Stevie beim Kutscher und Gehilfen Helens Mutter tritt näher Helen mit Sohn und Tamina in der Nähe weitere Fahrgäste etwas abseits
Der Kutscher schien dankbar für ihre angebotene Hilfe zu sein, aber natürlich hatte er Recht, dass nur Stevie allein kaum etwas ausrichten konnte. Er schlug vor, dass sie Hilfe in der Stadt holte. Stevie gab ihm im Stillen Recht und nickte. Die Kutsche bekamen sie allein nicht mehr auf die Achse gestellt und Stevie konnte erkennen, dass diese vor der Belastung auch zumidndest notdürftig repariert werden musste. Man sah wie es im Kopf des stämmigen Kutschers ratterte und er sich dabei prüfend umsah. Auch Stevie überlegte und folgte seinem Blick zu den Kutschpferden. Konnte sie vielleicht einige der Fahrgäste schon mit in die Stadt nehmen? Die Frage war dann aber, ob die einzelnen Personen reiten konnten. Stevie schaute zu den Damen hinüber und war sich nicht sicher, ob jede von ihnen wusste wie man sich auf einem Pferderücken hielt. Vorzugsweise würde sie aber den Frauen die Möglichkeit anbieten mit ihr weiterzureisen, sofern dies gewünscht war. Doch noch ehe sie diesen Vorschlag machen konnte, unterbrach eine energische Stimme die Gedanken aller. Stevie sah ebenfalls überrascht auf. Die Frau, die aufgrund ihrer Aufmachung befremdend wirkte, wollte anscheinend um jeden Preis weiterfahren. Sah sie denn nicht, dass dies momentan unmöglich war? Stevie zog irritiert die Augenbrauen hinauf. Es schien beinah so als wollte die Dame gar nicht verstehen um was es hier ging. Die rüstige, ältere Lady trat daraufhin schnaufend auf Stevie zu und erklärte ihr, dass auch sie sehr daran interessiert war weiterzureisen zusammen mit ihrer Tochter und dem Jungen. Und sie schien sich nicht zu genieren auch zu erwähnen, dass eine Begleitung einer gewissen hier anwesenden Person wohl weniger erwünscht war. Während dessen wendete sich die Mutter des Jungen mit einem warnenden Nachklang in der Stimme an die Fremde und antwortet ihr knapp und bündig, dass alle im Moment warten mussten. Stevie wollte nicht unhöflich sein und ignorierte zunächst die beiden Frauen im Hintergrund, um der älteren Lady ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Sie lächelte sie an und nickte zustimmend: „Ich nehme sie sehr gern mit. Wenn der Kutscher ein paar Pferde entbehren könnte, dann bringe ich sie nach Camden Village.“ Die Frage, ob auch alle des Reitens mächtig waren verkniff sie sich. Das würde sich automatisch klären, spätestens wenn es hiess, dass man aufsitzen sollte. Im Normalfall war auch so gut wieder jeder in der Lage auf einem Pferd zu sitzen. Plötzlich sprang die Fremde unruhig auf und warf einige Worte in die Runde in einer Sprache, die keiner verstehen konnte. Stevie sah sie abermals verwundert an. Das dies gerade keine Schmeicheleien gewesen waren, war nicht schwer zu erkennen. Die Rothaarige war normalerweise kein Mensch, der vorschnell urteilte, doch diese Person irritierte sie mit allem was sie tat, sagte oder allein durch ihren Anblick. Sie war mit Sicherheit nicht von hier und offenbar war sie auch etwas verwöhnt, denn sie schien zu erwarten, dass man besonders auf sie einging. Und nach ihren wenigen Worten drehte sie sich beleidigt um und präsentierte allen ihren Rücken. Stevie war sprachlos. Solch ein hochnäsiges Verhalten hatte sie lange nicht mehr beobachtet. Sie sah in die Gesichter aller Beteiligten. Der Kutscher und sein Gehilfe schienen überfordert zu sein und sahen sich nur fragend an, während die anderen männlichen Fahrgäste die Situation weitgehend ignorierten und die zwei Damen immer genervter aussahen. Gehandelt werden musste jedoch, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Vielleicht schaffte sie es ja beruhigen auf die Frau einzuwirken. Als Stevie wieder zu Tamina blickte sah sie wie diese gerade ihre Hand senkte. Weinte sie etwa? Stevies Gesichtsauszüge wurden weich. Vielleicht war sie auch einfach überfordert mit allem hier? Immerhin ging jeder anders mit Stresssituationen um. Die Rothaarig trat auf die Fremde zu und umrundete sie mit sorgenvollem Blick. Dabei berührte sie sie sanft am Arm und blieb aufmunternd lächelnd vor ihr stehen. „Keine Sorge. Wir finden eine Lösung, ok?“ Es war schwierig genau erkennen zu können, ob sie Zugang zu der Frau fand, denn ihr Gesicht verschleiert ein zarter Stoff, der ihre Züge darunter beinah unsichtbar machte. „Eine Möglichkeit wäre, dass auch sie mich in die Stadt auf einem der Pferde begleiten?“ beinah hätte Stevie ihr auch den Platz auf ihrem Pferd hinter sich im Sattel angeboten, doch sie wollte niemanden zu nahe treten und setzte nun einfach voraus, dass auch diese junge Dame hier reiten konnte. Auch wenn die anderen Fahrgäste von der Begleitung dieser Frau nicht begeistert waren, so hatte jeder eine Chance in Stevies Augen verdient.
Stevie beim Kutscher und Gehilfen Helens Mutter tritt näher Helen mit Sohn und Tamina in der Nähe weitere Fahrgäste etwas abseits
Helen unterdrückte ein lautes Seufzen, als auf ihre Worte hin, die junge Frau wie von einer Schlange gebissen von ihrem Sitz aufsprang und kleine Alarmglocken in Helen zum schrillen brachte. "Geh mal zu Grandma," raunte sie Calvin zu, der nichts dagegen zu haben schien und hinüber zu Laura und der neu hinzugekommenen Frau sprang. Seinen Schrecken über den Unfall schien er auf jeden Fall überwunden zu haben, wie es Helen schien. Sie lächelte ihrem Jungen liebevoll hinter her und wandte sich dann wieder an die Mitreisende. Diese holte gerade Luft, um wohl ihrem Ärger Luft zu machen, aber der befürchtete Ausbruch blieb Helen dann doch erspart. Sie vernahm jedoch seltsam klingende Worte aus einer fremden Sprache. Dem Klang nach war es nichts freundliches gewesen und Helen erstarben die gerade im Geiste geformten, aufmunternde Worte. Ja, bis eben hatte sie noch Verständnis aufbringen können. Immerhin hatten sie es wohl alle eilig oder ihre Gründe, wieso diese Unterbrechung unschön war, aber jetzt war es auch für Helen genug. Sie saßen schließlich alle im selben Boot und konnten keine Ausnahmen machen. Allem die Krone setzte jedoch die junge Frau damit auf, dass sie sich beleidigt abwandte und ihnen allen den Rücken kehrte. Erneut seufzte Helen leise auf, beschloss aber, dass es vielleicht klüger war, die junge Frau erst einmal sich selbst zu überlassen. Denn gegen eine scheinbare Frustration war Helen machtlos. Jedes weitere Wort wäre sicher nur ein Tropfen Öl im Feuer gewesen. So zuckte sie etwas hilflos mit den Schultern und kehrte dann selbst zu ihrer Mutter, Calvin, dem Kutscher und den anderen Menschen zurück. Es galt schließlich eine Lösung für die Notlage zu finden. Die doch etwas verstörten Blicke der Rothaarigen und ihrer Mutter in Richtung der Unbekannten entlockten Helen ein kleines Schmunzeln. Doch weiter schenkte sie dem keine Beachtung, denn die Rothaarige hatte kurz zuvor Laura gegenüber ihre Bereitschaft erklärte die Alcotts mitzunehmen, sofern der Kutscher seine Pferde entbehren könnte. Das war eine schöne und unverhoffte Wendung. Denn Helen musste sich eingestehen, dass sie inzwischen jedes Zeitgefühl verloren hatte und befürchtete, dass Mr. O'Neill bereits länger als nötig auf sie an der Postkutschen-Station warten würde. "Wir würden für die Pferde auch bezahlen," wandte sich Helen ohne Umschweif an den Kutscher, der nicht sofort seine Zustimmung gegeben hatte. "Falls sie befürchte, die Pferde nicht mehr wieder zu sehen."
Der Mann winkte jedoch lässig ab und kratzte sich am Hinterkopf. "Nee, die Sorge ham wir nich', Ma'am. Wenn die Pferde oder frische Pferde mit Helfern zurückkommen sollten, reicht's uns. Lassen sie mal das Geld stecken," schließlich war er eine ehrliche Seele, die der Meinung war, die Menschen hier hatten für eine reibungslose Fahrt bezahlt. Da sah er keinen Grund sich an ihnen zu bereichern oder für seinen Dienstherrn noch einen Gewinn herauszuschlagen.
