Die Wohnstube der McKays ist der größte Raum in der Wohnung. Sie liegt dem Eingangsflur direkt gegenüber, aber auch über die Küche kann man das Zimmer betreten. Mit den meisten Fenstern, die zur Straße hinaus gehen ist der Raum auch der hellste im Haus. Eine kleine Nische hinter der Küche beherbergt den großen Eßtisch der Familie mit zahlreichen Stühlen für die Großfamilie und ihre vielen Gäste. Ein großer Kerzenkronleuchter hängt darüber und spendet am Abend ausreichend Licht. Neben dem Eßtisch nimmt ein schwarzer Flügel den meisten Platz im Raum ein. Früher spielte Isabell darauf, aber seit sie ausgezogen ist steht der Flügel verwaist in der Ecke. Eine große Sitzecke am Kamin rundet neben Buchreaglen, Familienbilder, Gemälde, Teppichläufer und Vitrinen das Bild einer wohlhabenden Einrichtung ab.
Francis mit Molly, Martha, Matt und Ben am Frühstückstisch
Das gewöhnlich frühe Aufstehen der McKays hatte einen entscheidenden Vorteil am Sonntag - man konnte noch in Ruhe ein schönes Frühstück mit der Familie genießen, ohne sich wegen des Gottesdienstes um zehn abhetzen zu müssen. Für Francis war es entschieden wichtig, dass auch an einem Sonntag die lieb gewonnene Routine eingehalten wurde. Den Hühnern und der Kuh war es nun einmal egal ob sie Sonntag oder Montag hatten. Ihre Eier gehörten eingesammelt und das volle Euter gemolken. Die Pferde mussten auf die Weide und brauchten ihr Futter, genauso wie das restliche Vieh. Und da ihnen der lieb Herrgott nun einmal jeden Tag Maßen von Schnee schenkte, aber niemand der ihn räumte, musste auch das an einem Sonntag erledigt werden. In dieser Beziehung war Francis doch ein wenig weltoffener über die Jahre geworden, als es die eigene Erziehung erlaubt hätte. Sich mit Arbeit am Sonntag zu versündigen legte er ohne ein schlechtes Gewissen großzügig für die eigene Annehmlichkeiten aus. Aber selbstverständlich überschritt er auch keine Grenzen. Der Laden blieb zu, egal welcher Nachbar ihn schon in den letzten Jahren um einen raschen Einkauf angebettelt hatte, nur weil es praktischer gewesen wäre - Kirche und Einkauf über einen Weg. Nein, sollten die Leute ruhig am Montag wieder kommen. Ausschlafen war im Haus der McKays demnach ein Fremdwort und jeder hatte seine Pflichten und Aufgaben auch heute Morgen zu erledigen gehabt. Doch anders als unter der Woche war es Francis selbst gewesen, der die Veranda, den Hof und den Weg vor dem Haus geräumt hatte. Schließlich fiel die Vorarbeit im Laden sonntags weg und er war sich nicht zu schade im Haus mit anzupacken. Zumal die Kinder ja auch andere Aufgaben hatten, die Molly und er gerne vor dem Frühstück erledigt wussten.
Im Großen und Ganzen war Francis am heutigen Morgen sehr zufrieden mit seiner Familie. Es hatte bis auf den Montag keinen Streit mehr gegeben und keines seiner Kinder hatte sich an einer Rebellion beteiligt. Sie hatten folgsam ihre Pflichten erfüllt, Ben war artig zur Schule gegangen und Matt hatte gute Arbeit geleistet. Und ihm damit (leider) erneut bewiesen, dass er doch hervorragend für den Laden und den Betrieb geeignet gewesen wäre. Nur mühsam wollte Francis begreifen, dass Matt andere Ziele in seinem Leben verfolgte. Er wollte es sogar zu akzeptieren lernen, aber das war ein Wunsch, den sich Francis einfach nicht selbst erfüllen konnte. Noch hing er an der Vorstellung Matt würde einmal sein Nachfolger werden, aus dem Reichtum, den die Eltern für die Kinder erwirtschaftet hatten eine Goldgrube machen. Er wusste, dass er sich damit selbst im Weg stand, doch ändern ließ sich das nicht. Es war hoffnungslos und so wie Matt wohl automatisch Widerworte brauchte, um sich gegen Francis zu behaupten, musste Francis sofort dafür sorgen, dass Matt nicht vergaß wer noch immer Gewalt über ihn hatte. Doch nichts davon war diese Woche über notwendig gewesen. Sie hatten nebeneinander gearbeitet, schweigend zwar, aber doch mit Erfolg und Worte waren gar nicht nötig gewesen. Obwohl Francis stets das Gefühl gehabt hatte, irgendetwas sagen zu müssen, was Matt erklären würde, was seinen alten Herren dazu bewegte so streng mit ihm ins Gericht zu gehen. Das Leben schenkte einem dort draußen einfach nichts und es war ganz gut, wenn man sich daran gewöhnte und nicht auf Rosen gebettet durchs Leben getragen wurde. Und Molly hatte sich tatsächlich zu schonen versucht... Ein Lächeln traf Molly unbewusst, als er in seinen Gedanken an das ungeborene Leben in ihr dachte und von einer angenehmen Vorfreude darauf gepackt wurde. Natürlich würden sie hier mehr Platz brauchen, alle würden neue Aufgaben bekommen, aber letztendlich versprach Familienzuwachs auch eine spannende Herausforderung zu werden. Er hoffte der Rest teilte seine Aufregung.
Nach der letzten Gabel Rührei legte Francis Gabel und Messer auf den Teller, griff nach der Serviette auf seinem Schoss und tupfte sich die Lippen ab. Noch ein letzter Schluck Tee und ein Blick in die Runde seiner artigen Kinder und er war rund herum zufrieden mit der Welt. Was war das doch für eine Unruhe am Montagabend gewesen, als die kleine Clara ungehindert allen ihre Gedanken mitteilte und ihre Mutter es nicht einmal für nötig gehalten hatte, sie aufzuhalten. Auch Jeremiah hatte sich mitreißen lassen. Zum Glück war Ben vorgewarnt gewesen. Am Ende hätte er sich auch noch anstecken lassen. Nein da war ihm die Ruhe am Tisch doch heilig.
"Ganz ausgezeichnet wie immer, Liebes," Francis sah zu Molly hinüber und musste ein wenig grinsen. "Gemessen am Hunger deiner Söhne, scheint es ihnen auch zu schmecken." Mit Bedauern sah er zu Martha, die im Gegensatz zu ihren Brüdern schon längst vor einem geleerten Teller saß und so wie er sie kannte gerne einen Nachschlag gehabt hätte. Doch den verbat Molly nach wie vor rigoros, auch wenn Francis fand, dass dieses Verbot nicht wirklich etwas brachte. Martha blieb rundlich und wenn er sie sich genauer betrachtete könnte sie sogar ein wenig zugelegt haben. Aber in diesen Dingen mischte sich Francis schon lange nicht mehr ein. Seine Frau hatte ihre Ziele in der Erziehung er die seinen und damit kamen sie seit Jahren gut zurecht. Sein Blick wanderte rasch zur Uhr im Wohnbereich und entspannt lehnte sich Francis zurück. Es blieb noch genug Zeit für eine gründliche Rasur und dem ordentlichen Anpassen des Anzuges. Im Moment gab er ein eher ungewohnt legeres Bild von sich, weil die Hosenträger noch an den Seiten der Hosen herabhingen und das Hemd nicht gänzlich bis nach oben zugeknöpft war. "Nun, wenn Ben und Martha dir rasch zur Hand gehen könnten, würde uns allen noch ein wenig Zeit vor der Kirche bleiben," und diese Zeit, so hielt es Francis schon immer, würde tatsächlich jedem für sich gehören. Das hatten sich die Kinder auch die letzten Tage über redlich verdient und es gab keinen Grund sie mit Pflichten, die sie sich rasch aus dem Ärmel schüttelten, beschäftigt zu halten, damit sie auch ja keinen Unsinn anstellten. Vielleicht wollte Ben sogar rüber zu den Stevensons und Jeremiah abholen? Eine Idee die Francis nur für eine Sekunde lang gut hieß und sie sich dann rasch noch einmal überdachte. Andererseits eine kleine Freude könnte Ben sicher vertragen. Die harte Bestrafung am Montag und Dienstag lag auch Francis noch schwer im Magen und der Junge hatte schon die ersten Einträge im kleinen Büchlein, die sich rasch angesammelt hatten und aufs Gemüt drückten. Und Matt... dem könnte er den Tag durchaus heute versüßen, indem er ihm seine Freiheit zurückgab... Die gute Laune trug eigene Früchte, die Francis jedoch nicht verschreckten. Er konnte durchaus großzügig sein, wenn die Dinge nach seinen Vorstellungen liefen...
Matt mit Eltern und Geschwistern am Frühstückstisch
Wie jeden Morgen war Matt auch an diesem Morgen früh aufgestanden, um noch vor dem Frühstück in den Stall zu gehen. Immer noch fühlte er sich müde, denn obwohl er von der körperlichen Arbeit gepaart mit der frischen Luft abends schon fast bei Tisch eingeschlafen wäre und sofort eingeschlafen war, sobald er im Bett lag, hatte er nicht sehr erholsam geschlafen. Immer wieder hatte er von seinem Erleben am Forest Creek geträumt und auch seine erstaunlich oft um Rebeccah kreisenden Gedanken hatten ihn nicht durchschlafen lassen. Trotzdem hatte er sich in aller Frühe aus dem Bett gequält und war in Jeans und Pulli geschlüpft. Obwohl er seine gefütterte Lederjacke trug, fror er zunächst, als er auf den Hof trat. Es hatte nachgeschneit, so dass er durch Schnee stapfend in den Stall ging. Hier war es vergleichsweise warm mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Das war einer der wenigen Vorteile eines kleineren Stalles, den sich drei Pferde, eine Kuh und Schweine teilten. Der Atem der Tiere stieg in weißen Wolken von den Nüstern auf und Matt zündete vorsichtig eine Öllampe an, damit er genug Licht hatte, um die Futtereimer voneinander unterscheiden zu können. Shy Boy reckte neugierig seine Nase über die Tür seiner Box und Matt knuffte ihn bestimmt aber freundlich auf die Nase, damit der Wallach sich wieder zurück zog. Die Eimer waren schnell mit dem Futter für die Kuh und die Schweine gefüllt. Matt sprach ruhig auf die Pferde ein, während er deren Futterkrippen füllte, Heu verteilte und das durch Mist und Urin bereits verdorbene Stroh gegen frisches austauschte. Er arbeitete schnell, so dass er nach wenigen Minuten bereits seine Jacke ausziehen und an einen Haken hängen konnte. Den Mist mit der Karre abfahren und Schnee als Ersatz für Wasser in Eimern zu holen, war für ihn ein Weg und er winkte fröhlich, als er Ben in den Hühnerstall gehen sah. Wie jeden Morgen fütterte Ben die Hühner, sammelte die Eier und sobald die Pferde gefressen hatten, würde er diese auf die Weide zu Simones bringen. Matt seufzte, als er daran dachte, dass er nun schon die ganze letzte Woche nicht mehr geritten war. Seinen Fähigkeiten hatte das wohl kaum einen Abbruch getan, aber Shy Boy stand gut im Futter und würde dringend Bewegung brauchen. Die Woche war gut verlaufen, so dass Matt doch hoffte, dass sein Vater ein Einsehen haben würde und ihm wieder erlauben, mit Shy Boy auszureiten - und sich einen Job zu suchen. Er war ganz schön ärgerlich darüber gewesen, dass er wegen dieser erzwungenen Auszeit nicht nur nicht Shy Boy reiten konnte, sondern auch ein Jobangebot an der Sägemühle nicht hatte annehmen können. Das ließ sich nun nicht mehr ändern und so würde Matt sich wohl nach einer anderen Arbeit umsehen müssen - vorzugsweise eine, bei der er sein Pferd brauchen konnte. Mit einem bisschen Glück würde er heute Nachmittag noch mit Jonathan Leery ausreiten können, so sein Vater nichts dagegen einzuwenden hatte. Außerdem würde er im Gottesdienst hoffentlich Rebeccah wieder sehen. Darauf freute er sich, obwohl er sich nicht erklären konnte, warum ihm das so wichtig war. Da war dieses Kribbeln in seinem Bauch, so er sie sah und das Gefühl, dass ihr bezauberndes seltenes Lächeln alleine ihm galt. Letzteres war wohl eher Einbildung, aber dennoch freute er sich darauf, sie wieder zu sehen und vor Allem würde er sich endlich bei ihr für ihren mutigen Einsatz für ihn bedanken können. Unter der Woche war sie im Nähkreis ihrer Mutter gewesen, jedenfalls so sie nicht das Toilettenhäuschen aufgesucht hatte. Das war auffallend oft der Fall gewesen und Matt aufgefallen, wann immer er gerade in der Nähe des Schuppens gearbeitet hatte. Oft hatte er den Kopf gehoben, weil er Schritte wahrgenommen hatte und meistens war es Rebeccah gewesen, die an ihm vorbei gehuscht war. Es war fast, als ob sie seine Nähe gesucht hatte, aber auch da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen. Er hatte Rebeccah nichts zu bieten und an einem One-Night-Stand war sie sicherlich nicht interessiert. Matt wusste also nicht, was Rebeccah nun ausgerechnet an ihm finden sollte - allerdings waren seine Empfindungen in ihrer Nähe bar von jeder Erregung, denn im Vergleich zu Megan, Bonnie oder auch Cassidy war sie eine graue Maus. Dennoch fühlte er sich von ihr und ihren blauen Augen geradezu magisch angezogen, ohne sich das erklären zu können. Matt lächelte still vor sich hin, denn abgesehen davon, dass er auf die Predigt Stevensons gespannt war, war auch das zu erwartende Wiedersehen Rebeccahs ein guter Grund in den ansonsten als langweilig empfundenen Gottesdienst zu gehen. Matt war also guter Dinge und so ging ihm auch das Füttern der Schweine und der Kuh schnell von der Hand. Das war auch gut so, denn so hatte er noch genug Zeit, sich für den Gottesdienst umzuziehen. Obwohl das unpraktisch war an Tagen wie diesem, da er noch reiten wollte, bestanden seine Eltern darauf, dass man den guten Anzug trug und selbstverständlich hielt sich auch Matt an diese Regel. Er wurde also entsprechend