Bonnie und Graham, Elisa bei Maureen, Jake flüchtet
Mrs Callahan seufzte auf Elisas Frage, ein wenig so als wäre es ihr peinlich das sie die Mutter dieses Jungen war. Diese Familie wurde faszinierend. Kaputt durch und durch wie es schien, aber so wie sich die Irin jetzt gab, sah Elisa ein wenig von Jake in ihr. Es fehlte diese grundlegende Ablehnung. Auch die Frau machte nun mehr den Eindruck, als würde sie nur so reagieren wie der unbekannte Vater reagiert hätte. Ebenso wie Jake. Was für ein schrecklicher Mensch musste das sein der so einen Einfluss auf die Familie hatte. Das Jake, so wie Mrs Callahan vermutete, auf dem Weg nach Hause war, liess Elisa fast auflachen. Sie schaffte gerade noch das Kunststück das in ein Husten zu verwandeln, dem sie ein beschämtes "Verzeihung." zufügte. Jake war gewiss nicht mit Geisteskraft gesegnet aber ganz bescheuert war er auch nicht. Er hatte eben seine Mutter niedergeschlagen und die Frau konnte froh sein wenn ihr Ältester überhaupt nochmal Heim kam. Die Gute hatte irgendwie keinen Realismus im Leib wie es schien. Aufmunternd, um ihr die Hoffnung nicht zu rauben, lächelte Elisa ihr zu. Nur nicht zu sehr, nicht das noch der Eindruck entstand sie wüsste mehr.
Als Maureen dann so zuversichtlich kundtat, das er eigentlich ein guter Junge sein, musste Elisa allerdings doch etwas kichern. Nicht weil sie das nicht glaubte, sie wusste ja das Maureen recht hatte, aber es klang, gerade nach den Geschehnissen von eben, schlichtweg albern. Ausserdem half das leichte Kichern die Fassade aufrecht zu halten. "Nun, auf jeden Fall ist er gut darin, seine gute Ader sehr gut zu verbergen." Liess Elisa verlauten und schaute nochmal auf Maureens aufgeschlagene Lippe. "Auch Ihnen einen schönen Sonntag noch Mrs Callahan." erwiderte Elisa auf die Verabschiedung der Irin und betrachtete die beiden Zwillinge, die sich auf der Veranda des Sheriffsbüros unterhielten. Das "Was sollen nur die Leute denken." Das Bonnie von sich gab, empfand Elisa als ein wneig unpassend. Immerhin war Mrs Callahan ja scho angegriffen genug, da musste man ihr nun nicht auchnoch einen hinterher schenken.
"Da fast alle auf dem Empfang sind, gibt es ja kaum jemanden der das mitbekommen hat." Schmunzelte Elisa in Richtung der rothaarigen Schneidersgehilfin und warf dann nochmal einen Blick auf Maureen. Jetzt hiess es für Elisa nur eben warten, bis sowohl Mrs Callahan weg war, als auch Bonnie und Graham, beziehungsweise sie sich selber absetzen konnte um Jake zu folgen. Ihr süsser Holzkopf, der das sicherlich nur gemacht hatte um von seiner Mutter weg zu kommen und doch noch zu ihrem Treffen gehen zu können. Drastisch, aber irgendwie auch total liebenswürdig wie Elias fand.
So wirklich hatte er keine Antwort bekommen, denn die beiden Mädchen schienen beide gebannt von dem Spektakel vor ihren Augen. Elisas Miene war dabei seltsam ablehnend, so als hätte Graham gerade irgendein Fettnäpfchen getroffen, welches sich dem jungen Deputy aber völlig entzog. Vielleicht war das Negermädchen ja so ein guter Mensch, dass sie nicht einmal einem wie dem Callahanbengel etwas böses an den Hals wünschte, der sie wahrscheinlich am liebsten hängen sehen würde oder auf einer Baumwollplantage schuften. Etwas, was Graham so gar nicht nachvollziehen konnte, denn er empfand keine Scham dabei, dem Rest der Welt die Pest an den Hals zu wünschen. Bonnies versteinerter Gesichtsdruck aber weckte ein vertrautes, unangenehmes Gefühl in seinem Inneren. Es war nur unschwer zu erraten, woran sie gerade dachte und Graham hatte genauso wenig Interesse daran, die so frisch begrabenen Erinnerungen an ihren liebenden Vater wiederzubeleben wie seine Zwillingsschwester sie haben konnte. Darum war er unwillkürlich näher zu ihr getraten und bemerkte erst verspätet das die Schlägerei in der Callahanfamilie nicht länger einseitig war. Er sah, wie Jake die Faust hob, Mrs. Callahan zu Boden ging und dann überraschenderweise Hilfe von Elisa bekam. Das erstaunte ihn dann doch etwas, weswegen er das Geschehen mit halbem Auge beobachtete. Jake war schon zuweit fort, um noch die Verfolgung auf zu nehmen und Mrs. Callahan tat es sicher schon Leid, dass sie ihren undankbaren Bengel aus dem Knast geholt hatte.