"Großartig," pflichtete Laura dem Kutscher bei und strahlte Helen stolz an. "Es geht weiter."
"Ja, und wir nehmen ganz bestimmt die junge Frau dort drüben mit," bestimmte Helen mit Nachdruck in der Stimme und ließ am Ausdruck ihrer Augen ihre Mutter erkennen, dass sie nicht zum Diskutieren bereit war. "Sie ist fremd hier und kennt sich nicht aus. Zudem trau ich den beiden nicht," sie nickte leicht in die Richtung der beiden männlichen Mitreisenden, die mit dem zweiten Kutscher immer noch versuchten etwas zu bewegen, auch wenn das Unterfangen recht sinnlos schien. Laura schwieg überraschend, wenn auch mit recht verkniffenem Zug um den Lippen und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Inzwischen war die Rothaarige zu der dunkelhaarigen Frau getreten und schien versuchen zu wollen, ob sie sie nicht beruhigen konnte. Helen konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht gänzlich unterdrücken. Das war natürlich nicht fair, immerhin war die Frau nicht mit ihnen gereist und hatte nicht am eigenen Leib die kühle abweisende Art der anderen zu spüren bekommen, aber wenn sie der Meinung war, mehr erreichen zu können, als Helen schon selbst versucht hatte, dann gönnte sie ihr die Erfahrung durchaus.
"Ja, das wird sie," mischte sich Helen kurz ein, als sie den Vorschlag der Rothaarigen an die andere hörte. "Stadt, Pferd, jetzt gehen," wiederholte sie die vielen Worte der Rothaarigen in verständliche Worthappen für die Dunkelhaarige. "Sie kann unsere Sprache nicht sonderlich gut, wie mir scheint," wandte sie sich mit einer Erklärung an die Rothaarige. "Oh und entschuldigen sie bitte die Unhöflichkeit, bei dem ganzen Theater hier vergißt man ja seine guten Manieren aber...," sie hielt der Rothaarigen eine Hand entgegen. "Alcott. Mein Name ist Helen Alcott. Das dort drüben ist mein Sohn Clavin und meine Mutter Laura."
(Bei Helen & Sohn & den restlichen Kutschinsassen / Stevie)
Diesen ungehobelten Leuten den Rücken zudrehen war die einzige und beste Möglichkeit, wie Tamina ihren Unmut kund tun konnte. Keiner verstand ihre Sprache, wenn gleich ihr der wütende Blick der Frauen nicht entgangen war, als sie in ihrer Muttersprache über die Beiden herzog. Man könnte sozusagen behaupten, das war Taminas Rache. Leider wirkungslos, wenn man es so betrachtete. Denn außer, dass sie sich mit dieser Aktion noch unbeliebter machte, tat es nichts zur Sache. Dennoch stand die arabische Schönheit von der Gruppe abgewandt, dann sollten doch alle gehen. Wenn niemand mehr hier war der sie abhielt, dann könnte sie sich endlich auf den Weg machen. Die fremde Frau trat zu ihr und Tamina spannte den Rücken durch. Sie wollte größer wirken als sie war und streckte trotzig das Kinn nach vorne, als die Rothaarige sie ansprach. Natürlich viel zu schnell und ohne, dass Tamina irgendwie folgen könnte. Doch alleine die Tatsache, dass die Rothaarige zu ihr gekommen war und der Klang ihrer Stimme versöhnte die Prinzessin ein bisschen. Als die Fremde sie jedoch am Arm berührte, zuckte Tamina zurück. Nicht weil sie Schmerzen hatte. Aber niemand fasste ohne ausdrückliche Erlaubnis die Prinzessin an. Der Blick der Orientalin, senkte sich auf die Hand, sie sie eben noch so unflätig berührt hatte. Doch sie schwieg dieses Mal. Man musste diesen Wilden nicht jeden Fehler unter die Nase reiben, schließlich könnte sie die Rothaarige vielleicht noch für sich gewinnen.
Als diese dann aber etwas von reiten erwähnte und dabei verdächtig zu den Pferden hinüber sah, schwante Tamina schreckliches. Sie sollte auf den Pferden reiten? Ohne Sänfte und direkt auf dem Tier? In ihrem Kleid? Man konnte erkennen, dass es hinter der Stirn der Dunkelhaarigen zu arbeiten anfing. Es wäre eine Möglichkeit von hier wegzukommen. Und doch schien sie fast unerreichbar. Doch noch bevor Tamina etwas hätte erwidern können, mischte sich die Frau von eben ein. Diejenige, die sich kurz darauf mit Helen vorstellte. Vernichtend war der Blick, den Tamina Helen unter ihrem Schleier entgegenwarf. Nicht nur, dass sie die Prinzessin mit ihrer bloßen Anwesenheit beleidigte, sie fiel ihr auch noch ins Wort. Auch wenn Tamina die Sprache kaum konnte, so hätte es in ihrer Heimat niemand gewagt für sie zu sprechen. Nicht, wenn sie das ausdrücklich befohlen hatte. Zum Glück verstand Tamina nicht, dass Helen ihr Verhalten erklärte, sonst wäre es wohl doch noch zu einem Eklat gekommen. "Ich verstehen." Meinte sie nur kühl zu Helen und diese wenigen Worte klangen kälter als sie Atemluft war. Dann aber wandte sich Tamina der Rothaarigen zu. Diese war nun zu ihrer neuen Retterin aufgestiegen. War es eben noch die Mutter mit ihrem kleinen Kind gewesen, so war es nun der Neuankömmling. "Ich kommen mit. Sofort los." Dieses Mal schaffte es Tamina sogar den Befehl in ihrer Stimme etwas abzuschwächen, sodass es mehr danach klang, als ob sie bat sofort losreiten zu können. Zwar wusste sie noch nicht, wie sie dieses Reiten anstellen sollte, aber Hauptsache sie kam von diesem schrecklichen Ort weg. Und dabei dachte Tamina nicht einmal an die Mitreisenden, die ihr evtl. gefährlich werden könnten. Auch dachte sie nicht im Traum daran sich vorzustellen, wie es Helen gerade tat. Niemand kannte sie hier und niemand würde den wundervollen Klang ihres Namens zu würdigen wissen. In ihrer Heimat sprach man ihn mit Achtung aus. Hier würden sie es vermutlich nicht einmal verstehen.
Stevie bei den Damen Kutscher und weitere Fahrgäste im Hintergrund
Stevie fiel die angespannte Haltung der Fremden auf. Gleich als sie näher getreten war, hatte sich diese zunehmend verschärft und man hätte die Frau mit einem Bogen vergleichen können, der so gespannt war, dass er beinah zu brechen drohte. Sie schien sich sehr unbehaglich zu fühlen und trotzdem sprach aus ihrer Haltung eine Art Stolz, den Stevie nicht recht einordnen konnte. Sogar das Kinn reckte sie noch etwas höher, als Stevie sie ansprach. Die Berührung ihrer Hand auf dem Arm der Fremden hatte beruhigend wirken sollen, vielleicht sogar als tröstende Geste, doch es schien als hätte sie die Frau damit zusätzlich verärgert. Sie zuckte vor Stevies Hand zurück und einen Moment konnte die Rothaarige ein warnendes Glitzern ihrer dunklen Augen durch den Schleier erkennen. Offenbar hatte sie einen Fehler gemacht oder die Frau war einfach nur stocksauer. Auch Kinder zogen sich trotzig zurück, wenn man sie berührte und diese gerade aber lieber weiter schmollen wollten. Aber hier hatte sie es nicht mit einem Kind zu tun, auch wenn ihr Verhalten Stevie an eines erinnerte. Stevie hörte Stimmen im Hintergrund, während sie nach weiteren Worten suchte. Die beiden Frauen sprachen mit dem Kutscher. Die Mutter des Jungen gab anschließend der älteren Lady klar zu verstehen, dass auch die Fremde mit in die Stadt genommen werden würde. Das Gesicht der alten Dame war Antwort genug. Ihr Standpunkt war ebenso deutlich. Doch noch ehe Stevie etwas zu der verärgerten Fremden hätte sagen können, trat die Mutter des Kindes zu ihnen. Sie erteilte die klare Anweisung oder zumindest klang es so in Stevies Ohren, dass alle Damen mit nach Camden Village reisen würden. Und in wenigen direkten Worten fasste sie dies zusammen und sprach auf die Fremde ein. Sie verstand unsere Sprache nicht? Stevie sah wieder fragend zu der Verschleierten. Das würde zumindest einiges erklären. Stevie sah überrascht auf, als ihr plötzlich eine Hand gereicht wurde. Helen Alcott stellte sich verspätet vor und reiste zusammen mit ihrem Sohn, dem Stevie ein Lächeln schenkte als Helen auf ihn wies, und ihrer Mutter mit der Stevie bereits Bekanntschaft gemacht hatte. „Stevie Hall.