Francis hatte nur kurz eine Braue in die Höhe gezogen, als Ben davon sprach, dass es ihm leid tat und dann recht trocken statuiert: "Dafür ist es jetzt wohl ein bisschen zu spät, mein Sohn. Und dass es dir auch wirklich leid tut, dafür werde ich gleich sorgen." Und danach hatte er mit wachsender Ungeduld seinen Sohn dabei beobachtet, wie er mit viel Angst im Gesicht die Arme ausstreckte und gehorsam die Handflächen nach oben drehte. Anders als bei Jerry musste er nicht nachfassen und für die Ausführung der Anweisung sorgen. Man sah ja deutlich wer die bessere Erziehung bislang genossen hatte. Und darauf war Francis im Augenblick in der Tat sehr stolz. Es wäre auch sehr ärgerlich gewesen, wenn Ben mit seinen 12 Jahren noch immer nicht begriffen hätte wie notwendig es war, dass er durch die „freiwillige“ Präsentation seiner Hände lernte, seinen Schutzreflex zu überwinden und so mehr Willenskraft und Selbstdisziplin erlernte. Beides war wichtig, um sich bei der nächstbietenden Gelegenheit vor der eigenen Dummheit zu bewahren. Oder einem Jungen wie Jeremiah mit einem Nein zu begegnen, wenn dieser wieder Blödsinn und Unfug aushecken wollte. Francis wollte nur hoffen, dass Ben es ihm genauso leicht machte wie Jeremiah. Ein Wegziehen der Hände hätte für Ben wirklich unangenehme Folgen, die selbst Francis seinem Sohn vor den Geschwistern und Jerry nicht zumuten wollte. Das Ben das Gesicht abwandte, genau wie sein Freund, missfiel Francis. Normalerweise hätte er darauf bestanden, dass der Junge ihn dabei ansah. Doch er wollte dieses eine Mal Gnade walten lassen und aus Rücksicht wegen Jeremiahs Anwesenheit keine große Sache daraus machen.
Jeremiah war zu Francis Wohlwollen sichtlich mit Unbehagen erfüllt so wie er betreten neben Ben stand, nicht sicher wohin er mit seinem noch immer feuchten Blick sollte. Damit hatte er wohl erreicht, was er hatte erreichen wollen.
Viel Zeit ließ Francis schließlich nicht verstreichen, kaum das Ben die Hände bereit hielt. Wie zuvor bei Jeremiah holte ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren zweimal rasch hinter einander kraftvoll aus und versetzte so Bens Handflächen und Fingerspitzen je einen schmerzhaften Hieb. Was für Jeremiah nur eine Abschreckung hatte sein sollen, damit er endlich den Mund hielt und die Autorität des Hausherrn anerkannte, war bei Ben ernsthafte Bestrafung umgangener Gesetze und entsprechend hart fiel diese für das Werfen eines Schneeballs aus. Darum auch die beiden Hände und nicht nur die eine. SOmit konnte Ben so schnell egal bei welcher Arbeit seine Misstat nicht vergessen. Nach vollzogener Strafe legte Francis den Rohrstock nicht wieder zur Seite. Es galt schließlich noch Marthas Diebstahl abzustrafen und leider Gottes würde das Mädchen mit zwei raschen Hieben kaum davon kommen können. Francis graute es selbst davor, aber was getan werden musste, musste getan werden. Es war niemals die Rede davon gewesen, dass Kindererziehung etwas mit Spaß zu tun hatte.
"Matt? Du kannst mit Jeremiah jetzt los. Ich denke die beiden haben ihre Lektion gelernt?" sein Blick ruhte auf den beiden Jungen und Jerry hatte es sehr eilig zu nicken. Alles, hauptsache er kam von hier weg. "Ben wird in ein paar Minuten folgen dürfen. Warte an der Kirche auf ihn und sorge dafür, dass dieser Lümmel hier nichts auslässt, wenn er gleich beichten muss. Ben, du brauchst keien Angst haben. Ich habe keine weitere Bestrafung für dich im Augenblick vorgesehen. Allerdings wird dir Martha gleich lehren, wie falsch es ist die eigenen Eltern zu bestehlen," auf seine Worte hin ließ Martha ein lang unterdrücktes Schluchzen heraus und ihre Schultern erzitterten darunter. Sie hatte längst begriffen, wie Vater sie abstrafen würde, nicht anders als es wohl Mutter auch getan hätte, nur ungleich härter und schmerzhafter. Dummerweise würd er verlangen, dass sie die Hiebe hinnahm ohne Theater zu veranstalten und wenn sie es doch tat? Sie wollte es sich erst gar nicht ausmalen müssen. Nur wie sie später Mutter beim Abendessen helfen sollte, wenn ihre Fingerspitzen noch ganz taub und geschwollen waren, konnte sie sich lebhaft vorstellen. Das war Anlass für ein erneutes Schluchzen, obwohl ihre Brüder und dieser Jeremiah dabei zu sehen konnten. Ihr war es im Augenblick egal.
Ein bisschen zitterten Bens Knie nun doch, als sein Vater mit dem Stock ausholte. Der erste schnelle Hieb des Vaters auf die Innenflächen seiner Hände hinterließen deutliche gerötete Abdrücke des Stocks und der beißende scharfe Schmerz ließ Ben scharf einatmen. Noch bevor dieser Schmerz abebbte ließ ihn ein noch schärferer Schmerz die Tränen in die Augen steigen. Die Handflächen brannten noch von dem Hieb mit dem Stock und seine Finger fühlten sich so an, als ob sie nie wieder bewegt werden konnen. Ben wusste nicht, wie es sich anfühlte, so die Knochen gebrochen waren, aber so stellte er es sich vor. Ein Schluchzen und Weinen unterdrückte er, in dem er genau wie Jerry verständig und eifrig zu den Worten seines Vaters nickte. Nötig, damit ihm die Angelegenheit leid tat, wäre das seiner Meinung nach nicht gewesen, aber er sah ein, dass er besser daran getan hätte, laut nach Matt zu rufen. Andererseits hätte das auch Ärger bedeutet! Ben schniefte und blinzelte, um die Tränen aus den Augen zu bekommen. "Danke, für die wohl verdiente Strafe." Kaum brachte er diesen Satz über die Lippen, denn er wusste, dass er wohl noch einmal in den Schuppen musste, denn sein Vater pflegte jedes Vergehen einzeln abzustrafen und sein Ungehorsam war damit noch nicht gesühnt. Egal was ich mache - am Ende drohen doch Hiebe und dieses dämliche Buch ist auch egal.. Der Zwölfjährige fühlte sich unverstanden und vor Allem ungerecht behandelt. Er wusste doch, dass er nicht gegen derlei Ablenkungen ankam, wie sie das Toben im Schnee eben boten. Er war schnell für eine Sache zu begeistern und den Impuls, dieser Begeisterung nachzugeben konnte er oft nicht unterdrücken. Ich bin eben so.. komisch.. merkwürdig..irgendwie.. Erst die Worte des Vaters, die wohl an Matt gerichtet waren, lenkten ihn von diesen Gedanken ab. Danach sollte er wohl in wenigen Augenblicken alleine zur Kirche, aber warum? Unsicher zog er sich ein bisschen zurück und sah Martha fragend an, die leise vor sich hin schluchzte. Ihm blühte wohl vorläufig nichts Arges, denn der Vater betonte, dass er keine Angst haben müsse - für ihn sei im Moment keine weitere Strafe vorgesehen. Trotzdem hatte Ben Angst vor dem Nachmittag, denn er würde dann sicherlich in den Schuppen müssen, statt im Schnee mit den anderen Kindern spielen zu können. Seine Hände brannten noch immer von den Hieben und in den Fingerspitzen klopfte es schmerzhaft, so dass Ben gar nicht wusste, wo er zuerst pusten sollte. Abwechselnd pustete er nun kühlend auf die linken und rechten Finger und wünschte, er könnte bereits mit Matt hinaus. Der kühle Schnee - das wäre es jetzt! Aber nein - er würde bleiben und zusehen müssen, wie Martha wegen Diebstahl bestraft wurde, auch wenn das wieder sehr ungerecht war. Er war noch nicht einmal in Versuchung geraten zu stehlen und wahrscheinlich würde man ihm jeden Betrugsversuch ohnehin sofort von der Stirn ablesen können.
