Sie fühlte sich von ihrem Onkel bestätigt, als der ihr sagte, wie schwer es eine Königin wohl haben mußte. Nein, das war kein Beruf für Sarah! Mit einem Mal war sie sehr glücklich, nur ein kleines Mädchen zu sein und sich in Onkel Erics Obhut zu wissen. Es war beruhigend, wenn man nicht allein entscheiden mußte oder den Gefahren und Problemen dieser Welt ohne Hilfe gegenüberstand. Sie zog sich lieber in ihre Fantasie zurück, als sich Konfrontationen zu stellen. Doch in ihr seliges, vages Glücksgefühl drang Eric ganz plötzlich mit einer Frage, die sie sich einige Male schon selbst gestellt, aber noch nie auch nur ernsthaft zu beantworten versucht hatte. Was wollte sie einmal werden? Ja... da gab es nämlich eigentlich zwei Antworten. Einmal die Antwort, was sie gerne hätte, wovon sie träumte. Denn das waren unzählige Dinge, von denen Königin nur eines gewesen war. Aber es waren alles Ideen, von denen sie im Grunde wußte, daß sie nur Träume darstellten und, in dieser Welt, niemals real werden würden. Sie träumte zum Beispiel oft davon, ein Vogel zu sein und fliegen zu können, oder auch ein Pferd, das so schnell lief, wie man sich nur vorstellen konnte! Aber das war es vermutlich nicht, was ihr Vormund meinte. Er war ein Erwachsener, und die sprachen fast immer von Dingen, die man sehen und anfassen konnte. Und das hieß, er wollte die zweite Antwort hören. Aber die würde ihm nicht sonderlich gefallen, ahnte Sarah leise. Denn sie war bei dieser Antwort wie immer verfahren – sie hatte den bequemsten und am ungefährlichsten scheinenden Weg gewählt. Und als Mädchen stand einem ein verführerisch einfacher Weg zur Verfügung, für den man normalerweise auch nicht gerügt wurde, ganz im Gegenteil.
Es war doch schließlich allen ziemlich klar, daß fast alle Frauen dasselbe wurden: Sie wurden die Ehefrau eines Mannes und die Mutter seiner Kinder. Sie führten einen Haushalt, erzogen die Kinder. Sie taten, was eine Frau eben tat. Und Sarah schien diese Aussicht so unangenehm nicht, wenn sie nur keinen Mann abbekam, der gemein war oder sie anschrie. Vor dem hätte sie Angst gehabt. Aber ansonsten – eine Frau wie fast alle anderen mußte keine eigenen Entscheidungen treffen, sie hatte damit auch keine Verantwortung für mehr als ihre häuslichen Pflichten. Sie mußte zu komplizierten politischen Dingen keine Meinung haben und sich mit niemandem streiten. Sanftmut wurde allgemein als weibliche Tugend angesehen. Der Mann entschied und hatte all den Ärger. Ein Leben, in dem sie sich von Streit und Kräftemessen weitgehend fernhalten und ihre Tage verträumen konnte – das ging auch wunderbar bei der Hausarbeit, das wußte sie aus Erfahrung – das würde Sarah eigentlich recht gut gefallen, wie sie meinte. Aber Mama hätte sie sich das niemals zu sagen gewagt, denn die war da ganz anders gewesen. Und sie meinte, auch Onkel Eric wäre zumindest enttäuscht, wenn sie ihm sagen würde, sie wolle einmal eine Hausfrau werden, nicht mehr. Im Grunde genommen wollte sie ja nicht einmal das. Am liebsten wäre sie immer so geblieben wie jetzt. Aber Hausfrau, das schien ihr die am wenigsten unangenehme Option fürs Erwachsenendasein. Sie starrte also eine ganze Weile auf die Tasse vor sich, während sie nach einer Antwort suchte, die ihm mehr gefallen mochte. Endlich schielte sie vorsichtig zu ihm und murmelte: "Ich weiß nicht genau... vielleicht Lehrerin..?" Es klang allerdings mehr nach einer Frage – eine Frage, ob er mit ihrem Versuchsballon einverstanden war. Denn die Möglichkeiten für eine Frau, "mehr" zu werden, waren tatsächlich sehr begrenzt, und Lehrerin war das erste beste, was ihr eingefallen war. Ohne ein wenig Schummeln, glaubte sie nämlich, würde das Gespräch in eine unerfreuliche Richtung gehen. Sie wollte ihren Onkel daher lieber nicht enttäuschen.
