flucht vor seinem Vater. Oh,jeh.. der wird mich finden, ganz sicher.. Ben ahnte, dass ihm dann mehr als ein paar Hiebe auf den blanken Hintern drohten und wieder kamen ihm die Bilder der Erinnerung an einen zerschlagenen Bruder in den Sinn. Er wusste nicht, wie Matt das Erlebnis verwunden hatte, aber er würde das niemals schaffen! Langsam zog Ben sich in die Höhe und starrte mißmutig zur Tür. Von dort drang immer ein wenig Licht in den dämmrigen Schuppen, so dass er Jeremiah jetzt auch gut erkennen konnte. Nicht der schon wieder. Spontan empfand Ben Ärger und verschränkte ablehnend seine Arme um den Oberkörper. Immerhin hatte Jerry ihn vor seinem Vater beinahe dazu gebracht, sich mit ihm zu prügeln. Zumindest würde sein Vater diesen Schubser, den er Jerry verpasst hatte, so interpretieren. Da Jerry jedoch offenbar seine Fußspuren erkannt hatte, hatte es keinen Sinn sich weiter vor diesem zu verkriechen. Sicherlich würde Jeremiah ebenfalls bestraft werden, denn er hatte schließlich angefangen! Dafür hätte sein Pa bestimmt gesorgt und musste der Reverend, der schließlich ein guter Christ war, nicht jede Form von Gewalt ablehnen und abstrafen? Egal, warum Jerry hier ist - ich kann nicht nach Hause, aber auch nicht hier bleiben. Unentschlossen trat Ben auf der Stelle hin und her und machte dann doch einen Schritt auf Jeremiah zu. Vorstellen konnte er sich das nicht, aber vielleicht war dieser doch seinetwegen gekommen. Das wäre nett von ihm, aber vielleicht hat Pa ihn auch nur geschickt, um mich nach Hause zu holen? Seufzend schüttelte Ben den Kopf, denn das konnte er sich auch nicht vorstellen. Sein Pa würde entweder Matt geschickt haben oder aber selber kommen. Es halft alles nichts - Jerry wusste, dass er da war und entweder war er als Freund gekommen oder um ihn nun seinem Vater auszuliefern. Nein, so gemein ist er nicht.. oder? Zaghaft wagte Ben, sich darüber zu freuen, dass Jerry gekommen war. Er hatte ihn zwar in Schwierigkeiten gebracht, aber jetzt war er da und vielleicht stand er ja diese für ihn mit durch? Trotzdem - ich gehe nicht nach Hause! Trotzig schob er die Unterlippe vor. "Was willst Du? Ich verschwinde schon wieder aus Eurem Schuppen." Jetzt wo er es ausgesprochen hatte, wurde ihm klar, dass er sich nicht nur versteckt, sondern in ein fremdes Gebäude eingebrochen war. Dafür konnte man ins Gefängnis kommen! Der Schreck fuhr dem Jungen in die Glieder, so dass er die Arme von seinem Körper löste und einen Satz nach vorne machten. Diesmal würde er Jeremiah wohl kräftiger schubsen müssen, falls dieser ihn nicht entkommen ließe.