Auch Matt wandte kurz den Blick ab, als sein Vater ausholte und mit dem Rohrstock auf Bens Finger und Hände schlug. Sicher war Ben in der Hinsicht Kummer gewöhnt, da er oft von Reverend Hawkins auf diese Weise bestraft wurde, aber dennoch waren diese Schmerzen nahezu unterträglich. Wenn er das schon so empfand, wie mochte es dann seinem kleinen empfindsamen Bruder damit gehen? Matt hatte seine Gesichtszüge bereits wieder unter Kontrolle, als sein Vater ihn aufforderte, mit Jerry zur Kirche voraus zu gehen. Dagegen hatte Matt nichts einzuwenden, denn er verschaffte sich gerne noch Bewegung vor der Kirche. "Ist gut, Pa." Mit einem Nicken bestätigte Matt, dass er die Worte des Vaters gehört und auch in Gänze verstanden hatte, obwohl er nicht ausdrücklich darauf einging. Er würde schon darauf achten, dass Jeremiah seinem Vater von der zerbrochene Scheibe berichtete. Dass er bereits dafür bestraft worden war, würde er wohl auch nicht vergessen, denn die Hand schmerzte sicherlich noch immer. Allerdings, so fürchtete Matt, waren dessen Schmerzen wohl kaum mit denen zu vergleichen, die Martha auszuhalten hatte, sollte sie tatsächlich gestohlen haben. Glauben mochte Matt das von seiner Schwester nicht, aber stille Wasser waren oft tief. Warum allerdings Ben zusehen sollte, um ein abschreckendes Beispiel vor Augen zu haben, verstand Matt nicht. Ben und stehlen - da treffen wirklich zwei Welten aufeinander - das kann er gar nicht. Fast hätte Matt darüber geschmunzelt, denn im Gegensatz zu ihm, konnte sich Ben nicht einmal mit Halb- oder echten Wahrheiten herausreden, ohne dass dies sofort aufflog. Da ging Stehlen so etwas von gar nicht. Allerdings wusste sein Vater in aller Regel, was er tat, so dass Matt keine Zweifel äußerte. "Du hast gehört, Jeremiah. Auf geht's." Diese Aufforderung Matts hatte es wohl nicht gebraucht, denn Jeremiah folgte ihm ohne Weiteres, als er sich erhob und das Wohnzimmer verließ. Matt schlüpfte im Flur in seine warmen Stiefel und Jacke. Jeremiah zog sich schweigend wieder an, so dass Matt annahm, dass dieser noch unter den Schmerzen litt und wahrscheinlich Angst vor der Strafe durch seinen Vater hatte. Matt hatte nach dem ersten Zusammentreffen mit Reverend Stevenson zwar den Eindruck gewonnen, dass dieser den Jungen ganz anders behandelte, als er erzogen wurde, aber auch in dem Zusammenhang galt das Sprichwort, nach dem stille Wasser tief waren. Man konnte den Menschen eben nur ins Gesicht gesehen - selten dahinter. Matt störte sich nich an dem mißmutigen Schweigen des Jungen, sondern ging ihm voraus die Treppe hinunter. Bei den ersten Schritten trat noch ein stechender Schmerz in seinem Knie auf, der irgendwo unter der Kniescheibe seinen Ursprung zu haben schien. Matt achtete darauf nicht weiter und als er endlich draußen vor der Veranda die frische kalte Luft genoss, war der Schmerz bereits wieder in Vergessenheit geraten. Gegen die Kälte hatte er den Kragen seiner Jacke hochgeschlagen, aber dennoch war die Kälte zumindest auf seiner Stirn beißend. Kurz bedauerte er, dass er seinen Hut hatte liegenlassen und war froh, an die Handschuhe gedacht zu haben. Jeremiah folgte ihm weiterhin wortlos durch den Schnee stapfend und hatte vermutlich gerade keinen Sinn für die Schönheit des glitzernden Weiß, das sie umgab. Möglicherweise war die Glocke zu früh geläutet, denn noch waren kaum Menschen auf der Lakestreet unterwegs. Matt verstand, dass Jeremiah es wohl nicht eilig hatte, ging aber trotzdem zügig voran. Er wollte weder Jeremiah noch dessen Vater zumuten, dass der Junge bei seiner Erzählung allzuviele Zuhörer unterhielt. Nein, so eine Erzählung, wie diese Beichte, war nicht unbedingt unterhaltend zu nennen und sicherlich schämte der Junge sich bereits so schon deswegen - und wegen des Wutausbruches möglicherweise gar vor ihm.
Jerry versuchte noch immer tapfer zu sein, obwohl die Hand fürchterlich schmerzte und ihn die Tränen ohne Unterlass in die Augen traten. Doch ander als Ben hatte er sich die Hand schlicht unter die Achsel gesteckt und versuchte so das Brennen und Pochen zu überlagern. Für Bens Pusten auf die Fingerspitzen hatte Jerry nur ein müdes Lächeln übrig. Damit hatte er es früher auch probiert, natürlich ohne je Besserung dadurch zu erreichen. Als Ben sich jedoch auf einmal bei seinem Vater für die Hiebe bedankte, bekam Jerry große Augen und vergaß tatsächlich für einen Moment die Schmerzen. Hatte er sich da eben verhört?
Aber nachdem Mr. McKay wohlwollend gelächelt hatte, Ben kurz durchs Haar gewuschelt war und mit einem "Schon gut, mein Sohn," die Sache für beendet erklärte, war sich Jerry sicher, sich nicht verhört zu haben. Das war... nein, ihm fehlten schlicht die Worte dafür. Ob sich Ben auch für eine richtige Tracht Prügel bedanken musste? Daran zweifelte Jerry nicht eine Sekunde, stellte sich aber dieses Unterfangen als ziemlich schwer vor und schüttelte sich innerlich. Da war ihm die Umarmung seines Vaters nach einer Züchtigung um vieles lieber, auch wenn er manchmal danach noch immer sauer, wütend und ziemlich frustriert in seinem Zimmer Zuflucht suchte. Jetzt suchte er aber erst einmal die Flucht zur Kirche. Auch wenn er es bedauerte, dass Ben noch nicht gleich mitkommen durfte. Aber immerhin wurde er ihnen nachgeschickt nach was auch immer sein Vater mit Bens Schwester vorhatte. Sicher nichts Gutes, dachte sich Jerry mit einem unangenehmen Kribbeln im Bauch, wenn er nur an den Rohrstock dachte und Marthas lautes Aufschluchzen hörte.
So folgte er rasch Matthew auf dessen Worte hin, hinaus in den Flur und zog sich wieder an, peinlich darauf achtend, dass er mit der rechten Hand so gut wie nichts berühren musste. Entsprechend langsam ging das Anziehen vonstatten, aber das war Jerry im Augenblick herzlich egal. Als Matthew vor ihm die Wohnung verließ, nutzte Jerry den Moment um sich ungesehen mit dem Jackenärmel über die Augen zu fahren. Er wollte nicht wie ein Weichling wirken, und schon gar nicht wollte er verheult auf der Straße gesehen werden. Nun geheult hatte er ja nicht, aber er vermutete, dass seine Augen trotzdem gerötet waren. Die Kälte würde daraußen bestimmt erst einmal für eine vernünftige Abkühlung sorgen, hoffte Jerry und dachte schon an den herrlichen Schnee, den er gleich zur Kühlung in die Hand nehmen konnte.
Kaum von der Veranda herunter, bückte sich Jerry auch schon rasch und hob eine Handvoll auf. Der Schnee war nasskalt und stach sofort wie mit feinen Nadeln in seine geschundene Handfläche, aber das war auszuhalten. Immerhin wurde die Hand so vor Kälte herrlich taub und das Pochen fand ein schnelles Ende. Jerry atmete erleichtert, aber leise, durch. Erst jetzt, wo der Schmerz nicht mehr alles von ihm beherrschte, hatte Jerry wieder den Kopf frei und sah mit einer recht besorgten Miene zur Kirche. Seine Schritte wurden ungewollt ein wenig langsamer umso näher sie dem Gebäude kamen, vor dem ein fein säuberlich geräumter Weg über den schneebedeckten Vorplatz auf das Portal zuführte. Ob das Eli gewesen war? Ein heftiger, aber kurzer Schmerz aus Eifersucht geboren, durchfuhr Jerry, ehe er mit einem mulmigen Gefühl daran denken musste, dass er in ein oder zwei Minuten ein sehr unangenehmes Gespräch führen würde müssen. Denn längst ging es nicht mehr nur um eine kaputte Scheibe, die wenig Schaden angerichtet hatte. Außer einen Finanziellen. Vielleicht konnte er ja erst einmal nur davon berichten? Darum waren sie ja auch hier, damit Pa den Schaden ersetzte. Dann musste er nicht von dem Wutanfall erzählen oder von dem Kniestoß gegen Matt. Oder gar davon, wie er Mr. McKay gegenüber mehrmals ohne Respekt gesprochen hatte... Die Chancen darauf rechnete Jerry sich ziemlich schlecht aus. Immerhin war Matthew dabei, da war lügen oder schwindeln schier unmöglich und der hatte sich schon einmal als Verräter hervorgetan. Jerry seufzte erneut leise, kickte den Schnee mit den Stiefelspitzen vor sich auf, so dass er in einem feinem Schneestaub aufwirbelte und war sich sicher, dass er garantiert im Gegenzug zu Ben gleich viel mehr auszuhalten hatte. Ungehorsam war etwas, auf das sein Vater genauso allergiesch reagierte, wie auf Lügen. Das war so unfair... hätte Mr. McKay oder Matthew ihn einfach schnell zur Kirche laufen gelassen. Dann hätte er Pa geholt und sie hätten alles fein geregelt, ohne dass ihm jetzt auch noch ein blaues Wunder blühte.
Francis schwieg, während Matt sich mit Jeremiah anschickte das Wohnzimmer zu verlassen und er schwieg noch eine ganze Weile länger, während er seine beiden jüngsten Kinder mit einem missbilligenden Blick bedachte. An derselben Stelle waren sie schon vor wenigen Tagen gestanden. So wie die Woche angefangen hatte, sollte sie nun wohl enden. Nur hatte Francis dieses Mal das Vorhaben den beiden gründlicher einzubläuen, was er von ihnen erwartete. Es ging absolut nicht an, dass die beiden nur fünf Tage später erneut anfingen ein obstinates Verhalten an den Tag zu legen. Und was bewies ihm das? Dass Molly und er in der Tat nachlässiger geworden waren. Weder Emmette noch Paul und schon gar nicht Isabelle hätten sich dasselbe gewagt, was sich die drei jüngsten in letzter Zeit erlaubten. Sie hätten diesem Treiben einen rigerosen Riegel vorgeschoben und die Kinder das Fürchten gelehrt, um ähnliches Verhalten im Keim zu ersticken. Er hatte schon immer vermutet, dass Matts Charme und sein Talent seine Mutter zu umgarnen dafür sorgte, dass er ihnen eines Tages entglitten, weil auch Francis sich selten diesem Charme hatte entziehen können. Statt der Rute hatte der Junge viel zu oft Nachsicht empfangen und war mit Untaten davon gekommen. Der Versuch diesen Fehler bei Ben wieder gut zu machen, schien vergebene Liebesmühe zu sein, denn Matt ging bereits als falsches Vorbild dem Jüngern voran. Und was er von Martha halten sollte, wusste Francis seit heute nicht mehr. Niemals hatte er erwartet, dass ausgerechnet sein vorbildlichstes Kind sich zu den schlimmsten Sünden hinreißen ließe. Stehlen und die Eltern ohne Respekt behandeln... innerlich seufzte Francis, denn er wusste, dass er Martha eine harte Bestrafung nicht ersparen konnte. Aber er sah auch längst ein, dass es ohne nicht mehr möglich war, das Entgleiten der Kinder aufzuhalten. Daher war Molly wohl gut aufgehoben, wo sie im Moment war. Seit sie schwanger war konnte Francis auffallend häufig an ihr neue Wesenszüge feststellen, die ihm oder besser gesagt ihren Erziehungszielen im Wege standen. Sie wurde weicher. Normalerweise hätte Francis diese Veränderung sehr begrüßt, doch er wusste zum einen, dass es bei den Schwangerschaften davor nicht viel anders gewesen war und zum anderen war es im Augenblick sehr gefährlich, den Kindern mit einer ungewohnt sanften Weise zu begegnen. Es gab klare Richtlinien im Haus der McKays und an die mussten sich alle halten. Selbst die Eltern. Außer man wollte wie die Coopers in Schimpf und Schande die Stadt verlassen müssen.