Eric war ein wenig unsicher, aber er zeigte es nicht. Er wollte stark sein und war ja nun fast so etwas wie ein Vater für Sarah, auch wenn er es nicht war, sondern nur der Onkel. Aber er war für Sarah nun verantwortlich und er hatte vorhin ganz deutlich gespürt, dass es nun so war, egal, was Gott wollte. Es war ja nicht so, dass Eric nicht an Gott glaubte. Aber er wusste nur eines: Er wollte alles tun für seine Nichte, alles, von dem er glaubte, dass es richtig war. Aber dafür musste er sie noch sehr viel mehr kennen lernen und er hatte einen ersten Schritt getan, neben all den vielen Schritten, die er eigentlich auch schon seit langem tat, seit Sarahs Mutter und seine Schwester nicht mehr waren. Das er manchmal etwas überfordert war, stellte er nun nach hinten. Er war hier der Erwachsene und er musste entscheiden.
Und so hatte er geduldig abgewartet und wusste nicht, was in dem kleinen Köpfchen seiner Nichte abging. Aber er bemerkte erst das Zögern, vielleicht die Unsicherheit. Aber Eric wartete geduldig ab. Und dann kam ihre Antwort: Lehrerin wollte sie vielleicht werden? Und Eric entging nicht, wie Sarah eher zu ihm schielte, so als wollte sie ihm die Antwort geben, von der sie glaubte, dass er es hören wollte. Es war einfach nur ihr seltsamer Blick. Aber Eric war weit entfernt davon, diesen Blick richtig zu deuten und er lächelte einfach nur. »Lehrerin?« fragte er nur. OIrgendwie klang das aber in seinen Augen nicht sehr überzeigend, aber er war ja schon froh, dass Sarah ihm diese Frage beantwortet hatte und er sah ein, dass er nun nicht weiter fragen sollte. Denn so wirklich viele Berufe standen Frauen eh nicht offen. Aber immer mehr, denn die Zeiten änderten sich. Und so lächelte er einfach und sprach: »Das klingt doch gut, liebe Sarah.« Und doch hatte er das Gefühl, dass etwas anderes in dem kleinen Kopf vor ging, aber es war nur eine Ahnung.