Kopfschüttelnd richtete er sein Augenmerk wieder auf seine Schwester. Kurz ließ er sich die Sache durch den Kopf gehen und legte dann nachdenklich eine Hand auf den Magen. „Ich würde noch Fett ansetzen, wenn es nach dir ginge.“ meinte er dann spöttisch, aber ohne beißenden Unterton. Gut, es würde noch ganz schön dauern, bis er sich einen beeindruckenden Wanst zulegen konnte, dafür trug allein der letzte Wachstumsschub bei und die Tatsache, dass die Indianerin bei der sie hausten, wirklich grauenvoll kochte. Aber die Zeiten waren schon härter gewesen und sowohl Bonnie und er dürrer und ausgezehrter als jetzt. „Aber hast Recht. Mir hängt der Magen in den Kniekehlen.“ grummelte er dann gespielt und schüttelte gleich darauf den Kopf. „'S 'n verdammter Sonntag. Selbst 'n Gesetzeshüter hat einen Tag die Woche frei. Ich hab' für heute meine Pflicht getan.“ bekräftigte er. Denn bezahlt wurde er nicht für die Überstunden die er gerade eingelegt hatte und bisher hatte er noch nicht gesehen, dass Clayton die Drecksarbeit machte. Also – so fand er – konnte er getrost Feierabend machen. „Meine Dame...“ in einer eleganten – und absolut lächerlichen, weil übertriebenen Geste – hielt er seiner Schwester den Arm hin, damit sie sich bei ihm unterhaken konnte. Sollte ganz Camden doch über sie lästern, solange sie Einheit demonstrierten, war es ihm reichlich egal. Mit einem Blick über die Schulter stellte er fest, dass Elisa noch vor der Station stand, überlegte kurz, ob er sie einladen sollte, doch überlegte es sich dann anders. Sie wirkte in Gedanken versunken, also ließ er sie in Ruhe. Stattdessen kommentierte er Bonnies Worte an Mrs. Callahan mit einem amüsierten Grunzen. Er wusste nicht, was die Frau bewegte, ihre Brut derartig zu verteidigen. „Oha … seid wann gehörst du denn zu den Moralwächtern der Stadt?“ erkundigte er sich belustigt, nickte Elisa und Mrs. Callahan zum Abschied zu und schlenderte mit seiner Schwester in Richtung des Gästehauses. Tbc: Mainstreet Umgebung
Ihren Bruder an ihrer Seite zu wissen, seine Nähe zu spüren, beruhigte den Rotschopf ein wenig, während die Gewalt zwischen Mutter und Sohn zunahm. Das Bild war einfach zu vertraut und weckte böse Erinnerungen. Nun also über etwas anderes zu reden, war das Beste. Und der Empfang würde nicht nur für einen gewissen Grad an Ablenkung sorgen, sondern auch für volle Mägen und das konnte nicht nur Bonnie gebrauchen. Ihr Bruder gehörte nicht zu den stämmigsten Jungen. Da er nun als Gesetzeshüter arbeitete, wäre es nur von Vorteil, würde er noch etwas zulegen. Er musste stärker werden, damit niemand ihn so leicht aus den Stiefeln heben konnte. Sicherlich war Graham nicht schwach oder leicht unterzukriegen.... Er konnte viel einstecken, das wusste Bonnie, doch würde es sie beruhigen zu wissen, dass er ein wenig stärker war. „Ich glaube nicht, dass irgendein Mädchen etwas dagegen hätte, würdest du etwas zulegen“, neckte das Mädchen ihren Bruder und schmunzelte amüsiert. Eigentlich mochte sie den Jungen, wie er war, doch die kleinen Sticheleien gehörten einfach zum Alltag der Zwillinge.
„Na dann auf, bevor das beste Essen schon weg ist.“, meinte Bonnie und nickte schon Richtung Straße. Was genau nun mit der Callahan passieren sollte, kümmerte sie nicht mehr. Der Rotschopf hatte sogar schon vergessen, dass Eliza in unmittelbarer Nähe stand. So war das eben, wenn Bonnie und Graham zusammen waren. Jeder geriet neben ihm in Vergessenheit, was an der engen Bindung der Zwillinge lag. „Mein Herr...“, gab Bonnie ebenso albern von sich, machte einen Knicks und hackte sich schließlich unter. Irgendwie verstand es das Mädchen nicht, warum man versuchte das Verhalten eines anderen zu entschuldigen. Was auch immer vorgefallen war – es war passiert und auch die unnötigen Worte einer Mutter würden daran nichts ändern. Doch es war Bonnie egal. Sie schmiegte sich an ihren Bruder, um sich etwas aufzuwärmen.
Als sich die Geschwister ein paar Schritte von dem Sheriffs Gebäude entfernt hatten, fragte die Rothaarige schließlich: „Was genau ist eigentlich passiert?“ Wäre ja doch interessant herauszufinden, warum die Callahan so außer sich war – mal ganz davon abgesehen, dass ihr Sohn im Knast gelandet war. Sicherlich war es keine Information, die Bonnie irgendetwas nützen würde, aber jeder Gedanke war besser, als die Gedanken an ihren Vater und daran, wie oft Gewalt ihren Alltag bestimmt hatte... Oder daran, dass der Vater sich nicht mehr an den gescheiterten Mord erinnerte. Ein Schauer lief Bonnie über den Rücken, weshalb sich das Mädchen noch etwas fester an den Arm ihres Bruders klammerte.
Es war doch immer wieder überraschend wie schnell sich Begebenheiten ändern konnten. Eben noch musste sie sich Gedanken machen wie sie Mrs Callahan loswerden konnte und sich dezent von den Zwillingen absetzen konnte. Jetzt stand sie alleine vor der Station und sah links und rechts. Die Irin und Mutter von Jake hatte sich entfernt und auch die Barklay Zwillinge machten sich weg. Graham gab ihr noch eine Abschiedsgeste, bevor er sich mit Bonnie davon machte, wo auch immer hin. Für Elisa war das nicht wichtig. Nun wurde es interessant. Die Verabredung mit Jake war für die Mühle gewesen und die Richtung in die er gerannt war, machte es leicht einen Haken zu schlagen und sich dahin zu begeben. Zeit für sie das selbe zu tun und sich auf den Weg zu machen. Die Gelegenheit war ja perfekt um sich unbemerkt abzusetzen.
Elisa wartete bis Graham und Bonnie die Kreuzung zwischen Main,-, Lake,- und R.Camden Street passiert hatten und ging dann westlich die Main entlang, bog in die Lakestreet ein und schlenderte gemütlich auf die Kirche zu, daran vorbei und Richtung Fluss, an dessen Ufern die Mühle stand. Der Ort an dem sie Jake hoffentlich treffen würde, wenn er seine Pläne jetzt nicht geändert hatte nach den Erlebnissen von eben.
Bonnie und Graham, Elisa bei Maureen, die Gruppe löst sich auf
Maureen war sichtlich erleichtert, dass niemand weiter groß auf eine Unterhaltung aus war. Jeder schien eigene Ziele zu haben und damit bekam Maureen eine gute Möglichkeit geboten so rasch wie möglich das Weite zu suchen. Die Angelegenheit war ohnehin schon peinlich genug. Der Deputy und seine Schwester entfernten sich und abgesehen von diesem unangebrachten Kichern der Schwarze, hatte auch das junge Mädchen wohl eher kein Interesse daran diese kurze Unterhaltung zu vertiefen. Zumindest brachte ihr das Kichern einen strafenden Blick von Maureen ein, ehe sie sich einen schönen Sonntag hatten wünschen können. Mit etwas mehr Elan als sie in sich verspürte, trieb sie die Kinder zurück Richtung Lake Street. Sie wollte die Kutsche holen und so schnell wie möglich nach Hause. Sie hatte nicht einmal Sinn und Zeit dafür, ihren Gedanken zu belächeln, weil sie die Ranch inzwischen als Heim betrachtete. Sie machte sich viel mehr Sorgen darüber was sie den Kindern nun zu Essen bieten konnte, wo der Empfang für sie ausfiel. Und was sie tun sollte, falls Jake heute nicht nach Hause kam. Der Major war nicht zu Hause, er hatte im Fort zu tun und entsprechend konnte er für ein paar Tage der RAnch fern bleiben. Das machte Maureen doch ein wenig Angst, denn alleine würde sie kaum nach Jake suchen können. Obwohl der Junge noch nie weggelaufen war. Nicht einmal unter der Knechtschaft seines Vaters. Doch alles Jammers würde erste einmal nichts nutzen. Sie mussten erst einmal nach Hause kommen und dann hieß es abwarten...
