Oldman war über Fosters Antwort ehrlich gesagt nicht überrascht. Ein Mann wie Dean Foster war im Grunde trotz seines noblen Aussehens und seinem charmanten Auftreten nicht viel anders als einer von Oldmans Schlag. Anders ging es ja nicht mit diesen Frauenzimmern, die nur zu gerne den ganzen Arm ergriffen, wenn man ihnen nur den kleinen Finger reichte. So grinste Oldman und nickte wissend. Oh ja, damit diese Weiber spurten und wussten, nach welcher Pfeife sie zu tanzen hatten, gab es kein besseres Mittel als den Riemen. Immerhin war einem jeden halbwegs scheiten Mann doch bewusst, dass Kinder und Frauen sich im Gemüt nur selten unterschieden. Sie waren beide gerne bockig und zänkisch und leicht und rasch beleidigt und wenn man sie zu verwöhnen anfing, hatte man gleich verloren. Nein, Oldman war da mit Foster einer Meinung. "Das brauchen sie mir nicht zu sagen," winkte Oldman noch immer grinsend ab und sah kurz zu Huan. Dass er unbewusst dabei Fosters Blick gefolgt war, fiel Oldman nicht weiter auf. Auch nicht, dass dieser erneut kritisch deren Strick um die Hände betrachtete. Er hatte anderes im Sinn und wollte Foster gerade davor warnen, dass die Chinesin nur so harmlos aussah, als sich Foster plötzlich zu ihm herüberbeugte und sehr leise danach fragte, ob Huan Probleme bereitet habe. Erneut musterte Oldman Huans Gesicht, so das diese rasch wieder ihren Blick senkte. Denn Oldmans Blicke waren unangenehm, ganz anders als die von Foster. Auch wenn sie sehr wohl wusste, dass sie auch in diesem Haus nichts weiter sein würde, als eine lebende Ware, die zu gehorchen hatte, außer sie wollte bald ohne Geld und einem Dach über den Kopf dastehen. Und ihr als Chinesin würde da draußen, außerhalb des Bordells, keiner Helfen. Sie würde mittellos dastehen und das bei diesem Wetter. Sie würde hier genauso das tun müssen, was Foster von ihr verlangte, wie zuvor Oldman. Innerlich graute es Huan davor, nach außen blieb ihr Gesicht starr und ausdruckslos.
"Nein, Probleme gab's keine. Aber ich wollte kein Risiko eingehen. Sie ist nicht einfach. Auch wenn sie so aussieht. Angenehm, weil sie kaum spricht und daher keine große Klappe riskiert. Aber sie ist wie alle Gelben eben. Hinterhältig und verschlagen. Da muss man schon aufpassen. Würd ich Ihnen auch empfehlen Foster. Man kann nie wissen, zu was die alles fähig sind. Zudem," Oldman grinste breit und zog am Strick, so dass Huan unweigerlich auf Oldman zu stolpern musste und dann, weil Oldman enger fasste, sich ein wenig wie bei einer Verbeugung bücken musste. "Ihr habt Ware bestellt, Foster und sollt sie auch so erhalten. Gut verpackt, damit sie keine Schäden auf dem Transportweg erleidet," er lachte amüsiert über seine Worte auf und zwang Huan noch tiefer. "So hab ich die Gelben am liebsten. Katzbucklig zu meinen Füßen. Da kannst'se gut kontrollieren und sie machen keine Scherereien. Haben Sie schon mal eine im Haus gehabt?"
Alice und Raphael Huan, Oldman und Foster an einem Tisch in der Nähe
Ach, es war gut, tat gut, wieder einmal ausgiebig in ihrer Muttersprache sprechen zu können. Etwas auf das sie sich schon freute mit ihrer mexikanischen Kollegin. Das alleine machte den Gast vor dem Tresen schon mehr als angenehm. Abgesehen von seinem markanten, ansprechenden Äusseren. Er schien Chihuahua zu kennen und innerlich schallte ein herzerfrischendes FUCK durch Alice Kopf. Warum musste sie auch einen Ort so dicht an der Grenze nehmen. Naja, er war ein gutes Stück Älter als sie, sicherlich in den Dreissigern, das gab ihr ein nettes Zeitfenster. Sie musste nur herausbekommen wann er das letzte Mal dagewesen war, um sich nicht zu verplappern. Immerhing wusste sie von Chihuahua nichts, ausser das es in einer Wüste lag. Das besagte ja schon der Name. "Nicht gerade eine kulturelle Metropole." Kicherte Alice leicht und lehnte sich genüsslich an den Tresen. Der Gast hatte ja erstmal was er wollte. Also kein Grund für Stress.
Rapahel feixte dann herum, auf ihre Einschätzung hin, was Kleidung und Beruf anging. Alice sah ihn von unten herauf durch die Wimpern an und heftete den Blick ihrer grünbraunen Augen an die des Musikers. "Nun, es gibt Kleidung und Kleidung. "schmunzelte sie. "Einfache die gut aussieht, oder eben Gute!" erneut liess sie den Blick über den Mexikaner gleiten. Ja, seine Kleidung sah nicht nur zu gut aus für einen normalen Musiker hier im Norden, sie war auch von der Qualität zu hochwertig, für das normale Gehalt eines Gitarrenspielers. Alice blickte immer mal wieder zum Tisch und erfreute sich, wenn Oldman von seinem Kaffee genoss. Eine kleine, unbedeutende Rache, aber sie bereitete Alice Freude. Als Raphael sich vorstellte schaute sie den Mann wieder an. Ein sehr typischer Name für einen Mexikaner. Irgendwas heiliges, wenn sie sich recht entsinnte, aber Alice hatte für sowas nie wirklich Ziet oder Muse gehabt. In der Bibel lesen ging ja nicht und wozu auch. Lebensweisheiten von vor 2000 Jahren brauchte sie nun wirklich nicht. Was wussten die alten Herren schon, vom heutigen Leben, besonders dem einer Frau. Nichts.
Die Mimik die Raphael aufsetzte war keck und Alice vermutete schon jetzt, das der Mann es faustdick hinter den Ohren hatte. Ein Charmeur, Mr Foster nicht unähnlich, nur bisher ohne das herrische, das ihrem Chef anhaftete. Foster hielt sich für die Krone der Schöpfung und nicht nur Frauen gegenüber. Hielt sich für unbesiegbar wie es schien, unfehlbar. Nunja, die Zeit, würde zeigen ob er da richtig lag. Raphael strahlte Selbstbewusstsein aus, nicht zu knapp, aber er schien sich seiner Menschlichkeit bewusster zu sein als ihr Arbeitgeber. Sie lächelte ihm breit zu. "Alice." Erwiderte sie die Vorstellung und richtete sich wieder auf. Von den Vorgängen am Tisch bekamen sie so beide nichts mit. "Und was verschlägt einen Mann wie sie in unser bescheidenes Haus? Sie haben doch bestimmt fünf Frauen an jeder Hand." Schmunzelte sie dem Mexikaner verschmitzt zu.