schnell fertig und warf einen letzten Blick zurück, um sicher zu gehen, dass alle Tiere versorgt und die Stallgasse sauber waren. Seine Jacke wieder anziehend verließ er den Stall und grinste, als Ben auf ihn zu lief. "Hey, Matt..Bist Du fertig?" Ben trappelte von einem Fuß auf den anderen, aber weniger, weil er trotz der Jacke fror, sondern weil er am Liebsten sofort losgehen wollte. Immerhin war die Weide ein Stück weit weg und er wollte doch auch noch seinen Anzug anziehen können - möglichst noch vor dem Frühstück. "Na, klar - der frühe Vogel fängt den Wurm. Lass mal - ich nehme die Eier mit - dann kannst Du schon abschwirren." Matt nahm seinem Bruder den Korb mit den Eiern ab und war froh, dass trotz Bens Gehampel keines kaputt gegangen war, denn das würde seinen Vater nur wieder verärgern. Er hatte sich die Woche über ganz gut mit seinem Vater verstanden, jedenfalls so man davon sprechen konnte, ohne miteinander gesprochen zu haben , und wollte jetzt nicht den Unmut des Vaters auf sich ziehen. "Danke - bis gleich." Ben huschte zum Stall hinüber und Matt brachte die Eier zu seiner Ma in die warme Küche. Molly hatte bereits dafür gesorgt, dass Brot und Rührei fertig waren und auch der Kaffee füllte bereits den Raum mit seinem Aroma, wie der Kamin die Räume mit Wärme. Francis war offenbar auch schon tätig gewesen, so dass überall bereits das Feuer den Raum erwärmte und Matt hörte seinen Vater draußen den Schnee schippen. "Die Eier, Ma. Ben bringt die Pferde zu Simones und ich will mich eben umziehen und rasieren." Matt wartete nur kurz das Nicken seiner Ma ab, bevor er seine Jacke aufhängte, die Schuhe auszog und rasch auf den Dachboden stieg, bevor seine Ma ihn auf die hinterlassenen Schneeflocken am Boden ansprechen konnte. Schnell wusch er sich das Gesicht, Nacken und Hände, denn das Wasser in der Waschschüssel war mindestens so kalt, wie der Schnee, den er für die Pferde in Eimern in den Stall geholt hatte. Brrr.. wann erfindet da mal jemand was.. hmm.. die Schüssel auf den Rand des Ofens stellen wäre hilfreich.. Ohne derlei Gedanken zu Ende zu spinnen, zog er sich um und erwischte sich erneut bei dem irrationalen Gedanken, Rebeccah könnte Gefallen an seinem äußeren Erscheinungsbild finden. Er rasierte sich nicht besonders gründlich, so dass ein Bartschatten zurückblieb und als er sich mit der Bürste durch die langen Haare fuhr, fasste er einen Entschluss. Sobald das Frühstück beendet war und er nach dem Ausritt mit Joe gefragt hatte, würde er Martha bitten, ihm die Haare zu kürzen, denn langsam nervten deren Kitzelei im Gesicht. Als Matt fertig umgezogen und sauber an den Esstisch kam, war bereits gedeckt. "Guten Morgen." Freundlich begrüßte er seine Geschwister und Eltern, während er wartete, bis diese Platz nahmen. Erst nach seinem Vater setzte er sich. Das Rührei war hervorragend und Matt hatte wirklich Hunger, so dass er noch einmal um Brot mit Rührei bat. Ben aß in aller Stille, denn er wollte nicht unbedingt den Vater durch Stören erärgern. Er hatte ja wirklich rechtzeitig die Kurve bei Simones gekriegt und war pünktlich zum Frühstück zurück. So es Pa erlaubte, würde er sich anschließend umziehen und dann zu Jerry hinüber gehen, um diesen zum Gottesdienst abzuholen. Das wäre dem sicherlich weniger peinlich, als an der Hand des Reverends gehen zu müssen. Molly war wie gewohnt noch vor ihrer Familie aufgestanden und hatte als Erstes ein Feuer im Ofen in der Küche entfacht und die Tür zum Esstische hin geöffnet, so dass es bald warm wurde. Sie nutzte diese Zeit der Stille, um zu beten und Gott zu danken, aber auch um für ihre Kinder und ihren Mann zu bitten. An Anliegen fehlte es ihr nicht und so verging ihr die Zeit, bis auch Martha in die Küche kam, um ihr zu helfen fast zu schnell. Gemeinsam richtete sie mit Martha das Frühstück. Natürlich bemerkte sie, dass Matt zum gefühlten hundertsten Mal in diesen Tagen nassen Schnee und Schmutzwasser in die Küche einschleppte, aber sie bei ihm darüber genau so hinweg, wie bei allen Anderen Mitgliedern ihre Familie. Von Francis erwartete sie auch nicht, dass er sich jedes Mal draußen der nassen Schuhe entledigte, wenn er nur für wenige Augenblicke herein kam und sofort wieder verschwand. Dieser war auch bereits aufgestanden und befreite schon vor dem Frühstück den Eingang, die Veranda und die Lake Street vor dem Haus vom Schnee. Noch war es dämmrig und doch sah Molly schon, dass Francis sich die Mühe wohl vergeblich machen würde, denn es schneite noch immer. Das Frühstück verlief mit der gewohnten Routine und Martha war froh, dass alle Kinder, einschließlich Ben und Matt, pünklich und ordentlich gekleidet am Tisch saßen. Ihr noch warmes frisch aufgebackenes Brot und Rührei wurde gerne gegessen und brachte ihr sogar ein Lob ihres Mannes ein. "Danke, Francis." Molly fing das Lächeln ihres Mannes auf und freute sich, an ihren Kindern, die alle wohlerzogen und ordentlich am Tisch saßen. Martha war aufgrund ihrer Kinderportion vor den Jungs fertig und Ben beieilte sich, als Francis seine Serviette zusammenlegend andeutete, dass so er und Martha schnell abräumten, jeder noch Zeit für sich hatte. Für Molly war das ein besonderer Segen, denn dann konnte sie noch einen kurzen Augenblick mit Francis in Ruhe am Tisch sitzen, jedenfalls bis dieser sich noch umzog und sich rasierte. "Ja, Pa. Darf ich dann Jeremiah zum Gottesdienst abholen, bitte?" Fragend sah Ben den Vater an, denn das war ihm wirklich wichtig. Er würde sich auch ganz sicher vorher umziehen und ganz pünktlich sein. Matt legte sein Besteck auf den Teller und schwieg zunächst. Er würde ohnehin mit der Tür ins Haus fallen müssen, da würde er nicht seinem Vater ins Wort fallen - oder Ben. Er wartete also die entsprechende Antwort seines Vaters ab, bevor er sich kurz räusperte. "Ich hätte auch eine Bitte, Pa. Denkst Du ich könnte heute ausnahmsweise mit Shy Boy raus? Ich würde gerne mit einem Freund ausreiten und diesem den Lake Forest zeigen - er ist erst seit ein paar Tagen in Camden Village." Matt half Martha, die Teller zusammen zu stellen, während er die hoffentlich bejahende Antwort seines Pas abwartete. "Ach, Martha? Wenn Du damit fertig bist.. meinst Du Du findest einen Augenblick, um mir die Haare zu kürzen? Bitte - Du kannst doch gut mit der Schere." Ein charmantes Grinsen lag auf Matts Gesicht, während er Martha bittend ansah. Es mochte sein, dass sie ihre Zeit lieber anders verbringen wollte, aber ein Versuch war es wohl wert. "Ich will auch in den nächsten Tagen noch einmal zur Stone-Ranch, so ich darf. Das mir dem Job bei Hanson an der Sägemühle hat ja nun doch nicht geklappt. Er hat wohl diesen Fremden, Mr. Garvey, an meiner Stelle genommen." Matt äußerte sich nicht weiter zu den Gründen für Mr. Hansons Entscheidung, da er davon ausging, dass sein Vater schon wusste, dass er ihn an der Wahrnehmung dieses Angebotes gehindert hatte. Natürlich war er ursprünglich darüber enttäuscht und wütend gewesen, aber inzwischen überwog das gute Gefühl, gute Arbeit daheim geleistet zu haben und gebraucht worden zu sein. Nein, ein Nichtsnutz und Hallodri war er nicht - zumindest nicht in der vergangenen Woche.
Matt mit Eltern und Geschwistern am Frühstückstisch
Martha saß ein wenig übernächtigt am Frühstückstisch und hatte Mühe ein Gähnen zu unterdrücken. Sie verspürte selten den Wunsch ausschlafen zu dürfen, doch heute wäre sie gerne noch ein wenig länger im warmen Bett geblieben. Dort hatte es ihr die letzten Tage über am besten gefallen. Dort war es warm und sicher und man ließ sie in Ruhe. Dort gehörte sie sich alleine und musste nicht über jeden eigenständigen Schritt Rechenschaft ablegen. Es war eine kleine Insel in mitten der Familie. Nach dem Erlebnis am Montagabend und Vaters Eröffnungen über Mutters Schwangerschaft und den neuen Regeln im Haus, hatte Martha kaum eine Nacht noch vernünftig geschlafen. In ihren Träumen verfolgte sie dieser schwarze Mann immer wieder und was er dank Matts eingreifen nicht hatte beenden können, passiert jede Nacht in ihren Träumen und ließ Martha schweißgebadet aufwachen. Dann lag sie jedoch meist wach und grübelte sofort darüber nach, wie anders ihr Leben in den nächsten Monaten sein würde, wenn Vater ein wachsames Auge auf sie hatte. Wobei das natürlich nicht der Richtigkeit entsprach. Vater hatte Wert darauf gelegt, dass sie wusste, dass noch immer ihre Mutter darüber bestimmte, wann eine Züchtigung notwendig war und nur auf Mutters ausdrücklichen Wunsch würde er Martha die verlangte Strafe zu spüren geben. Aber das hieß nicht, dass Martha deswegen beruhigt gewesen wäre. Nein, sie fürchtete sich bereits jetzt schon vor dem Tag, an dem Mutter die Kraft nicht mehr haben würde ihr eine Züchtigung zu verabreichen. Und dieses dumme Buch, das Vater eingeführt hatte, verwirrt nicht nur den armen Ben. Das war einfach zu hoch für sie. Es gab jetzt Striche und Notizen, keine sofortige Züchtigung mehr. Und wer sich eine bestimmte Anzahl zu schulden hat kommen lassen, wurde abgestraft. Außer man zeigte groben Ungehorsam, der würde sofort bestraft werden. Aber was war goßber Ungehorsam? Wann fing dieser an, wann musste man damit fürchten, dass man doch wie gewohnt sofort in die Küche und in den Schuppen geschickt wurde? Welche KLeinigkeiten kamen nun in das Buch? Nein, all das sorgte doch sehr für unruhige Nächte und das frühe Aufstehen blieb dann natürlich nie aus. Die Arbeiten mussten verrichtet werden, auch wenn man kein Auge zugemacht hatte. Das hatte Spuren hinterlassen und Martha war in den letzten Tagen recht blass gewesen und die Augenringe unter ihren Augen sprachen von den schlechten Nächten. Zum ersten Mal machte es Martha nichts aus, dass ihr Mutter nur die halbe Portion auf den Teller häufte und erwartete, dass ihre Tochter davon satt wurde. Der schlechte Schlaf hatte auch Auswirkungen auf ihren Appetit und obwohl sie kaum etwas auf den Teller hatte, nach ihrem empfinden, schob sie lange mit der Gabel die Eier hin und her und zupfte ihr Brot in kleine Stücke, die sie nicht sofort in den Mund steckte, sondern damit gedankenverloren ihre Eier dekorierte. Ihre Brüder aßen derweil wie immer für zwei. Die Arbeit im Stall und mit dem ganzen Schnee schien hungrig zu machen. Aber Martha wollte auch nicht den Unbill ihrer Eltern auf sich ziehen und bemühte sich den Teller zu leeren, so dass sie unbeschäftigt vor geleerter Platte saß, während alle anderen noch einmal nachlangten. Ihr war das heute völlig gleichgültig. Sie hatte nur den Wunsch in ihr Zimmer gehen zu dürfen. Aber das würde man ihr natürlich nicht erlauben. Der Tisch musste ja abgedeckt werden und aufspülen musste man auch, dann hieß es bestimmt auch bald sich für die Kirche fertig machen zu müssen... nein Martha würde sich nicht zurückziehen dürfen. Sie würde auch völlig erledigt in der Kirche sitzen müssen und zu allem auch noch darauf achten dürfen, dass sie nicht in der Bank postwenden einschlief. Sie wollte sicher nicht heute schon austesten, wie es war wenn Vater strafte. Der Gedanke sollte hoffentlich reichen, um sie vor einem Einnicken zu bewahren. Sie sah kurz auf, als Vater Mutter für das Essen lobte, als wenn diese alleine dafür zuständig gewesen wäre. Unfair. Aber im Grunde hatte sie nicht erwartet ein Lob von Vater zu bekommen. Man beachtete das Werk der Kinder als selbstverständlich und hob es nun einmal nicht hervor. Nein, im Gegenteil man deckte sie mit neuen Pflichten ein. Martha erlaubte sich ein leises, protestierendes Schnauben, das aber wohl nur Ben und Matt hören konnten, ehe sie sich erhob. Sie gab Ben einen leichten Stubser mit dem Pantoffel, als sie neben ihm stand und der Bengel doch tatsächlich Vater fragte, ob er zu seinem neuen Freund hinüber durfte. Sie gingen schließlich seit sie denken konnte gemeinsam zur Kirche. Da gab es kein 'Darf ich....'. Ben sollte doch nun wirklich ein wenig vorsichtiger sein. Er hatte am Montag und am Dienstag noch einmal nach der alten Regel ordentlich Prügel bezogen und bereits zwei oder dreimal das Büchlein hervorholen müssen. Er lernte es wohl nie einen passenden Zeitpunkt abzuwarten. Wobei... Vater wirkte heute entspannt und auch Mutter hatte wohlwollen über ihre Köpfe hinweg geblickt. Vielleicht hatte Ben auch einfach einmal Glück, nach dem furchtbaren Wochenstart, der auch Martha noch immer in den Knochen steckte. Für Martha wäre es jedoch eine Wohltat gewesen, wenn ihr tatsächlich noch ein bisschen Zeit übrig blieb, wie Vater gesagt hatte. Denn dann würde sie sich vor dem Kirchengang noch einmal gründlich waschen. Das hatte sie erst gestern getan, aber sie hatte das Gefühl, dass sie vor der Kirche dieses Tier von sich noch einmal abschrubben musste um vor Gott rein zu sein.