“ lächelte sie nun auch Helen freundlich an. Sie wusste nicht so recht wieso aber Stevie fand die Frau auf Anhieb sympathisch. Zumindest schien sie kein verschüchtertes Huhn zu sein und ebenso wenig wie ihre Mutter kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wesenszüge, die Stevie immer sehr schnell an anderen Frauen auffielen und ihr gefielen. Dennoch lag hier eine unangenehme Spannung in der Luft, die zwischen den drei Damen knisterte wie ein Feuer, das jeden Moment ausser Kontrolle geraten würde. Die eiskalte Stimme der Fremden, die gerade betonte, dass sie verstanden hatte, bestätigte Stevies Eindruck. Und plötzlich wandte sie sich direkt an Stevie und forderte beinah, dass es losgehen konnte. Ihre Stimme klang zwar um einiges freundlicher als zuvor, aber dennoch hatte Stevie auch hier das Gefühl eine Art Befehl erhalten zu haben. Die Rothaarige hatte den Verdacht hier zwischen die Fronten geraten zu sein und nun versuchte jedes Team sie zu sich auf die „richtige“ Seite zu ziehen. Irritiert blickte sie von einer zur anderen und entschied sich gewohnt unparteiisch zu bleiben. Was auch immer hier an Unstimmigkeiten zu dem Zwist zwischen den drei Damen geführt hatte, Stevie hatte damit nichts zu tun. Nach einer nur für Sekunden anhaltenden Sprachlosigkeit, fasste sie sich wieder und lächelte alle aufmunternd an. „Nun gut, dann sind wir uns ja alle einig.“ Sie trat aus der Gefahrenzonen zwischen Helen und der Verschleierten heraus, um mehr wieder in die unkompliziertere Gesellschaft des Kutschers zu kommen. „Wenn es also für Sie in Ordnung ist, dass wir ihre Pferde nehmen…“ der Kutscher nickte bereits und winkte ab, während er sogleich wieder mit brütender Miene vor der gebrochenen Achse stand, „…alles klar. Dann würde ich sagen aufsitzen, meine Damen.“ Sie ging auf die Pferde zu und griff sich die Zügel von dreien, um damit wieder zu den Ladies zurückzukehren. Die Frauen würden die Pferde ungesattelt reiten müssen und Stevie notierte sich im Stillen, dass sie wahrscheinlich nur langsam voran kommen würde. Aber dennoch schien es im Interesse aller zu sein, überhaupt weiter zu kommen, und Stevie hatte die Hoffnung, dass dann auch die Stimmung wieder entspannter werden würde, sobald einjeder seinem Ziel näher kam. „Braucht jemand Hilfe beim aufsteigen?“ fragte Stevie freundlich in die Runde und dabei hatte sie bereits erste Zweifel wie die rüstige Lady in ihrem hübschen Kleid und auch die Fremde in ihren weiten Gewändern dies bewerkstelligen wollten. Möglicherweise sah Stevie aber auch alles nur zu kompliziert. Abwartend hielt sie die Zügel der Pferde in der Hand.
Helen und Laura beim Kutscher, dann bei Stevie und Tamina Kutscher und weitere Fahrgäste im Hintergrund
Helen seufzte vernehmbar, als ihr trotz der gebotenen Hilfe erneut deutlich spürbar Kühle der Fremden entgegenschlug. Hier war Hopfen und Malz verloren. Zwar machte es der Schleier unmöglich die Gesichtszüge der anderen zu erkennen, aber Helen glaubte es doch verräterisch kurz in den dunklen Augen der jungen Frau aufblitzen gesehen zu haben. Über was auch immer diese Frau verärgert sein mochte, Helen konnte es sich nicht erklären. Aber die zwei kurz angebundenen Worte reichten Helen vollkommen aus, um zu verstehen, dass ihre Hilfe womöglich gar nicht erwünscht war. Vielleicht hatte sie die Fremde aber gar nicht wirklich verstanden und tat nur so, zu stolz um die Sprachbarriere zu zugeben. Letztendlich war es Helen gleich. Es reichte zu ihrer Beruhigung, dass sich die junge Frau mit ein paar Worten mehr, an Miss Hall wandte, wie sich ihr die Rothaarige vorgestellt hatte, und durchblicken ließ, dass sie mitkommen würde. Zwar gewohnt ruppig aber doch zum ersten Mal etwas freundlicher, wie Helen gleich auffiel. Etwas, das ihr ein kleines Schmunzeln abrang. Miss Hall zumindest schien kurz ein wenig überfahren. Helens Schmunzeln wurde breiter, denn nicht sehr anders hatte sie sich noch vor wenigen Minuten gefühlt, als ihr trotz jede Hilfe und Vernunft Eiseskälte entgegengeschlagen war. Da nun alles geklärt zu sein schien, folgte Helen Miss Hall zum Kutscher zurück, wo auch ihre Mutter und Cal geduldig warteten. Weitere Komplikationen würde es wohl erst einmal nicht geben, denn der Kutscher war bereits mit den Unfallschäden beschäftigt und überließ es ihnen mit den Pferden zurecht zu kommen. Calvin musste natürlich kichern, als Miss Hall von "Damen" sprach, wurde aber mit einem warnenden Blick seiner Mutter daran gehindert auch noch einen entsprechenden Kommentar zu machen. Es war eines dem Jungen auf der eigenen Ranch und in den eigenen vier Wänden Freiraum zu geben, aber etwas völlig anderes in der Öffentlichkeit. Zumindest in dieser Beziehung schien ihre Erziehung zu fruchten, auch wenn Laura das gerne anders sah. Zumindest verstummte Clavin, aber das Grinsen blieb.
Als Miss Hall ihre Hilfe beim Aufsteigen anbot, nickte Helen. "Ich schätze ohne Hilfe wird es nicht gehen," merkte sie an, als sie sich die ungesattelten Pferderücken betrachtete. Sie war zwar eine geübte Reiterin und ihre Mutter auch, aber ohne Sattel war es doch schon eine Weile her. Und die Fremde ... nun da hatte sie ihre Zweifel. "Na komm Cal, ich helf' dir hoch," Helen winkte ihren Sohn zu sich und hob ihn nach oben. Der Junge war zwar ein Pony gewöhnt und Helen hatte ihre Bedenken, aber Cal zog sich ganz geschickt an der Mähne haltend hinauf und rückte ein Stück nach vorne um seiner Mutter Platz zu machen. "Halt dich gut fest, bis ich komme," bat sie den Jungen und übernahm es bei Laura ihr beim Aufstieg zu helfen. Wie sie ihre Mutter kannte hätte sie niemals einer Fremden erlaubt ihr bei dieser Sache zu helfen. "Miss Hall, wären sie so lieb und würden kurz das Pferd halten," bat Helen dabei, denn sie konnte kaum Laura mit ihren warmen Röcken auf den Rücken helfen und für ein stillstehendes Pferd sorgen.
(Bei Helen & Sohn & den restlichen Kutschinsassen / Stevie)
Endlich sollte es nun also weitergehen. Tamina beobachtete aufmerksam das weitere Geschehen. Dabei ignorierte sie die Frau mit dem Kind und deren Mutter absichtlich. Sobald sich Tamina von den Dreien lösen konnte waren sie nicht einmal mehr eine Erinnerung wert. Genau so würde die orientalische Schönheit die Drei bestrafen. In ihrer Heimat eine gängige Methode und bei der Prinzessin eine besonders schwerwiegende Strafe, wollte sich doch jeder damit rühmen ein oder eine Bekannte der Adelsfamilie zu sein. Nein, Tamina hatte schon viele Personen vergessen und die Drei gehörten auch dazu. Ihre neue Heldin schaffte es die Pferde von dem Mann entgegen zu nehmen, der bis vor einer Weile noch dafür verantwortlich war sie in die Hafenstadt zu bringen. Der Mann gehörte ausgepeitscht. Die einfachste Aufgabe konnte er nicht erledigen. Er war eine Schande für seinen Vater und seine ganze restliche Familie. Vernichtend war der Blick, den Tamina aus sicherer Entfernung dem Kutscher und auch dem Rest der Truppe zuwarf. Niemanden von ihnen würde sie je wieder sehen und das war auch gut so.