"Benjamin, hör auf mit dem Theater," herrschte Francis nach einer weiteren Schweigeminute seinen jüngsten Sohn an, der sich die schmerzenden Handflächen abwechselnd mit seinem Atem zu kühlen versuchte. "Du bist kein Kleinkind mehr. Dein Freund hat weniger herumgetanzt wie du," er mochte im Augenblick ungerecht klingen, aber angespannt wie Francis war, bekamen die Kinder die schlechte Laune ab. Sie waren seiner Meiung nach auch selbst daran schuld. "Martha komm bitte zu mir," auch diesen Befehl sprach er gereizt aus und ließ ungeduldig den Rohrstock im Takt immer wieder leicht auf die eigene Handfläche schlagen. Dabei erzeugte er ein sehr unangenehmes Geräusch, dass Martha leise wimmern ließ, aber sie stand auf. Allerdings nahm sie sich auffällig viel Zeit, um ihren Rock zu richten, während sie leise schniefte und innerlich davor erschauderte, was sie gleich zu erdulden hatte. Vater würde ihr bestimmt für das Stehlen die Haut von den Handflächen peitschen. Da war sie sich mehr als sicher, auch wenn sie tief in sich wusste, dass Vater bis auf den letzten August noch niemals wirklich so hart zugeschlagen hatte, dass bleibende Verletzungen blieben. Aber noch nie hatte eines seiner Kinder solche Sünden begangen wie sie. Lügen, stehlen und all die anderen Kleinigkeiten, die man ihr zurecht als Respektlosigkeit den Eltern gegenüber auslegen konnte, waren in dieser Form noch nie dagewesen. Nein, sie war sich absolut nicht sicher darüber, wie Vater gleich strafen würde. Und diese Angst gepaart mit seiner Allergie auf ihr Theater ließ Martha nur zögerlich der Aufforderung ihres Vaters folgen. Sie war ihm zwar dankbar dafür, dass er Matt und Jerry weggeschickt hatte. Ben als Zuschauer reichte ihr gänzlich als angedachte Erniedrigung und es trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht, wenn sie nur daran dachte, wie Vater sie gleich dem kleinen Bruder vorführen würde. Er würde doch bestimmt jeden Respekt vor ihr verlieren, wenn er erst einmal zu hören bekam, welch verlodertes Subjekt seine Schwester in Wirklichkeit war. Sie schniefte lauter und schrie gleich darauf unter Schmerzen auf, als Vater ungeduldig und gereizt wie er war, nach ihrem Arm griff und sie die wenigen Schritte vom Tisch nach vorne hinter sich herzog. "Wenn ich heute eines von dir erwarte, Martha, dann ist es sofortiger Gehorsam, hörst du?", herrschte er Martha an, kaum das sie vor dem Tisch standen. "Du kannst dir heute nicht mehr eine einzige Kleinigkeit erlauben. Hörst du?"
"Ja, ja, Pa," schniefte und schluchzte Martha unter Tränen und kam sich ganz furchtbar klein und verloren vor. Und zu wissen, dass Ben in der NÄhe stand und mitsah, machte es ihr nicht gerade leichter ihrem Vater mit allem Mut zu begegnen. Aber ise hatte es ja verdient. Sie war hier die große Sünderin und sie hatte jede Form der Bestrafung verdient. Aber auch das Wissen nahm ihr nicht die Angst. "Du weißt wieso ich Ben hier behalten habe?" Martha nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Sie ahnte es, aber sie konnte es nicht in Worte fassen und wegen all dem Schluchzen war es ihr sowieso kaum möglich noch einen gescheiten Satz hervorzubringen. Es war ihr Glück, dass Francis noch nie seinen Prinzipien untreu geworden ist, und sich in diesen Dingen wahrlich streng unter Selbstkontrolle hielt. Andernfalls hätten ihr ein paar Ohrfeigen gedroht, die sich Francis mit aller Kraft untersagte. Marthas Weinen war seiner Laune nicht unbedingt zuträglich und er verstand nicht, wie Molly das jedes Mal aushielt ohne dagegen bisher etwas unternommen zu haben. So ballte er nur die freie Hand zur Faust und umklammerte mit der anderen den Rohrstock. "Nun, dann will ich es euch beiden verraten," sein Blick huschte zu Ben hinüber. "Es wird Zeit, dass ich ein Exempel statuiere. Seit Wochenanfang erscheint es Mutter und mir, haben wir völlig neue Kinder. Kinder die glauben, sie können uns widersprechen, oder DInge verheimlichen, die denken, sie können am heiligen Tag herumspringen und den Herrn mit ihrem Lärm belästigen, die uns bestehlen und Hausregeln brechen und die sich an Anordnungen nicht mehr halten können. Damit ist jetzt Schluss. Euer Strafbuch sollte euch eigentlich helfen euch wieder zu mäßigen und darauf zu besinnen was wichtig ist. Gehorsam, Fleiß, Leistung. Aber scheinbar hatte ich falsche Hoffnungen. Es hat nur dazu geführt, dass ihr angefangen habt euch sicher zu fühlen, weil wir tägliche Bestrafungen aufgeschoben haben. Und das hat dazu geführt, dass Ben seinen neuen Freund dafür missbraucht, um Unfug anzustellen und Martha jedes Verhältnis zu einer anständigen, braven und folgsamen Tochter verloren hat. Mutter und ich werde das neue System noch nicht gleich über Bord werfen. Ihr werdet wie am Montag angekündigt, für schlimme Vergehen hart und ohne nachsicht bestraft werden. Die Sünden in euren Strafbüchern werden euch heute nicht wie angekündigt erlassen, sondern bleiben für die kommende Woche stehen. Das habt ihr euch selbst eingebracht und ist gemessen an euren Vergehen angebracht. Deine Schwester Ben, hat sich heute mehrerer Sünden schuldig gemacht. Schwere Sünden. Sie hat gestohlen, sie hat gelogen und unser Vertrauen missbraucht, sie war respektlos und hat Hausregeln gebrochen. Ich weiß, dass du Ben dich solche Sünden niemals wagen würdest, aber das hatte ich auch von Martha erwartet. Sie hat mich heute gelehrt, dass ich ein Narr bin. Damit du Ben, nicht derselben Versuchungen unterliegst, wirst du dabei zu sehen, was passiert, wenn man seine Eltern hinterrücks bestiehlt. Stehlen ist eine Sünde, dass steht schon in Gottes Geboten. Und das zurecht. Man kann sich nicht einfach nehmen, was einem nicht gehört. Man verletzt damit Vertrauen und fügt einem anderen Schaden zu. Darum werde ich Martha gleich mit aller Härter dafür bestrafen müssen." Marthas Schluchzen wurde wieder lauter und ihr Körper fing darunter unkontrolliert an sich hin und her zu schütteln. Francis verlor die Geduld endgültig. "Wenn du nicht sofort aufhörst, Martha, werde ich in Bens Hiersein mit dem Rohrstock deinen blanken Hintern bearbeiten müssen. Hörst du? Also hör sofort damit auf. Verdiente Strafe wird in diesem Haus aufrecht angenommen. Und jetzt streck deine beiden Hände aus," die letzten Worte kamen schroff und fordernd über seine Lippen. Weiteren Aufschub wollte Francis niemanden mehr gewähren. "Ben du kommst hier her," er zeigte auf eine Stelle, die Ben zwischen Martha und ihn brachte, so konnte der Junge sowohl die Hiebe sehen, als auch den Schaden die diese anrichten würden. Und diese würden beträchtlich sein. Er hatte keine andere Wahl. Er hatte eine Sünderin im Haus. Und wo würde es enden, wenn er dem nicht Einhalt gebot? Am Ende nahm sich Martha noch im Ort einfach was sie wollte. Würde bei Freunden das Süße zusammenstehlen, oder in den anderen Geschäften in der Stadt. Die Vorstellung war garstig und bestärkte Francis in seinem Vorhaben.
"Ich warte Martha. Wenn du nicht augenblicklich tust, was ich verlange, lasse ich Mutter holen, damit sie dir die Hände auf dem Tisch festhält. Und dafür bekommst du garantiert noch vor der Kirche ein paar Stochhiebe auf die Kehrseite. Na los. Ein bisschen weiter nach vorne," knurrte Francis unzufrieden, als Martha zwar einen Versuch wagte ihm zu folgen, aber ängstlich und besorgt um ihre Hände nur ein Stück weit und zögernd, die Arme vor ihrem Körper hob. Sie kam der Aufforderung nach. Es war ihr zwar der blanke Horror in Gedanken an die Hiebe die folgen würden, aber die Vorstellung sie könnte mit entblößtem Hinterteil vor dem kleinen Bruder auf Vaters Knie liegen, während er sie grün und blau schlug, war eine Ernüchterung. Schlimmer konnten die HIebe auf die Handflächen nicht werden. Und ide hatte sie immerhin verdient. Die Schläge aufs Gesäß dagegen wären ungerecht und gemein in ihren Augen. Vater konnte kaum erwarten, dass sie frei und lustig ihrer Bestrafung entgegen fieberte. Und ihre Mutter, der es eben schon nciht gut gegangen war und das man ebenfalls Martha anlastete, wollte das Mädchen nicht bemühen müssen. Am Ende ging es ihr noch schlechter und Vater würde das erst recht an ihr auslassen. Nein es war sowieso schon alles ein einziger Albtraum...