Sie sammelte bereits die Teller ein, als sie zu ihrem Erstaunen vernahm, dass Pa tatsächlich Ben seinen Wunsch gewährte. WAren diese neuen Regeln vielleicht gar nicht so schlimm? Es war natürlich beängstigend zu wissen, dass absofort härter bestraft wurde, wenn auch nicht mehr so oft, aber es schien den Eltern auch irgendwie gut zu stehen. Ihr war nämlich die ganze Woche über nachgesehen worden, dass die Suppe einmal versalzen und einmal zu lau gewesen war. Zwar kam das dumme Stöckchen bei der Handarbeit am Abend nach wie vor schmerzhaft zum Einsatz, aber die Missgeschicke am Herd blieben ungestraft und es kam nicht einmal in Vaters neues Buch. Und jetzt durfte Ben sogar diesen Jeremiah abholen gehen...
Francis hatte zwar auf Bens Frage hin erst einmal erstaunt eine Braue nach oben gezogen, dann aber mit einem Schmunzeln genickt. Er war ja froh, dass Ben einen Freund hatte, auch wenn dieser Pfarrersbengel mit Vorsicht zu genießen war. Und er wollte den neu geknüpften Banden mit diesem Freund nicht im Wege stehen. Er selbst vermisste seinen Freund Harold, der sich seit Wochen auf der Farm seiner Eltern verschanzte und fand nur leidig Ersatz in Harris oder Richard. Er wusste also was ein guter Freund bedeutete. Zudem hatte sich Ben nach den neuen Regeln ganz gut angestellt und hatte erst drei Einträge gesammelt, da würde einer kleinen Belohnung nichts im Weg stehen. Heute würden diese schon wieder gelöscht werden, denn morgen fing eine neue Woche an und Ben bekam eine neue Chance um sich zu beweisen. Er hielt seine Idee durchweg für gelungen, hatte er doch seit Dienstagmorgen keines seiner Kinder mehr strafen müssen. Und die Angst vor strengerer Bestrafung schien zu wirken. Nein, Ben konnte ruhig Jeremiah für die Kirche abholen, da kam vielleicht auch dem Reverend entgegen, der am ersten Sonntag seiner Dienste sicher ganz andere Dinge im Kopf hatte, als sich auch noch mit seinem Sohn herumplagen zu müssen.
"Nun, Ben, ich denke das ist eine sehr gute Idee, die du da hast. Wenn du Martha geholfen hast und dein Anzug sitzt, kannst du hinüber laufen und den Reverend bitten, Jeremiah mit uns zur Kirche kommen zu lassen. Sein Pa hat bestimmt noch wichtige Dinge für den Gottesdienst zu erledigen, bei denen ihn vielleicht Jeremiah stören könnte. Komm unverzüglich mit Jeremiah nach Hause. Wir werden natürlich gemeinsam zur Kirche gehen, wie jeden Sonntag." Und damit schob Francis absichtlich nicht auf direktem Weg ein Riegel vor jeden möglichen Blödsinn. Matts Bitte kam unverzüglich und Francis wandte seinem Älteste den Kopf zu und nickte. Aber schüttelte gleich wieder den Kopf. Ja, er würde zuhören und nein Matt durfte nicht ausreiten... oder doch? Francis Bewegungen wurden langsam bis er innehielt und ein unentschlossenes Gesicht machte. Der Junge hatte nun wirklich fleißig bewiesen, dass er arbeiten konnte und das ohne murren. Er hatte sich nicht heimlich weggeschlichen und sich auch nicht mit Worten gegen die Arbeit gewehrt. Er hatte nicht gemurrt und sich auch nicht vor den Pflichten gedrückt. Wenn er Ben eine Belohnung zugestand, hatte sie wohl auch Matt verdient nicht wahr? Aber einen Freund treffen? Einen, den Francis noch nicht einmal kannte? Er wollte gerade auffahren, als er Matts Bitte um einen Haarschnitt an Martha stellte, was Francis so sehr in Erstaunen versetzte, dass ihm erst einmal jedes Wort im Hals stecken blieb. Wie lange hatte er deswegen schon auf den Jungen eingeredet? Jahre. Und nicht nur er, sondern auch Molly. Aber vergebens. Und nun auf einmal wollte Matt... ah, natürlich. Ein Freund, also. Wer's glaubt. Francis konnte nur mit MÜhe ein Grinsen unterdrücken, als er glaubte zu wissen, wer hinter dem angeblichen Freund steckte, dem Matt den See zeigen wollte. Matt wurde von Tag zu Tag mehr zum Mann, was Francis nur schwer akzeptieren konnte, aber er wollte natürlich keiner jungen Liebe im Weg stehen. Vielleicht sollte er Matt aber später noch ein paar gut gemeinte Ratschläge mit auf den Weg geben. Immerhin wusste er nur zu gut, zu was junge Leute im Stande waren und wie schnell man falsche Dinge tat und falsche Entscheidungen aus Liebe traf. Doch für den Augenblick wollte er lieber den großzügigen spielen und nichts weiter über seine Erkenntnisse verlauten lassen.
"Tja, wenn du für deinen Freund einen neuen Haarschnitt brauchst, wäre es von Martha mehr als nett, wenn sie dir dabei hilft," musst er dann doch mit einem Zwinkern an Matt verlauten lassen und nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass Martha das Gesicht verzog. Ihr war schon bewusst, dass Matts Frage ein Nein zu gelassen hätte, aber Vaters Worte machten dies nun unmöglich und sie sah ihre Freizeit dahin schwinden. Zunichte gemacht. Einfach so. "Ja, Pa, sicher werde ich Matt helfen," sagte sie tonlos und ohne jegliche Begeisterung, immun gegen das charmante Lächeln des Bruders, und trug dann ärgerlich die Teller in die Küche. Das laute Klirren hinter der Tür ließ vermuten, dass sie andere Pläne gehabt hatte... Francis sah ein wenig ärgerlich zu seiner Frau, wusste aber, dass Molly seit Tagen nachsichtiger mit ihren Kindern umging, als für diese gut war. Wahrscheinlich sah sie im Gegensatz zu ihm nicht wirklich ein bedenkliches Verhalten. Matts weitere Worte lenkten Francis jedoch rasch wieder von Martha ab und seine Stirn legte sich in Falten. Was hatte der Junge da gesagt? Er hatte schon wieder keine feste Arbeit? Das war ja nichts neues und Francis war kurz geneigt zu zugeben, dass er daran wohl Schuld trug, hatte er den Jungen ja die Woche über ans Haus gefesselt. Aber hätte der dumme Bengel nicht einfach den Mund aufmachen können, um ihn wegen der Sägemühle anzusprechen? Er wäre mit ihm hinausgeritten, hätte gewartet und dann wieder dafür gesorgt, dass der Junge nach Hause fand. Ausgerechnet dieser sonderbare Garvey war jetzt bei Hanson angestellt. Nun da war er ein gutes Stück außerhalb der Stadt, dass war vielleicht ganz gut. Aber Matt auf einer Farm, im Winter? Das ausgeschlossen. Da war der Junge doch allen Gefahren ausgesetzt. Wölfe, Kälte, Schneestürme und Blizzards. Und er würde früh weg müssen und spät heimkommen, wenn überhaupt. Und wer half ihm dann mit all der Arbeit am und im Haus? Laut sagte er jedoch nur: "Nun wenn du meinst, dass dir die Stones einfach so Arbeit geben, kannst du es ja mal versuchen." Alles andere hätte sicherlich nur zu einem Streit geführt, dass ahnte Francis. Und das wollte er an einem Sonntag tunlichst vermeiden. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er sich ein wenig die Schuld selbst geben musste, dies nur nicht so recht zugeben wollte und konnte.
Matt mit Eltern und Geschwistern am Frühstückstisch
Seine Überraschung darüber, dass sein Pa tatsächlich Ben erlaubte, den Sohn des Reverends zum Gottesdienst abholen zu dürfen, war nur für einen kurzen Moment in Matts Augen zu lesen. Natürlich stellte sein Pa Bedingungen und dessen Hinweis, dass Ben mit Jeremiah zunächst wieder nach Hause kommen sollte, war ein cleverer Schachzug. Dieser Jeremiah erinnerte ihn ohnehin schon an sich selbst, in dem Alter und Ben war so leicht ablenkbar, dass es auch für diesen ein Schutz war, so er mit der ganzen Familie und Jeremiah in den Gottesdienst ging - und das mehr vor sich selbst, als vor Wölfen oder sonstigen Unbillen. Ben nickte eifrig, denn er hatte verstanden und beeilte sich nun, es Matt nach zu tun und Martha zu Hilfe zu eilen. Kurz warf er Martha einen schrägen Blick zu, als diese ihn mit ihrem Pantoffel an stupste. Was wollte die denn nun wieder? Wahrscheinlich war er ungewohnt forsch gewesen - vor Allem für die brave Martha - aber Pa schien gut gelaunt, dass er ihm das erlaubte. Ben grinste unbewusst erleichtert, denn er war wirklcih froh, dass er in dem Sohn des Reverends einen Freund gefunden hatte - seinen bisher Einzigen und Ersten. "Danke, Pa. Ich bin rechtzeitig da." Ben trug den Brotkorb in die Küche, bevor Molly ihn dazu auffordern musste und seinen Schritten nach, ging er danach sofort in sein Zimmer, um sich den noch gut erhaltenen Anzug von Matt anzuziehen. Matt konnte kaum die Antwort seines Vaters abwarten. Er hatte lange auf seine Ritte mit Shy Boy verzichten müssen und auch auf die Gesellschaft Jesses oder Grahams, so dass er sich wirklich auf den Ritt und auf das Zusammentreffen mit Jonathan freute. Das Zögern seines Vaters irritierte ihn, denn so unsicher kannte er diesen gar nicht. Meistens waren seine Anweisungen klar und seine Verbote eindeutig. Über die Worte seines Vaters bezüglich seiner Bitte, Martha möge ihm doch die Haare kürzen, hätte er beinahe gelacht. Wie kam sein Vater zu der Annahme, er brauche wegen seines Freundes einen neuen Haarschnitt? Erstens hatte er nicht an einen neuen Haarschnitt gedacht, obwohl seine Eltern ihm damit schon sehr lange in den Ohren lagen, und zweitens hatte doch Joe nichts damit zu tun. Das Zwinkern seines Vaters ließ ihm auffallen, dass sein Vater mit seiner Betonung eine gewisse Zweideutigkeit in seinen Satz gelegt hatte. Glaubte dieser denn wirklich Matt ließe sich die Haare kürzen, weil er sich verliebt hatte? Quatsch verliebt - ich doch nicht.. Irritiert schüttelte er sich die langen Haaren aus der Stirn, wie um deutlich zu machen, dass lediglich diese ihn störten. Er glaubt doch wohl nicht, ich wolle Jemanden beeindrucken - nein, wen denn auch.. Aus ihm unklaren Gründen heraus, fragte er sich plötzlich, was Rebeccah wohl zu kurzen Haaren sagen würde. Rebeccah - als ob das wichtig sei. Über diesen Gedanken irritiert wechselte er einen Blick mit Martha, denn diese sah für sein Dafürhalten müde aus. Für ihn kam es nicht auf darauf an, wann Martha ihm die Haare kürzte, sondern das überhaupt. Da sein Vater aber bemerkt hatte, dass es von Martha mehr als nett wäre, seiner Bitte zu entsprechen, konnte er nun kaum seine Frage wieder zurück nehmen, denn diese Bemerkung seines Vaters war mal wieder eine klare Aufforderung an Martha. Diese würde kaum zu widersprechen wagen und er wollte sie auch nicht dem Unmut der Eltern aussetzen, in dem er seine Frage zurück zog oder den Zeitpunkt auf einen anderen Tag festlegte. Natürlich hätte er eine abschlägige Antwort Marthas akzeptiert, aber diese würde sich nun genauso selbstverständlich dem Vater beugen. An ihrer tonlosen Stimme mit der sie zusagte, sich diesen Anweisungen zu beugen, hörte selbst Matt, dass Martha müde war und dementsprechend unwillig war. Martha trug die zusammengestellten Teller in die Küche und an dem Klirren war deutlich zu erkennen, dass sie sich ärgerte. Matt erwartete keine Antwort seines Vaters auf seine Bemerkung, bei der Stone-Ranch um einen Job nachzufragen und warf einen kurzen Blick auf seine Eltern, die jedoch beide nicht auf Marthas offensichtlichen Ärger reagierten. Darüber war Matt mehr als froh, denn auf eine weinende und zeternde Martha konnte er durchaus verzichten, auch wenn das vermutlich nicht sofort auf dem Fuße folgen würde. Nein, auch für Martha galten diese seltsamen Regeln, nach denen derartige Vergehen in ein Buch geschrieben wurden und so weiter. Er hatte sich das nicht genau gemerkt, denn für ihn hatte sein Vater offenbar beschlossen, dass sein Verhalten beeinflusste, ob er bestraft wurde- oder eben nicht. Hielt er sich an die Regeln -war Alles gut, anderenfalls drohte ihm nach des Vaters Worten härtere Strafe - was auch immer das heißen mochte. Matt hatte nicht vor das herauszufinden . Die Bemerkung seines Vaters zu Stone überhörte Matt geflissentlich, denn er war in der Beziehung nun halb so zuversichtlich, wie er sich angehört hatte. Stone hatte im Winter kaum Verwendung für ihn und wenn er auch im Frühjahr und Sommer auf jeden Mann angewiesen war, so fiel seine Wahl doch nur als Notlösung auf Matt und sicher war der Job nicht. "Danke - ich bin pünktlich zurück." Mit einem Nicken machte er deutlich, dass er diesen Vorsatz wirklich einhalten wollte. Er hatte ja nicht vor, in der Dunkelheit heimzukommen, so dass er auf jeden Fall noch vor dem Abendessen wieder daheim sein würde. Das war auch schon deshalb wichtig, weil Jonathan sich vermutlich ein Pferd würde leihen müssen und dieses musste ja auch beizeiten wieder im rechten Stall stehen. Matt erhob sich nun ebenfalls. Er legte seine Serviette sorgfältig zusammen, schob leise den Stuhl unter den Tisch und folgte dann Martha in die Küche. Dort stand ein Stuhl, auf dem er sitzen konnte und Martha würde damit wohl zurecht kommen beim Schneiden - und es ging ihm ja nur um die langen Stirnhaare. Das konnte ja nicht so schwer sein.
tbc für Matt ~ Küche, Ben ~ mit Zeitsprung bei Stevensons?