Die Rothaarige, von der Tamina gehört hatte, dass sie Stevie Hall hieß, brachte die Pferde zu ihnen und natürlich drängten sich die unmögliche alte Frau und die Frau mit ihrem Sohn vor. Doch Tamina würde nun darüber hinwegsehen. Sie ging zu der Rothaarigen und nahm ihr eines der Pferde ab. Ja, Tamina nickte ihr sogar kaum merklich zu, das war mehr als die Eingeborene verdient hatte. Doch die orientalische Prinzessin war im Moment einfach nur froh einen Ausweg aus dieser misslichen Lage zu bekommen. Und das Pferd war ein kleines Nicken wert. Helfen lassen würde sich Tamina sicherlich nicht. Das verbot ihr Stolz und auch das Gesetz. Gut, dieses Gesetz galt in diesem Land nicht mehr und dennoch wollte die Prinzessin nicht damit brechen. Tamina führte das Tier ein Stück von den Anderen weg. Es war ein ganz gewöhnlicher Gaul, nicht zu vergleichen mit den edlen Tieren in ihrer Heimat. Schwerfällig und langsam würde es voran gehen. Und dennoch würde das Tier Tamina retten. Die Prinzessin führte das Pferd zu dem Baumstamm, auf dem sie vorhin noch gesessen hatte und redete auf arabisch auf das Tier ein. Sie strich ihm über die Nüstern und man konnte erkennen, dass sie nicht zum ersten mal vor einem Pferd stand. Und tatsächlich, das Pferd blieb ruhig. Nun blieb noch das Problem mit dem Aufsitzen. Doch auch dafür hatte die schlaue Prinzessin eine Lösung. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass das Pferd stehen blieb, nahm sie ihren Dolch und schnitt den Rock ihres Kleides ein gutes Stück auf. Das Kleidungsstück war ohnehin ruiniert und sobald sie am Hafen angekommen war, würde sie weiteren Schmuck verkaufen und sich dann ein neues Kleid zu besorgen. Ganz zu schweigen von den samtenen Stoffen die sie sich in ihrer Heimat dann bringen lassen würde. Oh wie sehr freute sie sich schon! Das beschwingte die junge Prinzessin und fast katzengleich schwang sie sich auf den Rücken des Pferdes. Ob sie damit die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zog, daran dachte Tamina nicht. Niemand hatte das Recht sie anzusehen, zumindest war das in ihrem Land so, in dem sie meist in einer gesicherten Sänfte durch die Straßen der Stadt getragen wurde. Und so ging sie auch hier davon aus, dass keiner das nun tief geschlitzte Kleid der Prinzessin auch nur aus dem Augenwinkel ansehen durfte.
Was niemand der Anwesenden wissen konnte war, dass Tamin in ihrer Heimat eine silberfarbene Araberstute besaß, mit der sie heimlich des Nächtens ausritt. Und da dann kein Stallmeister mehr da war, ritt sie ohne Sattel. Deswegen besaß sie darin bereits ein gewisses Talent. Es war zwar etwas umständlich mit den langen Kutschzügeln klar zu kommen, doch nachdem Tamina auch das erledigt hatte, trieb sie das Pferd zu der restlichen Gruppe. Kein Wort wechselte sie mit den Anderen und würdigte auch niemand eines Blickes. Nur die rothaarige Frau bekam Taminas Aufmerksamkeit. Schließlich musste sie voran reiten, wobei die Prinzessin den Weg ja kannte. Man hatte ihn ihr vorhin gedeutet. Entschlossen drückte sie also ihre Fersen gegen die Seite ihres Pferdes und ließ dieses in einen leichten Trab fallen. Sie wollte so schnell wie möglich hier weg. Was mit den Anderen geschah, darum musste sie sich nicht kümmern.
Die Damen sitzen auf / Kutscher und weitere Fahrgäste im Hintergrund
Das Aufsitzen gestaltete sich völlig unkompliziert. Stevie war nahe daran wieder verblüfft zu sein, als einjede Dame ohne lange zu murren ihr Pferd übernahm. Der Junge namens Clavin war sofort auf dem Pferderücken und hielt sich dort mit sicherem Griff in der Mähne. Stevie zog das Kutschgeschirr zurecht und gab dem Jungen die provisorischen Zügel des Geschirrs in die Hand. Geübt nahm er die Lederriemen in die Hand und Stevie lächelte wieder. „Da haben wir wohl einen großen Reiter unter uns.“ Der Junge saß eindeutig nicht das erste Mal auf einem Pferd, was Stevie auch nicht weiter verwunderte. Die Kinder und vor allem die Jungen wurden auf den Tieren groß. Sie hörte Mrs. Alcotts freundliche Bitte das Pferd zu halten und entließ den Jungen, um zu den beiden Frauen zu treten. Während sie das Pferd am Kopf ruhig hielt, half Mrs. Alcott ihrer Mutter auf den Pferderücken. Stevie war erstaunt wie schnell die alte Lady auf dem Pferd saß und ebenfalls unbeeindruckt wirkte, dass dieses ungesattelt war. Auch hier sah man die Erfahrung mit Pferden. Stevie konnte es nur Recht sein. „Na dann, können wir….“ Der Satz sollte sein Ende niemals finden. Stevie fuhr überrascht herum, als sie ein Pferd antraben hörte und noch ehe sie sich versah trabte das dritte Kutschpferd samt der Fremden einfach davon. Sie hatte ihre Gewänder tief eingeschnitten und saß ebenfalls selbstbewusst auf ihrem Tier. Auf die Gruppe zu warten schien sie nicht für notwendig zu halten. „Halt! Warten Sie! Sie wissen doch gar nicht wo es nach Camden Village geht.“ rief ihr Stevie überrumpelt hinter her und eilte mit einem entschuldigenden Blick zu Mrs. Alcott, da sie diese nun einfach stehen lassen musste, zu ihrem goldfarbenen Hengst. Binnen von Sekunden war auch Stevie im Sattel und trieb Whisky an. Dieser setzte sich augenblicklich in Bewegung und ließ sich nur noch mit Mühe auf Höhe der Damen nochmals zügeln. Nervös tänzelte er auf der Stelle. „Falls wir zu schnell sind, folgen Sie einfach nur diesem Weg. An der nächsten Abzweigung dann rechts. Ich versuche unsere feurige Reiterin bis dahin auszubremsen.“ Ein kurzes Antippen in die Flanken des Hengstes und dieser fiel sogleich in Galopp, um der Fremden nachzujagen.
Unterwegs nach Camden Village
Diese hatte ihr Tempo in keinster Weise verringert. Stevie zügelte ihren Whisky auf selber Höhe mit dem Kutschpferd der Fremden, die munter dahin trabte. „Sie scheinen eine geübte Reiterin zu sein.“ lächelte Stevie sie freundlich an. Es hatte wohl keinen Sinn, dass Stevie ihre Verärgerung über das verantwortungslose Verhalten der Frau preisgab. Stattdessen versuchte sie sich in Versuch Nummer zwei zu der Fremden vorzudringen. Vielleicht klappte es auf dem Pferderücken besser. Berührungen würde sie stattdessen unterlassen, auch wenn es der Rothaarigen in den Fingern juckte einfach hinüber zu langen, um das Kutschpferd zum stehen zu bringen. „Wir sollten trotzdem etwas langsamer machen, damit Mrs. Alcott und ihre Mutter zu uns aufschließen können.“ Es schien keine Reaktion von der Fremdem zu kommen und beide Pferde trabten weiterhin zügig dahin. Stevie warf einen Blick hinter sich, noch klaffte eine große Lücke zwischen den Reiterinnen „Sehen Sie, ich habe nur ein Gewehr, um uns alle gegen Wölfe verteidigen zu können. Wenn die Gruppe zu weit auseinander gerissen wird, kann ich nicht allen Schutz bieten, geschweige denn den Weg zeigen.“ Hoffentlich verstand die Frau wenigstens einige Worte. „Bitte reiten sie langsamer bis wir wieder zusammen sind. Dann können wir das Tempo aufeinander abstimmen. Ok? Langsamer, ja?“ innerlich sandte Stevie ein Stoßgebete zum Himmel. Wie sollte sie diesen Hornissenhaufen bloss zusammen halten.
Die Damen sitzen auf / Kutscher und weitere Fahrgäste im Hintergrund
Erst als Helen ihre Mutter gemeinsam mit Miss Halls Hilfe in den Sattel geholfen hatte, sah sie sich wieder nach der Fremden um. Es störte sie gelinde dass die Frau sich bislang nicht vorgestellt hatte, obwohl in ihrer Gegenwart nun einige Namen gefallen waren. Selbst wenn sie ihrer Sprache nur schlecht mächtig war, so sollte sie doch zumindest nicht auf den Kopf gefallen sein. Mit einem kleinen Seufzer sah sie kurz dabei zu wie sich die Frau selbst half. Und das ganz geschickt. Darauf hätte sie selbst kommen können, anstatt auf Miss Halls Hilfe zurück zu greifen. Ein bisschen wurmte das Helen und sie wandte sich rasch wieder von der Szene ab und ging zurück zu Calvin. Der hatte zuvor natürlich über das ganze Gesicht gestrahlt, als Miss Hall ihm ein bisschen Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Es war noch ein langer Weg in Helens Augen bis Calvin ein großer Reiter war, aber geübt war er. Genug um nicht gleich vom Pferderücken zu fallen. Gerade als Miss Hall das Kommando zum Losreiten geben wollte und Helen Calvins Pferd zu dem Baumstamm führte, über den die Fremde aufgesessen war, sah sie den Grund für den abrupten Abbruch von Miss Hall. Denn die fremde Frau war bereits einfach losgetrabt. Ohne sich noch einmal nach ihnen umzusehen. Kerzengerade aus, in die Richtung, in der sie vorhin Camden Village angedeutet hatten. Und dabei saß sie weder ungewohnt auf dem Pferderücken noch ungeübt.