Francis hatte alles gesagt, was es zu erklären gab. Martha war belehrt und wie er seine Tochter kannte, war auch jedes weitere Wort überflüssig. So sittsam wie Martha sich bislang gegeben hatte, würde sie von selbst wissen, dass ihr Vergehen unverzeihlich war. Zumindest bis es entsprechend abgestraft war. Er wollte weder Ben noch Martha länger mit Warten und mit Worten quälen. Der eine wollte sicher zu seinem Freund, die andere wollte, dass es schnell vorrüber war. Doch schnell war relativ. Martha machte wie erwartet das aller größte Theater, das sich Francis hätte vorstellen können. Er bedauerte rasch, dass er Matt weggeschickt hatte. Der Junge hätte ihm helfen können Martha zu bändigen, die nach jedem Hieb umhersprang, ihr Hände ausschüttelte oder sie sich unter die Achseln klemmte. Jeder HIeb wurde von einem ohrenbetäubenden Aufheulen begleitet, so dass man fast glauben mochte, Martha würde hier und jetzt ihres Lebens beraubt. Sicherlich würde Molly bald nach dem Rechten sehen kommen und Francis war wirklich versucht Ben loszuschicken, um seine Frau zu bemühen. Wenn es nicht anders ging? Dann musste man eben Martha die Hände festhalten. Sie hatte gerade mal vier Hiebe erhalten und tat bereits so, als hätte er ihr die Hände abgeschlagen. Er musste zugeben, dass er nicht gerade mit Zurückhaltung ausgeholt hatte. Vier tiefrote Linien waren bereits quer über die Handflächen gut zu erkennen und Marthas Gesicht war von all den Schmerzenstränen gebadet. Jedesmal hatte Francis eine Drohung aussprechen müssen und jedesmal hatte es gedauert, bis Martha sich soweit wieder beruhigt hatte, dass sie ihre zitternden Hände vorstecken konnte. Und jedesmal hatte Francis seine Drohung wahrmachen müssen, und hatte deswegen fester zu schlagen müssen. Martha war unbelehrbar. Und Francis war nicht gewillt nur einen Zentimeter zurückzuweichen. Der fünfte Schlag war so heftig, dass der Rohrstock zurückfederte und Martha unter dem Schmerz in die Knie ging und nicht wieder hochkam. Francis hatte genug. Wäre die Kirche nicht gewesen, hätte er Martha in den Schuppen geschleift. Nichts anderes hatte er ihr angedroht, wenn sie solch ein Spektakel bei ihm nur ein einziges Mal veranstalten würde. Doch die Zeit drängte und er schob auch dieses abzustrafende Verhalten auf später. Martha würde, wenn sie so weiter machte, die nächste Woche über mit den größten Schmerzen verbringen müssen. Aber sie hatte es ja selbst in der Hand. Doch fürs Erste packte Francis den Arm seiner Tochter, zerrte sie auf die Beine und weiter zum Tisch. "Es reicht Martha! Ich habe dir eine faire Chance eingeräumt deine Strafe anzunehmen. Wenn es nicht anders geht, dann muss es eben so sein," bei diesen Worten zwang er Marthas umgedrehte Hand auf die Tischplatte, umklammerte ihr Handgelenk so fest, dass sie sich in seinem Griff weder winden, noch sich davon losreißen konnte. Die ganze ZEit über wurde sein Handeln von Betteln und Flehen Marthas begleitet, die längst nicht mehr daran dachte, dass Ben noch anwesend war und von ihrem Verhalten abgestossen oder gar schockiert sein könnte. Francis fühlte sich überanstrengt, hitzig und war froh, dass er das gute Sonntagsjacket noch nicht trug. Müde und abgekämpft kam er sich vor und wusste wieder, wieso er am Montag ein neues System der BEstrafung hatte einführen müssen. Er konnte diese Machtkämpfe nicht mehr so leicht wegstecken und es war erstaunlich wie viel Kraft in seiner Tochter schlummerte. Letztendlich war sie gebändigt und sollte sie so dumm sein und ihre Hand schließen, würden die HIebe eben empfindlich ihre Finger treffen. Aber das musste er Martha kaum erklären. Endlich ohne weitere Hindernisse umschiffen zu müssen, konnte Francis wie gewünscht erst die rechte, dann die linke Hand mit Hieben bedecken. Obwohl er vorgehabt hatte Martha hart zu bestrafen, strafte er sie letztendlich viel zu hart, denn ihr Theater zuvor, der Kampf mit ihr und das herumgehüpfe hinter ihm während er unerbittlich Schlag um Schlag auf Handflächen und Fingerspitzen niederbrachte, hatten ihn frustriert. So hörte er nicht auf, als Martha anfing in ihrer Verzweiflung die Hände abwechselnd zu ballen und auch nicht als das erste Blut kam. So war der Plan gewesen. Aber jetzt hatte sie die extra Hiebe verdient....
Mit einer Spur von Neid hatte Ben seinem Bruder nachgesehen, als dieser mit Jerry das Wohnzimmer verließ. So wie Matt sich bewegte, hatte dieser vor dem Vater ein reines Gewissen und war wohl froh, der Situation zu entkommen. Jerry folgte diesem wortlos und mit hängendem Kopf, so dass Ben annahm, der Freund habe nun doch ein schlechtes Gewissen und womöglich Angst vor dem Zusammentreffen mit dem Reverend. Lange konnte er sich jedoch nicht mit derlei Gedanken aufhalten, denn schon herrschte ihn der Vater an, er sollte sich nicht so anstellen. Es war zwar richtig, dass Jerry sich zusammen genommen hatte, aber der hatte auch weniger Schmerzen als Ben. Dieser hatte immerhin die schmerzhaften Hiebe in aller Härte auf beide Hände bekommen! Ben gehorchte jedoch und ließ beide Hände mit geöffneten Handflächen neben seinen Körper fallen. Die Finger pulsierten und die Handinnenflächen brannten heftig, so dass er einen Schmerzenslaut unterdrückte. Lautlos stiegen ihm ein paar Tränen in die Augen, die er jedoch wegblinzeln konnte. Die Belehrung des Vaters ließ ihn erneut daran denken, wie ungerecht dieser war. Er hatte doch nicht Jerry mißbraucht, um Unfug zu machen! Nein, bestimmt nicht.. das war doch Jerrys Idee, einen Schneemann zu bauen.. Dass er Jerry dazu verleitet hatte, einen Schneeball nach Matts Fenster zu werfen, konnte er nicht ganz von der Hand weisen, aber er hatte ihn auch nicht aufgefordert, den Schneeball mit einem Steinchen zu füllen oder gar das Fenster zu zerschmeissen. Innerlich seufzte Ben, denn im Gegensatz zu Matt, wagte er es keinesfalls dem Vater zu widersprechen. Das würde diesen nur noch wütender werden lassen, als ob Martha das mit ihrem Gejammere und Weinen nicht schon ohne ihn schaffte! Ben war erleichtert, als sein Vater äußerte, dass Ben sich wohl nicht ähnlich wie Martha durch Stehlen und Lügen an den Eltern versündigte. Heftig nickte Ben dazu, denn das würde er niemals tun wollen und vermutlich auch weder tun noch können. Dennoch fand er sich plötzlich in einer Position zwischen seiner Schwester und Martha wieder. Am Liebsten wäre er in den Erdboden versunken, als er mitansehen musste, wie sein Vater die Innenflächen seiner Schwester mit dem Rohrstock traktierte. Diese zeterte, jammerte und flehte, so dass Ben Mitleid verspürte, obwohl sie diese Strafe sicherlich verdient hatte. Man belog nicht die Eltern und man stahl auch nicht! Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Ben, wie sein Vater schließlich die zeternde Martha zum Esstisch nötigte. Abwechselnd hielt er dort zunächst Marthas rechte Hand mit seiner linken wie in einem Schraubstock und versetzte dieser Hiebe mit dem Rohrstock. Martha ballte die Hand zur Faust und Ben hoffte, dass sein Vater ein Einsehen hatte. Blitzartig gingen ihm Bilder durch den Kopf, die von den Erläuterungen über die Strafen im Mittelalter in seinem Kopf entstanden waren. Ganz so schlimm, ging sein Vater wohl nicht vor, aber Ben sah mit wachsendem Entsetzen, dass sein Vater nun die gleiche Prozedur mit Marthas anderer Hand durchführte. Es war ein so furchtbarer Anblick, dass Ben sich mit Tränen in den Augen abwenden musste, als Marthas Fingergelenke unter den Hieben anschwollen und schließlich die Haut platzte. Blut quoll hervor und obwohl es nur wenig war, schauderte es Ben. Damals im August war er nicht dabei gewesen, als sein Pa Matt bettlägerig geschlagen hatte, aber er nahm an, dass Matts Rücken ähnlich ausgesehen hatte! Hör auf, hör auf..Pa, hör auf.. In seinem Inneren flehte er darum, dass sein Vater sich besann und Martha in Ruhe ließe. Obwohl Martha ihm aufrichtig leid tat, traute er sich jedoch nicht, einzugreifen. Marthas Weinen und Schluchzen schien ihm zum ersten Mal wirklich gerechtfertigt und er kniff die Augen zusammen, um nicht noch mehr ertragen zu müssen. Wenn doch nur Mutter hörte..