Jason vor dem Sheriffs Office, Nicholas u. Tamina kurz vor dem Brunnenplatz, Stevie, Helen mit Calvin u. Mutter auf der Mainstreet in westlicher Richtung unterwegs, weiter im Osten vom See her kommend Jesse u. Megan ebenfalls in westlicher Richtung unterwegs
Ganz so ausgestorben, wie der Saloon gerade auf Jason wirkte, war die Mainstreet nicht. Wie gewohnt sah Jason zunächst in westlicher Richtung und dann in östlicher Richtung die Mainstreet hinauf und hinab. Er gehörte zwar eindeutig zu den Guten, obwohl er schon den einen oder anderen Outlaw hatte erschießen müssen um sich seine Haut zu wehren, aber sein Job barg gewisse Risiken. In östlicher Richtung sah er ein arabisches Pärchen miteinander im Gespräch. Die beiden schienen mit sich selber beschäftigt zu sein, so dass Jason gar nicht erst daran dachte, diese anzusprechen und eine Gefahr ging von diesen Beiden wohl nicht aus. Stattdessen ging er nun zügig auf die hölzerne Veranda vor dem Haus zu, in dem das Büro des Sheriffs ganz offensichtlich untergebracht war. Aus östlicher Richtung kamen Reiter, die Jason beinahe nicht weiter beachtet hätte, wenn es sich dabei nicht um Frauen gehandelt hätte. Ein Kind und eine alte Frau? Wohl auf der Flucht? Jason hatte keine Erklärung für diese merkwürdig anmutende Gesellschaft. Hilfe schien jedoch keine der Reiterinnen zu benötigen, denn weder sahen sie sich suchend um, noch sprachen sie ihn an. Sie ließen ihre Pferde zügig voran schreiten, so dass Jason annahm, dass beide Frauen ihr Ziel kannten. Dennoch blieb dieser Anblick ungewöhnlich, so dass er sich das Aussehen der beiden Reiterinnen einprägte und auch kurz das Kind und die ältere Frau musterte. Er würde sich beizeiten danach erkundigen, ob es einen Überfall auf einen Zug, eine Postkutsche oder auf eine der in Nähe gelegenen Farmen oder gar Ranches gegeben hatte. Mit dem Aufspüren diverser Outlaws verdiente er gutes Geld und in diesem speziellen Fall mischte sich sein berufliches Interesse mit privatem. Machte eine Bande Outlaws die Gegend unsicher, konnte auch die Farm seiner Eltern, den Marones, aufgrund ihre abgelegenen Lage und wertvoller Pferde ein lohneswertes Ziel so einer Bande sein und in dem Fall, wollte er davon wissen. In mehr Abstand, als dass sie zu diesem Grüppchen gehören mochten, war ein weiteres Paar in westlicher Richtung unterwegs. Auch die Beiden schienen sich ausschießlich um sich selbst zu kümmern, so dass Jason diese nur kurz musterte und sich dann seinem eigentlichen Ziel, dem Office des Sheriffs zu wandte. Er war sich nicht nur sicher, dass er sie nicht kannte, sondern auch fast sicher, dass sie ihn nicht erkannte. Zumindest schien sein Auftauchen für sie keine Überraschung zu sein, der gar Freude auszulösen, so das Jasons innere Unruhe nachließ. Immer noch hatte er ein ungutes Gefühl dabei, womöglich auf Jemanden zu treffen, der sich noch an den Jason seiner Kindheit erinnerte, ohne sagen zu können, warum. Die zwei Stufen der Holzveranda auf einmal nehmend, stieg Jason auf die Veranda und sah nach, ob die Tür zum Office nur geschlossen oder aber abgeschlossen war. Auf sein kurzes energisches Klopfen erfolgte keinerlei Reaktion und als er einen Schritt zur Seite ging und durch das Fenster ins Innere sah, erkannte er sofort, dass das Office ebenso verwaist war, wie der Saloon. Entweder ist Camden Village ein sehr verschlafenes Örtchen, in dem nichts zu holen ist, oder aber neigt zu Leichtsinn und Vertrauensseligkeit.. Natürlich mochte es sein, dass man in Camden Village weit religiöser war, als er es in Erinnerung hatte. Das würde hinreichend erklären, warum sich an einem Sonntag weder ein Deputy noch ein Sheriff blicken ließ. Ineteressiert musterte Jason die zwei Steckbriefe, die neben der Tür des Office aushingen. Für die Ergreifung beider Outlaws war jeweils eine Belohnung in Aussicht gestellt worden, und diese war nicht knapp bemessen! Belohnung also.. Ein kurzes Grinsen huschte über Jasons unrasiertes Gesicht, denn ihm war schon klar, dass es mit diesem Ausdruck die Angelegenheit schlicht beschönigt wurde. Natürlich ging es um Kopfgeld und damit verdiente er eben sein tägliches Brot. Wahrscheinlich würde er noch ein bis zwei Tage um seiner angeschlagenen Gesundheit willen kürzer treten müssen, aber dann würde er sich auf die Fährte des einen oder anderen Outlaws setzen wollen. Genauestens prägte er sich die Gesichtszüge der Steckbriefe ebenso ein, wie die Namen und Geburtsdaten, so weit bekannt. Obwohl er noch immer unter Gedächtnisverlust litt und sich nicht an sein Leben auf der Ranch seiner Eltern erinnerte, hatte er keine Probleme, sich derlei Dinge einzuprägen und bei Bedarf diese noch nach Monaten oder gar einem Jahr abzurufen. Aus gewohnter Vorsicht heraus wandte er sich herum und behielt das aus östlicher Richtung kommende Paar im Auge, während er die Verandastufen wieder hinunter sprang. Unbewusst entfuhr ihm ein Schmerzenslaut, denn diese unbedachte Bewegung nahm ihm sein geschwollenes Knie mehr als ein wenig übel. Vorhin noch war ihm die Mainstreet leer erschienen, aber nun sah er ein weiteres Pärchen die Mainstreet entlang zu gehen. Auch dieses Paar schien sich zu unterhalten und übersah ihn völlig. Darüber war Jason jedoch nicht im Mindestgen verärgert, denn je mehr Leute ihn sahen und womöglich mit ihm sprachen, desto wahrscheinlicher war es, dass man ihn zu erkennen dachte und dann würden unweigerlich für ihn unbequeme Fragen nach seiner ihm unbekannten Vergangenheit folgen - oder aber unbequeme Wahrheiten über seine Eltern. Die Erinnerung an den kleinen Frechdachs der am Morgen