Alice und Raphael Huan, Oldman und Foster an einem Tisch in der Nähe
Raphael ging es da etwas anders als seinem entzückenden Gegenüber. Er sprach auf der Hazienda ausschliesslich spanisch, nicht nur mit dem kranken Salvadore, auch mit den beiden anderen Männern, die auf dem Gestüt arbeiten. Doch mit einem so reizenden Wesen wie der jungen Frau hinter dem Tresen war das doch auch gleich einmal etwas anderes. Und das sie sich grämte wegen dem Geburtsort ihrer Mutter, spürte er nicht und selbst wenn: Sie hatte ja gesagt, dass sie diesen Ort gar nicht kannte. Auch wenn er gerne noch weiter gefragt hätte, liess er es bleiben. Er ahnte, dass die meisten Geschichten von Freudenmädchen entweder frei erfunden oder eben nicht sonderlich erfreulich waren, also bohrte er nicht nach. Außerdem genoss er es, dass sie doch seine Eitelkeit umschmeichelte. Welcher Mann mochte das nicht? Und Raphael war nun mal durch und durch ein Mexikaner. Dennoch ging er auf ihr Kichern ein und zwinkerte ihr mit einem breiten und leicht verspielt frechen Grinsen zu und sprach: »Nein, da gibt es wahrlich kulturellere Orte.« Damit war das Thema auch durch. Raphael konzentrierte sich nun mehr auf sein Gegenüber und bekam so gerade gar nichts mehr hinter sich an dem Tisch mit. Also auch nicht, wie der eine Kerl die Frau an den Fesseln zog, so dass diese sich vor ihm bücken musste. Hätte er es mitbekommen, hätte er sicherlich etwas gesagt, und da war es ihm egal, ob die Freudenmädchen hier als Besitz angesehen wurden. Aber Raphael bekam es nicht mit, auch weil er mit dem Rücken zu den Leuten saß. Und gebracht hätte es eh leider nichts. Viele Männer waren leider so. Und auch wenn er in seiner Heimat dafür gesucht wurde, dass er gegen die Ungerechtigkeiten kämpfte, hier war er nun erst einmal nur er. Fast zumindest.
Er grinste dann nur, als die junge Frau ihm gegenüber noch etwas über die Kleidung sagte. Er hätte gerne weiter darüber philosophiert, was denn nun eigentlich wichtiger war: Teure Kleidung, welche aber nicht gut aussah oder einfache Kleidung, die aber um so besser aussah. Innerlich lachte der Mexikaner. Und das, obwohl er sich eigentlich schon um seinen alten Freund Salvatore Sorgen machte. Aber dieser war hoffentlich aus dem Gröbsten heraus und Raphael war ja nur hier, um neue Medikamente zu besorgen, sofern er denn mal die Ärztin fand. Nun aber, wo sich die junge Damen schliesslich mit ihrem Vornamen vorstellte, grinste Raphael nicht nur, er machte eine ausladende Bewegung: Er lehnte sich leicht zurück und hob seine Arme. Eben ein wenig typisch für Südländer, die ab und gerne ihren Körper als zusätzliche Sprache benutzen und er strahlte: »Aaaliciaaaa!!« sprach er gedehnt und freudig. Dann hob er sein Glas mit dem Mezcal und prostete ihr zu, dabei schaute er aber wieder ganz charmant, und neigte leicht seinen Kopf um sie dann mit einem leicht verführerischen Blick von unten heraus anzuschauen. »Ein schöner Name. Und verzeiht, natürlich heisst Ihr Alice. Aber der Name bedeutet: Von edler Gestalt und das ist in Eurem Sinne nicht übertrieben.« Raphael benutzte extra diese edle Form der Anrede, wie es reiche Dons taten oder Herzöge aus der Vergangenheit. Als Alice dann selbst recht schmunzelnd Raphael die nächste Frage stellte, mit eben entsprechender Aussage, was die Frauen anging, lachte der Mexikaner. Nicht ausfallend oder laut, im Gegenteil. Er wirkte fast bescheiden: »Nun, hätte ich tatsächlich auch nur eine Frau, würden wir uns in diesem Haus sicherlich nicht begegnen.« Ein freches Zwinkern folgte, aber eines, was er nicht böse meinte. Das das Haus "bescheiden" sein sollte, sah Raphael anders, dafür war es viel zu edel eingerichtet. Und auch wenn Raphael nun unweigerlich an seine große Liebe Carmen denken musste, zeigte er keinerlei Traurigkeit. So etwas zeigte er nur Menschen gegenüber, die er gut kannte und denen er vertraute. Und so versuchte auch er weiter charmant zu sein, denn ob Freudenmädchen oder nicht, sie war eine Frau und er mochte die Frauen. »Nun, werte und liebreizende Alice. Ich bin hier, um ein wenig Entspannung zu suchen ...« Nun beobachtete er die junge Frau mit den dunklen Augen etwas genauer. Er konnte sich ihre Reaktion irgendwie denken. Was sie nun wohl dachte? Aber wer hier her kam, der suchte doch eigentlich fast nur das eine. Und auch wenn man hier dem Glücksspiel frönen konnte, viele Spielpartner waren nicht in Sicht. Also setzte er erst einmal hinzu: »In Form eines warmen, entspannten Bades und einer Massage, wenn das denn möglich wäre.« Natürlich ist das hier möglich, el boludo [du Depp] waren dann sofort Raphaels Gedanken. Er war in einem Bordell. Und so verengte er leicht verschmitzt seine Augen und schaute Alice mit leicht hochgezogenen Augenbrauen an. Dieser Blick traf nur sie, niemanden anderes und er hoffte, dass sie wusste, dass er natürlich am liebsten mit ihr dieser Entspannung nachgehen wollte.
Alice und Raphael Huan, Oldman und Foster an einem Tisch in der Nähe
Raphael spielte den noblen, wechselte auf vornehmes Ihr, was Alice durchaus schmeichelte. Selbst wenn sie von hochgestochenem Gelaber wenig hielt, so trafen die Worte doch einen Punkt in ihr, der sich Schmeicheleien nur allzu gerne hingab. Sie hatte nichtmal gewusst was der Name bedeutete und sie musste Raphael recht geben er traf zu, viel eher als ihr zweiter wie sie innerlich kichernd feststellte. Bei dem Kompliment schenkte sie ihm ein kokettes Schmunzeln und ein kurz Blinzeln, lächelte dem schönen Mexikaner fröhlich zu. Wie man mit Frauen umging wusste er ganz offensichtlich. Seine Erwiderung auf ihre Annahme, das er an jeder Hand fünf Frauen haben müsste, musste Alice nun doch lachen. Leise zwar nur, sie wollte Dean ja nicht stören, aber sie konnte es nicht unterdrücken. Als wenn einen normalen Mann sowas aufhalten würde. Nunja, Geld auszugeben für etwas das man umsonst haben konnte war in der Tat wenig schlau und dumm wirkte der Latino nicht.