Francis mit Martha und Ben am Esstisch, Molly kommt dazu
Molly öffnete die Tür zum Wohnraum ohne anzuklopfen und schloss diese sofort wieder hinter sich. Martha weinte und heulte unter einem Schlag von Francis auf, während Ben sich ganz offensichtlich unwohl fühlte. Der Junge wandte ihr den Rücken zu und hatte sich beide Hände unter die Achseln geklemmt - ein sicheres Zeichen dafür, dass er wohl auch den einen oder anderen Hieb mit dem Stock erhalten hatte. Unruhig verlagerte Ben das Gewicht von einem auf das andere Bein und war deutlich sichtbar hin- und hergerissen von dem Wunsch, einzugreifen und der Angst vor des Vaters Reaktion darauf. Von Martha sah Molly nicht viel, denn Francis stand ihr den Rücken zu gekehrt in ihrer Sichtlinie. Anfangs glaubte sie, Martha reagiere übertrieben wehleidig, aber als sie näher an den Tisch kam, fiel ihr auf, dass Francis ganz ungewohnt die Hand auf der einschlug, auf der Tischplatte festhielt. Der Anblick ihrer wehrlosen und vor Schmerz schreienden Tochter gepaart mit dem Anblick der offenen und blutenden Wunden, die der Stock angerichtet, hatte, ließen Molly blass werden. Das muss aufhören, Herr.. egal wie. Komme ich um, komme ich um - aber so geht das nicht! Auch für Molly stand fest, dass Martha sich auf übelste Weise an ihr und an Gott versündigt hatte. Sie war eine Diebin und hatte es an Respekt für ihre Eltern deutlich vermissen lassen. Dass das eine körperliche Züchtigung zufolge hatte und das Francis härter abstrafen musste, als bisher, war ihr auch klar, aber sie durften doch ihre Kinder nicht verletzen! Erst Matt.. jetzt Martha.. Molly schüttelte den Kopf, denn sie konnte sich des Eindrucks, dass Francis kurz davor war, erneut die Kontrolle über sich zu verlieren, kaum entziehen. "Lass es gut sein, Francis. Sie wird ihre Lektion gelernt haben." In einem Moment, in dem Francis, den Rohrstock zurück zog, legte sie ihm beschwichtigend ihre Hand auf den Unterarm. "Warum ist Ben noch hier?" Fragend zog sie eine Augenbraue in die Höhe, meinte sie doch, dass Ben gemeinsam mit Jeremiah und ihnen in die Kirche gehen sollte - oder aber wegen der Züchtigung Marthas mit Matt und Jeremiah hätte vorausgehen sollen?
Francis mit Martha und Ben am Esstisch, Molly kommt dazu
Es war furchtbar. Furcht-furcht-furchtbar. Egal was sich Martha noch vor wenigen Augenblicke fest vorgenommen hatte, um Vater zu beweisen, dass sie ihre gerechtfertigte Strafe annahm, ließ sich unter den beißenden, brennenden Schmerzen aufrecht erhalten. Natürlich wollte sie nicht weinen, schluchzen und betteln. Natürlich hätte sie sich lieber die Zunge abgebissen anstatt Schrei für Schrei herauszulassen. Und wenn es ihr möglich gewesen wäre, hätte sie auch nicht die Hände zurückgezogen. Sie wusste ja, dass sie damit ihren Vater erst recht in Rage brachte und Schlag für Schlag bewies er ihr auch, wie wütend er langsam wurde. Martha hatte nicht die geringste Erfahrung im Umgang mit einem schlecht gelaunten Vater. Gewöhnlich war Francis ein ausgeglichener Mensch, der zwar Gefühlsregungen zu ließ, aber Wut und Zorn dabei stark im Hintergrund hielt. Doch seit einigen Tagen war er leicht reizbar und oft genug erhob er die Stimme. Wenn man nicht aufpasste hagelte es unschöne Drohungen und scharfe Tadel und das Strafbuch war dazu viel zu oft, als angenommen im Einsatz gewesen. Irgendetwas beschäftigte den Vater, das war Martha bewusst. Sie wusste nur nicht was es genau war. Flüchtig hatte sie sogar bereits angenommen es lag an ihrem unreinen Körper, der sie als Sünderin zeichnete. Doch dann war ihr eingefallen, dass ihr Vater schon die Tage zuvor leicht verstimmt gewesen war und rasch die Geduld verlor. Dass es sie jedoch so hart treffen sollte, hatte Martha nicht erahnen können. Ja, sie war eine fruchtbare Sünderin und sie hatte bestimmt dafür die fruchtbarste Prügel ihres Lebens verdient, aber doch nicht so....
Heulend, schluchzend, schreiend, tanzend... es war ein Albtraum, der nicht enden wollte. Ihre Gedanken waren rasch erfüllt von Panik, Angst und Schmerz. Sie ging schneller unter den HIeben in die Knie, als sie befürchtet hatte und fühlte sich machtlos dem Vater ausgeliefert, der noch immer kein Einsehen mit ihr hatte. Dabei waren ihre Handflächen und ihre Finger doch bereits mit unzähligen tief roten Striemen bedeckt, die kreuz und quer liefen. Oh sie hatte ihre Lektion gelernt, da konnte Vater sicher sein. Und so wie die Striemen aussahen, würde sie das noch in der kommenden Woche täglich bei der Arbeit spüren können. Ja, er hatte dafür gesorgt, dass sie die Schmerzen eine Weile an ihr Vergehen erinnern würden. Er sollte aufhören... Noch während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, fühlte sie sich grob am Arm nach oben gerissen und zum Tisch geschleift. Sie ahnte was kommen sollte, fürchtete um ihre Kehrseite und spürte Scham, denn noch immer war Ben anwesend und konnte alles beobachten. Sie musste sich gegen Vaters Griff stemmen, auch wenn das nicht erlaubt war und bestimmt mehr Prügel bedeuten würde. Aber ihre Scham erlaubte ihr kein anderes Handeln. Pures Grauen ergriff sie, als sie statt wie erwartet über den Tisch gezerrt zu werden, ihre Hand mit so viel Härte auf die Tischplatte gedrückt bekam, dass es kein Entkommen mehr gab. Vater wollte ihr weiter die diebischen Finger und Hände strafen. Er hatte noch kein Einsehen. Ihre Schuld war noch nicht gesühnt. Ihr war das alles sehr gut geläufig und verständlich, aber sie konnte nicht mehr. Nicht noch einen Hieb würde sie aushalten. Aber gefangen im Schraubstock der väterlichen Hand, hatte Martha keine andere Wahl. Flucht war unmöglich und der Rohrstock schluch unbarmherzig nieder. Natürlich schloß sie mehrmals zum Schutz der empfindsamen Innenfläche die Finger und mehr als einmal heulte sie noch lauter auf, wenn der Rohrstock darauf keine Rücksicht nahm und ihr stattdessen die dünne Haut über den FIngerknöcheln auffetzte. Natürlich wandte sich Martha im Griff des Vaters und vollführte noch immer einen Tanz, doch er ließ nicht locker, tauschte nur die verletzte Hand gegen die noch nicht allzu abgestrafte Hand und das ganze Grauen wiederholte sich. Martha fühlte sich heißer geschrien und die Tränen waren in ein hysterisches Schluchzen untergegangen. Sie konnte nur noch daran denken, dass ihr Vater für die anderen Vergehen mehrere Züchtigungen in Aussicht gestellt hatte und wenn er den Stock genauso über ihre Kehrseite einzusetzen gedachte... nein, lieber wollte sie sich umbringen, als diese Schmerzen nach der Kirche freiwillig zu empfangen...
Sie nahm keine NOtiz mehr von Ben, noch hörte sie die Tür des Wohnraumes, als ihre Mutter hereineilte, genauso wenig wie Francis davon Notiz nahm. Er war wütend wegen des ganzen Widerstandes, den Martha leistete, er war zornig, weil sie ein Mordstheater veranstaltete und ihn zwang ihr mehr wehtun zu müssen, als geplant. Doch er konnte ihr kaum in Anwesenheit von Ben dieses Theater gestatten! Nein, das war undenkbar. Sie würde ihre Lektion eben gründlicher lernen müssen, auch wenn es Francis das Herz brach. Stop. Nein. Er durfte kein Mitleid mit einer Sünderin haben. Das wäre der verkehrte Ansatz. Mitleid hatte Martha nicht verdient.
Überrascht, aber mit einem zornigen Funkeln im Blick wandte Francis den Kopf, als er plötzlich beim Ausholen einen Arm auf dem seinen fühlte. Er brauchte einen Moment ehe er Molly erkannte und noch einen viel längeren um zu begreifen, was sie beabsichtigte. So, sie wollte ihm Einhalt gebieten? War das das richtige Signal für Martha oder gar Ben? Verlor Molly jetzt ganz den Verstand über ihre Schwangerschaft? Nachsicht war nichts anderes als der Anfang aller Übel. Unwirsch befreite er seinen Arm, versetzte Martha einen erneut schmerzhaften Hieb, der das Mädchen hysterisch schluchzen ließ. "So glaubst du, sie hat ihre Lektion gelernt?," ein weiterer Hieb folgte und Martha schloss wider besseren Wissens ihre Hand und schrie auf, als der Rohrstock ihr auch hier die dünne Haut aufriss. Francis nahm davon keine Notiz. Zumindest zeigte er sich jedoch ein wenig beruhigter, denn erst jetzt war er sich sicher, dass Martha etwas gelernt hatte. Ihre Schmerzen würden jetzt erst mit jenen gleich zu setzen sein, die sie ihren Eltern mit ihrem Vergehen bereitet hatte. Francis gab Marthas Hand frei und das Mädchen taumelte benommen vom Vater ein Stück zurück und wollte sich am Stuhl festhalten, was ihr jedoch furchtbare Schmerzen durch die Hände jagte. Rasch ließ sie die Stuhllehne los, so als hätte sie heiße Kartoffeln angefasst. Ihr hysterisches Schluchzen wurde gleich wieder lauter, als sie sich durch einen feuchten Schleier hindurch ihre Hände betrachtete. Ihr Vater hatte ein Massaker daran begangen. Überall rote Striemen, geschwollene Striemen, und aufgeplatzte Haut. Vornehmlich auf der Außenseite, aber in der rechten Innenseite sah es nicht besser aus. Ihre Aufgaben damit zu erfüllen würde für sie die kommenden Tage über zur Hölle werden.
Francis nahm von ihrem Leid keine Notiz, sondern zeigte mit dem ROhrstock auf Ben. "Ben soll lernen, was es bedeutet sich in diesem Haus schwerer Sünden schuldig gemacht zu haben. Ganz gleich ob man ansonsten tadellos lebt, eine Sünde bleibt eine Sünde. So etwas darf NIE wieder in diesem Haus passieren. Nie wieder," er ließ den Rohrstock sinken und spürte jetzt, wo Zorn und Wut ein wenig abkühlte, körperliche Ermüdung. "Zudem hat Martha jeden Hieb verdient Molly. Dieses ganze Theater. Wäre sie nur bereit gewesen still zu halten, wäre die Abstrafung viel schneller vonstatten gegangen. Ich mag gar nicht an das Theater denken, wenn ich nach der Kirche all die anderen Sünden abstrafen muss. Ich werde langsam zu alt für dieses ganze aus der Reihe tanzen unserer Kinder," mit einem Seufzen hielt er Ben den Rohrstock hin. "Bring ihn zurück an seinem Platz und dann ab mit dir zur Kirche. Du bleibst bei Matthew und stellst nichts an bis wir dazu kommen. Und ich rate dir, im Gottesdienst ja anständiges Benehmen. WIr haben so oder so schon eine Unterhaltung im Schuppen vor uns."