Helen war hin- und hergerissen zwischen lachen und die Nerven verlieren. Letztendlich schüttelte sie nur den Kopf, als Miss Hall einen Versuch unternahm auf sich aufmerksam zu machen. Sie würde sich sicherlich an dem Dickkopf da vorne die Zähne ausbeißen, wie Laura und sie zuvor. Doch ein bisschen amüsiert stieg sie schließlich auf den Baumstamm und von dort hinauf auf das Pferd. Durch Calvin war ihr das ein wenig erschwert, aber sie wäre nicht die geübte Reiterin gewesen, hätte sie jetzt gekniffen und nach Miss Hall gerufen. Zumal diese schon auf ihrem eigenen Pferd der Fremden nachritt. Helen kniff ein wenig die Augen gegen das blendende Weiß zusammen, als sie ihr nachsah und anerkennend feststellen musste, dass Miss Hall im Gegensatz zu der Durchschnittsfrau passabel reiten konnte. Sie hatte sich vorhin schon gewundert, woher Miss Hall gekommen war. Eine Frau alleine auf einem Pferd hier oben.. das war kein häufiger Anblick. Zu den Worten von Miss Hall runzelte Helen allerdings die Stirn und verlor rasch ihr gute Laune. Sie sah ihre Qualitäten nicht gerne in Zweifel gezogen, auch wenn ihr Gegenüber natürlich nicht die geringste Ahnung darüber hatte. Noch ließ sie sich gerne, gerade errettet von Miss Hall, in die zweite Reihe drängen. Natürlich gab es nicht die geringste Annahme für Helen, dass sie dem Ritt nicht folgen konnten, noch befürchtete sie daher, sie könnten Miss Hall aus den Augen verlieren. Trotzdem hielt sie es für äußerst ärgerlich, wie sich die Situation gerade entwickelte. Ohne Miss Hall eine Antwort zu geben, vollführte Helen ihre Bewegung fertig und kam hinter Calvin zum Sitzen. Ohne ihn darum zu bitten nahm sie ihm den Zügel ab, rutschte etwas näher an den Jungen heran, damit er sich an sie lehnen konnte und kniff die Lippen zusammen, als Laura kaum neben ihr angekommen trocken anmerkte: "Ich habe gleich gesagt, wir lassen diese seltsame Frau hier." Sie warf ihrer Mutter einen Blick zu, der jeden anderen wahrscheinlich hätte tot umfallen lassen und gab dem Kutscherpferd mit starkem Schenkeldruck die Richtung an. Sie hatte nicht im geringsten vor das Pferd unnötig voranzutreiben. Das brachte sie nur wieder in Gesellschaft der Fremden. Natürlich konnte sie so ihre Neugier auf Miss Hall nicht stillen, die langsam wuchs, aber besser für ihre Nerven und für alle anderen war es gewiss. Eine schlechte gelaunte Helen war sicherlich ein genauso 'großer' Genuss wie das Dickköpfige der fremden Frau. Ein bisschen ärgerte es Helen nun doch, dass sie dem guten Eindruck wegen sich am Morgen für ein nicht all zu unbequemes Reisekleid entschieden hatte. Wohl auch mehr auf das Drängen ihrer Mutter hin. Andernfalls trüge sie nun eine Hose und eine warme Jacke und darunter hätte sie Revolver und Jagdmesser bei sich gehabt. So war sie vollkommen schutzlos und auf Miss Hall angewiesen. Letztendlich blieb ihr nichts weiter über, als die Lücke zu schließen, denn Laura ließ sich von ihrer schlechten Laune nicht anstecken und gab ihrem Pferd bereits die Fersen.
Natürlich hatte Tamina nicht einen Augenblick am die anderen Reisenden gedacht. Warum auch? Keiner von ihnen war es wert gewesen überhaupt mit ihr in dieser Kutsche zu sitzen und es war nur eine Notlösung gewesen. Und alles nur weil ihr Vater sie so hart bestrafen wollte. Aber das hatte er sicherlich nicht gewollt. Fast wünschte sich Tamina, dass er hiervon erfuhr. Was würde er wohl tun, wenn ihre eigentlichen Begleiter Bericht erstatteten und er dann hören musste, dass seine geliebte Tochter in diesem großen, unwirklichen Land verschwunden war? Ja, sie hoffte er grämte sich dann und bereute seinen Entschluss. Es war nicht in Ordnung, dass er ihr diese Strafe auftrug. Vielleicht hatte sie den ein oder anderen Fehler gemacht, aber das hier war nichts für eine Prinzessin. Im Grunde traf die Anwesenden also keine Schuld, nur der geballte Zorn der orientalischen Schönheit. Niemand konnte etwas für ihre Lage dafür, doch waren sie die einzigen Anwesenden. Hinzu kam noch, dass es Tamina einfach nicht gewöhnt war auf andere Rücksicht nehmen zu müssen. Viel zu oft war sie nun schon an den Rand ihrer Belastbarkeit gestoßen und konnte nicht anders als einfach auszubrechen.
Und das tat sie nun in Form dieses Pferdes. Obwohl es ihrer eigentlich nicht würdig war, trieb sie es munter voran. An diese sogenannten Wölfe dachte sie schon nicht mehr. Das war sicherlich der Fantasie des verzogenen Jungen entsprungen. Wahrscheinlich hatte er sich damit einen Spaß erlaubt und der Fremden von irgendwelchen Monstern erzählt. Und sie war so dumm darauf herein zu fallen. Wobei das Schicksal ja nochmal gnädig war. Tamina hätte diesen Weg zu Fuß zurück gelegt, wenn sie nicht bis zur Ankunft der Rothaarigen geblieben wäre. Diese erschien nun plötzlich neben ihr und fing an auf sie einzureden. Zuerst wollte Tamina nicht reagieren. Sollte sie doch reden. Auch wenn sie bis jetzt sehr nützlich, aber jetzt hatte sie ihren Zweck eigentlich erfüllt. Die Prinzessin hatte alles was sie brauchte. Ein Pferd um sie zum Hafen zu bringen und genügend Schmuck am Körper um sich dann ein Ticket kaufen zu können. Sie braucht also weder die zänkischen Weiber hinter sich noch die Rothaarige, die neben ihr ritt.
Und doch griff Tamina kaum sichtbar, dafür sehr gekonnt, in die Zügel und verlangsamte das Tempo ihres Pferdes. Es sollte sich nicht all zu sehr verausgaben, denn niemand hatte ihr natürlich gesagt wie weit es bis in dieses Camden Village war. Bis Mittag sollte sie es erreicht haben, meinten sie. Aber da sich Tamina mit der Sonnenstellung in diesem Land noch nicht so auskannte wusste sie nicht wie spät es war. Also lieber etwas langsamer. Sie war froh genug, überhaupt voran zu kommen. Die Rothaarige, konnte sich nun ruhig einbilden, dass Tamina aufgrund ihrer Worte langsamer geworden war. Die Prinzessin wusste es besser. Sie drehte den Kopf und sah die Rothaarige dann durch ihren Schleier hinweg an. "Wie weit?" Wollte sie dann wissen. In einem erstaunlich neutralen Ton. Das war eine wichtige Information, denn Tamina konnte dann besser einschätzen wann sie ihre Pferd wieder schnell laufen lassen konnte. Auf die Anderen warten oder sich denen gar anpassen kam für sie nicht in Frage.
Unterwegs nach Camden Vilalge Tamina, Helen, Laura und Calvin zusammen mit Stevie
Die Pferde trabten weiterhin dicht nebeneinander her und Stevie spürte, dass nicht viel fehlte bis sie in einen Galopp verfielen. Zweifelnd sah sie zu der Fremden hinüber, die stur geradeaus sah und auf ihre Worte nicht reagierte. Stevies Lippen wurden schmal, als sie feststellen musste, dass sie hier mit Verständnis und netten Worten nicht weiterkam. Innerlich begann sie sich anzuspannen, denn gleich würde sie doch hinüber greifen und das Pferd der Fremden eigenhändig zügeln müssen. Stevie war sich sicher, dass dann der Spass endgültig vorbei war, aber die Dame wollte es nicht anders haben. Gerade als Stevie ihr Gewicht im Sattel verlagern wollte, zügelte die Fremde ihr Pferd von selbst in einen langsamen angenehmen Schritt. Stevie sah sie einen Moment erstaunt an, bevor sie ihren Blick wieder abwandte und so tat als sei alles bestens. Whisky hatte sich dem Tempo des Begleitpferdes augenblicklich von selbst angepasst. Das Wort ‚Danke’, das Stevie auf der Zunge lag, schluckte sie samt ihrem aufgekommenen Ärger herunter. Sie hatte mittlerweile auch begriffen, dass diese junge Frau hier nur eigenständig handelte und sicherlich nicht Stevies Bitte nachgekommen war langsamer zu reiten. Möglicherweise nur ein Zufallsprodukt, wobei Stevie dann zu grübeln hatte was die Fremde nun wieder aushecken wollte.