Und dann erinnerte er sich an den Empfang. Und ja, er wollte Terry nicht enttäuschen, auch wenn ihm das Gespräch mit Sarah wirklich wichtig war. Vielleicht aber auch das Wiedersehen mit Selina? »Lehrerin ist nicht mal so falsch, Sarah, aber erzähle mir doch, warum gerade Lehrerin? Ich meine, wie empfindest du deine Lehrerin in der Schule? «
Eric stand dann auf, er hatte etwas Tee getrunken und schaute Sarah an. »Magst du mir unterwegs davon erzählen? Und bist du genug aufgewärmt? Wir sollten langsam zu Onkel Terrys Empfang gehen ...« sprach er dann ganz bewusst. Er hätte sie auch einfach mitschleppen können, er war der Erwachsene. Aber er fragte sie ernsthaft, vielleicht auch einfach um zu sehen, wie sie reagierte. Auf der anderen Seite war ihm Terry's Empfang auch sehr wichtig. Nicht nur, weil er hoffte, Selina wieder zu sehen. »Bist du bereit, mein Schatz?«
Ziemlich schnell sah sie ihre Hoffnung enttäuscht, die letzte Antwort könnte ihren Onkel befriedigt haben. Wie sie befürchtet hatte, hakte er weiter nach – dabei war es für Sarah nicht entscheidend, ob er dies aus reiner Anteilnahme oder aus anderen Motiven heraus tat. Ihr war es unangenehm, immer weiter antworten zu müssen. Und so starrte sie eine Weile auf ihre Tasse und nagte an ihrer Unterlippe, während sie darüber nachdachte, wie sie nun Erics neueste Frage so beantworten könnte, daß er sich damit zufrieden gab. Es war ihr nach wie vor peinlich, gar keine rechte Idee parat zu haben, was sie einmal werden wollte. Denn "einfach Hausfrau, wie die meisten anderen auch eben" würde ihm wohl nicht sehr gefallen, auch wenn er das bestimmt nicht zeigen würde. Und sie wollte ihm gewiß keinen Anlaß zu Enttäuschung oder Traurigkeit geben. Doch wie sollte sie nun etwas begründen, das sie sich einfach hatte einfallen lassen, um überhaupt etwas sagen zu können? Was sollte gerade am Beruf der Lehrerin so faszinierend sein? Denn wenn sie ehrlich war, erfüllte bereits der Gedanke sie mit unsäglichem Schrecken, allein vor einer Horde von Kindern zu stehen und einfach so drauflos reden, sich am Ende gar durchsetzen, mit Kindern schimpfen zu müssen! Sie, die am liebsten ganz unbeachtet von allen ihren Träumen nachhing und nicht auffiel, die furchtbare Angst vor jedem Streit hatte!
Um noch ein wenig Bedenkzeit zu gewinnen, nippte sie mehrmals halbherzig von ihrem Tee. Verzweifelt bemühte sie sich um ein gutes Argument, das Eric endlich zufriedenstellen könnte. Bevor sie sich aber ihre Antwort richtig zurechtgelegt hatte, fragte er sie auch noch nach ihrer Lehrerin. Wa meinte er damit, wie sie diese empfand? Sie war eben die Lehrerin – sie brachte den Kindern Lesen bei, Schreiben und Rechnen und was der Dinge mehr waren, die man lernen mußte. Sarah hatte nicht grundsätzlich etwas gegen Lehrer. Sie war bei aller Schüchternheit ein aufgewecktes Mädchen und hatte noch nie Probleme gehabt, dem Unterricht zu folgen. Sie empfand den Schulunterricht, vielleicht vom Rechnen abgesehen, nicht als anstrengend oder furchtbar schwierig. Nur wenn sie aufgerufen wurde und vor der ganzen Klasse etwas sagen mußte, dann war ihr das sehr unangenehm. Wie natürlich auch die Tatsache, daß sie von den meisten anderen Kindern immer wieder einmal verspottet wurde oder Streiche gespielt bekam, ganz einfach weil sie sich am wenigsten von allen zur Wehr setzte. Dafür konnte aber die Lehrerin nichts. Nein, sie hatte nichts im Besonderen gegen Lehrer. Aber wie sollte man als Kind schon den Menschen empfinden, der einen zum Lernen zwang, wenn man viel lieber träumen oder mit seiner Puppe spielen wollte? Sie druckste herum, wollte irgend etwas besonders positives über Lehrerinnen im allgemeinen und die ihre im speziellen sagen und konnte doch keine Worte finden, die wesentlich überzeugender gewesen wären als ihre vorherigen.