Im selben Moment als Jeremiah nach Ben rief und sich felsenfest sicher darüber war, dass es nur die Spuren des Freundes im Schnee hier herein sein konnten, kamen ihm doch leise Zweifel. Klar, die Abdrücke gehörten einem Kind, aber es konnte genauso gut ein andere Junge oder Mädchen sein. Vielleicht einer von diesen Schlägern aus der Schule, die schon einmal versucht hatten ihn zu erpressen oder jemand, der sich für den unfreiwilligen Unterricht gestern rächen wollte. Es könnte auch einer dieser Landstreicher sein, die es im Winter in warme Gebäude zog. So oder so war es vielleicht unklug gewesen so laut auf sich aufmerksam zu machen. Da er aber bereits etwas in unmittelbarer Nähe rascheln hörte, blieb er wo er stand, wenn ihm auch das Herz bis zum Hals schlug. Er schluckte schwer, als sich etwas vor ihm bewegte und eindeutig jemand vom Boden aufstand. Niemand großes. Zumindest nur etwas größer als Jerry selbst. Eine kleine, schmale Gestalt. Deren Körperhaltung strahlte nichts bedrohliches aus und Jerry entspannte sich gleich wieder. Jetzt war er sich ziemlich sicher Ben doch gefunden zu haben und er kam näher. Schon konnte er den typisch verstrubbelten Haarschopf des Freundes erkennen und dann die schmalen Gesichtszüge... Nur als Ben die Arme vor der Brust verschränkte blieb Jerry stehen und beäugte den Freund erstaunt. Er wirkte doch tatsächlich ein wenig verärgert und abweisend. Er würde ihm doch den Streit von vorhin nicht nachtragen wollen? Jerrys schlechtes Gewissen regte sich sofort wieder und erinnerte ihn daran, wie groß zuvor der Wunsch gewesen war Ben zu finden um sich dafür zu entschuldigen. Nein, er konnte ihm kaum böse dafür sein, dass er ihn jetzt so schlecht gelaunt anschaute. Ein klein wenig verzog Jerry darüber den linken Mundwinkel nach oben und seufzte leise. Dem würde er sich eben wohl stellen müssen, auch wenn es unangenehm werden sollte. In dieser Hinsicht war sich Jerry selbst bei seinem schlimmsten Unfug treu. Er stand gerade. Manchmal mehr oder weniger freiwillig, aber am Ende gab er jede Gegenwehr auf und stellte sich seinen Konsequenzen.
Der skeptische Zug um seine Mundwinkel wich einem schüchternen Lächeln, als Ben schließlich doch auf ihn zutrat und ihn nicht gleich mit Vorwürfen überhäufte oder sich gar wütend auf ihn stürzte. Jerry hätte das genauso gut verstanden wie der ihn nun treffende trotzige Tonfall. Er hatte Ben wohl wirklich in Schwierigkeiten gebracht, denn ansonsten wäre der Freund im Gästehaus geblieben oder nach Hause gelaufen und nicht hier her in den Stevensons' Schuppen.
"Hey, langsam," sagte Jerry beschwichtigend und hob die Hände mit den Flächen zu Ben. "Du kannst hier bleiben so lange du magst. Ich verjag dich bestimmt nicht. Ich hab dich nämlich gesucht," erklärte er weiter und sprang im selben Atemzug überrascht nach hinten weg, als Ben völlig unvorhergesehen einen Sprung auf ihn zumachte. Offensichtlich hatte er ihm gar nicht zugehört und fühlte sich in die Enge getrieben. Jerry versuchte Ruhe zu bewahren, nahm aber vorsichtshalber die Fäuste hoch, um sich zu schützen. Nur für den Fall, dass Ben nachholen wollte, was sein Pa vorhin im Garten unterbunden hatte. "SPNNST DU," fuhr er zeitgleich verbal auf und versuchte seinen Schrecken in den Griff zu bekommen. Sein Herz raste jedoch erneut. "Wenn du dich prügeln willst, dann such dir jemand anders. Ich hau dir eh eine auf die Nase..."
"Ach, nee..was Du nicht sagst." Der hat ja Angst vor mir Ben ließ seine Arme sinken und beobachtete mißtrauisch die Fäuste, die Jerry bereits geballt hatte. Er wollte sich nicht prügeln, sondern nur weg hier! Verstand Jerry das denn nicht? "Ich haue Dich nur, wenn Du mich aufhälst. Ich muss hier weg!" Ein bisschen panisch wippte Ben auf den Zehenspitzen hin und her, um über Jeremiahs Schultern hinweg den Blick frei zu haben. "Du hast bestimmt meinen Pa oder Matt auf meine Fährte gebracht. Bestimmt! " Ben war felsenfest davon überzeugt, dass jeden Moment sein Pa oder Matt um die Ecke kommen würden. In seinem Inneren zählte er bis hundert und als er dann immer noch weder seinen Pa noch Matt sehen konnte, atmete er erleichtert auf. Wahrscheinlich würde er nun von Jeremiahs Pa, dem Reverend Ärger bekommen, weil er eingebrochen war, aber der würde ihn bestimmt nicht verraten oder? Langsam beruhigte Bens Pulsschlag sich wieder. Hatte Jerry nicht was von wegschicken gesagt, oder war es genau das Gegenteil? "Du hast mich ja doch gefunden - und mein Pa wird mich auch finden und dann.." Unschlüssig kaute Ben auf der Unterlippe herum. Um freiwillig nach Hause zu gehen- dafür war seine Angst zu groß, aber hier würde er von seinem Pa früher oder später gefunden. Ich bin noch ein Junge..wie sollte ich wohl alleine überleben.. Ben hielt sich für viel zu ungeschickt, um irgendeinen Job anzunehmen. Nein, er würde wohl nicht weit kommen, so er weg liefe. Die Einzige, die ihm vielleicht eine Chance geben würde, war Miss Tucker, aber deren Schmiede war viel zu nah an seinem Elternhaus. Er hatte keine andere Chance, als sich im Schuppen zu verkriechen und zu hoffen, dass er tatsächlich im Pfarrhaus dieses Immnuni..-Dings genoss. Doch, er meinte gelernt zu haben, dass man ich in einer Kirche der Strafverfolgung entziehen konnte - und ein Pfarrhaus war doch ebenso gut wie eine Kirche. "Hey, Jerry.. Du .. also Du musst das doch wissen, ob da hier so ein.. neutraler Ort ist.. also.. mit Immunität..oder wie das heißt.." Hoffnungsvoll sah Ben den Freund an, denn wäre dem so, könnte er vielleicht mit dem ins warme Haus gehen und brauchte sich nicht im kalten zugigen Schuppen zu verkriechen.