"Nun, werte und liebreizende Alice. Ich bin hier, um ein wenig Entspannung zu suchen ..." hörte sie ihn sagen und nun bewegte sich das Gespräch doch in die richtige Richtung. Das weitere Kompliment liess Alice ihre Hand auf den Handrücken legen und den süssen Kerl keck anlächeln. Entspannung konnte er haben. Ein Bad und eine Massage waren ein guter Anfang und womöglich vermochte sie ihn zu mehr zu bewegen, wenn sie es richtig anstellte. Das versprach spannend zu werden. Bei diesem Prachtstück würde sie sogar gerne mehr geben, aber die Grenzen waren klar. Er würde bekommen wofür er bezahlte, aber sie würde ganz sicher versuchen seinen Wunsch nach mehr zu entfachen. "Oh sicher ist das möglich." Lächelte sie ihm zu. Ihr Blick sprach deutlich Das und noch viel mehr Süsser. Du bestimmst was möglich ist. Sie sagte aber nichts weiter in dieser Richtung. Nur ihr Blick war deutlich genug. Wenn er so erfahren war wie er tat würde er diesen schon zu deuten wissen.
"Ich mache das Wasser heiss, sobald du bereit bist Raphael. Ein schönes, entspannendes Bad gegen die Kälte, eine ausgiebige Massage für die müden Muskeln. " und mehr wenn dir der Sinn danach steht. Die Problematik war nur, das sie die Preise noch nicht wusste. Dean jetzt zu stören war keine gute Idee also blieben zwei Optionen für Alice. Hinauszögern, bis Dean fertig war oder drauf los und Dean hinterher die Rechnung präsentieren lassen. Sie entschied sich einen Mittelweg und liess den Gast entscheiden wann er soweit war die Treppe zum Bad hochzusteigen und sich dort verwöhnen zu lassen. Je nachdem wie weit Dean dann mit seinem Gerede war, würde sie weiter entscheiden. Keine Hast. Sie griff nach dem Mescal und hielt Raphael die Flasche mit fragendem Blick hin. Noch einen Schuss nachschenken konnte gewiss nicht schaden.
Verschiedentlich warf der Bostoner einen kurzen Blick in Richtung des Tresens. Wie es schien, hatte die Kleine dort alles soweit im Griff. Der Besucher machte auch nicht den Eindruck, als wäre er auf Probleme aus. Nach Deans Einschätzung einer ohne rechten Mumm in den Knochen, ohne Biß – aber er würde sich sicherlich nicht beschweren, wenn er den ein oder anderen Weichling unter seiner Kundschaft hatte. Diese Kerle forderten die Mädchen nicht allzu sehr und machten selten Schwierigkeiten. Solange der Typ zahlte und nichts mit Deans Mädchen anstellte, das über die akzeptablen Grenzen hinausging... hatte es die Kleine eben mal leichter mit der Arbeit, das freute sie und schadete dem Geschäft nicht. Er konnte sich also hauptsächlich auf das Gespräch mit Oldman konzentrieren. Der wiederum zeigte, daß er von einem ganz anderen Schlag war als das Bürschlein bei Alice. Er schien zwar grundsätzlich die richtigen Ansichten zu haben, was den Umgang mit Frauenzimmern und ihren Macken anging, bewies aber einen Mangel an Fingerspitzengefühl, der dem Besitzer des Queen of Hearts innerlich ein geringschätziges Lächeln abnötigte. Der Mann hatte offenkundig verstanden, daß Frauen eine energische Führung brauchten, um nicht unvernünftig zu werden, und daß man ihnen ihre Flausen so rasch wie möglich austrieb. Er schien jedoch keine Ahnung davon zu haben, daß eine Frau einen Mann nicht in erster Linie fürchten, sondern respektieren mußte.
Man konnte sich eine Tracht Prügel bei den meisten Mädchen sparen, wenn man ihnen ein Gefühl von Geborgenheit vermittelte. Die weibliche Psyche ordnete sich am liebsten demjenigen unter, in dem sie Stärke gepaart mit Charme spürte. Die Weibsbilder brauchten einfach Streicheleinheiten, dann wurden sie gleich viel fügsamer. Oldman trat den direkten Beweis an, wie wenig er von diesem Teil weiblicher Befindlichkeiten wußte, indem er reichlich grob an dem Strick riß, mit dem die Hände der kleinen Gelben gefesselt waren. Dean sah ihr ins Gesicht, konnte dort aber wenig Regung erkennen. Das schien bei allen Gelben so zu sein, die konnten lächeln oder stumpfsinnig glotzen, ganz wie es ihnen beliebte. Was für ein verflucht guter Vorteil wäre eine solche Kontrolle über die eigene Miene beim Pokern... und was für ein Glück, daß kein Ehrenmann mit einem Gelben pokerte! Er runzelte halb nachdenklich, halb ungehalten die Stirn, als Oldman – bewußt oder unbewußt Deans Umgang mit Alice imitierend – die Kleine zu einer Verbeugung zwang. Nur daß er es natürlich nicht annähernd mit demselben Stil tat. Es war in Ordnung, den Mädchen zu zeigen, wo ihr Platz war, aber man durfte es nicht übertreiben. Die Demütigung, die Oldman da mit Deans Neuerwerbung betrieb, war für diesen allenfalls als Strafe für Fehlverhalten denkbar. Grundlos so zu handeln verbitterte die Mädchen doch nur. Zur Peitsche gehörte eben auch das Zuckerbrot!
Aber davon wußte ein solcher Bauer nichts. Dean lehnte sich wieder ein wenig zurück und fragte sich, wie er mit seinem neuesten Pferdchen umgehen sollte. War sie solch grobe Behandlung gewohnt und würde größere Nachsicht als Schwäche auslegen, frech werden, auf dumme Gedanken kommen? Oder würde sie dankbar und um so williger sein, wenn er ihr die Leine etwas länger ließ? Eine schwierige Frage... aber das mußte sich weisen. Erneut wandte er seine Aufmerksamkeit Oldman zu, als der ihm seinerseits eine Frage stellte. "Nein, bislang noch nicht." Daß er bislang noch überhaupt keine Mädchen besessen hatte, weil er neu im Geschäft war, mußte er diesem Einfaltspinsel ja nicht auf die Nase binden. "Aber danke für Ihren Rat, Mr. Oldman. Ich werde ein Auge auf die Kleine haben und denke, sie wird schnell lernen, sich gut zu benehmen. Ich erziehe meine Mädchen ordentlich, da nutzt ihr auch Verschlagenheit wenig. Letztendlich sind Frauenzimmer sich in diesem Punkt ja doch alle ähnlich, nicht wahr? Wenn sie merken, daß ihnen all ihre Tricks nichts bringen, werden sie meist recht schnell einsichtig." Mit einer lockeren Geste öffnete er währenddessen den oberen Knopf seiner Weste und griff in die Innentasche, um eine Brieftasche hervorzuziehen.