Erlöst wurde sie dann aus ihrem Dilemma durch Erics offensichtliche Aufbruchstimmung. Kaum hatte er sie gefragt, ob sie bereit sei, nickte sie eifrig, ließ die Tasse los und faßte nach ihrer Haube. Von dem hohen Stuhl rutschen war für das sonst so ängstliche und zögerliche Mädchen ein Werk von Sekunden, nun, da sie einen Weg sah, Erics vorherige Fragen zu umgehen, indem sie sich einfach auf die letzte stürzte. "Ja, Onkel Eric!" Rasch hatte sie die Haube aufgesetzt und verschlang die Bänder unter ihrem Kinn mit einer Übung und Routine zu einer ordentlichen Schleife, die sie fast wie eine Erwachsene wirken ließ. Zumal sie ihre kleine Gestalt ganz gerade hielt und dabei ihren Vormund mit demonstrativem Ernst und Elan ansah. Sie schien geradezu die personifizierte Aufforderung zum Aufbruch. Das war einer ihrer kleinen Kniffe, ihre Wünsche kundzutun – sie sagte kein Wort von sich aus, zeigte aber einen für sie ungewöhnlichen Eifer, wenn es um etwas ging, das sie gern wollte. Und jetzt im Moment wollte sie Erics Fragen entgehen. Er war nicht böse oder aufdringlich gewesen, doch sie empfand auch ihm gegenüber große Scheu davor, ihr verletzliches Seelenleben gewissermaßen zu entblößen.
Eric entging nicht, wie Sarah länger überlegte, auf ihre Tasse starrte und an ihrer Unterlippe nagte, während ihre kleinen Beine unter dem Tisch baumelten, an dem sie saßen und Eric, der von Beruf aus ein guter Beobachter war, musterte sie unauffällig. Er schaute sie natürlich an, wartete er doch auf eine Antwort, aber sein Blick sah mehr als nur ihre Augen. Er nahm sie wahr, wie sie schaute, wie sich vielleicht einige Gesichtsmuskeln spannten, oder ob sie sehr ruhig war. Und irgendwie machte sie eher den Eindruck, dass ihr etwas unangenehm war. Und Eric wusste nicht was. Aber er war ihr nicht böse. Mittlerweile kannte er seine Nichte ja, eigentlich schon seit sie ein Baby war. Und sie war eben schüchtern und sehr zurückhaltend. Sie würde selten etwas von sich aus ansprechen und so würde er fragen müssen. Vielleicht waren es auch genau diese Fragen, die das Mädchen nicht mochte. Doch so sehr er auch oft versuchte, Sarah beinahe mit Samthandschuhen anzufassen, so wusste er auch, das dies falsch war. Er war nun nicht nur für sie verantwortlich, er musste sie auch erziehen und dazu gehörten nun auch mal Fragen, die Sarah vielleicht unangenehm waren. Zwar hatten sie ein recht herzliches Verhältnis und Vertrauen war auch da, aber Eric hatte manchmal den Eindruck, dass da noch sehr viel fehlte, auch wenn er im Moment es nicht in Worte fassen konnte. Vielleicht war es so ein Gefühl, als wolle sie es allen immer nur Recht machen, vor allem ihrem Onkel. Aber er wollte eben auch, dass Sarah vor allem selbstbewusster wurde.
Allerdings druckste sie dann ziemlich mit der Antwort herum. Und Eric hatte dann ja gefragt, ob er ihr unterwegs davon erzählen wolle. Allerdings schien es ihm eher so, dass sie erst einmal froh war, nun gerade nichts erzählen zu müssen. Hatte sie denn so wenig Meinung von vielem? Innerlich seufzte er. Es war eben anders, ein Kind von Anfang an groß zu ziehen, als wenn man plötzlich ein Mündel von 9 Jahren hatte. Und natürlich entging ihm nicht, dass Sarah nun sehr eifrig damit war, aufzubrechen. Er hatte dieses Verhalten schon so manchmal an ihr bemerkt. Wie sie scheinbar anderes als Ablenkung nutzte. Und wie sie dann ernst und fast erwachsen ihn anschaute. Hatte sie überhaupt Spass an so einem Empfang? Oder wollte sie eben nur ablenken?