Jerry verfolgte noch einen kurzen Moment länger Bens Bewegungen, um ganz sicher zu gehen, dass keine Gefahr von dem anderen Jungen ausging. Wie blöd eigentlich von ihm, anzunehmen Ben würde sich schlagen wollen. Einer wie Ben tat so etwas nicht. Der hatte doch viel zu viel Angst vor dem Vater und den Konsequenzen. Nun gut, heute war Jeremiah auch eher heilfroh darüber, dass die Prügelei an ihm vorbei ging. Ersparte ihm der Freund so ebenfalls erneuten Ärger, der unweigerlich folgen würde, wenn sich herausstellte, dass Jerry nicht Ben geholfen sondern noch mehr in Schwierigkeiten gebracht hatte. Langsam nahm Jerry die Fäuste wieder herunter und grinste etwas verlegen. "Ich will dich doch nicht aufhalten... nur.. ehm.. wo willst du denn hin?", etwas verwundert über die Worte des Freundes steckte Jerry die Hände in die Hosentasche und verkniff ein wenig das Gesicht. Die geschlagene Hand tat doch noch immer weh, auch wenn sie von der Kälte taub geworden, den Anschein erweckt hatte, alles wäre inzwischen wieder abgeklungen und verheilt. Genauso irritiert folgte er Bens Blick und sah über die Schulter nach draußen. "Nein, ich hab überhaupt niemand auf deine Fährte gebracht. Ich bin ganz alleine hier. Dein Pa unterhält sich im Gästehaus noch mit den Leuten und deine Ma auch. Und dein Bruder interessiert mich nicht," innerlich verdrehte Jerry die Augen. Immer dieser Matthew. Was Ben nur mit dem hatte. Einerseits Matt vorne und hinten und jetzt fürchtete er ihn? "Ich such dich schon seit gut einer Stunde. Also so leicht war's auch wieder nicht," fügte Ben noch seinen Worten hinzu und betrachtete den Freund etwas abschätzend. "Du willst also nicht gefunden werden," stellte er in den Raum und eilte dann kurz zurück um die Tür zu schließen. So waren sie einmal vor der Kälte geschützt, aber auch vor neugierigen Blicken. Das sollte Ben wohl etwas beruhigen. Gerade als er zu ihm zurückkehrte, stellte dieser ihm eine sonderbare Frage, die Jerry leise stöhnen ließ. Nur weil er der Sohn des Reverends war wusste er doch nicht alles über Gott, Kirche, Glaube und so. Das war schon in City of Kansas eher ein Fluch gewesen, als ein Segen. Auf jeden Fall hatte Jerry noch nie etwas von dieser Immonaität oder wie auch immer gehört, noch verstand er Bens Gerede über neutralen Boden. "Also ich glaub ich kann ... also weiß ich doch nicht," rasch brachte er das Geständnis seines Unwissens über die Lippen und zuckte dabei mit den Schultern. "Ist das wichtig? Dann könnten wir meinen Pa fragen? Der weiß das bestimmt. Der hat übrigens gesagt, dass es okay ist, wenn ich dich suche. Weil, na ja, weil ich... wegen vorhin... ich wollt' dich nicht in noch mehr Schwierigkeiten bringen. Dein Pa war ja richtig fuchsteufelswild. Du kannst froh sein, dass du ihm entkommen bist. Ich glaub mein Ohr ist bestimmt fünf Zentimeter länger dank ihm," er grinste schräg und fand es war gut, wenn man über das Unangenehme ein bisschen scherzte um die Scham darüber zu überwinden. Vielleicht half das ja auch Ben.