Er wußte auch nicht genau warum, aber irgendwie hatte er mit einem Mal das Bedürfnis, dieses Gespräch doch nicht allzu lang auszudehnen. Dean war gewiß nicht dem Anblick von Frauen abgeneigt, die ihm zu Füßen lagen – auch im wörtlichen Sinn. Aber es mußte doch alles mit Stil sein – der Anblick der kleinen Gelben, die von Oldman fast bis auf die Tischplatte gezwungen worden war, mißfiel ihm aus einem schwer zu fassenden Grund. Er hatte einfach das Empfinden, die Grobheit seines Gegenübers habe nichts mehr damit zu tun, ein Mädchen zu erziehen. Der Kerl schien eher Spaß daran zu haben, sie ohne Sinn und Verstand zu erniedrigen oder gar zu brechen. Wie dumm, wenn man sein eigenes Betriebskapital so behandelte! Dean warf Huan noch einen kurzen Blick zu und sah dann Oldman mit einem unverbindlichen Lächeln an. "Nun, da Sie ja Ihren Teil unserer Vereinbarung eingehalten haben," - Und wehe, die Kleine hat bleibende Striemen oder gar Narben! - "will ich Ihnen natürlich nicht Ihr Geld vorenthalten." Betont gleichmütig, als handle es sich um gar keine bedeutende Summe, begann der Bostoner Dollarnoten auf den Tisch zu zählen. Eigentlich hatte er vorgehabt, die Show noch ein wenig in die Länge zu ziehen, aber nun war ihm doch der Gedanke recht, seinen Gast so rasch wie möglich wieder loszuwerden. Vielleicht lag es ja auch einfach daran, daß das freie Ende des Stricks noch immer in Oldmans Hand ruhte und nicht in seiner. Auf jeden Fall war ihm der Mann trotz seiner grundlegend ganz vernünftigen Ansichten zuwider.
Alice und Raphael Huan, Oldman und Foster an einem Tisch in der Nähe
Zum Glück wusste Raphael nicht, was dieser "Möchte-gern-Chef eines Bordells über ihn dachte, noch umgekehrt. Denn es war einfach nicht wichtig. Und niemand wusste etwas über den anderen, ausser dem, was man sich so als Bild machte. Und jeder dachte über das, was er glaubte, über den anderen, wäre eben nur negativ. Wahrscheinlich irrten sich beide Männer, aber dies gehörte gerade nicht in die Gedankenwelt. Raphael war erst einmal hier und das ohne Zwischengedanken. Auch wenn er einiges für sich registriert hatte, wie wohl auch der Chef.
Nun aber konzentrierte er sich auf Alice. Und ihr Lächeln war verzaubernd, ja, sie wusste, wie man Männer glücklich machte. Sie tat es gerade bei Raphael, auch wenn dieser immer im Hinterkopf hatte, dass das zu ihrem Geschäft gehörte. Denn wie ihr Chef wusste sie gar nichts von seinem Leben, von seinem Doppelleben. Niemand wusste es, hoffentlich. Nicht mal Nevada, aber die war ja eh nicht mehr hier, wie Raphaels glaubte. Nein, niemand wusste, wer er war und das war auch gut so. Er war gerade einfach nur ein zahlender Gast. mehr musste niemand wissen.
Und so beobachtete er weiter Alice, wie sie ganz kokett ihre Hand auf ihren anderen Handrücken legte und ihn charmant anlächelte, wie es Frauen in ihren Job nun mal taten. Nein, Raphael mochte Alice wirklich und vielleicht sie ihn auch ein wenig, aber Raphael war sich sicher: Er war einfach nur ein Dollarzeichen in ihren Augen und mehr wollte er auch nicht sein, auch wenn er anders tat. Natürlich war ein Bad und sonst was möglich und Raphael spielte seine Rolle, zumindest zum Teil. Er wollte wirklich ein Bad und eine Massage und so lächelte er breit, nachdem er Alice Antwort gehört hatte und meinte mit einem Augenaufschlag:
»Was anderes hätte ich auch hier nicht erwartet ... ich lasse mich überraschen!« Und hob dann seltsam eine Augenbraue. Er war sich nicht sicher, wie die Frau seine Antwort aufnehmen würde, aber es war ihm auch egal. Wirklich nur zum Spass war er hier nämlich nicht nur, aber das wusste ja niemand.
Und dann trank er noch einen Schluck Mescal, als sie ihm nachschenkte und er dachte nur: willst mich wohl betrunken machen? Na, schaun wir mal, du wirst noch was erleben ... Und so trank er und lächelte er nur. »Gut, ich bin bereit. Dann führe mich doch mal an den Ort der Entspannung ...« sprach er verführerisch in spanisch und stand auf um ihr zu folgen. Den Tisch mit den anderen hinter sich ignorierte er nun total. Das fiese war: Raphael war total müde. Aber er musste ja nun seine Rolle spielen. Oder war das alles nur ein Teil seiner Rolle? Wenn Raphael ehrlich war, hätte er einfach nur ein paar Stunden schlafen wollen ... aber stattdessen würde er Alice mit einem süffisanten Lächeln in andere Dimensionen folgen, denn wenn er ehrlich war, machte diese Frau, dass es ihm ganz anders wurde, in seiner Hose und auch sonst ... Aber Raphael war ganz bei sich und .... naja, auch bei dieser Frau, aber er würde das schon hinkriegen.
Alice und Raphael Huan, Oldman und Foster an einem Tisch in der Nähe
Raphael nickte zu dem nachfüllen des Mescal und Alice schenkte ihm einen Schuss nach. Nachdem er diesen dann getrunken hatte, verkündete er dann, das er bereit war und sich von Alice nach oben führen lassen wollte, zum Ort der Entspannung. Zum Glück hatte die Wanne eine Pumpe, so das sie nicht ständig mit den Eimern rauf und runter rennen musste. Das Pumpen war zwar auch nicht das angenehmste, aber im direkten Vergelich um einiges besser. Die Wanne, die Dean und sein Partner angeschafft hatten, war auch ein prächtiges Stück. Aussen Kupfer, mit Holzrahmen und Innen ausgekleidet mit Holz, so das man nicht auf dem Metall sitzen musste. Aus dem einfachen Grund, da die Wanne auf einer Art Ofen stand. Ähnlich einem grossen Kessel. So wurde die Wanne angeheizt, zusammen mit dem Wasser darin und man konnte die Feuerzufuhr sogar runter regeln, indem man dem Feuer die Luft nahm und die Flammen klein hielt. Ausprobiert hatte Alice die Wanne noch nicht und auch nicht die ganze Mechanik daran, aber das würde sich sicher gleich zeigen.
Sie trat um den Tresen herum, kam zu Raphael und schnappte sich dessen Hand, führte ihn in Richtung Treppe. Sie warf einen kurzen Blick auf Oldman und Dean, ebenso wie die Chinesin, lächelte allen dreien kurz zu und stieg dann mit Raphael die Stufen nach oben.