Trotz allem war die Rothaarige erleichtert, dass jetzt die Gruppe endlich zusammen kommen würde. Sie warf einen prüfenden Blick zurück über die Schulter. Die zwei Damen mit Kind schlossen rasch auf und Stevie musste auch hier feststellen, dass sie dabei war dieselben Fehler zu machen, wie die Männer, über die sie sich immer aufregte, denn sie hatte auch diese beiden Damen unterschätzt. Gekonnt und entspannt saßen sie auf den blanken Pferderücken und trabten flott auf sie zu. Demnach war es wohl doch möglich Camden Village schneller zu erreichen als Stevie sich das gedacht hatte. Wunderbar! Dann konnte sie dieses Wespennest endlich sich selbst überlassen, denn ihre Pflicht war dann getan. Als ihre Begleiterin sie plötzlich direkt ansprach wandte sich ihr Stevie wieder zu. Doch sie zögerte bevor sie dieses Mal freimütig antwortete und die Fremde augenblicklich durchstartete. „Es ist noch ein gutes Stück. Wir haben noch etwa eine halbe Stunde zu Pferd vor uns würde ich sagen. Vielleicht sogar noch länger, denn bei den Schneemassen ist es für die Pferde anstrengend gut voran zu kommen.“ Der Wink mit dem Zaunpfahl wurde von der Fremden wahrscheinlich erst gar nicht verstanden, aber sei es drum. Stevie war es wichtig, dass die Kräfte der Tiere geschont wurden und die Reiterinnen wohlbehalten an ihrem Ziel ankommen würden. Und nein, dieses Mal deutete Stevie keine Richtung mehr an, so dass man endlich beisammen blieb.
Der vom Schnee gedämpfte Hufschlag hintern ihnen verriet Stevie, dass Miss Alcott und ihre Mutter aufgeschlossen hatten. Stevie sah zu Miss Alcott und zwinkerte dem Jungen, der mit leuchtenden Augen vor seiner Mutter auf dem Pferd saß, freundlich zu. Der Kleine gefiel Stevie. Ein Herz für Kinder hatte sie schon immer gehabt und wie immer, wenn sie Kindern begegnete waren ihre Gedanken augenblicklich bei ihrem eigenen. „Nun gut, wie ich sehe sind hier alle perfekte Reiter. Dann können wir das Tempo wieder etwas anziehen und dann ist Camden Village nicht mehr weit. Auf geht’s.“ sie gab Whisky das entsprechende Zeichen mit den Schenkeln und ließ ihn wieder in einen Trab fallen, der jedoch langsamer war, als der vorherige. Kurz darauf folgte die angesprochene Weggabelung, den die Gruppe gemeinsam ohne Probleme nahm und den Weg nach Camden Village fortsetzte. Wobei Weg weit übertrieben war. In der verschneiten Landschaft sah alles mehr oder weniger gleich aus und wirkliche Wege waren nicht zu erkennen. Stevie war selbst noch nicht all zu lange mit dieser Gegend vertraut, doch konnte sie sich immer recht gut orientieren. Zurecht finden in der freien Natur gelang ihr oftmals sogar besser wie in einer Stadt. Auch wenn sie scheinbar gelassen im Sattel saß waren ihr Augen wachsam, denn die Nachricht des Kutschers, dass Wölfe sich so nah an die Pferde heran gewagt hatten, dass diese gescheut hatten, hatte auch Stevie beunruhigt. Ihre Hand lag seit ihrem Aufbruch locker auf ihrem Bein, jedoch nicht weit von dem Griff ihrer Winchester entfernt, die am Sattel befestigt war.
Die Stille unter ihren Begleiterinnen hatte ebenso viel von der eisigen Kälte wie der Wind, der gelegentlich durch die kahlen Äste der Bäume sauste und leichte Schneeverwehungen dadurch erzeugte. Stevie sah sich gezwungen es noch einmal zu versuchen die Stimmung zu retten. Sie gab bekanntlich nicht so schnell auf. „Was führt sie denn nach Camden Village, Miss Alcott, wenn ich fragen darf?“
Unterwegs nach Camden Village Tamina, Helen, Laura und Calvin zusammen mit Stevie
Durch ihre Mutter zu einem schnelleren Galopp gezwungen holten sie doch schneller zu den beiden Frauen auf, als Helen gedacht hätte. Oder überhaupt gewollt hätte. Die Fremde war inzwischen doch mehr ein Klotz am Bein geworden, als das man mit ihr etwas sinnvolles hätte anfangen können. Eine Unterhaltung mit ihr zu führen war darüber hinaus völlig unmöglich. Die Fremde wollte vorankommen und dabei keine Rücksicht üben. Das hatte Helen nun langsam begriffen. Wieso es die Frau jedoch so eilig hatte, konnte sich Helen nicht erklären. Hier bei ihnen auf dem Land mahlten die Mühlen langsam und entsprechend gemächlich ging man sein Tageswerk an. Natürlich wollte man es bis zum Sonnenuntergang abgeschlossen haben, aber wenn dies nicht funktionierte, war es auch kein Beinbruch. Hast und Eile war den meisten Menschen auf dem Land kein Begriff. Und doch wurden Miss Hall und die Fremde etwas langsamer und schienen kurz ein paar Worte zu wechseln, so dass sie aufholen konnten. Als Miss Hall dabei prüfend über die Schulter blickte, hob Helen eine Hand, als Zeichen, dass alles in Ordnung war, man holte auf. Als sie die beiden tatsächlich erreichten, hörte Helen gerade noch die letzten Worte von Miss Hall, mit denen sie der Fremden wohl zu erklären versuchte, wie weit es noch bis in die Stadt war. Sie hatte selbst befürchtet, dass der Schnee sie an einem schnelleren Ritt hintern würde, aber es aus dem Mund von jemanden zu hören, der sich hier auskannte, machte die Sache leider sehr real und damit zu einem Ärgernis. Natürlich wollte Helen auch so schnell wie möglich aus dem Schneegestöber, aber sie dachte mehr an die Gesundheit von Calvin als an ihr eigenes Befinden und schon gar nicht wäre es ihr in den Sinn gekommen sich darüber zu beschweren. Wenn es nicht ging, dann ging es nicht. Gefallen musste es ihr dennoch nicht.
Calvin, der auf Miss Halls Zwinkern mit einem verschmitzten Grinsen reagiert hatte, wurde unruhig. Tempo klang in seinen Ohren wunderbar. Denn wie er seine Mutter kannte, wollte sie mit ihm auf dem Pferd kein Risiko eingehen. Wären sie alleine geritten wäre an schnelleres Vorankommen gar nicht zu denken gewesen. Er hätte ja herunterfallen können oder durch den kalten Wind sich eine Erkältung einfangen können. Miss Hall jedoch machte es seiner Mutter sichtlich schwer zu widersprechen und das ließ Calvin auf einen aufregenden Ritt hoffen. Helen verzog tatsächlich ein wenig das Gesicht, aber nicht auffällig genug, als das man ihren Gesichtszug als direkte Reaktion auf Miss Halls Worte hätte deuten können. Denn natürlich zog sie sofort die Risiken für ihren Jungen in Betracht und war sich nicht sicher, ob es ratsam war mit ihm auf dem Pferd das Tempo anzuziehen. Andererseits, wenn die Stadt so nah war und die Aussicht auf ein warmes Kaminfeuer stieg, wollte sie die letzte sein, die ihre Bedenken äußerte. Sie nickte daher nur und ließ ihr Pferd ebenfalls mit leichtem Schenkeldruck wissen, was sie von ihm wollte. Der leichte Trab brachte sie rasch zu der vorhin erwähnten Weggabelung und Helen war darüber ein bisschen erleichtert. Noch schien sie der Schnee nicht aufzuhalten und sie kamen voran. Woran sich Miss Hall eigentlich orientierte, um den Weg zu finden, war ihr dabei ein kleines Rätsel. Für sie sah im Moment alles gleich aus und natürlich lagen die vorgegebenen Weg unter einer tiefen Schneedecke begraben. Sie hätte sich bestimmt hoffnungslos verirrt. Ab und an streifte ihr Blick den Waldrand. Es war nur ein Kontrollblick, nicht wirklich die Furcht vor Wölfen, doch das sie da waren, hatten sie ja erst vorhin am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Die plötzliche Frage von Miss Hall, die sich an Helen richtete, ließ diese überrascht blinzeln, was jedoch leicht auf den starken Schneefall zu schieben war und fühlte sich unangenehm daran erinnert, dass sie selbst neugierig auf Miss Hall ein paar Fragen gehabt hatte. Nun, die Gelegenheit die erste zu sein hatte sie bereits ungenutzt verstreichen gelassen, aber möglicherweise bot sich in der angefangenen Unterhaltung eine weitere Chance. So musste sie sich jedoch erst einmal ausfragen lassen.