»Gut, Sarah ...« murmelte er dann leicht Gedanken versunken und blickte Sarah dann aber mit einem Lächeln an, als sie so fast fertig neben ihm stand. Er nahm noch einen letzten Schluck vom wärmenden Tee und stellte die Tasse dann auf den Tisch. Das könnten sie auch später aufräumen. Und so ging er zur Tür, wo er sich seine Schuhe anzog, denn sie hatten sich darauf geeinigt, sich immer die Schuhe auszuziehen, bevor sie das Heim betraten, damit man nicht so oft den Boden wischen musste. Dafür stand direkt ein Stuhl neben der Garderobe, auf den sich Eric nun setzte, um sich seine Schuhe anzuziehen. Und dabei blickte er zu Sarah und erst zögerte er etwas mit seiner Frage:
»Sarah? Du weisst, dass du mit mir so gut wie alles bereden kannst, oder? Oder magst du das manchmal nicht tun?« Er hatte keine Ahnung, wie die Frage nun auf Sarah wirkte. Aber es ging nicht anders. Er hatte die zweite Frage extra hintendrein gesetzt, weil er sonst annahm, dass sie die erste Frage einfach eh bejahen würde ...ja, der ehemalige Sheriff hatte eben auch so seine Tricks.
Eilig folgte Sarah ihrem Onkel und sah ihm zu, als er seine Schuhe wieder anzog. Sie war heilfroh, die Befragung hinter sich zu haben. Während sie jedoch in ihre eigenen kleinen Spangenschuhe schlüpfte, hakte Eric noch einmal nach, und sie schrumpfte innerlich zusammen. Ohne richtig aufzublicken, murmelte sie etwas, das in etwa wie "Mhm, ja, Onkel Eric." klang. Seine zweite Frage war schon wieder so eine, in der man sich leicht verfangen konnte. Sie gab sich ein wenig mehr Mühe als unbedingt nötig, noch einmal den Sitz von Schuhen und Haube zu prüfen, bevor sie ihn wieder mit ihrem seltsam ernsten Blick ansah, den sie für besonders erwachsen hielt. "Doch... ganz bestimmt. Aber ich hab doch gar nicht so viel zu bereden?" Es hörte sich eher wie eine Frage an, denn einerseits war ihr die Fragerei zunehmend unangenehm, zum anderen war sie sich tatsächlich nicht ganz sicher, was er nun eigentlich meinte.
Sie hatte ja wirklich nicht so viele wichtige Dinge zu bereden – und wenn ihr einmal etwas Sorgen machte, war es ihr eigentlich lieber, alles Josephine zu erzählen. Die tat zwar nichts außer mit ihrem ewig freundlichen Puppenlächeln zuzuhören, aber dafür genierte sich das Mädchen vor ihr nicht, alles blieb unter ihnen, und sie fühlte sich trotzdem immer etwas erleichtert. Denn ihre Mama war zwar im Himmel und konnte ihr von dort aus nicht direkt helfen, aber irgendwie hatte sie doch das Gefühl, nicht allein zu sein mit ihren Nöten, wenn sie alles über ihre Mittlerin zu Mama weitergegeben hatte. Ihr Vormund dagegen mochte in manchen Situationen eingreifen können, doch brachte das erstens mit sich, daß sie nicht mehr einfach stillhalten und das Ende der schlimmen Situation abwarten konnte – ihre Lieblingsmethode – und zweitens steigerte es die Gefahr, daß er Fragen stellte, so wie jetzt gerade. Und Onkel Eric hatte eine Art zu fragen, bei der man wirklich sehr gut überlegen mußte, um sich nicht zu verplappern. Ungeduldig sah sie zur Tür. Ihr war nun wieder warm, sehr warm sogar, und sie fühlte einen ungewöhnlichen Drang, sich zu bewegen.