Raphael grinste nur leicht und doch ein wenig seltsam. Natürlich wollte Alice nichts anderes, als ihn abzuschleppen, sie musste ja Geld machen. Aber er war ihr nicht böse. Er hatte es ja selber so gewollt. Und so leehrte er schnell noch sein Glas und folgte der Latina schliesslich, liess sich sogar von ihr an die Hand nehmen und es war ihm verdammt voch mal egal, was wer über ihn dachte. Und so folgte er der schönen Maid einfach nur ...
Huan, Oldman und Dean Raphael und Alice gehen nach oben
Oldman war wesentlich gering an Alice Künsten am Tresen interessiert. Ihre Vorzüge hatte er bereits genossen und kennen gelernt. Wie er sie kannte, gab er ihr genau fünf oder noch zehn Minuten, dann würde sie den Mexikaner nach oben abschleppen. Raffgieriges kleines Luder, das sie nun einmal war. So sah er höchstens zwei, dreimal zur Theke, aber auch nur leicht irritiert, weil Foster immer wieder Mal seinen Blick dorthin richtete. Na ja, wieso auch immer er das tat, es war wohl tatsächlich ganz klug das kleine Biest im Auge zu behalten. Und wohl auch den Mexikaner. Denen konnte man eh nicht wirklich über den Weg trauen. Eben genau wie diesem Gelbgesicht hier. Alles eine Mischpoke.
Das Foster seine Frage nach den Asiaten verneinte, überraschte Oldman kein bisschen. Wer bei Verstand war holte sich solch eine Teufelsbrut nicht ins Haus. Er hatte bereits seinen Fehler bereut und er hoffte für Foster, dass er sich nicht ebenfalls die Finger verbrannte. Vielleicht hatte er mehr Glück oder ein gewisses Händchen. Dem wäre Oldman gegenüber nicht einmal neidisch eingestellt gewesen. So schnalzte er nur kurz als Antwort mit der Zunge, grinste und schüttelte leicht amüsiert den Kopf über Fosters Optimismus. "Na dann wünsch ich gutes Gelingen. Frauen mögen sich alle gleich sein, aber diese Schlitzaugen ... ich sag's ihnen Foster, die sind eine Sorte für sich. Die hier spricht noch nicht mal wirklich gut unsere Sprache," mit gierigem Blick beobachtete Oldman bei seinen Worten, wie Foster in seine Weste griff, um eine Brieftasche hervorzuholen. Endlich würde er sein Geld bekommen und wieder aufbrechen können. Er nickte nur knapp und nahm seinen Blick nicht mehr von den Scheinen, die er stumm mitzählte, als Foster sie auf den Tisch abzählte. Sehr schön. Alles war da.
"Sehr schön, Foster. Dann nehmen sie sie mal," er reichte den kurz gehaltenen Strick an Foster und strich mit der freien Hand die Scheine ein. "Ab jetzt gehört das Zuckerstück ihnen," noch einmal offensichtlich nachzählen wollte Oldman nicht. Man sollte sich wohl ein Stückweit vertrauen. Aus dem Augenwinkel, als er das Geld zu einem ordentlichen Bündel klopfte, sah er Alice, die mit dem Mexikaner zur Treppe ging. Na, was hatte er gesagt? Er grinste Alice zu, als diese mit einem Lächeln in ihre Richtung nach oben ging.
Huan, Oldman und Dean Raphael und Alice gehen nach oben
Auch Deans Blick folgte kurz dem Mädchen und seinem Gast. Na immerhin schien die Kleine allein zurechtzukommen. Wenn es Probleme gab, würde er eingreifen müssen, doch andernfalls begannen wohl die ersten Dollars bald in die Kasse des Queen of Hearts zu fließen. Sehr schön... Er wandte sich wieder Oldman zu und hörte sich dessen Warnung ungerührt an, während er die Scheine auf den Tisch zählte und dann zu seinem Gegenüber schob. "Hm" machte er mit einem Blick auf die kleine Gelbe. Nach kurzem Zögern nahm er Oldman den Strick ab, schon allein weil es eine ziemlich deutlich Geste gewesen wäre, ihn nicht entgegenzunehmen. Der Bostoner wandte sich an Oldman, während der das Geld zu einem handlichen Bündel formte. "Nun gut, hat mich gefreut, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Mr. Oldman." Er hatte sich mittlerweile wieder im Griff und brachte die Worte mit einem leichten Lächeln über die Lippen, dem man nicht ansah, wie weit sie an der Realität vorbei gingen. Es wäre ihm in der Tat mehr als Recht, wenn der Kerl nun bald aufbrach. Er hatte einfach nicht das richtige Niveau für Deans Geschmack. Glücklicherweise würde Oldman, mit dem Geld in der Tasche, wahrscheinlich von sich aus auf einen raschen Aufbruch drängen, ohne daß er sich Gedanken machen mußte, wie er ihn einigermaßen höflich hinauswarf.
Nichtsdestotrotz konnte er der Versuchung nicht widerstehen, sich noch eine kleine demonstrative Geste zu gönnen. Falls die an einem groben Klotz wie Oldman nicht ohnehin unbemerkt vorüber ging. Er sah zu Huan, suchte ihre Augen und sprach dann zu ihr. Seine Stimme klang neutral und ruhig, also im Vergleich zu Oldmans Umgang mit ihr wahrscheinlich sogar ausgesprochen freundlich. Zugleich redete er langsam und deutlich, wie mit einem Kind oder einem Begriffsstutzigen. "Also, Schätzchen, paß auf: Ich werde jetzt Mr. Oldman zur Tür begleiten, und du wartest hier schön brav. Klar?" Dabei ließ er den Strick langsam los, so daß sie sich aus ihrer gebückten Haltung wieder aufrichten konnte. Dann stand er auf, wies in Oldmans Richtung mit einer einladenden Geste zur Tür und deutete zu ihr gewandt dann noch einmal auf die Stelle, an der sie stand. "Schön hier warten, verstanden, Kleine? Du verstehst mich doch, hm?" Den Kopf leicht von Oldman abgewandt leistete er sich ein kurzes Lächeln, von dem er hoffte, es würde der Kleinen die Angst ein wenig nehmen. Man mußte die Demonstration ja nicht übertreiben. Denn Oldman würde gewiß nicht verstehen, um wieviel besser man mit den Frauenzimmern zurechtkam, wenn man nicht ständig mit dem Riemen winkte, sondern eben nur, wo es nötig war. Er würde ihr auf jeden Fall dasselbe Angebot machen wie all seinen Mädchen – wer gleich spurte, konnte sich die Erziehung ersparen. Warum sollte seine neueste Erwerbung nicht klug genug sein, die Vorteile einzusehen?