versucht hatte, ihn zu bestehlen, stieg in ihm auf, als er rechts von sich die Lakestreet hinab und auf die Kirche sah. Vor dieser standen noch Menschen, die er jedoch nicht genau erkennen konnte. Es mochte sich um eine Familie handeln oder um den Kirchenrat der noch tagte - oder um Menschen, die sich nach dem Gottesdienst um den kleinen Friedhof verdient machten. In allen Fällen konnten es Menschen sein, die sich an seine Familie erinnerten und damit die Lücken in seinem Lebenslauf füllen könnten, wenn da nicht die diffuse Angst vor unbequemen Wahrheiten gewesen wäre. Hätte man Jason gegenüber Schuldgefühle erwähnt, hätte er diese vehement abgestritten, aber ganz tief in seinem Inneren fühlte er sich an diesem Überfall durch die Indianer schuldig. Er hatte überlebt ohne wie Anna verschleppt worden zu sein und bei der Frage nach dem Grund dafür, kam er immer wieder auch auf den Punkt, dass er möglicherweise auf der Ranch geblieben war und eigentlich hätte das Schlimmste verhindern können. Ob die Reste der Ranch noch immer leer und unbewohnt im Umland Camden Villages herumstanden oder ob ein anderer Rancher sich dort inzwischen niedergelassen hatte, war ihm auch nicht bekannt - aber nicht uninteressant, denn das Land auf dem sie Stand und Gebäudereste hatten seinen Eltern gehört, so dass Anna und er das Land geerbt hatten und die Eigentumsrechte besaßen. Kurz verzog Jason nachdenklich den Mund und schüttelte unbewusst den Kopf, denn auf der Mainstreet fanden sich offenbar die Menschen in Gruppen zusammen - ein Verhalten, dass für Neuigkeiten oder auffällige Ereignisse in Camden Village sprach. Vielleicht hatte einer der Outlaws erneut zugeschlagen. In dem Fall hätte er Glück und könnte sich auf die Spur des Verbrechens setzen und die umliegenden Farmen und Ranches abreiten, denn irgendwo suchten Outlaw sich meistens zunächst einen vermeintlich sicheren Rückzugsort. Dennoch ging Jason noch nicht zurück in den Saloon, sondern die Lakestreet hinunter. Ein letztes Mal noch wollte er sehen, ob seine Familie noch Irgendwem in Erinnerung geblieben war und ob nicht doch Anna bei Diesem aufgetaucht war. Vielleicht, wahrscheinlich sogar, hat sie ihr Gedächtnis behalten - würde sie mich dann nicht suchen, so sie erfahren hat, dass ich noch am Leben bin? Sie könnte meine Gedächtnislücken bestimmt füllen.. Jasons Schritt wurde fester und zielstrebig ging er nun auf den Kirchplatz zu. Dort standen tatsächlich noch ein paar Menschen zusammen - vielleicht eine Familie, die einen weiteren Weg vor sich hatten, als diese zahlreichen Pärchen, die krampfhaft versuchten, den Winter mit einer romantischen Seite zu versehen.
Cassiel hatte seine Geschwister zurück ins Café geschickt, damit sie Mister Tanner, Jesse und Megan sagen konnten, dass er noch etwas erledigen wollte und später nach kam. Er hatte den Sherriff im Gewühl der Menschen im Speiseraum des Gästehauses irgendwie nicht mehr entdecken können und hatte daher vermutet, dass er zur Station gegangen war. Außerdem hatte Shepard ihm ja gesagt, dass die Indianer auf dem Weg waren und er wollte nur schauen, ob sie vielleicht schon angekommen waren.
Wieso auch immer ich auf die Idee gekommen bin. Dann müsste Shepard ja hier irgendwo rumstehen und der war eben noch mit dem Doc im Gespräch. Cassiel, Du musst Dich zusammen reißen. Wo ist bitte Dein Verstand geblieben? Hast wohl zu viel vom Buffet genascht, hm?
Langsam ging der junge Ire die Straße hinunter auf die Sherriff Station zu.
Ob Stevie schon wieder in der Stadt ist? Die habe ich irgendwie auch noch nicht gesehen. Hoffentlich ist ihr nichts passiert. Bei dem Wetter weiß man ja nie Hoffentlich kann bald wieder ein Zug fahren. Wir brauchen dringend Nahrungsmittel! Es wurde langsam knapp. Mehl, Butter, Dörrfleisch, Pökelfisch und all die anderen Grundnahrungsmittel waren schon rationiert. Serenity hatte ihre Speisekarte stark reduzieren müssen..
John vor dem Gebäude (Cassiel in der Nähe, wird aber nicht bemerkt)
Mit einem ungewohnt, aufgehelltem Gesichtsausdruck hatte John das Haus seiner Wohnung verlassen und sich trotz der Kälte und dem Schneefall die gute Laune nicht vermiesen lassen. Nicht einmal die Aussicht bei diesem Wetter auch noch nach Cassidy suchen zu müssen hatte etwas daran geändert. Seine Verlobung hatte ihn in eine heitere Stimmung versetzt, die nichts auf dieser Welt heute ruinieren könnte. Die Aussicht darauf später völlig verfroren heimzukehren, wo ihn ein warmes Feuer, Tee und Kuchen erwarten würden, einmal von Emily ganz abgesehen, ließ ihn die wenigen Schritte zum Nachbarhaus beschwingt und vor sich hin pfeifend zurücklegen. Dass im Büro alles ruhig war und seine Ordnung hatte, hätte John genauso gut von der Haustür aus sehen können, aber da er befürchtete wegen Cassidy sowieso länger unterwegs sein zu müssen und sparte sich daher die Schritte nicht. Wie erwartet war die Tür verschlossen und im Innere brannte kein Licht. Obwohl Graham und er selbst im Dienst waren, hatte er die Station heute, wie an jedem anderen Sonntag auch geschlossen gehalten. Ein Sonntag war eben ein Sonntag. Die Leute wussten doch sowieso, wo der Sheriff lebte und auch Grahams Adresse war bekannt. Wenn man einen von ihnen brauchte, genügte es an die Wohnungstür zu klopfen. Sobald er wirklich einmal mehr Männer an der Hand hatte, würde er sich tatsächlich Gedanken über so etwas wie einen Dienstplan machen müssen. Mit Waltham, falls er taugte, genauso wie es mit dem jungen McKay stand, würde er tatsächlich zum ersten Mal seit Jahren den Luxus genießen können, an einem Wochenende frei zu haben.