Matt mit Eltern und Geschwistern am Frühstückstisch
"Das will ich dir auch geraten haben, Ben," mahnte Francis kurz noch einmal seinen Jüngsten, als dieser versprach nicht zu spät zu kommen, denn Marthas stummer Protest hatte ihm schon wieder ein wenig die gute Laune verdorben. Da wollte er nichts dem Zufall überlassen und sich beruhigt wissen, dass Ben die Regeln auch wirklich befolgen würde. Bedenken hatte er zwar keine bei dem Jungen, denn in diesen Dingen war erstaunlich zuverlässiger als sein älterer Bruder. Aber er befürchtete, dass eine wie dieser Jeremiah spitzfindiger war als sein leichtgläubiger Sohn und entsprechend Schlupflöcher fand. So gab es nichts daran zu rütteln, dass er Pünktlichkeit erwartete. Fast dieselben Worte bekam er gleich darauf von Matt zu hören und hätte fast darüber ein wenig lachen können. Waren sich die beiden Jungs doch wirklich nicht sonderlich unähnlich. Doch das sollte ihm wohl eher eine Warnung sein, als ihn zu amüsieren und auch kein Anlaß für Nachsicht sein. Er sah kurz Matthew hinter her und kaum war der Junge in der Küche verschwunden, warf Francis seine Serviette energisch auf den abgeräumten Tisch und ließ seinen Ärger über die neusten Informationen aus dem Leben seines Sohnes aus sich heraus. "Das ist doch zum verrückt werden," schimpfte er ungehalten und sah Molly an. "Kann der Junge nur ein einziges Mal seine Arbeit behalten? Jetzt sucht er schon wieder! Im Winter. Wer hat da schon Arbeit zu bieten? Und wieso kann er nicht den Mund aufmachen, wenn es um Arbeit geht? Es hätte ihn ja nichts gekostet mich wegen der Anstellung im Sägewerk zu fragen," Francis machte eine fahrige Handbewegung, die seine Ratlosigkeit deutlich ausdrückte. "Manchmal frag ich mich was wir verkehrt gemacht haben, anstatt zu akzeptieren, dass es an Matthew liegt, nicht an unserer Erziehung." Francis stand auf und war versucht schon vor der Kirche einen Schluck zu trinken. Whiskey beruhigte. Aber nicht an einem Sonntag und schon gar nicht am frühen Morgen. So lief er nur ein wenig hin und her und hielt sich ab und an, wenn er kehrt machte an einer der Stuhllehnen fest. "Es hat doch bei all den anderen auch funktioniert und Martha und Ben geraten doch auch hervorragend. Wenn das soweiter geht, werden wir mit dem Jungen noch eine ganz, ganz böse Überraschung erleben. Es gehört eben mehr dazu, als nur ein hübsches Gesicht, Charme und Intelligenz. Aber ich bin mit meiner Weisheit am Ende. Wenn er so weiter macht, schleife ich ihn persönlich ins Fort. Bei der Army bringen sie einem wie Matthew wenigstens Zucht und Ordnung bei. Ich habe ja scheinbar versagt!" Francis klang aufgebracht, aber auch hilflos und verzweifelt, während er sich den Frust von der Seele redete und dann an seinem Platz angekommen wieder stehen blieb und Molly direkt ansah. "Da werden sie ihm die Haare endlich ordentlich schneiden, ihm eine Uniform verpassen und von morgens bis abends einem Drill unterziehen. Und davon wirst du mich nicht abbringen Molly. Was genug ist, ist genug!"
Molly mit Francis beim Frühstück, die Kinder verlassen den Raum
Still und ohne offensichtliche Gefühlsregung hörte Molly den Bitten ihrer Söhne zu. Selbstverständlich waren diese an Francis gerichtet, denn dieser hatte im Haus des Sagen. Damit waren sie stets gut gefahren und auch diesmal war sie damit einverstanden, dass er den Jungen keine Steine in den Weg legte. Mit gemischten Gefühlen sah sie Ben hinterher. Einerseits freute sie sich für ihn, dass er offenbar in dem Sohn des Reverends einen Freund gefunden hatte, aber andererseits war sie nicht sicher, ob sich das nicht doch noch störend auf seine Entwicklung auswirken mochte. Dieser Jeremiah war gewitzt, ungestüm und erinnerte sie zu sehr, an ihren charmanten und frechen Matti, der sich inzwischen immer mehr dem elterlichem Einfluss entzog, als dass sie das ignorieren konnte. Man würde den Jungen wohl gut im Auge behalten müssen und darauf achten, dass er gewohnt pünktlich nach der Schule heimkam. Nicht, dass er sich noch zu Unfug anstiften oder sich auf gefährliche Abenteuer einließe! Beides traute sie dem Jungen des Reverends nämlich durchaus zu, nachdem was sie an Tratsch und Klatsch von Ruth aufgeschnappt hatte. Wenn man bedenkt, dass dieser sogar einen in der Klinik Zuflucht suchenden Indianer hatte anfassen wollen! Ruth hatte zwar nicht gewusst, warum der Reverend mit Jeremiah überhaupt in der Klinik gewesen war, aber ihr war zu Ohren gekommen, dass er eben einen Indianer hatte anfassen wollen. Im Stillen vermutete Molly ja schon, dass Dr. Leigh vielleicht dieses Indianers wegen Camden Village verlassen hatte. Einen Indianer zu behandeln oder auch nur in die Klinik zu lassen, war für eine Frau Dr. Leigh bereits undenkbar und wer wusste schon, ob dieser Wilde nicht zudringlich geworden war? Warum sonst war Dr. Leigh so überstürzt abgereist - oder hatte man sie zurück nach New York gerufen? Molly ließ sich diese Gedanken durch den Kopf gehen und konnte noch nicht einmal behaupten, dass es ihr leid täte, so Dr. Leigh niemals wieder käme. Nein, sie hatte diese Frau, die meinte, wie ein Mann leben zu müssen, nie gemocht und so man krank war, würde man eben wieder nach St. Johns fahren oder den dortigen Arzt bitten müssen, zu kommen. Ein winziges Lächeln glitt über ihr Gesicht, als Matthew Marta darum bat, ihm die Haare zu schneiden. Sie hatte ihm schon ein paar mal gut zu zu reden versucht, war aber stets an ihrem obstinatem Sohn gescheitert, der offenbar seine eigene Meinung dazu hatte, was eine angemessene Haarlänge für ihn war - und was nicht. Ausgerechnet Francis, der aus seinem Ärger über diese unmöglich langen Haare kein Geheimnis gemacht hatte, zeigte sich nun amüsiert und zwinkerte Matt gar zu. Molly konnte sich kaum vorstellen, dass dieser einen gänzlich neuen Haarschnitt haben wollte - und schon gar nicht nur, um Jemanden zu beeindrucken. Das sieht Matti so gar nicht ähnlich - oder hat er sich wirklich verliebt - Nein. Obwohl verliebte Jungs.. Innerlich seufzte Molly, denn erstens machten verliebte Jungs schon mal Unsinn und zweitens wollte sie wirklich nicht, dass Matt seine Arbeit bei der Stone-Ranch wieder aufnahm - schon gar nicht im tiefsten Winter! Sie wusste zwar, dass Matt ein guter Reiter war und zur Not sich mit der Winchester seiner Haut erwehren konnte, aber dennoch hielt sie das für zu gefährlich. Wie leicht konnte er sich durch einen Schreck ablenken lassen und ein Ziel verfehlen und wie leicht konnte er dann zum Opfer eines hungrigen Wolfes, Bären oder gar Berglöwen werden! Sie war froh, dass sie ziemlich sicher sein konnte, dass die Stones selbst das wohl ähnlich sahen, denn so bestand kaum eine Chance, dass sie Matthew bereits im Winter für sich selbst würden arbeiten lassen - es sei denn er zöge auf die Stone Ranch um. Erstaunt sah sie Francis an, als dieser weder Widerworte fand, noch ein Verbot aussprach oder Matt widersprach. Zum ersten Mal schien er mit Matt in dieser Sache übereinzustimmen und ließ den Jungen einfach machen. Wahrscheinlich rechnete auch er nicht wirklich damit, dass die Stones Matthew fest einstellen würden aber dennoch war seine Antwort von Weitsicht bestimmt. Einer Sache, die ohnehin nicht zu Debatte stand, zuzustimmen, nahm dem Siebzehnjährigen den Wind aus den Segeln - und damit hatte Francis einer offenen Rebellion bereits in den Anfängen einen Riegel vorgeschoben. Natürlich hieß Francis es nicht gut, dass Matt mal wieder keine Arbeit hatte, würde aber wohl einsehen müssen, dass er in diesem Falle daran nicht ganz unschuldig war. Er hat Matti sehr ans Haus gebunden durch die Arbeit... Matt trollte sich zu seiner Schwester in die Küche und kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, warf Francis seine Serviette ärgerlich auf den Tisch. Er reagierte deutlich ungehalten auf Matthews Worte und ausgerechnet er fragte, warum Matthew schon wieder Arbeit suchte. Molly konnte diesen Ärger nur zum Teil nachvollziehen, denn die Arbeit der letzte Woche war immerhin eine Arbeit und Matthew hatte sich fleißig, gehorsam und zuverlässig gezeigt. "Es hätte ihn seinen Stolz gekostet." Molly hörte sich nicht im mindestens ärgerlich an, sondern stellte das einfach sachlich in den Raum. Natürlich hätte Francis ihn zu Hanson begleiten können - und das sicher auch getan, so Matt den Mund aufgemacht hätte - aber damit wäre Matthew wohl kaum gedient gewesen. Auch eine Arbeit in ihrem Laden bot eine Arbeit gegen Geld und wäre gar eine Festanstellung, aber Matt suchte die Unabhängigkeit vom Elternhaus. "Er hätte sich vorgeführt gefühlt, so Du mit ihm bei Hanson aufgelaufen wärest - außerdem hat der tatsächlich diesen seltsamen Menschen - Mr. Garvey? - na, Du weißt schon, wen ich meine - eingestellt. Hanson macht sich nichts aus dem Klatsch über diesen." Molly hielt damit,das Thema für erledigt. Sie kannte Francis inzwischen gut genug, um zu wissen, dass dieser sich vorgeführt und gegängelt gefühlt hätte, wäre er an der Hand seines Vaters auf Arbeitssuche gegangen - und Matthew war in dem Punkt auch nicht anders - nicht einen Deut. Francis's etwas fahrige Handbewegung wies jedoch daraufhin, dass für diesen das Thema noch nicht vom Tisch war. Schlimmer noch - diese Bewegung drückte Ratlosigkeit aus und das wiederum ängstigte Molly ein wenig. Ihr Mann war doch immer so sicher gewesen, in dem was er wie machte - war so gar Sheriff gewesen - und nun war er wegen der Erziehung Matts so verunsichert? Bisher hatte sie ihrem Mann in allen Punkten nahezu bedingungslos vertraut und hatte nie die Erziehung der Jungs hinterfragt. Damit schienen sie in all den Jahren auch gut zu recht gekommen zu sein. Wahrscheinlich hatte Francis Recht mit der Annahme, es läge weniger an seiner Erziehung, denn an Matthew selber, aber warum schien dieser dies nicht für sich annehmen zu können? Verwirrung zeigte sich in Mollys Gesichtszügen ab und sie fuhr ein wenig zusammen, als Francis sich ruckartig erhob und unruhig im Zimmer auf und ab ging. Scheinbar war er immer noch von seinen Erziehungsmethoden überzeugt, die bei Martha und Ben funktionierten - und bei Matt offenbar versagt hatten - zumindest schien Francis das so zu sehen. Es war nicht Mollys Art ihrem Mann ins Wort zu fallen oder ihm ungefragt, einen Rat zu erteilen. Nein, er war ihr Mann und als solcher hatte sie sich ihm unterzuordnen und Schluss. Außerdem hatte Francis völlig Recht damit, dass Charme, Intelligenz längst nicht ausreichten, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Fast hätte Molly ein wenig gelächelt, denn hübsch war Matthew wirklich - so hübsch, dass sie schon als er fünf Jahre alt war, davon überzeugt gewesen war, dass er den Mädchen wohl leicht den Kopf verdrehen könnte. Francis war deutlich verunsichert und schien nicht so Recht zu wissen, ob er mit Matt auf dem richtigen Weg war. Natürlich sah er das im Großen und Ganzen richtig, aber war Matthew nicht eben anders, als Benjamin und dieser nicht wieder anders als Paul oder Emmet? Molly konnte sich nicht vorstellen, dass Francis statt eines Originals - und das war ein jedes ihrer Kinder - eine Kopie haben wollte- von wem auch immer. Obwohl sie nicht verstand, was denn Francis nun so sehr an Matt störte, dass er so ungehalten war und gar seine Erziehung in Fragen stellte, äußerte sie sich nicht dazu, sondern ließ Francis die Zeit, die er offenbar brauchte, um seinem Ärger Luft zu machen. Nein! Das nicht, das nicht.. In ihrem Innersten schrie Molly um ihren Jungen, denn in der Armee wollte sie ihn nicht sehen. Da war nicht nur sein Leben im Sinne eines körperlichen Todes in ständiger Gefahr, sondern auch sein Wesen - das, was seine Persönlichkeit ausmachte. Sicher hatte Francis Recht, denn Matt war unbestritten intelligent, charmant bis frech, aber er besaß auch Durchhaltevermögen, Mut zur Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein - gepaart mit Kreativität und Impulsivität. Nach dem, was sie über diese merkwürdige