Molly ließ sich zwar äußerlich nichts anmerken, war aber entsetzt über den scharfen Ton in dem Francis auf sie reagierte. Natürlich war sie davon überzeugt, dass Martha ihre Lektion gelernt hatte. Alles was sie bis jetzt nicht gelernt hatte, würde sie auch durch weitere Hiebe nicht lernen. Unwillkürlich wich Molly vor ihrem Mann zurück, als dieser erneut zu einem Hieb ausholte. Martha schrie fast hysterisch auf und Molly sah mit Schrecken, dass die dünne Haut über den Fingergelenken der zur Faust geballten Hand platzte und zu bluten begann. Schon wollte Molly allen Mut zusammen nehmen und um ihrer Tochter willen, Francis noch einmal um Einhalt bitten, als dieser von sich aus zur Ruhe zu kommen schien. Jetzt erst erklärte er ihr, warum er diese Züchtigung in Anwesenheit Bens durchgeführt hatte. Als ob Ben lüge oder betrüge - falls er das überhaupt gekonnt hätte. "Ich bin sicher das hat sie, aber nicht in einer Härte, in der wir sie verletzen.. " Molly ersparte es sich, Francis daran zu erinnern, dass er Matthew bettlägerig geschlagen hatte - damals war er ähnlich wütend gewesen,wie im Augenblick. Daran würde Francis sich sicherlich von sich aus erinnern und auch daran, wie sein Verhältnis zu Matt darunter gelitten hatte. Das wollte er doch in Bezug auf Martha sicherlich nicht erleben. Dumm war Francis allerdings nicht und so ging Molly davon aus, dass er sich erinnerte und nun schon deshalb ein Einsehen mit Martha haben würde. Dieser hatte bei seinen Worten mit dem Rohrstock auf Ben gezeigt und Molly erschrak, als sie sah, dass Ben zusammen zucken sah. Vielleicht hatte dieses Exempel nicht dazu geführt, dass Ben lernte, was eine Sünde für Konsequenzen haben konnte, sondern dazu, dass der Junge nun Angst vor seinem Vater hatte. Ob das ein guter Tausch war: Angst statt Vertrauen? Daran hatte Molly ihre Zweifel, stimmte aber dem Anspruch zu, dass so ein Erleben in diesem Hause nie wieder vorkommen durfte. Francis schickte Ben voraus in die Kirche, Matthew hinterher, und ermahnte ihn eindringlich, nichts mehr anzustellen und im Gottesdienst nicht aufzufallen, da man ohnehin noch im Schuppen zu sprechen hatte. Molly seufzte innerlich, denn das konnte nur bedeuten, dass er den Jungen noch abstrafen wollte, für was auch immer. Sicherlich hatte Ben auch diese Strafe verdient, so dass Molly sich nicht einmischte. Das fehlte ihr noch, dass Ben ebenso obstinat wie Matthew wurde, der grundsätzlich genau gegensätzlich agierte, als sie es von ihm verlangten. "Du hast gehört, was Dein Vater gesagt hat. Geh, nur." Ihr ermutigendes Lächeln für Ben geriet ein wenig schief, denn ihre Sorge um die immer noch hysterisch schluchzende und sicher unter Schock stehende Martha überwog. Ähnlich wie damals bei Matti richtete sie ihre Aufmerksamkeit nun in erster Linie auf ihre Tochter. Sie achtete nicht mehr darauf, ob Ben tat, wie ihm geheißen und den Rohrstock wegbrachte, sondern ging an ihrem Mann vorbei zu ihrer weinenden Tochter. "Komm, das muss wohl behandelt werden..Es wird wieder gut."
Ben konnte kaum glauben, dass sich sein Pa nicht von seiner Ma beruhigen ließ. Martha war doch schon fast hysterisch und hatte bestimmt wahnsinnige Schmerzen! Sie würde doch nicht durch weitere Schläge mehr lernen, oder? Ben musste vor sich selber zugeben, dass er keine Ahnung hatte, wie Martha welche Lektionen zu lernen hatte oder lernte, wusste er es doch gar von sich selbst nicht so genau. Eines war jedoch sicher: Nach diesem Erleben würde er weder Lügen noch Stehlen. Nicht, dass er das konnte, ohne sofort aufzufliegen, oder je gewollt hätte, aber diese Züchtigung Marthas war für ihn so entsetzlich, dass er diese sein Lebtag nicht vergessen würde. Er war wirklich hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, nicht aufzufallen und doch Martha zu trösten und in die Arme zu nehmen, so wie Matt ihn am Montag noch gehalten hatte, bis der Schock über die Schmerzen an Leib und Seele vorüber war. Aber er war nun einmal Ben und nicht Matt und so wurde er mit der Situation fertig, in dem er innerlich Abstand suchte. Der auf ihn zeigende Rohrstock jedoch rückte ihn schnell wieder an die richtig Stelle. "Ja, Pa. " Ben nickte zwar und glaubte auch, tatsächlich verstanden zu haben, warum er dies mit erleben musste, aber er hatte auch Angst vor seinem Vater und dem angedrohten Aufenthalt im Schuppen. Was, wenn sein Pa wieder so wütend wurde, dass er ihn so schlug, wie er gerade Martha geschlagen hatte? Das wäre furchtbar, furchtbar.. furchtbar! Das würde er nicht überleben, auch davon war er fest überzeugt. Wenn Jerry ihn doch nur nicht überredet hätte, einen Schneemann bauen zu wollen! Wenn Matt doch nur in seinem Zimmer gewesen und sofort herunter gekommen wäre! Ängstlich und misstrauisch den Rohrstock weit von sich haltend, so als ob dieser ihn von sich aus schlüge, verließ er das Wohnzimmer. Die Schläge kamen so schnell hintereinander und so rücksichtslos, dass es für ihn schon so aussah, als habe der Stock so eine Art Eigenleben. Jetzt verstand Ben den Ausdruck "den Stock tanzen lassen. " Dennoch ließ er ihn nicht fallen, als verbrenne er sich daran, sondern räumte ihn sorgfältig an seinen Platz, bevor er sich im Flur anzog. Dabei kamen ihm erneut die Tränen und es gelang ihm nur schwer, ein Weinen zu unterdrücken. Seine Hände und Finger schmerzten von den Striemen, die der sicher, hart und schnell geführte Stock hinterlassen hatte. Kaum konnte er die Finger bewegen und dadurch brauchte er gefühlt fast doppelt so lange, wie gewohnt. Er biss also die Zähne zusammen, als er die Jacke zuknöpfte. Auf Handschuhe verzichten wollte er nicht, denn dafür schien es ihm auf die Dauer zu kalt. Zunächst steckte er sie jedoch in die Jackentaschen und verließ die Wohnung. Langsam ging er die Treppe hinunter, denn am Geländer festhalten wollte er sich mit den geschlagenen Händen nicht. Kaum hatte er die Haustür hinter sich geschlossen nahm er Schnee auf, um seine wunden Handinnenflächen zu kühlen. Schon bald spürte er die Schmerzen nicht mehr, aber auch kaum noch seine kalten Fingerspitzen. Dennoch schien ihm der Schnee eine gute Erfindung zu sein und obwohl er wusste, dass sein Vater ihn schon nach ein paar Augenblick nicht mehr würde sehen können, traute er sich nicht, sich länger aufzuhalten. Zielstrebig marschierte er nun die Lake Street hinab und macht sich einen Spaß daraus, die Fußabdrücke im Schnee den Menschen zuzuordnen. Auch die Spuren von Fahrwerken und Pferden konnte er unterscheiden und so war er bald abgelenkt und kam auf ganz andere Gedanken.
Martha wusste vor Schmerzen nicht mehr ein noch aus. Die Hände brannten, als würde sie sie im Augenblick direkt in ein loderndes Feuer halten und dumm genug sein, sie von dort nicht mehr wieder herauszuziehen. Sie konnte dagegen nichts tun. Ein Ausschütteln brachte keine Erleichterung, blasen genauso wenig und die Verletzungen hielten sie davon ab, die Hände sich unter die Achseln zu stecken um den Schmerz so ein wenig zu betäuben. Fassungslos starte sie noch immer mit ihren feuchten Augen auf die zahlreichen roten, geschwollenen Striemen und schluchzte lauter auf, als sie das Blut sah. Tränen tropften auf ihre Hände und das Salz brannte in den offenen Wunden. Das Vater Ben wegschickte bekam Martha überhaupt nicht mit, hörte aber durchaus seine Schritte und die Tür, als er das Zimmer verließ. Wie gerne wäre sie jetzt mit ihm gegangen. Fort. Weg von hier. Selbst ein Zimmer, dessen Tür man nicht schließen durfte erschien Martha ein besserer Ort zu sein, als die Nähe ihrer Eltern, die ihr im Moment bedrängend und furchteinflössend erschien. Selbst die ihrer Mutter, die gekommen war um Vater Einhalt zu gebieten. Damit hatte Martha überhaupt nicht gerechnet, aber obwohl sie in ihren Schmerzen gefangen war, verspürte sie dafür Dankbarkeit. Nur konnte sie diese weder im Augenblick zeigen, noch sich darüber erfreut zeigen. Denn der Schaden war angerichtet und vielleicht hatte ihre Mutter auch gezögert oder hatte gewartet, bis sie der Meinung gewesen war, die Schreie ihrer Tochter würden angemessene Bestrafung verraten, die nun zu beenden an der ZEit gewesen war? Sie wusste es nicht. Sie war verwirrt und verängstigt. Sie versuchte sich zu beruhigen, aus Angst noch mehr HIebe zu bekommen, obwohl der Rohrstock längst nicht mehr im Raum weilte. Sie konnte sich nicht beruhigen. Die Tränen liefen von alleine, das Schluchzen schüttelte ihren Körper durch und die feuchte Stirn, ein Zeichen der eigenen erlittenen Anstreung während der Züchtigung, ließ ein oder zwei feine Rinnsaale an ihrer Schläfe herabwandern. Ach, was nutzte ihr all das Wissen über Sünden und Sühne, wenn genau diese so grauenvoll sein musste? Ein Gedanke, der Martha zwar beruhigen sollte, aber sie nur noch mehr weinen ließ.