"Irgendwohin - weg eben." Ein Mischung aus Trotz und Verlegenheit ließ Ben die Unterlippe vorschieben, aber er ließ seine Arme fallen, als er sah, dass auch Jerry seine Fäuste wieder sinken ließ. Erleichtert atmete Ben auf, denn auf eine Prügelei war er wirklich nicht aus. "Echt jetzt?" Ben war sich nicht sicher, ob er Jeremiah glauben konnte. Immerhin war es leicht möglich, dass dieser geschickt worden war, ihn zu suchen, obwohl oder gerade weil seine Eltern durch ein Gespräch eben darin gehindert waren. Dazu passte aber der Ausspruch, Matt sei dem Freund egal, nicht so ganz. "Stimmt, will ich nicht." Bens Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, denn das ergab sich für ihn schon daraus, dass Jerry über eine Stunde gebraucht hatte, um ihn zu finden. Ein bischen stolz war Ben schon auf sich, denn das hieß auch, dass er schlau genug war, um ein relativ sicheres Versteck gefunden zu haben. "Ja, aber.. Wenn Du das dann weißt, warum suchst Du mich dann?" Stirnrunzelnd beobachtete Ben, wie sein Freund nun die Tür zum Schuppen wieder schloss und seufzte dann. Er hatte es ja geahnt: Jerry hatte keine Ahnung davon, ob dieses Immunitäts-Dings nur in der Kirche oder auch im Pfarrhaus galt. Vielleicht wusste er noch nicht einmal, wovon überhaupt die Rede war, denn er verwies ihn einfach an seinen Vater. Dieser wüsste sicherlich darüber bestens Bescheid, aber würde der ihn decken? "Was.. ist es okay oder will Dein Pa mich verstecken.. Ich.." Ben unterbrach sich und zuckte hilflos mit den Achseln. "Das tut mir leid, ehrlich.. Mein Pa kann Einem schon sehr wehtun und ja - für's Erste bin ich entkommen. " Auch Ben musste grinsen, denn tatsächlich war er entkommen und hatte auch nichts zu befürchten - jedenfalls, wenn die Sache mit der Immunität hinhaute. Sein Kramen in seinem Gedächtnis blieb jedoch weitgehend erfolglos, denn er konnte sich noch immer nicht genau daran erinnern, was Hawkins dazu gesagt hatte."Na, und ob der fuchsteufelswild war! Aber das war noch gar nichts.. also, er schon mal viel wilder, damals als Matt.. " Ein bisschen Stolz auf seinen Pa war Ben doch, denn immerhin war dieser an ihm nicht desinteressiert und nahm seinen Erziehungsauftrag sehr ernst und das konnte man nicht von Jedermann sagen. Dennoch wurden seine Worte immer leiser und klangen immer verlegener.Noch nie hatte er mit Jemandem über sein Erleben jenes Abends, an dem sein Pa den Bruder hemmungslos mit der Rute geschlagen hatte, gesprochen. Das wäre ihm auch zu peinlich - sogar vor Jeremiah. Dass brauchte der Freund nicht unbedingt zu erfahren, fand Ben.