Entführung Hardings und vor Allem dessen Rettung gehört hatte, besaß Matthew auch ein hohes Maß an Integrität und stand zu seinen Entscheidungen - alles Eigenschaften, die ihrem Erziehungsziel doch recht nahe kamen. Molly seufzte und bedauerte, dass sie Francis im Augenblick nicht unterbrechen konnte und das wolle sie auch nicht. Er war einfach noch viel zu aufgebracht und würde ihr nicht zuhören wollen, obwohl es doch eigentlich ihre Aufgabe wäre, ihn zu ermutigen, aufzubauen und ihm den Rücken zu stärken. Sicher würde die Armee in der Lage sein, ihrem Matthew Zucht und Ordnung beizubringen - aber um welchen Preis? Fassungslos nahm Molly zur Kenntnis, dass Francis annahm, versagt zu haben. Dem konnte Molly nämlich nicht zustimmen, denn selbstverständlich kannte auch Matt Disziplin und eine gewisse Ordnung war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Entweder sah Francis das nicht oder er wollte es schlichtweg nicht sehen, aber sie war sicher, dass seine Erziehung auch bei Matt Früchte getragen hatte. Dieser kümmerte sich ordentlich genau und zuverlässig um die Dinge, die ihm wichtig waren und noch nie hatte er versäumt sein Pferd zu versorgen, wie auch immer er unter einer Züchtigung oder anderen Unbillen gelitten haben mochte. Am Liebsten hätte Molly ihrem Mann das auch gesagt, ihm beruhigend ihre Hand auf seine gelegt und ihm versichert, dass er ganz bestimmt nicht versagt hatte. Matthew war eben Matthew und nicht Ben, Paul oder Emmet. Im Augenblick war Francis so aufgebracht und seine Worte sprachen von Verzweiflung und Hilflosigkeit, dass Molly schwieg. Wahrscheinlich war ihm ohnhin noch am meisten damit geholfen, so er seinem Ärger Luft machen konnte und seinem Zorn auf diese Weise Raum geben konnte. Er lief auf und ab, wie ein gereizter Tiger und erst als er zurück an seinen Platz trat und Molly direkt ansah, wagte diese es, Luft zu holen und anzunehmen, er wäre nun bereit zuzuhören. Das war wohl ein Irrtum, denn seine Pause diente wohl auch nur dazu, Luft zu holen, denn er sprach nahezu ohne Unterbrechung weiter. Molly erschrak zutiefst und spürte, wie das Blut aus dem Kopf wich, als er bemerkte, was Matthew bei der Armee erwartete. Fassungslos sah sie Francis an und gab sich keine Mühe mehr ihre Gefühle von Angst und Trauer zu unterdrücken. Das konnte doch vorhin nicht sein Ernst gewesen sein?! Oder doch?! Die Angst, er werde das wirklich tun, schnürte ihr die Kehle zu, so dass sie sich unbewusst an diese fasste, bevor sie Luft holte. "Das nicht, Francis. Du wirst mir nicht den Jungen wegnehmen." Molly erschrak selbst darüber, wie kalt ihre Worte sich anhörten. Oh, sie hatte Angst vor der Reaktion ihres Mannes, aber mehr noch davor, ihren Sohn an die Armee zu verlieren - und dabei dachte sie noch nicht einmal an einen Tod für das Vaterland. Bisher war sie gut damit gefahren, ihrem Mann die Erziehung zu überlassen und nahm auch nicht Einfluss auf dessen Entscheidungen über die weiteren Lebensweg ihrer Kinder, aber jetzt wurde es wohl Zeit für Löwengebrüll. "Du hast Recht - sie werden ihn dort drillen. Das stimmt." Immer noch war Molly wütend, obwohl sie zunächst zustimmte. Auf die Sache mit den Haaren ging sie gar nicht erst ein, denn das würde Dank Martha wohl bald vom Tisch sein und sie war im Grunde froh, dass Matt in der Sache offenbar endlich nachgab. "Ja, sie werden ihn dort drillen, demütigen und seine Persönlichkeit in jeder Weise unterdrücken - so lange, bis er ohne Sinn und Verstand einfach nur noch funktioniert. Sie werden das können, was Du - Gott sei Dank - nicht konntest: Ihm den Mut nehmen, seinen Stolz brechen und jede Eigenverantwortung und Initiative unterdrücken. Ist das Dein Erziehungsziel, Francis?" Molly war so aufgebracht, dass sie nun ebenfalls im Begriff war, sich durch Aufstehen Luft zu verschaffen und den inneren Druck so abzubauen. Ihre Stimme zitterte vor Wut, Trauer und Angst - und in dem Versuch, ihren ungeheuren Schmerz, den sie bei dem Gedanken an einen zerbrochenen Matthew in einem Gefängnis - und das drohte Matthew sicherlich als disziplinarische Maßnahme bei der Armee, oder? - überfiel, zu unterdrücken. Dieser Versuch war jedoch nicht der Angst vor ihrem Mann geschuldet, sondern Martha und Matthew, die anderenfalls würden mithören können. "Ich bitte Dich, Francis. Bei Allem was Dir heilig ist.." Molly rang die Hände, denn sie fand keine Worte mehr, um ausdrücken zu können, was sie empfand. Sie wusste auch nicht, was die Alternative zur Armee sein könnte, aber sie wusste, dass sie sich dieses Mal einmischen musste. Dies würde sie niemals erlauben und wenn sie Matthew bei der Flucht vor seinem eigenen Vater würde unterstützen müssen!
Langsam hatte Francis reden und dabei seine Worte mit Bedacht wählen wollen. Doch am Ende war er unruhig geworden, hatte sich gar in Rage geredet und spürte unter dem ganzen Ärger über Matthew seinen Puls rasen und auch sein Herz schlug viel zu schnell. So schnell, dass es ihm gefährlich in der Brust zog und schmerzte und er erst einmal tief Luft holen musste. In letzter Zeit hatte er dies öfters und meist half es, wenn er sich beruhigend zu sprach und versuchte ganz langsam von dem Ärger abzulassen. Einer von vielen Gründen wieso er erst vor einigen Tagen zu einer geänderten Regelung der Bestrafung der Kinder hatte greifen müssen. Es kostete eben Kraft die Jungs zu züchtigen, und die hatte er nicht mehr in dem Maße, wie noch vor ein paar Jahren. Er war eben nicht mehr der Jüngste und gerade jetzt bekam er dies deutlich zu spüren. Im Fall von Matthew gelang es ihm immer seltener sich mit einmal tief Durchatmen wieder zu beruhigen. Blass stand er an der Stuhllehne abgestützt da und hielt sich kurz die linke, stechende Brust. Dass ihm Molly bisher ruhig zugehört hatte und ihre Gesichtsmimik bis auf eine Spur von Verwirrung unbeteiligt geblieben war, hatte Francis eher auf ihre stumme Zustimmung geschoben, als auf den bedingungslosen Gehorsam ihrem Mann gegenüber. Dass Molly durchaus bereit war ihm zu widersprechen und seine Ideen nicht alle für so intelligent und klug hielt, wie er selbst, hatte sie ihn schon mehrfach in ihrer langen Ehe bewiesen. Ohne sie hätte Isabelle einen Schafzüchter aus der Gegend geheiratet und nicht die gute Partie nach Colorado gefunden. Emmette hätte längst das Geld der Eltern wegen seiner Träume von einer eigenen Farm durchgebracht und Paul wäre wahrscheinlich noch immer ein alleinstehender Mann ohne eine eigene Werkstatt. Ja, er gab zu, dass er in der Vergangenheit im Bezug auf die Kinder einige Fehlentscheidungen getroffen hatte. Doch heute war er sich 100%ig sicher, dass er bei Matthew und der Army keinen Fehler beging. Es erschien ihm gar als rettender Notanker. Der Junge hatte unter Mollys und seiner Führung kein bisschen Disziplin gelernt und dem gab Francis die Schuld daran, dass der Junge keine feste Anstellung fand. Sobald die Arbeit zu schwer und zu lästig wurde, beendete er ein Arbeitsverhältnis und brachte das Geld im Saloon durch. Wer wollte den Jungen da noch einstellen? Viel schlimmer noch, immer dann, wenn sie gerade auf dem Weg waren zu hoffen, dass es Berg auf ging, wie diese ganze Woche über, als der Junge richtigen Einsatz gezeigt hatte, trat er ihnen wieder gegen das Schienbein. Das hielt man doch nicht aus! Nein, Molly schien das wohl genauso zu sehen, sonst wäre sie längst auf ihn los gegangen, weil er ihren liebsten Sohn einer harten Schule aussetzen wollte. Ja, sie war ein paar Mal zusammengezuckt und hatte auch irritiert gewirkt, aber sie hatte geschwiegen. Und eine harte Schule hatte Matt in seinen Augen völlig verdient. Wer nicht hören will, muss fühlen. Und anscheinend reichten die elterlichen Strafen nicht mehr aus, um Matt sein Fehlverhalten vor die Augen zu führen. Natürlich hatte sich Francis schon länger mit diesem Gedanken befasst und selbstverständlich war es ihm nicht leicht gefallen diese Entscheidung für Matt zu treffen. Er selbst hatte nie gedient, aber als Sheriff dennoch viel zu oft für das Recht und für die Ordnung im eigenen County sein Leben riskiert. Er wusste wohin es führen konnte, wenn man nicht diszipliniert und ruhig an sein Handwerk ging. Gerade darum fürchtete auch er um Matt Leben. Darüber hinaus gab es noch ganz andere Stolpersteine. Matt würde irgendwann eigene Entscheidungen treffen müssen. Aber wenn er nicht bald lernte, diese ruhig und besonnen anzugehen, würde er bald mit Fehlern leben müssen. Er hatte selbst zu viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen und war nicht ohne Grund wegen Mr. Garvey unruhig geworden, der unbequeme Fragen gestellt hatte. Es war nie schön, wenn man an die eigenen Fehler erinnert wurde. Schon gar nicht, wenn man diese Fehler tief begraben hatte. Sein Fehler war 16 Jahre alt gewesen, hatte einen Namen, ein Gesicht und jetzt ein Grabstein auf dem Friedhof von Camden Village. Francis hatte überschnell gehandelt und den Falschen erschossen. Marty White war natürlich kein unbeschriebenes Blatt gewesen, hatte sich immer in falscher Gesellschaft herumgetrieben und war so in die falschen Kreise geraten. Viehdiebe hatten sie damals gejagt und auch letztendlich gehängt. Aber Marty hätte dabei nicht sterben müssen. Francis hatte die Situation falsch eingeschätzt und lange gebraucht, um diesen Fehler zu verarbeiten. Die Eltern des Jungen waren zum Glück kurz darauf weggezogen, so dass er ihnen nicht jedes Mal, wenn er sie traf, aus dem Weg hatte gehen müssen. Sie hatten ihn dabei nicht einmal angeklagt, sondern stumm akzeptiert, dass ihr Sohn mit seinem Lebenswandel so oder so irgendwann früh hätte sterben müssen. Francis wollte weder, dass Matt sein Leben in einem Krieg verlor oder im Kampf gegen herumziehende Indianerbanden. Er wollte aber auch nicht, dass der Junge hier weiter einem moralischen Zerfall zum Opfer fiel und einem schießwütigen oder nervösen Deputy vor die Flinte lief. Davor musste Matt geschützt werden. Und das ging nur in einer eingeschworenen Gemeinschaft, wie der Army. Dort zählte Kameradschaft noch etwas, und Gehorsam und Respekt waren das oberste Gebot. Und wenn Matt sich dem nicht unterordnen wollte, würden sie ihn eben so lange schleifen bis er es begriffen hatte. Die Army hatte andere Methoden, vor denen er als Vater zurückschrecken würde, aber die Matt sicher gut tun würden. So war die Entscheidung gefallen. Schon vor Wochen. Heute hatte sie heraus müssen. Seine Brust beruhigte sich und Francis atmete noch einmal durch, fast versucht sich den kurzen Angstschweiß von der Stirn zu wischen. Doch er wollte Molly nicht beunruhigen, die sich gerade auf die Seite ihres Sohnes schlug. Dass seine Frau erst einmal Matthew zu verteidigen versuchte, überraschte ihn nicht. Sie machte schließlich ihm gegenüber kein Geheimnis daraus, dass sie ihn bevorzugte. Es waren oft nur Blicke, die ihm galten, wenn er ihrer Meinung nach zu ungerecht mit dem Jungen umging. Selten gab es darüber Streit, doch auch das war schon hinter verschlossener Schlafzimmertür geschehen. Gerecht fand Francis das weniger, immerhin hatten sie sechs Kinder und er versuchte keines zu bevorzugen, auch wenn ihm das mitunter schwer fiel, gerade in Bezug auf Ben und Martha. Entsprechend hatte er jetzt auch nur ein ärgerliches Schnauben übrig. Stolz gekostet... sonst war sich der Junge doch auf für nichts zu stolz. Ritt er nicht alle Farmen und Ranchen ab um nach Arbeit zu betteln? Lächerlich. Vorgeführt? Von ihm? Matt konnte doch froh sein, dass jeder im Ort und in der Gegend seinen Vater kannte. Sein Begleiten hätte ihm doch wohl eher alle Türen und Toren geöffnet. Aber das sehe dem Jungen tatsächlich ähnlich. Vor Stolz zu feige nach Hilfe zu fragen, wo sie angebracht gewesen wäre. Dass Hanson Mr. Garvey eingestellt hatte, war ihm zu Ohren gekommen, aber störte Francis nicht weiter. Draußen im Sägewerk war der Mann vielleicht ganz gut aufgehoben und konnte keinen Ärger machen. Für Matt war es natürlich ärgerlich.