Francis zeigte sich kurz zufrieden über Bens anstandsloses Benehmen, war sich sicher, dass der Junge genug vorgewarnt war und wandte sich wieder seiner Frau zu. Hatte sie ihn eben angeklagt? Hatte er ihr es nicht überlassen wollen Martha angemessen zu bestrafen und hatte sie es nicht in seine Obhut gelegt, weil es ihr augenblicklich nicht so gut ging? Sie hätte es genauso gut auf einen späteren Zeitpunkt verschieben können, hätte darauf drängen können, es erst einmal ruhen zu lassen. Sie wusste doch, wie sehr es ihm in letzter Zeit zu schaffen machte, dass die Kinder in ein schwieriges Alter gerieten und sich sichtlich unbändig zeigten. Sie hätte ahnen müssen, dass er die Beherrschung verlor, gerade bei Martha, die ihm bisher immer am Herzen gelegen hatte und die vor allem dafür gesorgt hatte, dass Molly und er zufrieden mit der eigenen Erziehung der Kinder hatten sein können. War es verwunderlich, dass er die Geduld verloren hatte? Doch er behielt die ärgerlichen Worte bei sich, denn er wusste genauso gut, dass sie recht hatte. Er hätte sich beherschen müssen. Aber anders als letztes JAhr bei Matthew hatte er bei Zeiten die Notbremse gezogen. Die Verletzungen die er Martha zugefügt hatten, waren durchaus unnötig, aber er glaubte dennoch, dass gerade dadurch Martha für alle Zeiten gelernt hatte sich nicht mehr im Laden selbst zu bedienen. Er hatte dafür gesorgt, dass sie nicht noch einmal zu einer herben Enttäuschung werden konnte. Da waren zwei, drei blutige Striemen durchaus vertretbar. Molly hatte auch kein Theater darum gemacht, wenn Reverend Hawkins in der Schule bei Ben für Tränen und Blut gesorgt hatte, nur weil die Schönschrift zu wünschen übrig gelassen hatte. Auch nicht in der Sonntagsschule, wo es selbst MArtha nicht erspart geblieben war und selbst setzte sie ihr Stöckchen bei den Näharbeiten auf sehr schmerzhafte Weise ein. Es brachte Martha nicht um. Aber sie hatte eine Lektion fürs Leben gelernt. Und später würde sie leider Gottes noch ein paar Lektionen mehr lernen müssen. Er seufzte leise und senkte den Blick vor seiner Frau.
"Sie wird es überleben," murmelte er nicht gerade sicher über seine Worte. NAtürlich wollte er Martha das nicht antun. Er liebte sie doch. Sie war ihm das Liebste seiner Kinder. Aber sie hatte ihn nun einmal dazu gewzungen und jetzt Mitleid mit ihr zu haben erschien ihm als richtig, aber er wusste auch, dass die Erziehung andere Methoden von ihm verlangten, als jetzt klein beizugeben und Martha zu trösten oder gar um um Verzeihung zu bitten. Lügen, Stehlen, Betrügen... das waren schlimme vergehen und er musste klare LInien ziehen. Die Grenzen neu stecken um damit auch Matt und Ben zu zeigen, dass sie in diesem Haus keine Ausnahmen machten und nichts so leicht verziehen, was so schweren Ausmaßes war. Da half ihm auch alle Liebe zu Martha nicht. Und die nächsten WOrte taten ihm zwar weh, aber er hielt sie für richtig: "Verdient ist verdient, nicht wahr," die Wrote sagte er bereit wieder etwas sicherer und schenkte Martha einen finsteren Blick, die diesen überhaupt nicht bemerkte und weiter vor sich hin schluchzte und bebte. Auf Mollys Worte reagierte das Mädchen überhaupt nicht und Francis zog die Stirn kraus. "Wir haben es eilig Molly. Die Kirche wird gleich beginnen und ich wollte noch nach dem Fenster oben sehen. Halte dich nicht zu lange mit Martha auf. Fürsorge hat sie nicht verdient. Nicht von den Eltern, die sie so schamlos hintergangen und enttäuscht hat. So etwas muss sie sich erst wieder verdienen. Ich hoffe du bist da derselben ANsicht wie ich," mit diesen Worten strafte er MArtha noch einmal mit einem finsteren Blick, die ihn ungläubig aus verweinten Augen ansah und durchaus verstand, was er gerade gesagt hatte und auch was es für sie bedeutete. Wenn Vater schon so böse auf sie war, wie böse würde dann erst ihre Mutter sein? Sie war es stets gewesen, die tadelloses Benehmen von ihren Mädchen erwartet hatte und sie sowieso schon ständig streng einem Vergleich mit ihrer Schwester unterzogen hatte. Vater hatte sie gerne ein wenig verwöhnt und bevorzugt und jetzt zog er ihr so herzlos den Boden unter den Füssen weg? Wenn sie ihn schon kaum um Verzeihung bitten konnte, wie sollte es ihr da erst mit Mutter gehen? Sie war verloren....
"Das wird sie - und sie weiß auch, warum Du sie nicht verschont hast." Mit mehr Worten ging Molly nicht auf die kleinlauten Wortes ihres Mannes ein. Natürlich hatte er Recht, denn diese Züchtigung hatte Martha wirklich verdient und war nötig, um jeden weiteren Versuch der Kinder sie zu hintergehen, bereits im Keim zu ersticken. Danach würde Ben daran nicht einmal mehr ansatzweise an so etwas auch nur zu denken wagen und Mathew war ohnehin zu ehrlich und gerade, um seine Eltern zu hintergehen. und Martha wird es nie wieder tun. Molly nickte, denn die Kirchenglocken hatte sie auch läuten gehört. Es wurde wirklich höchste Zeit sich anzuziehen und aus dem Haus zu gehen, aber dennoch wollte sie Martha nicht mit offenen Wunden zum Gottesdienst mitgehen lassen. Es ging ihr nicht dabei darum, dass es ihrer Tochter womöglich peinlich war, mit den Folgen einer Züchtigung gesehen zu werden, aber das Risiko einer Infektion war doch recht groß. "Sieh, Du nach dem Fenster, Francis. Mir ist noch immer unklar, wie dieses hat durch den lockeren Schnee hat kaputt gehen können.." Molly zuckte kurz mit den Achseln, denn das war ihr wirklich unklar. Allerdings kannte sie die Zusammenhänge auch nicht näher, so dass sie mehr dazu nicht zu sagen hatte. Stattdessen wandte sie sich noch einmal an ihre Tochter, die ihre erste Aufforderung mit ihr zu kommen, entweder nicht gehört hatte oder aber schlicht ignorierte. Letzteres wollte sie nicht hoffen, denn das würde zumindest einen weiteren Eintrag in ihr Sündenregister zur Folge haben. "Martha? Komm eben mit, damit wir wenigstens die offenen Wunden abdecken können. Dafür wird die Zeit reichen." Ohne weiter zu zögern, lotste Molly ihre Tochter nun in die Küche, wo sie ebenfalls ohne große Umstände, die Wunden vorsichtig reinigte und mit Mull abdeckte. Selbstverständlich verband sie diese nicht so fest, dass Martha ihre Finger nicht mehr bewegen konnte. "Zieh, Dich an, Martha. Dein Vater hat Recht: Wir müssen los." Molly wartete nicht, ob Martha ihrer Aufforderung Folge leistete. Sie erwartete das einfach von ihr, so wie sie auch von Ben oder Matt erwartete, dass sie ihren Aufforderungen umgehend Folge leisteten, denn Kinder hatten ihren Eltern zu gehorchen und sie zu respektieren. Das war nicht nur ihre persönliche Meinung, sondern der biblische Anspruch an die Kinder. Sie selber ging in den Flur und zog sich ihre warmen Stiefel und einen Mantel an. Eine warme Haube und warme Handschuhe komplettierten ihre Garderobe. Im letzten Augenblick fiel ihr ein, dass sie noch Jerrys reparierten Pullover im Wohnzimmer hatte. Rasch holte sie ihn, um ihn Jeremiahs Vater auszuhändigen. Nicht dass der Junge das verdient hätte! Da hatte er ganz bestimmt nicht - ebenso wie Marth ihre Fürsorge nicht verdiente. Allerdings, und in dem Punkt war sie mit Francis Worten nicht ganz einverstanden gewesen, lag die Fürsorge für Andere in der Natur der Frau und Mutter. Diese war unverdient - ebenso wie Gnade.
Francis fühlte sich nicht unbedingt von Mollys Worten bestärkt noch schienen sie ihm in seiner Meinung völlig Recht zu geben. Molly war wie gewöhnlich verschlossen und unnahbar. Alles was sie eben noch in ihrer Hilflosigkeit über sein grobes Umgehen mit Martha an Gefühlsregungen gezeigt hatte, hatte sich auf ihr Eingreifen beschränkt. Jetzt war Molly wieder die Frau, die er gewohnt war. Aber die er nicht unbedingt gerne bevorzugte. Im Augenblick war ihm die kühle Ehefrau jedoch lieber. Zumindest würde sie sich daran halten Martha so nüchtern wie möglich zu behandeln, um endlich zur Kirche gehen zu können. Mehr hatte Martha auch nicht verdient.