Jerry sah den Freund mit immer größer wachsender Irritation an. Jetzt wollte Ben auch noch "irgendwohin"... das klang gewagt. Bei dem Wetter und so dünn angezogen wie Ben war, war das eine ziemlich blöde Idee. Klar er hatte Jacke und Mütze an und auch Handschuhe. Aber wenn Jerry daran zurückdachte, wie viele Decken sein Pa und er auf den letzten Meilen Weg gebraucht hatten, um sich gegen die Kälte zu schützen, dann fand er, hatte er recht mit der dämlichen Idee von Ben. Er schwieg aber dazu, weil er spürte, dass dem Freund irgendetwas sehr zu schaffen machte und er entsprechend gereizt wirkte. Und es gehört nach dem heutigen Erlebten nicht viel Fantasie dazu, um zu erraten was das war. "Ja, echt," versicherte er daher mit einem kräftigen Kopfnicken, um Ben weiter zu beruhigen und hielt es für ein gutes Zeichen, dass der Freund auf einmal wieder grinsen konnte. Das erleichterte Jerry ungemein, so dass sein dünnes Lächeln rasch wieder in die Breite wanderte. Allerdings fror ihm dieses ganz schnell ein, als Ben eine unbequeme Frage stellte. Ja, wieso suchte er Ben... die Frage war ja leicht zu beantworten, nur die damit selbst eingestandene Schuld fiel Jerry schwer in Worte zu packen. So zögerte er einen Moment zu lange, und gab Ben damit Zeit ihn weiter zu löchern über diesen Schutz, von dem Jeremiah noch nie etwas gehört hatte und wieso sein Pa nun Ben verstecken sollte, gar wollte, war äußerst merkwürdig. Jerry verzog das Gesicht zu einer stummen Frage und wollte den Freund auch schon nach dem Grund fragen, als dieser sich für seinen eigenen Pa entschuldigte. Daraufhin fand Jerry, hätte er wohl lieber den Mund gehalten. Ben konnte ja überhaupt nichts für seinen Pa und dessen Verhalten. Deswegen winkte Jerry auch großzügig ab: "Ach, das Ohr ist ja noch dran," grinste Jerry verlegen zurück und fasste sich ganz automatisch an das langgezogene Ohr. Weh tat das wirklich schon länger nicht mehr. Ob er Ben auch erzählen sollte, dass Pa es überhaupt nicht lustig gefunden hatte, was Mr. McKay getan hatte? Aber das glaubte ihm der Freund ja sowieso nicht und würde Jerry nur wieder für einen Angeber halten. Besser war es wohl, wenn er dazu schwieg. Zumal er ja selbst mit eigenen Augen gesehen hatte, wie fuchsteufelswild Mr. McKay auf den eigenen Sohn zu reagieren wusste. Da brauchte Ben überhaupt nicht in die Tiefe gehen. Jerry hatte auch gar nicht vor tiefer zu bohren, denn das die Unterhaltung für Ben eine unangenehme Wendung einnahm war ihm anzuhören. Was auch immer sein Pa mit Bens Bruder angestellt hatte, Jerry wollte es gar nicht wissen. So nickte er nur schweigend, fuhr mit der Schuhspitze kreisförmig im Dreck der Scheune herum und seufzte leise. Was sollte er jetzt nur sagen und wie bekam er jetzt den Bogen? "Ehm.. ja... Väter können schon manchmal ganz schön ungerecht sein, nicht," sagte er vorsichtig und fand die Worte seinem Pa gegenüber ganz schön unfair. Sicher konnte der auch mal ganz tüchtig schimpfen und lauter werden und wenn er so richtig böse auf ihn war, dann hatte er eine zu recht gefürchtete harte Rutenführung. Aber das war nicht die Norm, eher die Ausnahme und Jerry musste dann wirklich, wirklich, wirklich sehr über die Stränge geschlagen haben. Er musste nur an die Tinte am Donnerstag denken... oder, nein lieber nicht. Auf jeden Fall musste sich Jerry nicht davor fürchten nach Hause zu gehen, er brauchte keine Angst zu haben, wenn er sich ein wenig ungeschickt anstellte und dass er selbst nach dem kleinen Zwist mit Ben noch seinem Vater unter die Augen treten konnte, ohne etwas zu befürchten, ließ Jerry einmal mehr annehmen, dass er den besseren Vater hatte. Also war es nicht fair ihn mit Mr. McKay in einen Topf zu werfen. Aber es war einfacher sich mit Ben solidarisch zu stellen, als ihm direkt vor Augen zu führen, was Jerry von Mr. McKay hielt. Damit wäre Ben nicht gedient. Zudem konnte sein Pa durchaus wirklich einem ganz schön auf die Nerven gehen und manchmal auf seine Art eben auch ungerecht werden. Dann wenn er Jerrys Noten als Ergebnis von Faulheit und Unwille betrachten wollte und es völlig unnötig abstrafte. Aber nicht einmal das konnte er mit dem Geschehen auf Bens Hof von heute Vormittag vergleichen.