Frauen konnten wirklich entwaffnend sein. Auch wenn sch das mit Sarah natürlich gerade anders verhielt. Und doch schaffte sie es wieder einmal, das Eric sprachlos war. Er begegnete ihr zwar nicht mit einem offenen Mund, aber er hatte sie einfach nur angeschaut, nachdem sie fix und fertig angezogen vor ihm stand und dann diese doch sehr spärlichen Antwort über ihre kleinen Lippen kamen. Und dabei schaut sie ihn erst nicht richtig an, darauf dann aber wieder mit jenem ernsten Blick in ihrem Augen, der fast an eine Erwachsene erinnerte. Und doch war in ihrem kurzen Antworten etwas, dass ihn nicht überzeugte. Erst war es ein Mhm, dann ein [idoch[/i] ... alles irgendwie mit einem kleinen Zögern verbunden. Und sie wirkte dabei so, als fühle sie sich überhaupt nicht wohl in ihrer Haut. Immerhin hatte sie dann gesagt, dass sie doch gar nicht so viel zu bereden hätte, auch wenn es auch fast wie eine Frage klang. Vielleicht hatte er Sarah auch schlichtweg überfordert, aber hätte sie dann nicht einfach fragen können, was Eric meinte? Oder verlangte er einfcah zu viel? Eric, der immer irgendwie perfekt in allem sein wollte und somit seiner Nichte in dieser Dache in nichts nachstand, kam sich kurz einfach entwaffnet vor. Dabei sollte es ja kein Kampf ein. Aber Eric spürte einen Stich in sich: Er kam irgendwie einfach nicht an das Mädchen heran. Aber sie war ja auch keine Zeugin oder Tatverdächtige und sie war auch niemand, den er interviewte oder vernahm. Dennoch merkte er, dass ihn etwas störte, was er aber gerade nicht in der Lage war, zu klären. Er war nun einmal kein strenger Vormund, der Sarah "zwang" zu einer Antwort. Und schon gar nicht wollte er etwas bestimmtes hören, oder eben nur zum Teil.
Eric gab fürs Erste einfach auf. Aber ein kleines Seufzen konnte er nicht unterdrücken. Er wollte nichts über den Zaun brechen und Sarah schon gar nicht übers Knie legen, dass war nicht seine Art, auch wenn er ahnte, dass es andere Eltern da sicherlich nicht so einfühlsam angingen. Eric spürte, dass es Sarah irgendwie unangenehm war und er war nun der Erwachsene und musste es richtig machen, wie er dachte. Dass ihm da auf der einen Seite sein unbewusster Perfektionismus und auf der anderen Seite seine Milde einen Strich durch die Rechnung machte, war ihm nicht so recht klar. Dennoch war es auch für ihn irgendwie nicht einfach, dass Sarah so verschlossen war. Doch er versuchte dies, nicht persönlich zu nehmen. Das Kind hatte seine Mutter verloren. Dennoch dachte er immer wieder ja darüber nach, ob er sich richtig verhielt, oder ab er einfach mal etwas autoritärer sein müsse.
Er hatte Sarah dann erst nachdenklich und ernst angeschaut. Dann schob sich ein Mundwinkel leicht in die Höhe, aber es war kein sehr entspanntes Lächeln und dann sprach er: »Na gut.« Er zögerte kurz, dachte nach, was er vielleicht noch sagen würde wollen, entschied sich dann aber, es erst einmal dabei zu lassen. »Gut, dann gehen wir ...« Er öffnete die Haustür und liess Sarah den Vortritt, sprach dann aber noch: »Pass gut auf die Treppe auf, sie ist ein wenig vereist. Muss mich da mal drum kümmern ...« Er nahm Sarah nicht an die hand, denn sie war alt genug. Aber während sie nach unten gingen, hielt auch er sich sicherheitshalber am Geländer fest. Aber auf dem Weg zum Gästehaus, also auch auf der Mainstreet, sprach er kein Wort, es sei denn, Sarah hätte etwas gesagt, auf das er sie dann sicherlich nicht mit Wortlosigkeit strafen würde.
TBC: Mainstreet (kannst gerne auch da weiter schreiben*zwinker*)