Zumindest war es im Ort ruhig. Was ein gutes Zeichen war und auch John leichtfertig in angenehme Sicherheit wog. Nur zu gerne hätte er diesem Gedanken den Vorrang gelassen. Doch der entkommene Travis, samt dem Indianer, der auf Eli geschossen hatte, die zunehmende Bedrängnis der umliegenden Städte durch Vagabunden, das ungelöste Indianerproblem, einschließlich der abhanden gekommenen Waffen und die ungelösten Morde seit letztem Jahr.. das drückte doch arg auf Johns Schultern. Dass sie Thunder gefasst hatten, war natürlich ein Triumpf gewesen, der leider schon wieder zu verblassen schien. Auch die Überführung der Zirkusdiebe und das Stellen der Walton-Gang konnte die Bürger von Camden Village ruhiger schlafen lassen, aber John brauchte unbedingt etwas, das den Bürgern ins Gedächtnis rief, dass er sein Handwerk verstand. Sie mussten diesen Horatio Jones zu fassen bekommen. Auch wenn wohl die meisten Bürger überhaupt nichts von der Bedrohung mitbekamen, die von diesem Mann ausging. Diese Gedanken ließen John kurz innehalten und nachdenklich zur Postkutschenstation blicken. Hatte heute nicht die erste Kutsche seit langem heute Mittag hier eintreffen sollen? John war mit Emily früh vom Empfang aufgebrochen, aber sie hatten weder die Kutsche gesehen, noch Passagiere. Nun, wahrscheinlich war das Vorhaben angesichts des neuen Schneefalls eher gestorben, als dass sich zwei mutige Kutscher hätten finden lassen.
Schließlich schloss John die Tür der Station auf und betrat das kleine Büro. Es war wie zu erwarten eiskalt im Raum und Eisblumen hatten sich an den Fensterscheiben gebildet. Da John jedoch nur kurz prüfen wollte, ob Graham in den letzten Stunden jemanden verhaftet hatte und der Waffenschrank auch ja ordentlich und vorbildlich verriegelt war, bemühte er sich um den Ofen nicht weiter und ließ auch die Tür offenstehen. Dafür entzündete er die Lampe, die auf seinem Schreibtisch stand und den Raum in helles Licht tauchte. Ausreichend, um hinten kurz nachzusehen.
Anovaoo’o, Sanuye, Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena kommen mit dem Gefangenentransport an der Sheriff-Station an
Sanuye sagte, dass sie es hier mochte. Wenn nur nicht all die Vé’hó’e hier wären… Aber es waren eben viel zu viele Vé’hó’e hier… Shepard sprach immer wieder vom Reservat. Und von der unsichtbaren aber alles entscheidenden Grenze, die dieses sehr begrenzte Stück Land für die Indianer vom Rest der Welt trennte. Hatten Sie vielleicht dieses Unglück über sich selbst gebracht, weil sie südlich dieser Grenze geritten waren?
Anovaoo’o seufzte und spielte gedankenverloren mit den Fransen, die von ihren Ärmelenden über ihre Finger flossen. Der Gedanke war unsinnig. Nicht nur, weil jede Kacknase, die ihr vorschrieb, wo sie in ihrem Land hin reiten durfte und wo nicht, sie mal kreuzweise konnte, sondern weil Shepard sie von diesem arroganten Spiel mit diesen ebenso arroganten „Permits“ ja wieder ausgenommen hatte. Und außerdem war es nun einmal notwendig gewesen, dort zu reiten. Ihnen war doch gar nichts anderes übrig geblieben, da sie doch nach den fliehenden Menschen des Volkes suchen mussten! Und sie hatten ja auch genau in der richtigen Gegend gesucht, schließlich hatten Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena sie ja dann gefunden und zu den Menschen gebracht! Wer konnte schon sagen, was passiert wäre, wenn all diese Menschen an einer dieser Farmen vorbeigezogen wären, die jetzt wie Pockennarben das Land überzogen! Oder auf die Stadt zugeritten wären! Genau das hatten Sanuye und sie eben verhindert.
Ihr Unglück war nur gewesen, dass sie zuerst in diese Hunde von Büffeljägern gelaufen waren. Und auf die hätten sie später ebenso gut nördlich der Medizinlinie stoßen können. Denn eines war doch klar: diese Kerle waren auf Büffel aus. Und die Büffel waren aus der Gegend um Camden Village praktisch verschwunden. Diese Hunde wären todsicher ins Reservat eingedrungen und hätten dort herumgeballert. Wenigstens das hatten sie vereitelt. Von den sechs Büffeljägern waren drei an der Büffelsenke erledigt und der Vierte von ihr im Fort abgestochen worden. Ob der jetzt schon elendig verreckt war oder ob der noch am Wimmern und Blutspucken war? Das hätte sie schon gern gewusst. Hoffentlich hatte sie ihn richtig erwischt. Ganz sicher war sie sich da jetzt nicht mehr. Das Messer war ihr fast abgebrochen als es mit voller Wucht auf einen Knochen gestoßen war. Der zweite Hieb war schön tief eingedrungen aber alles andere als in der Mitte des Leibes gelandet. Schwer zu sagen, ob sie mehr als nur Muskeln erwischt hatte. Es war alles zu schnell gegangen. Ihr Kopf schmerzte immer noch von dem Gewehrkolbenhieb, der ihrer Rache allzu schnell ein Ende gesetzt hatte.
Anovaoo’o schaute auf. Sanuye sprach vom heiligen Berg. Vom Goldschürfer-Jagen.
„Ich finde, wir sollten die offen angreifen…“, murmelte Anovaoo’o schwach lächelnd. „Ich hab’ wirklich genug davon, mit solchen Kerlen erst zu palavern und dann zu kämpfen…Wir seh’n ja, wohin das führen kann…“
Der Wagen hielt plötzlich an. Vé’hó’e-Stimmengewirr erfüllte plötzlich die kalte Luft.
Sie waren angekommen. Anovaoo’o spürte, wie sich ihr Magen zusammen krampfte. Sanuye schien es nicht besser zu gehen.
"Anovaoo'o! Schwester. Ich will nicht von Dir getrennt werden!"
Anovaoo’o schluckte und atmete tief durch. „Die werden uns nicht trennen“, murmelte sie so fest wie möglich. In Wirklichkeit hatte sie keine Vorstellung, was wohl als nächstes passieren mochte.
"Los Runter, Ihr Hübschen!", bellte die Stimme von Miller. Jetzt klappte er die hintere Ladekante herunter. "Ein schönes warmes Zimmer erwartet euch. Hopp-hopp!"
„Nómonêhë'še…!“ [Gehen wir], sagte Anovaoo’o mit gepresster Stimme und stieg als erste aus dem Wagen. Die scharfen Kanten des Eises und des gefrorenen Schlamms der Wagenrillen der Straße drückten durch die weichen Polstersohlen ihrer Mokassins aus fingerdickem Büffelnackenleder. Unwillkürlich zog sie ihren Deckenmantel enger um sich, was von der höhnischen Musik des hässlichen Rasselns der schweren Eisenketten untermalt wurde.
Miller stand vor ihr und musterte sie mit einem höhnischen Gesichtsausdruck. “Jaa, genau! Nommonesch!“, äffte er sie nach. “Was auch immer… na los, raus mit Euch, oder soll ich Euch Beine machen!“, blaffte er ins Wageninnere.