"Ehm... a-also... i-ich wollte dich wirklich vorhin n-nicht in Schwierigkeiten bringen. Darum bin i-ich auch hier. Um m-mich zu e-entschuldigen," die Worte kamen etwas holprig über seine Lippen, denn er wollte sie schnell los werden ohne Rot anzulaufen. Wie gewöhnlich begann er dabei jedoch ein wenig zu stottern und wurde darüber sichtbar verlegen. "Pa hielt das für eine gute I-Idee. Darum durfte i-ich auch gehen," er lächelte verkniffen über das eigene Unvermögen seiner Sprach und holte einmal tief Luft. Bisher hatte er fast nie in Bens Nähe gestottert und hatte das für ein gutes Zeichen für eine wundervoll beginnende Freundschaft gehalten. Heute war das etwas anders. Sich aber wieder der anderen Fragen über Pa entsinnend wechselte Jerry nur zu gerne das Thema und gleich wurde seine Stimme wieder etwas fester. "Willst du denn gar nicht mehr nach Hause gehen?", fragte er deswegen, aber ganz vorsichtig um sich langsam voran zu tasten. "Weil ich würde bei dem Wetter nicht einfach so irgendwohin laufen. Ich könnte aber Pa fragen, ob du bei mir nicht einfach übernachten könntest? Ohne zu verraten wo du bist? Wenn er nein sagt, dann bring ich dir einfach ein paar Decken und etwas zu essen. Ich glaube nämlich wenn Pa wüsste wo du steckst, dann müsste er deinen Eltern Bescheid geben. Die suchen dich doch bestimmt irgendwann."
"Ja, das können sie wohl." Ben zog das "Ja" ein bisschen in die Länge, denn so ganz zustimmen konnte er dieser Aussage Jerrys nicht. Sein Pa darf gar nicht ungerecht werden - so als Reverend doch nicht. Und gab sein Pa sich nicht stets Mühe beide Söhne auf die gleiche Art und Weise abzustrafen? Ben äußerte sich dazu nicht weiter und sah Jerry verdutzt an, als dieser plötzlich zu stottern begann. Er war doch der Selbstsichere von ihnen und der, der stets mutig alles Mögliche aushecken konnte ohne Angst oder gar ein schlechtes Gewissen zu haben. "Weiß ich, dass Du das nicht wolltest." Ben antwortete knapp, weil er in Gedanken schon wieder ganz woanders war. Er konnte sich nicht dagegen wehren, dass seine Gedanken völlig abwichen und sich mit der Frage befasste, wie oft er wohl schon Matt in Schwierigkeiten gebracht hatte. Das hatte er ja doch jedes Mal, wenn Matt für ihn eingestanden und irgendeine Schuld auf sich genommen hatte. Dann war sein Pa ja wohl doch ungerecht gewesen. Ben wurde erst wieder hellhörig, als er verstand, dass Jerrys Pa so eine Entschuldigung dafür gut gefunden hatte und Jerry gar diese Suche nach ihm erlaubt hatte. Ob sein Pa ihn denn ein Abstrafen für die Flucht aus dem Gästehaus erließe, so er ihn glauben ließe, er habe sich nur bei Matt entschuldigen wollen - für was auch immer? Wohl kaum - das glaubte er mir nie.. und falls doch fliegt Alles auf - und es kommt für Matt und mich ganz dicke.. Das war also doch kein guter Plan, aber die Idee, sich bei Miss Tucker helfend durchzuschlagen, war wohl nicht besser. Diese war zwar nett und hatte ihn schon mal bei sich versteckt ohne seine Schwänzen zu petzen, aber sie würde bestimmt seinen Pa über seinen Aufenthalt in Kenntnis setzen, so er länger bei ihr bliebe. In dem Punkt hatte Jerry Recht, denn Erwachsene waren nun einmal so. So es darum ging ein Kind seiner gerechten Strafe zuzuführen, hielten sie fest zusammen -sogar wenn sie einander sonst nicht leiden konnten. "Echt? Das würdest Du tun? Für mich?" Mit ungläubig aufgerissenen Augen sah Ben Jerry an. Dieser wollte wirklich für ihn lügen, damit sein Pa nichts verraten konnte? Jerry war ja damit fast wie Matt, der auch log, um Ben zu beschützen, aber das würde Ben wohl besser für sich behalten. Natürlich schämte er sich nicht für Matt, aber Jerry schien nicht gut auf diesen zu sprechen zu sein. Das glaubte Ben doch wahrgenommen zu haben und lag er damit richtig, wäre eine Ähnlichkeit Jerrys mit Matt wohl das Letzte, wovon Ersterer hören wollte. "Ich, also.. meinst Du echt, das ginge?" Ben sah sich in dem Schuppen um. Er würde es hier wohl gut aushalten können und wenn er bei Kendo half, hätte er sich das Dach über dem Kopf sogar verdient. Seine einzige Sorge war, ob er nicht doch früher oder später von Matt entdeckt werden würde, wo der doch Shy Boy hier unterstellen sollte. Matt verriete mich bestimmt nicht, nein.