"Sie dürfen," erwiderte sie mit einem kleinen Lächeln. "Die Geschäfte sind schuld," oder besser gesagt ein gewisser Simones. "Ich habe vor mich hier in Camden Village niederzulassen. Ich weiß nicht, sind sie von hier Miss Hall? Sagt ihnen da die Snowflake-Ranch etwas? Ich hab sie letzte Woche von Mr. Goren erworben und dehne meine Rinderzucht ein wenig aus. Hier sind die Weiden furchtbarer als unten in St. Johns."
Unterwegs nach Camden Village Tamina, Helen, Laura und Calvin, Stevie
Ob und wie die Anderen nachkamen war Tamina egal. Und wenn sie vom Pferd fallen würden, die orientalische Schönheit würde weiterreiten. Zumal die Frauen es dann nicht wert waren. Wer bitteschön fiel denn schon von einem Pferd? Dumme, ungeschickte Menschen. Und denen sollte die Prinzessin dann helfen? Niemals! Es war Tamina auch gleichgültig ob die Personen hinter ihr Grimassen schnitten, zwinkerten oder sonst etwas taten. Die Rothaarige sollte sich ruhig mit den Anderen unterhalten. Musste sich Tamina nicht mit ihnen abgeben. Statt dessen lag ihr Blick auf dem Weg vor sich. Oder besser gesagt dieser verschneiten Landschaft. Hier sah alles gleich aus und nichts davon war schön. Die Prinzessin konnte dem Schnee nichts abgewinnen. Er war kalt und langweilig weiß. Mittlerweile fror sie erbärmlich und würde sie nicht die Wärme des Pferdes an ihren Schenkeln spüren, sie wäre sicherlich schon erfroren. Am liebsten hätte sie das Tier weiter angetrieben, doch die Worte der Rothaarigen hatte Tamina aufhorchen lassen. So schnell würden sie dieses Camden Village nicht erreichen, das hieß das Pferd musste seine Kräfte schonen. Denn absteigen würde die Prinzessin ganz gewiss nicht mehr. Dann erhöhte aber die Rothaarige ganz von alleine das Tempo wieder, wogegen Tamina überhaupt nichts einzuwenden hatte. Mit kaum sichtbaren Kommandos trieb auch sie ihr Pferd wieder an und blieb an der Spitze der Gruppe. Nicht vor der Rothaarigen aber auch kaum hinter ihr. An Wölfe oder andersartige Gefahren dachte Tamina nicht. Ihr Blick ging streng nach vorne. Sie wollte sofort sehen, wenn sich zwischen den Bäumen ein Haus zeigte oder sie Rauchschwaden eines Schornsteins sah. Denn dann wusste sie, dass sie angekommen waren und dann war die Gruppe für sie hinfällig. Dann war die Prinzessin so gut wie auf dem Weg zurück in ihre Heimat. Wie bitter sie doch enttäuscht werden sollte.
Unterwegs nach Camden Village Tamina, Helen, Laura und Calvin zusammen mit Stevie
Mrs. Alcott, Stevie war sich eigentlich sicher, dass die Frau verheiratet war und ihr Mann möglicherweise in Camden Village wartete, schenkte ihr ein kleines Lächeln auf ihre Frage hin. Sie wirkte reserviert, beinah kühl, was für Stevie aber in Ordnung war. Nicht jeder war und konnte so impulsiv sein wie sie. Geradezu eine unangenehme Vorstellung, wenn sich jeder wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten würde. Die Antwort überraschte Stevie dann aber doch. Geschäfte führten die Dame hierher und sie plante in Camden Village zu bleiben. Das hiess zumindest, dass sie auch nicht von hier war und gerade erst hierher zog, was auch dazu passte, dass sie dann möglicherweise nicht vertraut mit der Gegend und somit auf Stevies Hilfe angewiesen war. Dennoch wurde Stevie hellhörig. Es gab nicht viele Frauen, die von Geschäften redeten. Meist wurde noch „mein Mann“ oder ähnliches hinzuzitiert. Doch Mrs. Alcott blieb bei der Variante, dass es offensichtlich ihre eigenen Geschäfte waren, die sie hierher führten. Interessant. Auf ihre Frage hin, ob Stevie von hier sein schüttelte sie leicht ihren Kopf und antwortete: „Nein, ich bin auch noch nicht lange hier in Camden Village.“ Und Mrs. Alcott fragte sie dann nach einer Snowflake-Ranch. Der Name der Ranch war ihr nicht bekannt. Das Umland zu erkunden hatte sie noch nicht geschafft. Gerade erst hatte sie einen groben Überblick über Camden Village und dessen Bewohner und selbst da hatte sie noch Zuordnungsschwierigkeiten. Von den umliegenden Farmen und Ranches wusste sie bisher noch nichts. Nun gut, ausser Mr. Simones Ranch, die jedoch künftig nicht mehr der Rede wert sein würde. Als Mrs. Alcott jedoch erwähnte, dass sie ihre Rinderzucht ausdehnen wollte, hüpfte Stevies Herz plötzlich vorfreudig in ihrer Brust. Das bedeutete doch sicherlich, dass sie auf der Suche nach Arbeitskräften war! Stevie konnte ihr Glück kaum fassen. Dennoch zwang sie sich nach außen hin ruhig zu bleiben. Sie wollte nur ungern heute ein zweites Mal abblitzen, noch dazu war es vielleicht zu früh Mrs. Alcott danach zu fragen. Aber die Not von Stevie war groß, denn eigentlich zählte jede Minute. Sie brauchte unbedingt einen Job oder sie würde das Zimmer im Gästehaus demnächst räumen müssen. Cassiel würde ihr sicherlich Platz bei sich anbieten, aber das wollte Stevie nur ungern annehmen. Er hatte schon genug für sie getan. „Ich bin selbst noch nicht lange hier in Camden Village, erst seit ungefähr einer Woche. Diese Ranch kenne ich noch nicht, nein. Der Schneesturm hat mich hier erstmal festgehalten und hat es bisher auch verhindert das Umland näher zu erkunden. Deswegen habe ich beschlossen vorerst hierzubleiben, um Land und Leute besser kennen zu lernen. Möglicherweise lebt es sich hier nicht schlecht.“ Was redete sie denn da? Um den heissen Brei herumzureden verleitete sie immer wieder dazu Käse zu reden und sie schätzte Mrs. Alcott so ein, dass diese besseres zu tun hatte als sich belangloses Gefasel anzuhören. Stevie besah sich die Frau näher. Sie saß sicher auf dem Pferderücken und drückte ihren Jungen beschützend an sich. Sie strahlte eine gewisse Autorität aus, die möglicherweise auch von ihren strengen Gesichtszügen unterstrichen wurden. Je mehr Stevie darüber nachdachte, desto mehr meinte sie eine waschechte Ranchersfrau vor sich zu sehen. Vielleicht war man sich am Ende gar nicht so unähnlich? Sie schaute zu der Fremden neben sich, die stur geradeaus blickte und am Gespräch keinerlei Interesse zeigte. Doch zumindest blieb sie jetzt bei der Gruppe. Auch die alte Dame unter ihnen blieb nun ruhig und ritt in eleganter Haltung auf ihrem Pferd gekonnt mit den anderen mit. „Verstehe ich das richtig, dass sie hier eine Ranch aufbauen wollen?“ fragte Stevie stattdessen um sanft zu dem was sie nun unbedingt wissen wollte vorzudringen. Wenn dem so wäre dann müsste Stevie eigentlich ihre Chance hier und jetzt beim Schopfe packen und Mrs. Alcott nach Arbeit fragen.
Unterwegs nach Camden Village Tamina, Helen, Laura und Calvin zusammen mit Stevie
Helen lächelte unverbindlich, als Miss Hall ihre Frage nach deren Herkunft und Kenntnis über das Umland mit einem Nein beantwortete. Bei all ihrem Glück heute hätte es Helen doch sehr verwundert, wenn sie tatsächlich auf eine Einheimische mit Ortskenntnis gestoßen wären. Zumindest schien die Frau jedoch schon eine kleine Weile in Camden Village zu leben, denn ganz neu schien sie nicht zu sein. Den Weg zumindest schien sie ja zu kennen. Das war beruhigend. Es war sowieso auch nur eine eher rein informelle Frage über die Ranch gewesen. Hätte Miss Hall diese gekannt, hätte sich Helen über die Entfernung und Lage informieren können. Da Miss Hall dabei den Blizzard erwähnte, konnte sich Helen von alleine ausrechnen, wie lange die Frau schon hier war. Wohl nicht mehr als eine Woche. Irgendwie erheiterten Helen die Worte der Frau und sie lachte leise. "So kann man natürlich auch höflich ausdrücken, dass man ungewollt am Ende der Welt gelandet ist," erklärte sich Helen und schmunzelte breit. "Im Sommer ist es hier auf jeden Fall wunderschön," fügte sie hinzu. "Falls sie die Absicht haben so lange zu bleiben." Noch einmal musste Helen leise lachen, denn die Vorstellung, dass jemand hier strandete und tatsächlich noch blieb, wenn der Schnee schmolz war unvorstellbar. Natürlich hatte der Norden von Wyoming seinen Reiz, aber man musste hier schon hart für sein Geld arbeiten, genoss dafür aber gewisse Freiheiten, die sie, vor allem als Frau, niemals im Osten gehabt hätte. Die interessierte Frage nach der Ranch lenkte Helen wieder mit ihren Gedanken zurück auf die Unterhaltung, die bis auf Miss Hall und sie selbst niemand zu interessieren schien. Cal fing vor ihr mit der Zunge die Schneeflocken auf, Muttern ritt stur gegen den Wind an und die Fremde sah nicht nach links und rechts und strahlte völliges Desinteresse aus.