Jetzt, wo die Aufregung über die Worte bei Francis ein wenig abklang, war er bereit Molly aufmerksamer anzusehen und erschrak doch ein wenig. Die regungslose Miene war in starker Bewegung und er las in ihr Fassungslosigkeit , Angst und Entsetzen. Nun, damit hatte er ehrlich gesagt nicht gerechnet. Seine Frau blieb meist doch sehr reserviert und verschlossen und es kostete ihn oft viel Mühe ihre wahren Regungen zu ergründen. Heute schien er sich dafür nicht abmühen zu müssen, wusste aber nicht ob das eher schlecht oder gut war. Denn schon an ihrem Tonfall war deutlich zu hören, dass er gegen seine Erwartungen doch auf Widerstand stoßen würde. Automatisch knöpfte Francis den obersten Hemdknopf auf und ließ so ein wenig Luft an die gefühlte Enge. Gerade hatte er die Verärgerung über den Sohn zurückdängen können, stieg sie über seine Frau wieder nach oben. Der Ärger stand ihm ins Gesicht geschrieben, wenn auch die Augen mehr Verblüffung widerspiegelten. Er hatte doch klar und deutlich gemacht, dass er sich dieses Mal nicht von Molly zu anderen Dingen überreden lassen wollte. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Er, das Familienoberhaupt und danach war sich zu richten. Anders hatten sie es in den letzten 30 Jahren nicht miteinander gehalten und er würde damit heute sicher nicht anfangen. Und jetzt das. Sollte er wirklich zum ersten Mal in seinem Leben bedauern müssen, dass er seine Frau für ihren Ungehorsam noch nie züchtigt hatte? Andere Ehemänner mochten an ihrem Recht festhalten und sich den Gehorsam so erzwingen, er dagegen hatte nie den Sinn dahinter erkannt. Für ihn war seine Frau ein erwachsenes Wesen, das bei weitem vernünftiger und rationaler Handeln und Denken konnte wie er selbst. Ohne sie an seiner Seite, hätte er sicherlich ein schlechteres Leben geführt. Und nicht alle Entscheidungen hatte er in seinem Leben eigenständig gefällt. Oftmals waren lange Gespräche mit Molly nötig gewesen. Er hatte ihre Zustimmung gebraucht, ihren Segen gar manchmal. Doch heute war es anders. Heute war er das lange Reden überdrüssig und brauchte dringend eine Lösung. Die er für sich gefunden hatte. Erst wollte er auffahren, wütend und zurecht der verärgerte Hausherr sein, doch als er erkannte, wie sehr die Vorstellung über Matthew in einer Uniform seine Frau erschreckte und verzweifelte, kniff er die Lippen fest aufeinander und schwieg für einen Moment. Sein Blick jedoch drückte all das aus, was er nun in Worte nicht mehr fassen konnte. Seine Missbilligung, seine Verärgerung, seine Enttäuschung darüber, dass ihm ausgerechnet die Frau in den Rücken fiel...
"Was erwartest du denn von mir," leise, aber deutlich schärfer als gewöhnlich fuhr er Molly schließlich an, als er die erste Wut bezwungen hatte und sich in der Lage fühlte vernünftig mit seiner Frau zu reden. "Das ich länger dabei zu sehe, wie der Junge ohne eine Ausbildung in den Tag hinein lebt? In seinem Alter war Paul bereits Geselle und Emmette als Erntehelfer dabei, das Handwerk eines Farmers zu lernen. Aber Matt? Heute bei Hanson, morgen bei den Stones und wenn er nichts findet, streckt er bei uns die Hand auf. Du erwartest von Ben und Martha bereits mehr als von ihm," Francis hätte sich am liebsten für diese Worte geohrfeigt. Denn unsachlich wollte er nicht über diese Angelegenheit diskutieren. Jetzt hatte er aber mehr oder weniger Mollys Vorzug für Matt auf den Tisch gezerrt und da gab es jetzt keinen Weg mehr daran vorbei. "Wenn der Junge nur Vernunft annehmen kann, wenn ihn andere in die Mangel nehmen, dann ja, Molly, dann ist das mein Ziel. Ich möchte auch keinen Jungen, der bei allem stramm steht und ja und amen sagt. Aber ich möchte einen Sohn, der bald auf eigene Füße stehen kann, anstatt dass er seine Füße unter unseren Tisch ausstreckt. Meine Güte, Molly, du klingst, als wollte ich ihn eigenhändig umbringen! Ich sage doch auch nichts dazu, dass du Abend für Abend Martha nicht ein einziges Mal für eine gute Handarbeit loben kannst, sondern ihr ständig ihre Fehler aufzeigst und ihr auf die Finger klopfst. Aber natürlich sage ich nichts dazu, weil ich weiß, dass sie es einmal als gute Hausfrau und Mutter leichter haben wird, wenn sie diese Dinge beherrscht. Und Matt wird nur einen verlässlichen Familienvater geben können, wenn er endlich Beständigkeit in sein Leben hereinlässt. Ich mische mich bei dir nicht ein, also tust du das gefälligst auch nicht bei meiner Erziehung! Andernfalls Molly, müsste ich ernsthaft bedauern, dass ich dir in den letzten Jahren gegenüber zu nachsichtig gewesen bin." Francis funkelte Molly noch einen kurzen Moment aufgebracht an, ehe ihm bewusst wurde, dass er seiner Frau wohl zum ersten Mal in ihrem Leben gedroht hatte. Aber die Diskussion um Matt setzte ihm viel zu sehr zu, als das er noch klar denken konnte und deswegen auch seien Worte nicht zurückzog.
"Francis?" Erschrocken sah zu ihrem Mann auf, als dieser sich noch im Stehen mit der Linken an die Brust fasste. Er würde doch wohl nicht krank werden, oder doch? Besorgt runzelte Molly die Stirn und wollte sich schon besorgt äußern, als Francis sich wieder beruhigte. Scheinbar ging es ihm wieder besser, so dass Molly seine Geste nicht für wichtig erachtete. Nun, ja - sie war vielleicht ein wenig theatralisch , aber in Anbetracht ihrer Reaktion war das vielleicht angebracht. Im Allgemeinen zeigte sie ihre Gefühle so gut wie gar nicht und so der weit herzlichere Francis auf dem gleichen Niveau kommunizieren wollte - nun, dann würde er es mit seinen Gefühlsäußerungen vielleicht doch ein kleines Bisschen übertreiben. Traurig schüttelte Molly den Kopf, denn natürlich wollte sie nicht zu sehen, wie ihr Sohn sich ins Unglück stürzte. Das lag ihr wirklich fern und sie verstand auch das Anliegen ihres Mannes, aber Matt statt in sein eigenes Unglück in den Tod für sein Vaterland rennen lassen schien ihr auch keine Lösung zu sein. Es musste doch einen Kompromiss geben - eine Möglichkeit der Lebensgestaltung für Matt, mit der sie Alle leben konnten. "Francis - ich erwarte doch nicht, dass Du ihn in sein Unglück laufen lässt, ganz bestimmt nicht.." Molly sprach bewusst ruhig und mit vergleichsweise warmer Stimme, denn Ruhe - so schien ihr - war im Moment erste Bürgerpflicht. Es mochte sein, dass Francis bereits eine Entscheidung getroffen hatte und nun keine Einmischung ihrerseits dulden würde, aber um Matthews Willen musste sie Alles versuchen, um ihren Mann umzustimmen. Sicher hatte er bedingt Recht, denn von Ben erwartete sie sehr viel mehr, als sie von Matt in dessen Alter erwartet hatte und dass sie Martha nicht gerade mit Lob überschüttete, war ihr auch bekannt. Weswegen auch, denn das was sie mehr oder minder gut konnte, war nichts Besonderes und in vielen Fällen keine Meisterleistung, aber es ging im Augenblick weder um Benjamin noch um Martha - sondern eben mal wieder um Matthew. Über Martha, die sie zwar immer noch seltenst, aber immerhin doch noch am Montag gelobt hatte und über Benjamin, um den sie sich zunehmend Sorgen machte, weil er ihr ein bisschen verklemmt zu sein schien, würde sie wohl ein andermal mit Francis sprechen wollen - und dann gerne - aber nun ging es um Matthew. Sie schwieg also zu diesem Vorwurf, sie bevorzüge Matthew, und zuckte ein wenig zusammen, als er andeutete, sich vielleicht doch noch darüber ärgern zu müssen, dass er nicht strenger zu ihr gewesen war. Sie kannte ihren Francis bereits seit rund dreißig Jahren und hatte so manche seiner Entscheidungen beeinflusst - auch in Bezug auf Paul und Emmett. Noch niemals hatte Francis Hand an sie gelegt oder sie auch nur damit bedroht, von seinem Recht zur Züchtigung ihr gegenüber Gebrauch zu machen. Das würde er dieses Mal wohl auch nicht tun, obwohl Matthew offenbar wie ein rotes Tuch für ihn war. "Natürlich sollst Du ihn nicht in sein Unglück rennen lassen, Francis. Ich sage ja nicht, dass es richtig ist, dass er so unbeständig in den Tag hineinlebt. Natürlich braucht er dringend Grenzen, muss lernen, sich unterzuordnen, sich zurück zu nehmen und nicht immer nur, nach seinen Impulsen zu handeln. Anderenfalls wird er sehr wohl in sein Unglück rennen und auch wenn das dann wohl seine Schuld wäre und nicht die Unsere, ist es wohl unsere Pflicht das zu verhindern." Molly seufzte, denn in diesem Punkt stimmte sie mit Francis durchaus überein. Der Junge ist aber auch obstinat.. "Dir ist es vielleicht nicht so bewusst, Francis, aber selbst Matt kennt durchaus Disziplin. Sobald er eine Entscheidung getroffen hat, setzt er diese auch halbwegs konsequent durch. Diese Zielstrebigkeit wirst Du wohl anerkennen müssen." Seufzend sah Molly ihre Mann an und hoffte, dass dieser sich wieder setzten würde. "Es muss eine andere Lösung geben, als das Militär. Ich gebe zu, dass er wohl eine andere Hand bräuchte, als die unsere." Molly sprach bewusst von einer anderen und nicht von einer strengeren Hand, denn das traf es nicht ganz. "Natürlich dürfen wir nicht zu sehen, wie er sich ins Unglück stürzt, aber dürfen wir unsere Verantwortung für den Jungen einfach auf das Militär abschieben? Er ist immer noch unser Sohn und damit haben wir noch immer die Verantwortung für seinen Werdegang." Molly war sich darüber im Klaren, dass sie mit diesen Worten auch den Stolz ihres Mannes traf, denn diesem war es stets wichtig gewesen, dass er seine Kinder erzog und dieses nicht einfach auf Dritte abwälzte. "Ich halte es übrigens noch gar nicht für sicher, dass er nur nach seinen spontanen Einfällen handelt oder nur nach dem, was ihm Spaß macht. So spaßig war der Ritt neulich an den Forest Creek sicher nicht. Sicherlich lernte er beim Militär Disziplin, aber sein Leben wäre nicht viel sicherer. Damit schütteten wir wohl das Kind mit dem Bade aus." Immer langsamer, leiser und nachdenklicher sprach Molly, denn sie dachte während ihrer Worte noch immer darüber nach, wie sie Francis davon abbringen konnte. Es musste doch für Matthew eine Arbeit geben, in der er einerseits eine gewisse Routine einzuhalten und sich Anderen unterzuordnen hatte, ohne dass er daran zerbrechen würde. "Es muss eine Lösung geben, Francis. Sie liegt mir auf der Zunge.. " Molly rang erneut die Hände, denn es war ihr, als habe sie einen Gedanken, der ihr immer wieder davon zu laufen schien. Wenn er doch bliebe! Was war da doch noch gleich.. es hing mit diesem unseligen.. Bor.. Dings halt zusammen.. aber wie? Matthew wollte ich dort auch nicht unbedingt sehen.. Sie wollte nicht einmal das Bordell als ein solches benannt wissen und doch hing ihr Gedanke bezüglich Matthew irgendwie mit diesem zusammen. "Ach - Ich glaube Matt langweilt sich einfach nur sehr schnell. Vielleicht sucht er Etwas, das nicht nur seinen Körper fordert und auch nicht nur seinen Verstand, sondern Beides.. verstehst Du?" Fragend sah Molly Francis an. Ob er das verstehen würde, konnte oder wollte? Er musste doch auch gesehen haben, dass Matt gerne mit den Händen arbeitete, aber phasenweise auch gerne Köpfchen bewies. Sobald er aber entweder das Eine oder das Andere in den Hintergrund treten ließ, langweilte er sich eben - und suchte eine neue Herausforderung. "Ach.. es hört sich vielleicht für Dich verrückt an, ganz bestimmt tut es das, denn Dir habe ich davon deutlich abgeraten.. aber..hmm.." Molly konnte ihrem Gedanken kaum glauben, aber tatsächlich fiel ihr spontan ein, dass sie sich Matthew sehr gut als Deputy oder Sheriff vorstellen konnte. Doch- das käme seiner Abenteuerlust, Spontanität entgegen und ist wohl abwechslungsreich genug. Molly war sich noch nicht ganz sicher, ob das das Richtige für ihren Sohn wäre, da es auch nicht ungefährlich war. Andererseits war in dem Job wohl Beständigkeit und Disziplin genauso gefragt wie Eigeninitiative - eine Kombination, die ihrem Sohn sicherlich entgegen kommen würde. "Sag, mal.. Wollte Clayton nicht noch mindestens einen Deputy einstellen? Oder zumindest einen Gehilfen, der ihm zu Hand geht? Also unter Johns Hand würde der Junge sicherlich Disziplin und Unterordnung lernen und doch auch Eigeninitiative und Spontanität brauchen - das könnte ich mir gut vorstellen.." Vorsichtig und unsicher lächelnd sah sie nun wieder ihren Mann an. Sie war zwar ganz sicher, dass Matthew damit nicht nur einverstanden wäre, sondern sich sogar anerkannt fühlen würde. Wahrscheinlich wird er damit sogar glücklicher, als in einer Daueranstellung bei Hanson oder Stones.. Hoffentlich konnte Francis ihre Ansicht teilen! Sie hatte ihn schließlich aus Sorge um seine Gesundheit und seines Alters wegen davon abgeraten, sich erneut vereidigen zu lassen! na, und ob Frauen inkonsequent sind - vor Allem so es um ihre Lieben geht.
Die unterschwellige Drohung seiner Frau gegenüber tat Francis schon in dem Augenblick leid, als er sie ausgesprochen hatte. Sie war unnötig, so unnötig und doch hatte sich Francis für einen kurzen Moment überlegen und stark gefühlt. Was war das doch für eine niedrige Befriedigung. Francis empfand Scham und hielt die Sorge um sein Wohl für unverdient.