Blinzelnd schaute Anovaoo’o sich um. Sie waren am äußersten Rand der Stadt angekommen. Offenbar sollten sie auch gleich hier eingesperrt werden. Die Tür des Hauses, vor dem sie standen, war leicht geöffnet. Immerhin hatte man sie nicht quer durch die Stadt gefahren. Heute war noch nicht der Tag, an dem man sie einem pöbelndem und geifernden Vé’hó’e-Mob aussetzte. Das würde später kommen…
Anovaoo’o, Sanuye, Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena kommen mit dem Gefangenentransport an der Sheriff-Station an, Cassiel kommt von der anderen Seite dazu
Irgendetwas riss den jungen Anwalt aus seinen Gedanken. Eine Bewegung; ein Wagen; die INDIANER! Sie wurden gerade in Ketten aus einem Wagen geholt und Cassiel erstarrte. Die sahen ja fürchterlich aus! Verdreckt, verschmiert und in keinem guten Zustand. Er beschleunigte seine Schritte und trat an den Wagen heran. Die Soldaten kannte er nicht, aber es mussten Shepards Männer sein. Doch wie sie mit den Injus umgingen, war gar nicht schön. Selbst gefangene behandelte man besser; fand Cassiel zumindest.
"Guten Tag, Sir. Mein Name ist Cassiel Brown und ich bin der Anwalt der Indianer." stellte er sich dem Soldaten ruhig vor. "Major Shepard informierte mich, dass ich die Angeklagten hier befragen kann. Ich hoffe sie wurden gut versorgt." Was ganz offensichtlich nicht der Fall war. "Bringen Sie sie bitte in die Zellen, damit ich in Ruhe mit ihnen reden kann.
Er warf Anovaoo'o und Sanuye einen beruhigenden Blick zu. Die Männer kannte er nicht, doch er machte ihnen gegenüber die freundliche Willkommensgeste. Etwas anderes viel ihm nicht ein. Außer sich in den drei Brocken Cheyenne vorzustellen, die ihm Wind beigebracht hatte. "Ich heiße Cassiel." nickte er ihnen freundlich zu. Cassiel hoffte, dass Sanuye und Anovaoo'o den Männern klar machten, wer er war und was er wollte.
Di Tür des Sheriffs stand offen. Also war einer der Deputys oder der Chef persönlich da. Das war schon Mal gut. Dann mussten die armen Injus nicht noch länger in der Kälte ausharren.
Anovaoo’o, Sanuye, Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena kommen mit dem Gefangenentransport an der Sheriff-Station an
Mittlerweile war Sanuye völlig durchgekühlt. Die Fahrt in dem hölzernen Kastenwagen kam ihr ewig vor. Dazu die eisige Kälte, die das Zeltdach des Wagens überhaupt nicht abhielt. Säße sie doch nur auf ihrem Pony, so wäre sie in ständiger Bewegung. Das würde ebenso wärmen wie der warme Leib des Tieres zwischen ihren Beinen. So aber lag sie auf dem blanken Holzboden des Kastens und jede Unebenheit des Bodens schüttelte sie so durch, dass ihre Zähne aufeinander schlugen. Tatsächlich sehnte sie sich jetzt schon nach dem Ende der Reise.
Als sie dann aber tatsächlich anhielten, stieg die Furcht in ihr wieder hoch. Der eine weiße Soldat forderte sie in barschem Tonfall auf, aus dem Holzwagen herauszuklettern. Sanuye hatte keine klare Vorstellung davon, was sie dann erwarten würde aber es würde bestimmt nicht schlimmer werden. Wie konnte es das auch? Also wartete sie, bis der Soldat ihre Kette vom Holzboden des Wagens löste, dann rutschte sie langsam zum Ende des Wagens.
Sie erkannte die Häuser nicht. Zu lange war es her und sie war auch nur ein-zweimal zuvor in der Stadt gewesen. Kurz erwartete sie Elisa Freeman hier zu sehen, da sie eine Person war, die sie mit der Stadt verband. Aber Elisa war nicht hier. Und auch Serenity nicht. Oder ihr Bruder Cassiel. Saunye seufzte tief und rutschte dann von der Kante des Wagens herab.
Natürlich ging dies dem Soldaten nicht schnell genug. Er packte sie an der Schulter und zog sie weiter in Richtung zu dem Steingebäude vor dem der Wagen angehalten hatte. Sanuye versuchte, schon durch die eiserne Kette an ihren Beinen behindert, einen Schritt zu machen aber es gelang ihr nicht. Ein heißer Schmerz durchschoss ihren verletzten Fuß und das Mädchen fiel einfach der Länge nach hin. Kein Laut drang dabei über ihre Lippen und Sanuye kniff die Augen fest zusammen um sich nicht die Blöße zu geben jetzt auch noch zu weinen. Stattdessen versuchte sie sich wieder aufzurichten, was dem Soldaten aber auch wieder nicht schnell genug ging. Doch er trat nicht nach ihr sondern bückte sich nur, griff sie an ihren Oberarmen und zerrte sie wieder hoch. Anovaoo'o war dann da und hielt sie fest. Liebevoll. Und sorgenvoll. "Ónêšêhahtáohtsé... [Mein Fuß tut weh...]" jammerte Sanuye leise und ließ sich dann von ihrer Schwester helfen, die paar Schritte zum Haus zu humpeln.
Und dann war da plötzlich Cassiel! Der Bruder von Serenity. Der Frau, die ihr schon einmal geholfen hatte. Cassiel, der bei der Feier in ihrem Haus dabei war. er war ein Freund! Und Sanuye gestattete sich ein kurzes Lächeln, das aber sehr, sehr schnell wieder verschwand. Golden Leaf war auch ein Freund gewesen. Er hatte sie sogar zu ihrer Hochzeit besucht und ihr ein Geschenk gemacht. Aber die Freundschaft hatte nicht lange gehalten. Jetzt waren sie seine Gefangenen und man hatte sogar auf sie geschossen. Nein, Freundschaften mit Weißen bedeuteten gar nichts. Also starrte sie den Mann nur finster an und schwieg dann während sie mühsam mit Anovaoo'os Hilfe ins Haus humpelte.