Huan hob den Blick nicht. Nicht ein einziges Mal. Sie hatte früh gelernt, dass es oftmals besser für sie war, in einer Situation körperlich zwar anwesend zu sein, aber dennoch unsichtbar für alle Beteiligten zu bleiben. Das war keine leichte Kunst, aber zum Glück hatten ihre Eltern sie nach chinesischer Tradition erzogen und es war ihr ins Blut übergegangen, dass sie als Frau weit unter dem Mann stand und entsprechend demütig zu sein hatte. Dies hatte sich zwar stets auf ihren Vater und auf ihre Brüder bezogen und hätte später in einer Ehe mit einem chinesischen Mann weitergeführt werden sollen, aber in diesen Häusern, in denen man sie hin und her verkaufte, hatte sich diese Tugend als sehr lohnend herausgestellt. Man ging schlicht Ärger aus dem Weg, auch wenn einem manchmal innerlich nach Schreien zumute gewesen war. Huan wusste was es hieß in der Hierarchie ganz unten zu stehen und damit dennoch glücklich zu sein. Nun den Umständen entsprechend wohl eher 'zufrieden'. Von einem Glücklich sein konnte kaum die Rede sein. Zumindest würde sie ihren schmierigen Chef bald los sein, um in einem erstaunlich noblen Haus zu leben und zu arbeiten. Sie hatte beim Betreten des Bordells durchaus wahr genommen, dass man hier auf Stil Wert legte und alles unglaublich sauber und ordentlich war. Selbst Mr. Foster schien zu jenen Menschen zu gehören, die tatsächlich nicht nur etwas von einem heißen Bad gehört hatten, sondern es auch selbst zu genießen wussten. Er hatte schon damals in St. Johns gut gerochen und sein Äußeres war damals und heute sauber und sehr elegant gewesen. Doch das alles sollte sie nicht blenden. Dieser Mann war genau das - eben ein Mann, der ihren Körper genau wie all die anderen als Ware betrachtete, die man gewinnbringend verkaufen konnte. Immer wieder, Tag für Tag und Nacht für Nacht. Sie kam sicherlich nicht unbedingt vom Regen in die Traufe, auch kam nach Fuchs nicht gleich Bär, aber wesentlich bessern würde sich ihre Situation dadurch nicht. Ungeachtet dieser Gedanken atmete sie ganz leicht, vielleicht absichtlich etwas stärker, durch, damit es nur Mr. Foster bemerken sollte, als dieser den Strick Oldman abnahm. Nur aufrichten wollte sie sich nicht. Weder hatte Mr. Foster den Strick gelockert, noch hatte sie einen entsprechenden Befehl erhalten. Und auch Mr. Oldmans Gegenwart machte sie in dieser Beziehung eher vorsichtiger. Er war jähzornig und Huan hatte gelernt ihn mit Vorsicht zu genießen.
"Ganz meinerseits, Mr. Foster. Falls sie mal wieder was besonderes suchen, wenden sie sich ruhig an mich. Ich kann ihnen alles besorgen nach was ihre Kundschaft verlangt. Schwarze, rote... pralle Deutsche... meine Beziehung sind da weitgestreckt," Oldman, jetzt wo er das Geld gut verstaut in seiner Ledertasche unter seinem Mantel wusste, stand auf, griff dabei nach dem Kaffee und trank ihn im Stehen mit einem Zug aus. Gute Dinge sollte man nicht vergeuden, vor allem nicht jetzt wo gerade auch in St. Johns ein kleiner Lebensmittelmangel wegen dem Wetter ausbrach.
Über den Rand des Bechers hinweg beobachtete Oldman Foster, der doch allen Ernstes gerade versuchte mit der Gelben so was wie Konversation zu betreiben. Zum Glück verbarg der Becher sein Gesicht, denn dahinter verzogen sich Oldmans Lippen zu einem spöttischen Grinsen.
Huan, die fieberhaft versuchte den Blick gesenkt zu halten, kam nicht umhin, als für einen Moment Schweigen ausbrach, vorsichtig aufzusehen, um herauszufinden was nun geschehen sollte. Dabei begegnete sie mit vor Schreck klopfenden Herzen Fosters Blick. Sie schluckte, versuchte den schalen Geschmack im Mund zu ignorieren und glaubte, im nächsten Moment sicher Schimpf und Spott von Foster ertragen zu müssen. Noch ehe sie mit einer Entschuldigung wieder wegsehen konnte, öffneten sich Fosters Lippen und sie war gezwungen ob sie wollte oder nicht ihren neuen Chef anzusehen, denn er sprach mit ihr und noch kannte sie seine Regeln nicht. Sie wusste nicht, wie er es mochte, wie sich seine Mädchen zu verhalten hatten, wenn er mit ihnen sprach. Er sprach ein bisschen auffällig langsam, so als wäre sie nicht ganz dicht im Kopf, aber das lag wohl alleine daran, dass Oldman vorhin erst ihre schlechte Ausdrucksweise erwähnt hatte. Sie sprach Englisch mit dem typischen chinesischen Akzent darin, aber verstehen tat sie jedes Wort. Trotzdem lächelte sie tapfer und höflich, wie es nur ein Chinese vermochte und nickte demütig, wobei sie bei fast jedem Satz von Foster eine kleine Verbeugung beim Nicken vollführte. Ja sie würde artig hier stehen bleiben und warten. Sie war ja nicht dumm. Wohin hätte sie auch sollen? Eher erstaunt über den Ton mit dem er sie ansprach, als verwundert sah sie mit noch viel größerem Staunen zu, wie Foster langsam den Strick nachgab, so dass sie sich wohl aufzurichten wagen durfte. Unbewusst musste sie Foster ein kleines Lächeln schenken. Ein flüchtiges Zeichen von Dankbarkeit, auch wenn sie das gar nicht so deutlich zeigen wollte.
Oldman dagegen hatte kurz über den Becher hinweg geschnaubt, als ihm das Schauspiel doch ein wenig zu übertrieben wurde. So erzog man sich ein Schlitzauge sicher nicht. Jedoch verstand er einen Wink mit dem Zaunpfahl und stellte den Becher zurück, griff nach dem Hut und folgte Fosters Einladung zur Tür. Er hatte ohnehin so schnell wie möglich wieder aufbrechen wollen. "Die versteht sie besser, als sie zugeben würde," antwortet Oldman für Huan, als Foster sich noch mal an die Hure wandte. Das Huan dennoch nickte, nötigte Oldman ein Kopfschütteln ab. "Da nützt ihnen auch Freundlichkeit nichts," brummte Oldman und griff nach dem Türknauf um die Tür zu öffnen. "Nur nicht zu nett zu den Mädchen sein. Die würde sie im Schlaf glatt erdolchen, wenn sie die Möglichkeit hätte. Sie hat manchmal so einen unheimlichen Blick drauf...," mahnte Oldman und trat vor die Tür. "Na ja... wie gesagt, ich besorge ihnen alles, wenn der Preis stimmt... denken sie daran. Ansonsten... viel Glück mit dem Haus und der Eröffnung..."