Molly schien ihm jedoch nichts nachzutragen, denn als sie wieder das Wort ergriff klang sie gefasster und ruhiger, als sich Franics fühlte. Dass hatte den schönen Nebeneffekt, dass sich Francis rasch selbst ein wenig beruhigte und sogar den Stuhl wieder zurückzog um darauf Platz zu nehmen. Er hörte Molly dabei aufmerksam zu, obwohl sich in ihm alles dagegen sträubte seiner Frau dabei zu zuhören wie sie schon wieder Partei für Matthew ergriff und Erklärungen auf sein Verhalten fand, die Francis doch sehr für an den Haaren herbei gezogen empfand. Da es Molly wie stets sehr geschickt anging, nahm sie ihm jede Möglichkeit zu widersprechen. Erst gab sie ihrem Mann recht, dann lenkte sie sogar ein, ganz so als wollte sie seinem Plan am Ende doch noch zu stimmen, nur um dann am Ende eine Kehrtwende zu machen, die Francis fast wütend hätte auffahren lassen. Er hatte schließlich die Entscheidung getroffen und daran gab es nichts mehr zu rütteln. Leider musste er Molly jedoch darin recht geben, dass es keine Lösung sein konnte aufzugeben und schon gar keine die Erziehung des Jungen aus der Hand zu geben. In der Tat zog er überrascht die Brauen in die HÖhe, als er Mollys Vorschlag für Matts Zukunft vernahm, aber für verrückt hielt er seine Frau deswegen nicht. Höchstens für verzweifelt genug, dass sie nach Lösungen suchte, die ihr wahrscheinlich noch gestern nicht einmal in den Sinn gekommen wäre. Hauptsache es ersparte Matt die harte Lehrschule der Army. Francis zog ein Gesicht, das deutlich verriet, dass er nicht viel von diesem Vorschlag hielt und ließ sich im Stuhl nach hinten fallen. "Das ist jetzt nicht dein ernst, Molly! Mir bist du fünf Jahren lang in den Ohren gelegen, dass ich damit aufhören sollte, weil es zu gefährlich wäre. Und jettz schlägst du ernsthaft vor, es wäre eine Alternative für Matt? Glaubst du wirklich die Arbeit als Deputy fordert ihn? Sie wird ihn genauso schnell langweilen wie all die anderen Arbeiten auch. Lass ihn erst einmal den ganzen Tag Papierkram erledigen oder Stundenlang Wache im Office halten, dann ist er dort gleich wieder weg und niemand würde ihn halten. Ich traue Clayton durchaus zu, dass er von Matt eine entsprechende Arbeitseinstellung verlangt, aber was will der Sheriff dagegen machen, wenn Matt die Nase voll hat und sich langweilt, wie du es nennst," für ihn war es eher Faulheit und ein Mangel an Disziplin. Ein Durchhaltevermögen hatte er bei Matt bisher in der Arbeit noch nirgends erkennen können. "Du willst den Jungen doch nur vor Zucht und Ordnung bewahren. Bei der Army kann er nicht einfach so weglaufen."
Erleichtert nahm Molly zur Kenntnis, dass Francis sich offenbar wieder beruhigte und seinen Platz wieder einnahm. Kurz hatte sie wirklich gedacht, er sei krank, aber nun wirkte er wieder so, wie sie ihren Mann kannte. Mit ihrem Vorschlag jedoch schien er nicht glücklich zu sein, denn er betonte, dass er diesen nicht für ihren Ernst hielt. Molly seufzte, denn sie wusste nicht genau, wie sie Francis klar machen konnte, was sie dachte. Ihr war ja völlig klar, dass Matt sich bedingt auch im Office langweilen musste oder Routinetätigkeiten ausführen, aber diese würden sicherlich in der geforderten und notwenigen Eigeninitiative, die dieser Job eben mit sich brachte, ihren Ausgleich finden können. "Natürlich wird ihn das fordern, Francis. Da bin ich ganz sicher." Molly entspannte sich ein bisschen und ihre noch zur Faust geballten Hände öffneten sich. "Ich war nicht besonders glücklich darüber, dass er sich in Gefahr gebracht hat - nicht um dieses alkoholkranken Pianisten wegen, Francis. " Langsam, wie um ihren Mann nicht erschrecken zu wollen, streckte sie ihre Hand nach der ihres Mannes aus. "Vielleicht willst Du das jetzt nicht hören oder dem nicht glauben schenken, aber demnach was ich noch darüber gehört habe - lief Matt bei dieser Aktion zur Hochform auf und auch in seinem Einsatz für Martha hat er vorbildlich gehandelt. Deswegen denke ich, dass er schon bei der Stange bleibt, so er sich für eine Sache, wie Recht und Ordnung, einsetzen kann." Molly seufzte innerlich, denn genau das hatte sie ihrem Mann gewissermaßen genommen, da sie es für ihn zu gefährlich gehalten hatte, als Sheriff zu arbeiten. Andererseits hatte Matt noch keine Verantwortung für eine Familie - ganz im Gegensatz zu ihrem Vater, der im Zweifel eine Witwe mit drei noch daheim lebenden Kindern hinterlassen hätte. Dass das also nicht ganz vergleichbar war lag auf der Hand und das Francis das wohl auch so sah, ging sie darauf nicht weiter ein. "Weißt Du.. John würde schon Disziplin einfordern. Natürlich würde er in der Armee schneller lernen müssen, sich unterzuordnen und Disziplin zu zeigen, aber seine Persönlichkeit, das was ihn zu Matthew macht, fiele dieser zum Opfer. " Molly hatte zunehmend schnell gesprochen, um ihre Gedanken ohne Unterbrechung äußern zu können, bevor sie den Faden verlor. Fragend sah sie nun ihren Mann an, denn sie war sich nicht sicher, ob sie ihre Worte so gewählt hatte, dass er ihre Befürchtungen verstand. Natürlich hatte sie der Vorwurf, sie wolle Matt nur vor Zucht und Ordnung bewahren, getroffen, aber das war wohl ein Problem zwischen ihrem Mann und ihr - weniger eines, das dem Thema Erziehung zuzuordnen war. Fast hatte sich Francis angehört, als neidete er es Matt, dass sie so sehr an dem Jungen hing. "Ich schlage Dir einen Kompromiss vor. Lass es ihn, ein halbes Jahr lang bei John versuchen, so dieser einverstanden ist. "Natürlich hoffte Molly, dass Matt sich anstellig und kooperativ zeigen würde, denn sie wollte ihn nicht an die Armee verlieren. "Lassen wir ihn seine Grenzen neu stecken und an neuen Aufgaben wachsen."
Francis Ruhe wurde erneut bedroht, als er kurz Verärgerung über Mollys nächste Worte empfand. Denn wer wusste es wohl besser, als er, was die Arbeit als Deputy bedeutete? Nun, ganz gewiss nicht seine Frau! Entsprechend warf er ihr einen bösen Blick zu und räusperte sich verstimmt. "Willst du mir jetzt sagen, wie meine Arbeit früher ausgesehen hat?" Er sprach ruhig, aber es lag eine gewisse Anspannung in seiner Stimme, die gewöhnlich seinen Söhnen galt, wenn es ernst wurde. Wenn er sich nicht mehr nur auf Drohungen verließ und Schmipfen keine Wirkung mehr zeigte und es Zeit für den Schuppen wurde. Nicht das er in Bezug auf Molly auch nur im Entferntesten an den Schuppen dachte, aber er war gereizt und in diesem Fall wäre es auch für Molly klüger gewesen zurückzurudern, als unbeirrt auf ihrem Kreuzzug für das Wohl von Matt zu bleiben und zu kämpfen... Entsprechend zog er auch seinen Arm zurück, als Molly den Versuch startete ihm beruhigend eine Hand aufzulegen. Zu einer weiteren Unterbrechung kam es jedoch nicht, denn Mollys Worte drangen in einer Geschwindigkeit aus ihrem Mund, dass Francis keinen Ansatz fand. Er hätte natürlich wütend auf den Tisch schlagen können, aber das war nicht seine Art. Zumindest musste man ihn schon mehr reizen, damit er seine Fassung verlor. Aber zurecht befürchtete Molly wohl eine Unterbrechung. So verdonnerte sie Francis dazu bis zum Schluss zu zuhören. Aber er wollte gar nicht hören, was seine Frau zu sagen hatte, denn seine Entscheidung war doch längst gefallen! Und als sie ihm auch noch einen Kompromiss vorschlug, als wäre sie mit ihm auf einer Ebene berechtig, war es um seine innere Ruhe gänzlich geschehen.
"Ich nenne so etwas anmaßend," aufgebracht wie er war, funkelte er Molly an und schloss so wohl ihr Urteil über seinen alten Beruf als auch den Kompromiss damit ein. Wie hätte es Molly empfunden, wenn er sich ab heute das Recht herausnehmen würde über ihre Arbeit zu urteilen? Das bisschen Haushalt.... "Die Arbeit eines Sheriffs hat nichts mit Heldentum und Heldenmut zu tun. Einer wie Matt kann dabei ganz schnell den Tod finden. Und überhaupt, warst du dabei? Woher willst du wissen, wie Matt sich verhalten hat? Der Sheriff war schließlich persönlich hier, um sich über den Jungen zu beschweren. Hast du das schon wieder vergessen? Wegen Martha bin ich Matt natürlich sehr dankbar, aber klug gehandelt hatte er nicht." Francis dachte nur ungerne an das geladene Gewehr, das achtlos im Laden gelegen hatte. Ein vielleicht nicht so kopfloser Täter hätte bei der Flucht danach gegriffen und tödliche Schüsse abgefeuert. So etwas durfte einem als Sheriff oder Deputy niemals passieren. Man war schneller mit einem Fuß im Grab, als das man einen Orden verliehen bekam. Nicht zu letzt auch, weil man viel zu oft alleine auf sich gestellt war. Rückendeckung wie es ein Soldat gewohnt war, gab es in diesem Job nicht.
Die Wut verrauchte nicht, aber dennoch seufzte Francis tief, als stünde er kurz vor einer Kapitulaton. Was seinem Empfinden recht nahe kam. Denn tief in sich wusste er ja, dass Molly recht hatte. Seine Lösung war keine Lösung. Sie war eine Entscheidung, die ein enttäuschter und wütender Vater getroffen hatte. Vielleicht bläute die Army Matt Disziplin ein, aber würde sie nicht auch Matt die Liebe zur Familie austreiben? Wie viel freier hatte er sich in Matts Alter gefühlt, als ihm seine Eltern nicht mehr reingeredet hatten? Als er Entscheidungen selbst hatte fällen können, um aus ihnen zu lernen? Denn nicht alle waren so klug und weise gewesen, wie er es heute von Matt verlangte, gar erwartete. Für einen Bruchteil einer Sekunde malte sich Francis ernsthaft aus, welche Folgen sein Durchsetzen hätte. Der kurze Ausblick genügte Francis um über sich selbst den Kopf zu schütteln, was wohl für Molly eher als ein Zeichen seiner Ablehnung ihrer Vorschläge aussehen musste. Entsprechend beeilte er sich zu sagen: "Ich will es nicht als Zeichen einer Niederlage sehen, wenn ich dir jetzt zugestehe, dass du rechst hast," noch ein wenig mürrisch klang Francis und sein Blick zeugte davon, dass er nicht glücklich über die Wende des Gespräches war. Um ein bisschen seinen Stolz als HAusherr zu bewahren, ließ er die Gelegenheit nicht ungenutzt diesen Hausherren zur Abwechslung seiner Frau einmal wieder ins GEdächtnis zu rufen: "Sondern eher als Bewilligung einer einzigen und letzten Bitte für das Wohl deines Sohnes. Danach wärst du klug beraten mich nie wieder um eien solchen Gefallen für Matthew zu bitten. Wenn Clayton also bereit ist, ihn zu nehmen und Matt sich willig zeigt und unter den Bedingungen die Arbeit aufnimmt, will ich von der Army absehen. Sollte er wie üblich die Flinte ins Korn werfen, schleif ich ihn persönlich zu Major Shepard. Und das ist mein letztes Wort dazu."