John an der Tür, Anovaoo’o, Sanuye, Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena kommen aufs Gebäude zu mit Soldaten und Cassiel (Im Hintergrund Maureen & Burnett mit Shepard)
John hatte eben erst die Tür zu den beiden Zellen geöffnet, als er auf der Straße ein Gespann vorfahren hörte. Flüchtig dachte er darüber nach, wer womöglich die Kirche als auch das Fest verpasst haben könnte, um zu solch später Stunde erst die Stadt aufzusuchen, anstatt sie wieder zu verlassen. Aber soweit er sich erinnerte war so gut wie jeder, der in einem vernünftigen Kreis um die Stadt lebte, da gewesen... Oh... Warren nicht. Dass der unselige Rancher heute Vormittag in ihrer Mitte gefehlt hatte, wollte John gerade als sehr angenehm abtun. Leider aber wusste er nur zu gut, dass sich ein Mann wie Simones solche Begebenheiten um nichts auf der Welt entgehen ließ. Er musste einen sehr guten Grund für sein Fernbleiben gehabt haben. Falls er es war, der draußen vor der Station die Pferde zügelte, würde es Arbeit für John bedeuten. Jemand anders wollte ihm einfach nicht in den Sinn kommen. Er warf dennoch einen Kontrollblick in die Zellen, die beide leer waren und ihm die Beruhigung gaben, dass auch Graham einen ruhigen Sonntag verbrachte.
Die Tür hinter sich wieder schließend ging er zurück zu seiner geöffneten Bürotür, trat auf die Schwelle und warf einen recht irritierten Blick auf das Schauspiel, das sich ihm dabei bot. Indianer, in einem recht erbarmungswürdigen Äußeren kamen in Ketten gelegt auf die Tür zugestolpert, begleitet von Soldaten. Offensichtlich war ein Gefangenentransport vom Fort angekommen. Nur wieso hatte ihm Major Shepard nicht Bescheid gegeben? Dem Major war sicher nicht erst seit heute bekannt, dass er Indianer in die Stadt bringen lassen wollte. So gesehen konnten die Soldaten von Glück reden, dass er gerade zufällig im Büro war und sie die beiden lumpigen Gestalten nicht gleich wieder mit zum Fort nehmen mussten.
Der äußerst engagierten Anwalt Brown, der sich gerade die Mühe machte die Soldaten davon zu überzeugen, dass diese Wilden seine Mandanten waren, zog Johns Aufmerksamkeit auf sich. Dabei gesellten sich ein paar kritische Falten mehr auf seine Stirn. Offensichtlich wusste hier ja sogar die zivile Bevölkerung besser Bescheid als der Sheriff. Sein Blick streifte erneut die Rothäute, die in seinen Augen nicht sonderlich gefährlich anmuteten, sondern eher ermüdet und halb durchfroren erschienen. Damit muteten die schweren Ketten ad absurdum.
Die Kutsche, die von der Stadt her an der Station vorüberzog, begleitet von einem Reiter, beachtete John weniger, dafür umso mehr den Major, der gerade auf das Spektakel zu eilte, sich aber kurz die Zeit nahm erst mit der Kutscherin und dem Reiter zu sprechen. Somit konnte sich John nur an Mr. Brown halten. Die Soldaten selbst strafte John erst einmal mit Nichtachtung. Er wusste nur zu gut, dass sie hier auf Befehl waren und nur das Preis geben würden, was man ihnen aufgetragen hatte. Nicht mehr und nicht weniger.
"Mr. Brown?", er erhob ein wenig die Stimme, damit der Anwalt auch bemerkte, dass jemand vor Ort war, der weiterhelfen konnte. Allerdings erst, nachdem Mr. Brown John weitergeholfen hatte... "Was um alles in der Welt geht hier vor?"
John an der Tür, Anovaoo’o, Sanuye, Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena kommen aufs Gebäude zu mit Soldaten und Cassiel (Im Hintergrund Maureen & Burnett mit Shepard)
Cassiel hatte Sanuye, die nun auch aufs dem Wagen gestiegen war, freundlich zugelächelt. Doch aus dem kurzen Lächeln der jungen Indianerin war schnell wieder eine versteinerte Mine geworden. Shepard hatte Cassiel noch nicht bemerkt. Dafür wurde er vom Sherif aus seinen Gedanken gerissen.
"Sherif, guten Tag." sagte er freundlich und tippte sich höflich an die Hutkrempe. "Wie gut, dass Sie da sind." sagte Cassiel. "Den Indianern wird vorgeworfen, sie hätten kaltblütig weiße Trapper umgebracht. Ich persönlich möchte die Wahrheit heraus finden, denn bisher sind die Indianer immer friedlich gewesen und ich kann mir kaum vorstellen, dass sie hinterrücks ... " Er brach ab. "Verzeihen Sie, das gehört noch nicht zur Sache und beeinflusst Sie nur. Jedenfalls bin ich hier, um mit den Indianern zu sprechen und mir ein genaues Bild von der Lage zu machen. Der Major sollte hoffentlich auch bald hier sein. Der wird Ihnen genauere Informationen liefern können." fuhr Cassiel fort. "Ich werde die Verteidigung der Indianer übernehmen." sagte er schließlich ruhig.
"Aber bitte, können wir die Injus nach Drinnen bringen? Sie wurden nicht sonderlich gut behandelt und benötigen dringen Wärme." bat er schließlich fürsorglich.
Hoffentlich kommt der Major bald. Der ist der Einzige, der die Lage vernünftig erklären kann. Und mich interessiert das natürlich auch. Ich KANN mir einfach nicht vorstellen, dass die Mädels kaltblütig Weiße umgebracht haben. Selbs Anovaoo'o ist dazu nicht in der Lage; zumindest nicht ohne triftigen Grund. Und dann ist es schon mal nicht mehr kaltblütig, sondern Notwehr.
John an der Tür, Anovaoo’o, Sanuye, Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena kommen aufs Gebäude zu mit Soldaten und Cassiel
„Nómonêhë'še…!“, sagte Mo’ôhtaveo’kome gepresst zu Ó'kêséena und stieg, gefolgt von seinem Freund mit rasselnden Ketten aus dem Wagen. Der Krieger versuchte sich zu orientieren. Sie befanden sich am Ende einer langen schnurgeraden Straße, die zu beiden Seiten mit eckigen Vé'hó'e-Häusern gesäumt war. Auf der Schwelle des nächsten Hauses stand ein älterer Vé'ho'e mit Hut, der anscheinend für dieses haus zuständig war.
"Too'êhémâhéó'o..." [Das Gefesselt-Haus...], murmelte er zu Ó'kêséena mit Blick auf das Haus.
" Ná-héne'enáotsé'ta..." [Hab ich auch schon gemerkt...], gab dieser mit Grabesstimme zurück.
"Eee..." [Ernsthaft...?], gab Ó'kêséena nur von sich und ließ Mo’ôhtaveo’kome damit erst einmal verstummen.
Der Nótâxéve'ho'e musterte sie wachsam bis feindselig, und Mo’ôhtaveo’kome beschloss, seinem aggressiven Blick auszuweichen. Ein Mann mit braunen Haaren kam herbei geeilt, lächelte die beiden Frauen an, als würde er sie kennen und verwickelte den Vé'ho'e auf der Schwelle in ein Gespräch.