Befriedigt nahm der Bostoner zur Kenntnis, daß die kleine Gelbe auf seine Geste reagierte, trotzdem sie ganz offenkundig eingeschüchtert war. Er konnte sich denken, welche Meinung Oldman von seiner Aktion hatte, doch die war ihm relativ gleichgültig. Er war nach wie vor der Meinung, nach seiner Methode sei mit Frauen am besten klarzukommen. Und der Erfolg gab ihm ja auch recht – er war bisher noch mit jeder fertiggeworden. Auch seine neueste Erwerbung würde da nicht anders sein. Fürs erste war er hochzufrieden mit ihrer demütigen Art, die geringe Probleme bei ihrer Erziehung versprach. Er grinste für einen Moment lausbubenhaft, als sie ihn vorsichtig anlächelte. Na bitte, ganz wie er es erwartet hatte: Ein paar Streicheleinheiten ließen die Weiber allesamt fügsam werden! Nun, gut möglich allerdings, daß das zu einem guten Teil an seinem persönlichen Charme lag – Oldman war da ja nun wirklich kein Vergleich. Vermutlich kam der Kerl ohne Brüllen und Hiebe gar nicht aus, weil ihn die Frauenzimmer alle nicht ausstehen konnten. Jedem nach seinem Vermögen, dachte sich Dean und wandte sich, noch immer grinsend, von dem Mädchen ab und Oldman wieder zu. "So? Na, um so besser. Es wäre mir nämlich gar nicht recht, wenn sie schwer von Begriff wäre." Er stand seinerseits auf, ohne die Kleine im Moment weiter zu beachten, und begleitete seinen Gast zur Tür.
"Keine Sorge, ich achte schon darauf, daß keine über die Stränge schlägt. Man muß den Mädchen nur klarmachen, daß ein wenig Nachsichtigkeit kein Zeichen von Schwäche ist." Selbstsicher hakte er einen Daumen in die Westentasche, während Oldman den Türknauf ergriff. Dann nickte er ihm nochmals mit einem unverbindlichen Geschäftslächeln zu. Er mochte den Kerl nicht sonderlich, aber er glaubte ihm durchaus das mit den Beziehungen. Und wer konnte schon wissen, ob er nicht bald expandieren würde und einige weitere Pferdchen in seinem Stall benötigte? Dann würde es gut sein, wenn sein Kontakt zu Oldman auf einer einigermaßen freundschaftlichen Basis stand. "Ich danke Ihnen, Mr. Oldman, und wünsche eine gute Heimreise. Wir werden in Kontakt bleiben. Wenn das Wetter endlich wieder besser ist, schaue ich sicherlich mal wieder bei Ihnen vorbei. Ganz unter Kollegen." Er nickte Oldman zum Abschied zu. Als sich die Tür geschlossen hatte, verschwand sein Lächeln allerdings und machte einer nachdenklichen Miene Platz. Sonderbar, gerade eben noch waren ihm Oldmans Worte und sein Verhalten als ein Beweis für die geistige Schwerfälligkeit des Mannes erschienen. Er verstand einfach zuwenig von Mädchen, war in seinen veralteten Methoden eingefahren und würde letztendlich von neuen Männern wie Dean überrundet werden, die geschickter an die Sache herangingen. Oldmans Ratschläge hatten ihm nur ein verächtliches inneres Grinsen abgenötigt. Ja, bis eben noch...
Aber jetzt, nachdem der Mann gegangen war, kamen dem Bostoner selbst leise Zweifel. Oldmans Worte schienen in seinen Ohren nachzuklingen. Wie war das noch gleich mit diesen Asiaten..? Ewig lächelten sie und katzbuckelten vor jedem – aber wer wußte eigentlich schon, was hinter diesen glatten, schlitzäugigen Gesichtern wirklich vorging? Ob das Mädchen gefährlich war, wie Oldman gesagt hatte? Dean mochte nicht recht daran glauben, denn Frauen nahmen für ihn in einem Konflikt dieselbe Rolle ein wie Kinder: Sie waren weder in der Lage, einem Mann wirklich gefährlich zu werden, noch kalkulierte man sie allen Ernstes ein. Noch zudem die gelben, die ja zumeist kaum größer oder schwerer als junge Mädchen waren. Andererseits gab es auch genug Waffen, mit denen Frauen trotz ihrer körperlichen Unterlegenheit erfolgreich kämpfen konnten... ein Messer in den Rücken oder eine vergiftete Speise... Sein Blick war noch immer nachdenklich, als er sich endlich zu Huan umwandte. Er musterte ihre schmale Gestalt. Sie sah aus, als verfüge sie über keine nennenswerten Körperkräfte. Der Bostoner schabte mit der Hand langsam über den leichten Bartschatten an seinem Kinn. Da gab es aber noch diese Geschichten von Chinesen, die viel stärker waren, als sie aussahen. Er erinnerte sich an die Erzählung eines Schienenarbeiters, die er einmal gehört hatte. Der Mann hatte behauptet, einer von den kleinen Gelben, eine von diesen halbverhungerten Ratten mit ihren dünnen Ärmchen, habe bei einer Prügelei einem irischen Arbeiter den Arm gebrochen, der ihn um Haupteslänge überragt habe. Die Schlitzaugen hätten da irgend so eine Boxtechnik, bei der sie sich mehr auf ihre Reflexe und flinke Bewegungen verließen als auf Muskelkraft. Dean war selbst ein ganz passabler Boxer mit reicher Erfahrung und konnte nicht recht daran glauben, daß man mit purer Beweglichkeit die Vorteile von Körpermasse und –stärke auszugleichen vermochte. Aber vielleicht war ja doch was dran. Diese Chinesen waren ohnehin mehr als seltsam mit ihren fremden Sitten, Kleidern und Gesichtern.
Die Vorstellung, die Kleine da könne in irgendeiner Weise gefährlich sein, war beinahe lächerlich, aber er wurde den irritierenden Gedanken nicht ganz los. Die Schilderungen des Bahnarbeiters waren sehr anschaulich und beeindruckend gewesen. Er würde das Mädchen auf jeden Fall im Auge behalten, beschloß er, sich aber keinesfalls offenkundig besorgt zeigen. Indem er zum Tisch zurückkehrte, langte er nach dem Strick, mit dem sie gefesselt war. "Ich denke, so was brauchen wir nicht, oder? Wenn du tust, was dir gesagt wird, wird’s dir hier nämlich besser gehen als bei Oldman, meine Kleine." Er zerrte einige Momente an dem Knoten, runzelte dann ärgerlich die Stirn und zückte sein Messer. Dieser Idiot hatte der Kleinen die Hände derart zusammengeschnürt, daß der Knoten steinhart war! Ein kräftiger Schnitt zertrennte die groben Fasern und befreite Huans Handgelenke. Dean warf den Strick lässig beiseite – irgendeins der Mädchen würde ihn schon beseitigen – und musterte die kleine Gelbe, während er die Klinge wieder verstaute. "Also, stimmt das, was er gesagt hat? Du verstehst mich ganz genau?" Sein Blick wurde durchdringender, auch wenn er keine drohende Haltung einnahm.