Sobald er ihre Zustimmung wegen des Fensters hatte, nickte Francis kurz und verließ das Wohnzimmer um rasch die schmale Stiege auf den Dachboden zu nehmen. Es konnte sicher nicht lange dauern und das Fegen der Scheiben würde er später Ben auftragen. Schließlich war es auch sein Freund gewesen und seine dumme Idee. Wie zu erwarten gewesen war fand er das Fenster zerbrochen vor. Zum Glück hatte dieser Pfarrbengel nur die untere rechte Sproße erwischt. Diese ließ sich für die Nacht mit Wolltücher ausstopfen und war sicher rasch und güntsig für den Reverend zu ersetzen. Die Scherben waren unter dem Fenster verteilt, hielten sich aber angesichts des kleinen Schadens in Grenzen. Francis schob sie dennoch mit der Schuhspitze ein wenig zusammen, damit Ben später, wenn er für Ordnung zu sorgen hatte, in seiner Schusseligkeit nicht noch in die Scherben trat. Dabei rollte ein dunkles Etwas vor seiner Schuhspitze durch die Glasscherben, das Francis stutzen ließ. Er bückte sich danach und hob zu seiner Verwunderung einen kleinen Kieselstein auf. Ähnliche zierten im Sommer die kleinen Wege in ihrem Garten. Daher war die Herkunft schnell erraten und auch das Geheimnis der kaputten Scheibe gelüftet. Von einem einfachen Schneeball ging keine Scheibe so einfach kaputt. Na das wurde ja immer schöner. MIt verägertem Blick drehte Francis den Stein vor seinen Augen und steckte ihn dann in seine Westentasche. Damit würde er garantiert Jeremiah und seinen Vater konfrontieren müssen. Das schrie nach Absicht, die der Bengel die ganze Zeit über abgestritten hatte. Ein Lügner war dieser Satansbraten auch noch! Francis hielt es immer mehr für bedenklich Ben den Umgang mit Jerry zu erlauben. Wäre eben nicht der Haken an der Sache, dass Jeremiah der Sohn des Reverends war. Wie sah das aus, wenn einer der Kirchenältesten dafür warb, dass man seien Kinder vom Sohn des Reverends fernhielt. Mit einem Seufzen verließ er das Zimmer von Matt, das sicher bis gegen später völlig ausgekühlt sein würde. Wahrscheinlich würde er nach der Kirche noch rasch eine Lösung finden müssen, bevor man zu dem Fest ging. Er würde sowieso mit Martha und Ben nach der Kirche in den Schuppen müssen und konnte von dort vielleicht mit einem Stück Holz oder Brett das Loch zustellen um die Kälte draußen zu halten. Das wäre doch geschickter als mit alten Lappen das Loch zu stopfen.
Wieder unten im Flur der eigenen Wohnung angekommen, verschwendete Francis keine Zeit mit vielen Worten, obwohl sich Molly und eine noch immer schluchzende Martha für den Gottesdienst anzogen. Er griff statt dessen zum Jacket, zum eigenen Mantel, Hut, Schal und Handschuhe, während Martha überhaupt nicht wusste, wo sie nur die Knöpfe anfassen sollte, um ohne Schmerzen den Mantel zu schließen. Ihr war Elend zu mute und die kühle, abweisende Haltung ihrer Mutter in der Küche hatte nicht dazu beigetragen, dass Martha sich beruhigen konnte. Im Gegenteil. Es hatte ihr gezeigt, wie recht sie zuvor mit ihren Gedanken gehabt hatte. Niemand würde sie mehr hier achten oder gar mit Respekt behandeln. Wohl nicht eher, bis ihr Vater der Meinung war, dass sie sich beides wieder verdient hatte. Natürlich war ihre Mutter vorsichtig mit ihren Wunden umgegangen und hatte sie gereinigt und mit Mull abgedeckt. Sorgfältig, langsam, vorsichtig. Nicht harsch und eilig. Und dennoch hatten die fehlenden, tröstenden Worte in Martha ein tiefes Loch gerissen. Und nun würde sie auch noch die Schmach ertragen müssen, dass die Leute nach dem Grund der Bandagen fragten. Ihre Eltern würden wie gewöhnlich keine Scheu davor haben, ihr schlechtes Benehmen ans Licht zu zerren um sie zu demütigen, während die Leute für die Eltern Mitgefühl über solch ein verkommenes Subjekt äußern würden. Nein, heute blieb ihr nichts erspart... Und wie sie sich jetzt anziehen sollte war ihr völlig unklar. Es tat einfach nur weh.... Dennoch versuchte sie ihr Schluchzen zu unterdrücken, als Vater von oben zurückkehrte und sich ebenfalls für den Aufbruch fertig machte. Nicht das sie ihn gleich wieder überraschte... Ach die Knöpfe ließen sich nicht bewegen und erst die Schnürre ihrer Stiefel.... Überrascht sah sie auf, als pötzlich ihr Vater vor sie trat. Instinktiv zuckte sie ein wenig zusammen, aber statt für ihr noch immer kaum zu bändigendes Weinen erneut grob angefasst zu werden, griff ihr Vater nach den Knöpfen und schloss sie sorgsam. Kein Ton sagte er dabei, noch verzog er die Miene, die verschlossen wirkte. Genauso schweigend ging er vor ihr auf die Knie und schloss die Stiefel. Den Schal hatte sich MArtha längst umgelegt, und die Haube hatte sie nicht vom Haken genommen. Auf Handschuhe wollte sie ebenfalls verzichten. Zumindest die Haube nahm Francis herunter und setzte sie Martha auf, und band sie mit einer ungeschickten Schlaufe unter ihrem Kinn zusammen.
Martha wagte ein schüchternes Lächeln, bekam aber natürlich nichts zurück. Aber das war in dem Moment nicht nötig, fand sie. Die Gesten alleine hatten ihr gezeigt, dass der Ärger vielleicht schon wieder anfing sich zu verziehen. Aber es ließ sie dennoch nicht die harten Worte vergessen. MIt einem Seufzen folgte sie ihren Eltern hinunter vor das Haus und lief mit gesenktem Kopf hinter ihnen zur Kirche.
Molly nickte leicht wohlwollend, als sie sah, dass Francis ihrer Tochter half. Wie schmerzhaft das sein musste! Sie fühlte wirklich mit ihrer Tochter mit, denn sie erinnerte sich daran, wie schmerzhaft solche Schläge auf die Finger waren. Ihr eigener Vater hatte sie stets mit Härte erzogen, so dass sie gut verstand, dass Martha die Knöpfe unmöglich schließen konnte. Auch die Haube setzte Francis ihrer Tochter auf und band ihr die Schleife. Das geschah völlig wortlos, aber Molly spürte einen leichten Anflug von Eifersucht. Es war nicht verkehrt, dass Francis diese Handgriffe nun ausführte, aber was konnte sie nun tun, um Martha trotz Allem ihrer Zuneigung zu versichern? Sie liebte das Mädchen doch genau so wie Matt und hatte sie nicht weit vor dem Rest der Familien in ihr süßes Geheimnis des werdenen Lebens in ihr eingeweiht? Molly unterdrückte ihr Seufzen, während sie sich anzog. Als sie schließlich das Haus verließen ging sie an Martha vorbei und wischte ihr mit einer sanften Geste ein paar Tränen von der Wange. Es war bitterkalt draußen und gefrorene Tränen auf der Haut waren zumindest unangenehm. Wie sie es gewohnt war, ging sie an Francis linker Seite, ihre Hand auf seine Unteram legend. Martha folge ihnen wortlos und Molly hatte keine Veranlassung, das Schweigen ihrer Tochter zu unterbrechen. Sollte diese sich ruhig noch Zeit nehmen, um die Züchtigung zu verarbeiten. "Francis - wie hast Du nun das Matts Fenster vorgefunden? Ist es ganz kaputt?" Fragend sah Molly ihren Mann an, denn noch konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Ball aus Pulverschnee die Scheibe hatte bersten lassen können. "Denkst Du, Du könntest es abdichten?" Molly fürchtete, dass das Zimmer auskühlen würde. Bei der klirrenden Kälte, die des nachts zu erwarten war, konnte auch Matt sich übel erkälten oder gar eine Lungenentzündung davon tragen, obwohl der Junge durch seine zahlreichen Aufenthalte im Freien nicht besonders anfällig für derlei Krankheiten war. Francis würde das Fenster hoffentlich noch am Nachmittag reparieren können, damit es nachts nicht zu kalt wurde. Andererseits könnte sie wohl anderenfalls ein Bett im Gästezimmer für Matt herrichten, damit er zwar in fremdem Bett, aber wenigstens im halbwegs warmem Zimmer schlafen konnte. Gespannt wartete sie auf die Antwort ihres Mannes, während sie ihre Aufmerksamkeit bereits auf die Gruppe von Menschen auf dem Kirchenplatz richtete. Schon von weitem erkannte sie an der Haltung Sheriff Clayton, der mit einem Paar sprach. "Du meine Güte - ist das nicht diese Hure, der Reverend Hawkins den Zutritt zum Gottesdienst verweigert hat?" Leise fragte sie Francis danach, während sie die Familie Freeman keines Blickes würdigte. So weit kam es noch, dass sie ihre angestammten Plätze mit Tieren teilen mussten! Als ob der Vorfall im Lagen nicht deutlich gezeigt hatte, dass man diesen wilden Tieren nicht über den Weg trauen durfte! Kritisch beobachtete sie das schwarze Mädchen, dass so selbstverständlich auf Cassidy Clayton zuging, als ob es zu ihnen, den gut situierten Bürgern dieser Stadt, gehörte. Von der Tochter des Sheriffs war wohl nichts Anderes zu erwarten, dachte Molly. Wer Scheunen anzündet.. hat wohl keine Hemmungen mit Niggern zu sprechen. Molly wandte ihren Blick ab, denn der Anblick war ihr deutlich unangenehm. Freundlich nickte sie der Familie Harris zu und auch für andere Familien und Kunden, wie Mrs. Moran, fand sie eine freundliche Begrüßung. Jetzt glaubte sie auch den Pianisten zu erkennen und musste fast grinsen. Der stadtbekannte Säufer und der trinkende Sheriff einerseits; andererseits die Hure und der Pianist. In beiden Fällen haben sich wohl die richtigen gefunden. Jetzt war sie aber gespannt, wie Reverend Stevenson damit umgehen würde - und mit den Erwartungen der moralisch einwandfrei lebenden Mitgliedern seiner Gemeinde, die derlei Gestalten wohl nur ungern im Gottesdienst sahen.