"Ja, das haben sie durchaus richtig verstanden. Oder sagen wir mal so. Die Snowflake-Ranch verfügt über fruchtbare Weide und eine stolze Rinderherde. Mein eigenes Land stößt von St. Johns aus genau auf die Snowflake-Ranch. Durch den Verkauf von Mr. Goren an mich ist es mir nun möglich meine Ranch zu vergrößern. Wird zwar bis zum Frühling noch dauern, aber so ein Geschäft will ja vor Ort von der langen Hand geplant sein. So eine Ranch und die Herden brauchen schließlich gute Arbeiter und ich die Gewissheit, die richtigen Leute gewählt zu haben." Helen kam überhaupt nicht in den Sinn, die Frau könnte ihre Worte für Schwachsinn halten, weil eine Frau nun einmal hinter den Herd gehörte, aber nicht in den Sattel und schon gar nicht vorstehend als Chefin einer Ranch zu fungieren hatte. Eine Frau mit dem Erscheinungsbild von Miss Hall würde es vielleicht überraschen, aber sicherlich nicht aus dem Sattel werfen. Da war sich Helen sicher.
Unterwegs nach Camden Village Tamina, Helen, Laura und Calvin zusammen mit Stevie (nach Absprache setzt Tamina vorerst aus)
Am Ende der Welt… so bezeichnete es Mrs. Alcott und im Prinzip hatte sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Ja, Camden Village lag durchaus etwas abgelegen und Stevie war sich bis heute nicht ganz sicher wie sie dahin gekommen war. Sie hatte das kleine Städtchen mehr durch Zufall gefunden und dieser Zufall hatte ihr auch ganz zufällig das Leben gerettet. Für Stevie beinah zu viele Zufälle. Meist gab es doch einem Haken, zumindest in ihrem Leben. Bekanntlich bekam man nichts geschenkt. Doch bisher hatte sich Camden Village als gar nicht so schlecht erwiesen und anfangs schien es sogar fast so, als hätte Stevie eine wahre Glückssträhne. Sie sah zu Mrs. Alcott hinüber. Möglicherweise nahm ihre Glückssträhne gerade wieder Fahrt auf. Vielleicht hatte sie hier gerade ihr neue Arbeitgeberin kennen gelernt. Aber das war wohl doch etwas zu schnell voraus galoppiert. Stevie lauschte den Worten von Mrs. Alcott, die mehr ortskundig zu sein schien als Stevie. Sie erwähnte, dass die Sommer hier wunderschön waren. Stevie lachte leise auf. „Wenn die Sommer so schön sind wie die Winter hier grausam sind, dann könnte ich es mir tatsächlich überlegen so lange zu bleiben.“ Mrs. Alcott hatte Stevies volle Aufmerksamkeit, als sie begann über die bereits vorhin erwähnte Snowflake-Ranch zu sprechen. Nicht, dass Stevie zwischenzeitlich desinteressiert gewesen wäre, aber nun sprach Mrs. Alcott abermals ein Thema an, das Stevie ans Herz ging. Ranch und Farm und das damit verbundene Leben, der Alltag, die Geschäfte all das vermisste Stevie seit sie die elterliche Farm verlassen hatte. Und es zog sie mit aller Macht wieder in diese vertrauten Gefilde. Stevie war sich sicher, dass sie nur auf einer Farm oder Ranch zu gebrauchen war und auch nur hier konnte sie zeigen was sie wirklich konnte. Stellte man sie in die Küche war sie nur ein Bild des Jammers. Stevies Herzschlag beschleunigte sich als ihr Mrs. Alcott erklärte, dass sie dabei war ihre Ranch zu vergrößern. IHRE Ranch. Das klang wie Musik in Stevies Ohren. Eine waschechte Ranchersfrau hatte sie wohl hier gefunden. Das sie das nicht gleich bemerkt hatte. Sie hatte doch die typischen Merkmale dafür: immer mit den Worten und der Meinung direkt heraus, sie saß perfekt im Sattel oder momentan auf dem blanken Pferderücken und Stevie konnte sich gut vorstellen, dass es ihr nicht schwer fiel Befehle zu erteilen. Vielleicht hatte sie der Rock irritiert, den Mrs. Alcott als Reisekleidung gewählt hatte. Vielleicht trug sie im wahren Alltag auch Hosen und ihr Gewehr war ebenfalls nie weit. Stevies Fantasie begann bereits Flügel zu bekommen. Und sie erwähnte gute Arbeiter. Da stimmte ihr Stevie voll und ganz zu. Man musste sich auf seine Leute verlassen können. Hätte Mrs. Alcott gewusst welchen Flächenbrand sie gerade in Stevie angefacht hatte, hätte sie vielleicht mehr auf ihre Worte…. Nein. Hätte sie nicht. Wenn sie auch nur halbwegs wie Stevie war, dann würde sie sich genauso geben wie sie sich fühlte und sagen was sie dachte. Ganz im Sinne der Rothaarigen. Mrs. Alcott gefiel ihr von Sekunde zu Sekunde besser, wobei Stevie trotz allem versuchte ihre Aufregung und ihre blühende Fantasie wieder in den Griff zu bekommen, bevor sie sich damit wie gewohnt selbst einen Strich durch die Rechnung machte. „Das klingt sehr viel versprechend für ihre Ranch, Mrs. Alcott.“ Stevie war beeindruckt. Die Frau war genau da, wo Stevie immer hin gewollt hatte. Eine eigene Ranch mit genug Land, die einem auch einen gewissen Lebensstandard ermöglichte. Endlich keine Geldsorgen mehr, endlich ihre Familie zu sich zu holen, so wie Mrs. Alcott ihren Jungen wie selbstverständlich gerade bei sich hatte und nebenbei täglich das tun, was einen voll ausfüllte und glücklich machte. Was gab es schöneres. Doch die Ranchersfrau hatte auch erwähnt, dass ihre Erweiterung und das Bewirtschaften der neu hinzu gekauften Farm noch bis in den Frühling hinein würde warten müssen. Bis dahin wäre Stevie bereits obdachlos und in größten Geldnöten. Sie brauchte jetzt Arbeit. Aber sie konnte wohl kaum jemanden als sich selbst den Vorwurf machen, warum dies so war. Es war bekanntlich nicht leicht gegen den Strom zu schwimmen und oftmals musste man über seinen eigenen Schatten springen und etwas wagen. Stevie gab sich einen Ruck. Entweder sie versuchte ihr Glück jetzt und in diesem Moment oder sie sah die Frau erst wieder, wenn sie alles geregelt hatte und möglicherweise niemand mehr für ihre Ranch brauchte. „Möglicherweise breche ich mit meiner Frage etwas vorschnell voraus, aber besteht die Möglichkeit, dass sie noch Arbeiter suchen, wenn sie ihre Ranch und die Rinderzucht ausbauen wollen?“ sie sah Mrs. Alcott direkt an und war sich der stillen Zuhörer sehr wohl bewusst. Aber diese musste sie in Kauf nehmen. „Sehen sie, ich suche Arbeit. Sogar sehr dringend, wenn ich ehrlich mit mir selbst bin und die Arbeit auf einer Ranch wäre ein Traum für mich. Ich bin selbst auf einer kleinen Farm groß geworden und gerade auf Rinderzucht verstehe ich mich dank meins Vaters bestens. Wir hatten auch immer eine kleine Rinderherde zuhause und mein Vater hat mir beigebracht mit ihnen umzugehen. Eine Leidenschaft, die nicht viele Frauen teilen, aber mich hat es durchaus gepackt.“ Sie lachte leise, als sie an ihre Anfänge dachte. „Mit ihrer Herde ist die meines Vaters wohl kaum zu vergleichen, aber ich behaupte mal, dass die Rinder doch auch hier in Wyoming nicht viel anders ticken als die in Texas.“ Wie nebenbei hatte sie ihren Herkunftsort ausgeplaudert, etwas das sie eigentlich immer zu vermeiden versuchte. Ihr Mundwerk war mal wieder schneller gewesen. Doch Stevie ließ sich nicht anmerken, dass sie Informationen ausgeplaudert hatte, die sie besser für sich behalten hätte. Sie sah wieder zu Mrs. Alcott, um in ihrem Gesicht lesen zu können, ob sie ihre Frage gut oder schlecht fand. Doch die Frau hatte wahrlich ein Pokerface. Stevie würde abwarten müssen was sie ihr dazu sagen würde. Mehr wie ein zweites Nein an diesem Tag konnte nicht passieren.