Molly schüttelte den Kopf und zog ihr Hand wieder zurück. Francis schien noch zu aufgebracht zu sein, um sich beruhigen zu können. Ganz offensichtlich verzichtete er auch auf jegliche Geste, die ihm versichern könnte, dass seine Frau noch immer zu ihm stand - und am Ende vermutlich doch mit jeder seiner Entscheidung einverstanden sein würde - und musste. Selbstverständlich hatte sie ihm nicht erklären wollten, wie seine Arbeit als Sheriff ausgesehen hatte. Wie kam er nur auf so Etwas? Diese Frage beantwortete Francis gerade ungewollt, in dem er ihre Worte als anmaßend bezeichnete und betonte, das die Arbeit des Sheriffs nichts mit Heldenmut zu tun habe und sie ja schließlich Matts Verhalten nicht beurteilen könne - sie sei nicht dabei gewesen. Molly seufzte innerlich, denn mit beidem hatte Francis Recht und beides hatte sie niemals andeuten wollen. Seine Bemerkung über die Beschwerde des Sheriffs ärgerte sie tatsächlich, denn dieser war auch nicht dabei gewesen - also was wusste John schon über das Verhalten Matts? Auf diese Fragen ihres Mannes ging Molly nicht ein, denn erstens lag auch für diesen auf der Hand, dass er ihr Etwas vorwarf, was nicht ihrer Absicht zu tun entsprach und zweitens meinte sie, dass diese rhetorischer Natur waren. Oft entsprangen derlei Fragen nur aus Unsicherheit oder aber aus der Unmöglichkeit heraus, den eigenen Irrtum zu zu geben. "Einer wie Matt kann bei nahezu jeder Tätigkeit den Tod finden." Molly statuierte trocken, obwohl das so nun ein bisschen übertrieben war. Allerdings waren diese Worte hoffentlich geeignet, Francis darüber nachdenken zu lassen. Tatsächlich konnte Matt den Tod auch sehr leicht beim Zureiten wilder Pferde, auf der Jagd oder bei einer Panik der Rinder während eines Trecks nach Laramie finden - und natürlich auch bei einem Manöver oder gar in einem Krieg, dessen Ausbruch der Herr verhindern möge. Die Erleichterung darüber, dass Francis nun offenbar zurück ruderte und sich auf ihren Vorschlag einlassen wollte, wich schnell vor seiner Warnung, dies als eine Niederlage für ihn zu betrachten. Hatte ihre Zurückhaltung und Weigerung ihr Tun von Gefühlen leiten zu lassen dazu geführt, dass er sie nun so falsch verstand? Es ging in ihrem Gespräch doch nicht um Sieg oder Niederlage und so, er sein Eingehen auf ihren Vorschlag nun zu Recht als Niederlage empfinden mochte, oder ihr das unterstellte, dann würde sie sich zwangsläufig, wie eine Siegerin fühlen - und das tat sie ganz und gar nicht. Nein, eine Niederlage ihres Mannes sah sie darin genausowenig, wie einen Sieg für sich. Noch mehr schmerzten sie jedoch seine Worte, die ihr quasi verbaten, jemals wieder das Wort an ihn zu richten, so es um so wichtige Dinge, wie Erziehung ging und sie war sich sicher, dass sie das nicht nur auf eine eventuelle weitere Bitte um Matts Willen bezog. Es blieb ihr nun nichts anderes übrig, als sich der Wahrnehmung ihres Mannes anzuschließen und dies als einige und letzte Bitte, eine Entscheidung zu überdenken, zu betrachten. Die Vorstellung, dass sie keine Entscheidung mehr würde in Frage stellen können oder gar um Revidierung bitten konnte, bereitete ihr genauso viel Wut wie Kummer. Gleichzeitig ärgerte sie sich, denn hätte sie vorher geahnt, dass dieses als letzte geduldete Einmischung zu betrachten wäre, hätte sie sich diese wohl aufgespart - bis über Bens Zukunft entscheiden werden musste. Ben war längst nicht so obstinat und eigenwillig, oder innerlich so frei, wie sein Bruder Matt. Matt hätte ihrer Fürsprache kaum gebraucht, sondern hätte, so sein Vater ihn über den beabsichtigten Eintritt in die Armee unterichtete hätte, entweder aus freien Stücken sich für die Armee entschieden oder aber nach eigener freier Entscheidung die Flucht ergriffen. Sicher war Francis immer noch verärgert und wahrscheinlich eifersüchtig, weil sie um Matts Wohlergehen so besorgt war und für diesen Partei ergriff und das war immer noch ein Problem zwischen ihnen, aber dessen Worte zeigten auch deutlich, was für ihn eine Ehefrau war. Trotz ihrer oft erfolgreichen Einflussnahme auf die Erziehung bei Paul und Emmet, trotz einer vorbildlich erzogenen Isabell und gut erzogenen Martha, war sie für ihn offenar nichts weiter als eine dusslige Hausfrau, die keine eigene Meinung hatte - und selbstverständlich nicht wusste, was ihre Kinder bewegte. Diese seine Meinung würde sie jedoch nicht davon abhalten, auf Matt Einfluss zu nehmen. Dieses mal wollte auch sie ihm nichts durchgehen lassen und schon gar nicht, die Flinte ins Korn zu werfen. Er bekam eine zweite Chance, einen ehrbaren Beruf zu ergreifen und die hatte der Junge selbstverständlich wahrzunehmen und nicht zu verbaseln! Außerdem war sie davon überzeugt, dass der Beruf des Deputys ihrem Sohn entgegenkam, ihn fordern würde, aber auch förderte, so dass sie sich keine Sorgen machte, er könne erneut das Handtuch werfen. "Hoffen wir das John einverstanden ist." Mollys Ton machte deutlich, dass das Gespräch für sie beendet war. Wie immer würde sie sich ihre Enttäuchung, ihre Trauer und den Ärger über ihren Mann kaum anmerken lassen, sondern sich vor diesem zurückziehen. Ja, sie war sicherlich kalt und hielt den Beischlaf für überflüssig, ja sogar für eine unangenehme Pflicht, aber in Momenten wie diesen, schien Francis an ihrer Abweisung körperlicher Nähe selbst schuld zu sein. Ihre Gefühle und ihr Rat waren ihm offenbar weit weniger wichtig, als er im Gespräch am Montagabend noch hatte durchblicken lassen.
Obwohl Francis sich deutlich ein Ende der Unterhaltung mit seinen Worten gewünscht hatte und auch ein Ende der Diskussion, fühlte es sich seltsam an, seine Frau dieser Bitte nachkommen zu sehen. Gewöhnlich hatte doch meist Molly das letzte Wort und Francis hatte sich diesem Umstand schon vor vielen Jahren gebeugt. Er wusste ganz genau, dass Molly ihm dennoch stets das Gefühl gab, eine Entscheidung selbst getroffen zu haben. Selten geriet so der Hausfrieden ins Wanken, bekamen doch beide Seiten meist das, was sie in Bezug auf die FAmilie, auf den Laden, ihr Leben und ihre Zukunft sich wünschten. In all den Jahren ihrer Ehe hatte Francis oft genug Mollys Rat gesucht und war auch stets bemüht gewesen seine Entscheidungen nicht gänzlich ohne ihre Einwilligung zu treffen. Erst am Montag hatten sie ein Gespräch geführt, weil er sich in Bezug auf die Kindererziehung ein wenig überforder fühlte und auch den Nutzen hinter ihrer Strenge nicht mehr gesehen hatte. Er hatte ihren Trost, aber auch ihren Rat gesucht. Ohne Mollys Zutun hätte er niemals darauf bestanden die Erziehung einer radikalen Veränderung zu unterziehen. Und doch hatte er sie eben mit einer Entscheidung konfrontiert, die er für sich alleine getroffen hatte, ohne zuvor mit ihr darüber zu reden. Und erwartete jetzt auch noch dazu, dass sie ihm diese nicht wegnahm. War das der Grund, wieso Molly nach all ihren vielen Worten nur noch knappe Sätze für ihn übrig hatte? Oder hatte er einen elementaren Fehler begangen? Zumindest schien er sie verärgert zu haben, was wiederum für ihn unverständlich war. Sie bekam doch, was sie sich in Bezug auf Matt wünschte? Nicht er. Seine Entscheidung war in Frage gestellt worden und er hatte über die Diskussion hinweg ein Einsehen mit ihren Argumenten gehabt. War das jetzt der Dank dafür? Bekam er nun langsam aber stetig die Früchte seiner eigenen losen Einstellung der Ehe gegenüber geerntet? Hatten all die Zweifler in seinem Freundeskreis am Ende recht? Selbst Harris hatte ihm schon vor Jahren geraten mit Molly strenger ins Gericht zu gehen, weil er eines Tages damit leben würde müssen, dass sie in der Familie das Sagen hatte und nicht er. Doch Francis hatte auf all das Geschwätz nie viel gegeben. Für ihn war seine Ehe mit Molly etwas wertvolles, das es sich zu hegen und pfelgen lohnte und wenn er dabei ihren WÜnschen hin und wieder nachgab oder auf ihren Rat hörte, konnte das in seinen Augen nicht verkehrt sein. Schließlich ging es dabei auch jedes Mal um ihr eigenes Wohl. Wieso sollte sie da nicht mitbestimmen können? Molly war bei weitem intelligenter, als es ihr wohl der gewöhnliche Mann auf der Straße als Frau zugestehen wollte. Und ihre kühle und oft nüchterne Betrachtungsweise hatte der Familie bei weitem besser getan, als seine ganzen Baugefühle aus denen er heraus oft nach seinen Launen Entscheidungen getroffen hatte. Letztendlich war es natürlich genauso gekommen wie seine Freunde prophezeit hatten, aber Francis hatte damit bislang keine Probleme gehabt. Bis heute. Nicht ahnend, dass er mit seiner schlechten Laune und seinen mürrischen Worten Molly genau diese Verlässlichkeit, sein Vertrauen, ihr Mitbestimmungsrecht genommen zu haben schien, fühlte er sich von Molly missverstanden und schlecht behandelt. Es gab in seinen Augen kein Grund verstimmt zu sein. Und das schien Molly ja zu sein, so knapp wie sie ihn abspeiste. Er war es viel mehr gewohnt, dass Molly nach einer solchen Ansprache ihres Gatten dazu neigte ihm den Kopf zu waschen. Resignation und Rückzug war ihm nur in den seltensten Fällen bekannt. In diesen hatte es meist zuvor einen Streit hinter verschlossener Tür gegeben. Mollys Verhalten irritierte Francis und war seiner eh angeschlagenen Laune nicht sehr zuträglich. So viel zu dem wundervoll angefangenen Morgen...
Er ersparte sich eine ärgerliche Erwiderung auf ihre Feststellung, dass Matt so oder so überall den Tod finden konnte. Er fand ja im Laden sicherlich nicht, aber zu diesem Thema schien sowohl Matt als auch bereits Molly das letzte Wort gehabt zu haben. Sie erwähnte diese Option nicht einmal mehr und Matt winkte nur ab, wenn Francis einmal mehr versuchte den Jungen davon zu überzeugen, dass er hier alles hatte, was er für ein glückliches Leben brauchte.
"Ich werde mit John reden," sagte er statt dessen nur, ebenso kurz angebunden wie seine Frau und stand wieder auf. Für einen Moment zögerte er, nicht sicher was er tun sollte. Er hätte gerne etwas beschwichtigendes gesagt, um die Situation zwischen ihnen zu klären, aber er wusste nicht so recht was das passende gewesen wäre. Noch wusste er überhaupt, was Molly genau hatte. Am Ende sagte er nur das Falsche... "Gleich heute noch. Nach der Kirche. Wir sollten Matt vorher nichts davon sagen, am Ende entwischt er uns noch," er traute Matt durchaus zu, dass er sich der Pflicht nach der Kirche entziehen würde, um einem GEspräch mit Clayton zu entgehen. Auch wenn ihm das nicht gut bekommen würde. Mit einem Seufzen wandte sich Francis von Molly ab. Er wollte die Zeit vor der Kirche noch dazu nutzen, drüben am Kaminfeuer die Zeitung der letzten Woche in Ruhe zu ende zu lesen. Auf halbem Weg blieb er jedoch wieder stehen und wandte sich noch einmal Molly zu. Es war einfach zu offensichtlich, dass er sie verärgert hatte. Obwohl er nicht wusste, wie genau und mit was, fühlte er sich schuldig. Da er so ganz gewiss nicht in die Kirche wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Sache aus der Welt zu schaffen. Er kannte seine Frau schließlich gut genug, um zu wissen, dass sie dies mit sich alleine ausmachen würde und in der Zwischenzeit ihm ihre unnahbare Art zuteil werden ließ. "Hör mal, Molly... ich weiß nicht genau was passiert ist... aber es ist doch... nun es läuft doch nach deinem Willen. Matt bekommt seine letzte Chance und trotzdem habe ich das Gefühl du bist auf mich böse."
Molly nickte zu den Worten ihres Mannes, er werde mit John sprechen. Auch sie ging davon aus, dass sie John Clayton in der Kirche zumindest sehen würden und wahrscheinlich würde er zu dem anschließenden Umtrunk im Gästehaus erscheinen. Immerhin war er der Sheriff in Camden Village und als ein solcher, war es immer gut, sich zu derlei Gelegenheiten sehen zu lassen und Kontakte aufrecht zu erhalten. Damit war sie also einverstanden und spürte, wie der vorhin empfundende Ärger über ihren Mann vor der Erleichterung in den Hintergrund geriet. Warum Francis jedoch Matt nicht vorab darüber informieren wollte, verstand sie nicht, oder jedenfalls nicht in Gänze. Für Matt gab es gar keinen Grund, einem Gespräch darüber zu entfliehen und das würde ihm auch nicht gut bekommen. So dumm, dass er durch die Verweigerung eines Gespräches mit John riskierte, sein Vater zöge sein Einverständnis zu dem geplanten Ausritt an den Forest Lake River doch noch wieder zurück, einzugehen, war er nicht. Sicher würde er sich gegängelt fühlen, weil er vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Das konnte sie ihm nicht verdenken und auch wenn er so tat, als ob das ohnehin sein Plan gewesen sei, würde Matt das bittere Gefühl zurück behalten müssen, andere hätten für ihn entschieden. Natürlich gab es für Matt keine Wahl. Er hatte keine Alternative dazu, außer der Mitarbeit im Laden, aber das war ihm zu bieder und vielleicht auch zu langweilig. Männer.. alle beide.. Warum konnte Francis nicht ein bisschen diplomatischer vorgehen und wenigstens so tun, als sei es Matts Entscheidung gewesen, sich um einen freien Posten als Deputy zu bemühen? Am Besten verbietet Francis dem Jungen kategorisch überhaupt nur einen Gedanken daran zu verschwenden - danach wird Matt alles daran setzen genau diesen Posten zu erhalten. Unbewusst schüttelte Molly den Kopf, denn ihre beiden Männer waren eigenwillig und trafen ihre Entscheidungen grundsätzlich selber, und zwar gefühlt souverän. Da Francis ihr vorhin so deutlich zu vertehen gegeben hatte, dass ihm an ihrer Meinung dem Grunde nach nichts lag, behielt Molly ihre Gedanken für sich und musterte ihn lediglich einen Augenblick besorgt, als er sich erhob, um in die Sitzecke am Kamin zu gehen. Es war seine Gewohnheit, freie Minuten dort mit dem Lesen der Zeitung zu verbringen, so dass sie dies Verhalten nicht im Zusammenhang mit ihrer Unstimmigkeit sah. "Keine Angst, Francis. Ich werde bestimmt nichts vorweg nehmen." Molly erhob sich nun ebenfalls, denn sie wollte ihre freien Minuten noch damit verbringen, in ihrer Bibel zu lesen und zu beten - und das konnte sie allem Rat zum Trotz am Besten in ihrer Küche, auch dann, wenn das Chaos über sie zusammen zu brechen drohte. "Böse? Nein, Francis. Enttäuscht ja. Wie kannst Du nur einen Augenblick annehmen, es ging mir darum meinen Willen durchzusetzen? Es geht auch nicht um Sieg oder Niederlage." Molly war versucht, einen Schritt auf ihren Mann zu zu gehen, der stehen geblieben war und sich nun nach ihr umwandte. "Es geht doch nicht um einen Kampf - warum also sollte ich Dein Einlenken als Niederlage betrachten?" Molly sprach um Ruhe bemüht leise und legte unbewusst eine Hand auf ihren bereits deutlich gewölbten Bauch. " Falls Du jedoch auf einem Kampf bestehst - würde ich dies Einlenken eher als Sieg für Dich betrachten, denn als Niederlage. Oft kostet ein Einlenken mehr Kraft und Mut, als einem Beharren auf eigenem Standpunkt." Molly sprach ruhig und sicher, obwohl sie innerlich ein bisschen nervös war. Nach der Reaktion ihres Mannes auf ihre Worte zum Thema Matthew konnte sie die Reaktion ihres Mannes jetzt kaum einschätzen, obwohl ihre Worte schon dazu führen mochten, dass er sich bewundert und als Sieger fühlen durfte - und das war von ihr durchaus gewollt.