"Laa'ia, tséa'hanehe..." [Lawyer, das ist er..."], flüsterte Ó'kêséena mit Blick auf den Braunhaarigen. Mo’ôhtaveo’kome musterte den Mann stumm. War das der Mann, der für sie reden würde? Er beschloss, erst einmal gar nichts zu tun oder zu sagen. Er verstand eh nicht, was die Vé'hó'e hier miteinander redeten...
Der Braunhaarige schaute sie jetzt an. Und er lächelte! Der erste Vé'hó'e, der sie seit langem anlächelte. Und dann sagte er sogar etwas verständliches:
"Kesse'el na'véhé!" [Ich heiße Kesse'el].
Mo’ôhtaveo’kome warf Ó'kêséena einen verdutzten Blick zu. Ein Glimmer Hoffnung leuchtete kurz in dessen Augen auf.
John Clayton an der Tür, Anovaoo’o, Sanuye, Mo’ôhtaveo’kome und Ó'kêséena kommen aufs Gebäude zu mit Soldaten und Cassiel; Mathew Codswallop reitet von Osten heran (Im Hintergrund Maureen & Burnett mit Shepard)
Vor sich sah Mathew die Main Street. Die Sherriff-Station war das erste Gebäude auf der rechten Seite, sein Ziel. Im Nähereiten sah Mathew, dass er offenbar gerade richtig kam. Der Sherriff stand an der Tür. Vor dem Gebäude hatte ein Armee-Planwagen gehalten, aus dem Soldaten gerade eine Reihe bunter Gestalten in Ketten zur Station eskortierten. Das mussten sie sein, die Injuns!
Mathews Herz fing an zu pochen! Das da vorne war sein Fall, spannende Sache! Mathew musterte die Injuns. Drei Böcke und eine Squaw! Die Squaw humpelte und wurde von einem der Böcke gestützt. Squaws wurden bei so was ja meistens laufen gelassen, wenn man sie nicht gerade als Geiseln benötigte. Das versprach ja interessant zu werden... Mathew erinnerte sich an Zeitungsberichte, dass man vor vier Jahren unten in der Darlington Agency in Oklahoma einen ganzen Schwung Prärieindianer inhaftiert und dann in Florida in Festungshaft genommen hatte. Ein besonders berüchtigter Cheyenne-Rädelsführer, verantwortlich für mehrere brutale Überfälle in der südlichen Prärie, dessen Namen er natürlich längst wieder vergessen hatte*, war damals samt seiner Squaw in Ketten gelegt und nach Florida deportiert worden. Die Squaw war nicht minder schlimm als der Bock gewesen, aber die Details hatte Mathew längst wieder vergessen
Wenn sie die hier auch einkassiert hatten, dann musste das ja ein ziemlich gefährliches Weib sein! Vorsicht, Mathew!
Im Näherreiten fiel Mathew auf, dass der Bock, der die Squaw stützte, ziemlich knabenhaft und zart wirkte. Als die Squaw langsam jammerte und der Bock irgendetwas beruhigendes zu ihr murmelte, begriff Mathew, dass der Bock gar kein Bock, sondern auch eine Frau war! Im Gegensatz zu der ersten Squaw war er... oder besser sie allerdings wie ein Bock angezogen. Die Squaw trug einen Ledermantel und ein Lederkleid. Das zweite Weib hingegen trug einen hellen Capote, aus dem keinerlei Kleid, sondern nur bemalte und bestickte Lederbeinkleider nach Art der Böcke und ein lederner Schurz heraus schauten. Na, das waren ja offensichtlich ziemlich wilde Gestalten, selbst für Wilde! Die zwei Böcke, die hinterher schlurften, waren auch auf den zweiten und dritten Blick Böcke. Junge Kerle, vermutlich höchstens Dreißig Jahre alt, wobei man das bei den Rothäuten nie so genau sagen konnte. Die vier Gestalten waren jedenfalls Injuns von der wirklich gefährlichen, ungezähmten Sorte. Nicht die apathischen Wolldeckenknäuel und versoffenen Herumdrücker, die man immer mal wieder in Frontierstädtchen und bei Forts sah. Die hier waren offensichtlich frisch aus der freien Wildbahn, jung, kräftig und gefährlich. Das sah man allein schon daran, dass sie kaum Handelsstoff am Leib trugen, sondern Tierhäute, die mit allerlei wilden, heidnischen Symbolen verziert waren.
"Ein Job für die Kavallerie der Justiz...", murmelte Mathew halblaut. Er hielt sein Pferd vor der Station an, wandte sich an den Sherriff und tippte sich an den Bowler.
"G'Day, Sherriff! Sieht so aus, dass ich gerade richtig komme! Mathew Codswallop, Staatsanwaltschaft! Ich komme von St. Johns. Hab' auf dem Weg schon die Gentlemen getroffen, die den Angriff der Rothäute hier knapp überlebt haben. Die müssten hier auch jeden Moment eintreffen! Sind Sie schon im Bilde? Die Gentlemen haben die Tatopfer hinten auf der Ladefläche dabei. Kein schöner Anblick, das kann ich Ihnen sagen! Drei Tote und ein Schwerverletzter!"
Erst jetzt fiel Mathew der junge Herr auf, der bei den Rothäuten stand.
"Ach nee! Is das nicht... Cassiel Brown? Na, das is ja'n Ding! Was hat SIE denn hierher verschlagen? Erinern Sie sich noch? Wir hatten doch mal miteinander zu tun! Wann war das noch? Ich weiß gerade nicht, war das bei Lange, Which & Roth oder bei Ambew, Lance & Chaser? Nein, warten Sie, ich hab's gleich, hatten Sie nicht diese eine Klage gegen uns eingereicht, als ich bei Nasty, Brutish & Short war? Was machen Sie denn hier? Nebenklagevertretung gegen diese Wilden oder was?"
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*Medicine Water, Anführer der Bowstring Society und seine Ehefrau "Mochi" (Buffalo Calf Woman, korrekter wohl Mó'kêsa'késo [Kleines Kalb]), die 12 Jahre lang an seiner Seite als Kriegerin gelebt und gekämpft hatte. Sie wurden 1878 ins Reservat nach Oklahoma entlassen. Mochi wird in zwei Jahren mit 41 Jahren in Clinton, Oklahoma sterben und mit allen Ehren eines Kriegers der Bowstring Society begraben werden. Medicine Water wird sie um 46 Jahre überleben und später als Frachtführer für die US-Regierung arbeiten. Mochis wird von zwei kleinen Kindern überlebt werden, die sie trotz Dauerflucht und Krieg auf die Welt bringen konnte. Ihr Ur-Urenkel John Sipes Jr. wird später Stammeshistoriker der Cheyennes; und Anovaoo'os Avataroperator wird sich ständig ärgern, dass es nicht geklappt haben wird, ihn zu kontaktieren bevor er 2011 stirbt...