Jeremiah war eifrig am Nicken, als ihm Ben zustimmte, viel zu froh, dass ihm die kleine Notlüge, die er ja nur gedanklich in Bezug auf seinen Pa gemacht hatte, nicht weiter auffiel, um zu spüren, dass Ben durchaus seine Zweifel hegte. Zudem in seinen Augen konnte sein Pa genauso ungerecht sein, wie das wohl Mr. McKay zu sein schien. Nur eben auf einer andere Ebene und dass das nicht immer so schrecklich weh tat. Unsicher für was sich Ben entscheiden würde, trat Jerry an Kendo heran und ließ sich vom Pferd beschnüffeln ehe er es wagte ihm die Nase zu streicheln. Ein Lächeln glitt ihm über das Gesicht, als Ben großzügig zu vergeben schien. Zumindest war die Sache damit aus der Welt geräumt und Jerry fiel ein wahrer Stein vom Herzen. So ließ sich der Sonntag vielleicht doch noch retten. Immerhin hatte er heute ganz gewiss nicht mit Vorsatz vorgehabt allen den Tag zu vermiesen. Sich eingeschlossen. Als Ben mit Unglaube auf sein Angebot reagierte zuckte Jerry die Schultern, sah Ben verlegen an, sagte aber ohne Scheu und wahrscheinlich zum ersten Mal Ben gegenüber zugebend: "Für einen Freund mach ich das gerne." Er lächelte unsicher und schräg, nicht sicher, ob ihn der ältere Junge gleich dafür auslachen würde und trat näher zu Ben heran. Nur weil er den Jungen als Freund betrachtete musste das umgekehrt noch lange nicht so sein. Streng genommen hatte er Ben seit sie sich kannten nur Ärger bereitet. Da war sein Vorhaben wohl das wenigste was er jetzt für ihn tun konnte. Er nickte auch gleich kräftig und lehnte sich gegen die Stallbox. Gemütlicher wäre es sicher gewesen, wenn sie sich im warmen Stroh für eine Lagebesprechung niedergelassen hätten, aber da ihm schon seine Kehrseite seit geraumer Zeit den restlichen Sonntag zu vermiesen versuchte, wollte er gar nicht daran denken was Ben auszuhalten hatte. "Natürlich geht das. Wir müssen es uns nur gut überlegen, damit nichts schief geht," er legte die Stirn nachdenklich in Falten und dachte kurz über die Alternativen nach. Wenn er Pa direkt fragen würde, würde ein Nein katastrophale Auswirkungen für alle haben. Denn dann wäre Bens Aufenthaltsort verraten und Pa würde darauf bestehen, dass Ben nach Hause ginge. Lügen wollte er aber auch nicht, denn er hatte ehrlich gesagt langsam doch ein wenig die Nase von all den Züchtigungen der letzten Woche voll. So schnell wollte er keine erneute riskieren. Aber wie ließe sich eine Lösung finden? "Ich glaube fast, das gescheiteste wäre, wenn ich vorsichtig nachfrage. Also so damit Pa nicht gleich Verdacht schöpft. Wenn er sagt, er würde niemals zulassen, dass ich dich bei mir verstecke, weil .. na ja du kennst ja die Erwachsenen, am Ende halten sie alle zusammen, wenn wir sie meinen wir hätten was angestellt. Aber dann gehen wir einfach zu Plan B über. Das heißt, du bleibst hier und ich bring dir alles für die Nacht, wenn ich mich wegschleichen kann. Du musst dich hier dann aber ziemlich leise und ruhig verhalten. Und ich müsste Pa davon überzeugen, dass nur ich Kendo das Futter geben kann... hm...," da hatte Jerry nun doch so seine leise Zweifeln und sah sich suchend nach einem Versteck um. Wirklich finden tat er keines. "Das wird schwierig...."