Er würde jetzt einfach mal auf den Busch klopfen. "Ich schätze mal, es stimmt wohl... und wahrscheinlich kannst du auch besser sprechen, als er denkt, nicht wahr?" Er verschränkte die Arme und ließ seinen Blick auf ihr ruhen. "Wenn es so ist und du ihn zum Besten gehalten hast, dann solltest du’s mir gleich beichten, Kleine. Du mußt keine Angst haben, daß ich dir dann was tue. Es gibt nämlich nur eines, was ich nicht leiden kann, und das sind Lügen. Wenn du mich anlügst oder dich bockig stellst, hau ich dir den Arsch voll, wie du’s noch nicht erlebt hast! Solang du aber brav und verständig bist..." hier wechselte sein Blick zu einem Grinsen, das irgendwo zwischen einer nett verpackten Warnung und einem vertraulichen Augenzwinkern zu liegen schien "...werde ich dich gut behandeln. Also, hab keine Angst und erzähl mir ein bißchen von dir, Kleine." Er lehnte sich gegen die Tischkante und betrachtete seinen neuesten Besitz auffordernd.
"Tja, wie sie meinen," sagte Oldman auf der Veranda angekommen mit einer vor Hohn triefenden Stimme. Dass er Fosters Meinung nicht teilte war unschwer zu erkennen. "Ich halt mehr davon, ihnen bei Zeiten zu verstehen zu geben wer der Boss ist." Mit einem breiten Grinsen, dass nicht gerade gepflegte Zähne entblößte, zog Oldman den Hut tiefer, zum Schutz gegen den Wind, zog die Handschuhe aus dem Mantel und streifte sich diese über. "Das versteht sich," murmelte Oldman schon mehr in Gedanken bei der Heimreise, als bei Fosters Geplauder unter Kollegen. "Ganz wie unter Kollegen," fügte er noch grinsend und mit einem sehr eindeutig zweideutigen Tonfall hinzu und stiefelte zu seinem Pferd. "Nun denn... einen schönen Tag noch Sir," mit diesem Gruß fiel die Tür ins Schloss und Oldman lenkte seiner Pflicht enthoben das Pferd zurück auf die Mainstreet um die Rückreise anzutreten.
Huan hatte an der Stelle verharrt, an der sie wohl Foster zu sehen erwartete. Sie hatte nicht einmal gezuckt, als die Tür ins Schloss fiel, noch hatte sie Oldman hinter her gesehen. Sie war ihn los und das war wohl das Beste, was ihr in den letzten Monaten widerfahren war. Sie hatte nicht die geringste Illusion darüber, was sie hier erwarten würde, aber zumindest schien sie sich ein wenig verbessert zu haben. Nein nicht nur ein wenig, sondern erheblich. Hier im Haus war alles sauber, ordentlich und hell. Die Ausstattung hätte man in einer größeren Stadt erwartet, aber sicher nicht hier auf dem Land. Wahrscheinlich waren die Zimmer genauso sauber und attraktiv wie der Empfangsraum hier unten. Womöglich war auch die Kundschaft etwas gepflegter, als das was Huan meist gewohnt war. Dass sie netter oder angenehmer sein würde, mochte Huan bezweifeln. Männer, zumindest ihrer Erfahrung nach, waren alle gleich in ihren Wünschen und Neigungen und die meisten sahen in einer Hure so etwas wie Freiwild. Eines, das sie zwar bezahlen mussten, aber mit dem sie dafür tun konnten, was sie wünschten. Sie wunderte sich, dass Foster nicht gleich zurück zu ihr kam, aber sie sah nicht auf. Sie war neugierig, ja, aber sie getraute sich nicht ihre demütigen Haltung aufzugeben. Vielleicht regte sie damit Fosters Zorn oder gar zu sehr von seinem Interesse. Nur kurz, als sie schließlich seine Schritte zu ihr zurückkommen hörte, hob sie ein klein wenig die Lider und sah darunter hervor. lange genug um sicher zu gehen, dass er tatsächlich sie mit seinen Worten meinte. Dann senkte sie wieder den Blick und nickte bedächtig. Nein, die Stricke waren nicht nötig. Sie war doch hoffentlich weder eine Gefangene hier, noch war sie wild genug, um eine Gefahr darzustellen. Foster wusste bestimmt von Oldman genug über sie, um zu wissen, wieso sie gezwungen war in diesem Gewerbe zu arbeiten. Sie brauchte das Geld, das meiste für die Familie, nur wenig für sich selbst. Den größten Anteil würde sowieso Foster einstreichen, dafür, dass sie hier wohnen und leben konnte. Sie stand nicht nur in seinem Dienst, sondern von nun an auch unter seinem Schutz. Sie wollte nicht so sehr mit Hoffnung Fosters Worten Glauben schenken. Ob es ihr hier besser ergehen würde, würde die Zeit mit sich bringen. Das hieß, so lange sie überhaupt lange genug bleiben würde. Es war eine Befreiung, als Foster ihr die Stricke löste und sie nicht mehr empfindlich einschneiden und reiben konnten. Ganz rot war die Haut darunter, aber zum Glück waren keine schlimmeren Verletzungen sichtbar. Sie rieb sich abwechselnd die Handgelenke und verspürte ein schmerzhaftes Kribbeln in den Fingern, als das Blut zurück schoss. Kurz dachte sie noch einmal über seine Worte nach und wusste sofort, wieso ihr Zweifel gekommen waren. 'Wenn du tust, was dir gesagt wird' ... da war der Haken. Es war ihr nach all den Monaten noch immer einem Albtraum gleich, wenn sie mit einem Freier aufs Zimmer musste. Stillhalten, das hatte sie inzwischen gelernt. Aushalten und warten bis er fertig war. Doch alles darüber hinaus lähmte sie. Jeder Sonderwunsch hatte bislang dazu geführt, dass sie entweder vom Freier selbst, von der Vordame oder dem Bordell-Besitzer geschlagen, gezwungen oder auf andere Weise bestraft worden war. Doch sie schwieg und nickte nur wieder.
Sie atmete flach weiter, auch wenn Fosters Fragen anfingen unangenehm zu werden. Unter den Lidern hindurch sah sie seinen durchdringenden Blick, der auf Antworten wartete. Auch hier nickte sie anstandslos. Natürlich verstand sie ihn ganz genau. Sie war in diesem Land aufgewachsen, wenn auch isoliert in der chinesischen Gemeinde. Sie hatte nur nie wirklich die Aussprache beherrscht und sich deswegen lieber innerhalb der Familie auf chinesisch unterhalten. Inzwischen war ihr die eigentliche Muttersprache viel lieber geworden, als das harte Englisch, mit dem sie die Freier mit hässlichen, vulgären Worten überschüttete. Es hatte sein Vorteil als jemand durchzugehen, der scheinbar nicht so viel verstand und genauso wenig sprechen konnte. Ihr gefiel allerdings nicht, wie er weitermachte, wie er sie zurecht beschuldigte absichtlich so zu tun, als verstünde sie nicht immer alles und würde die Sprache bei weitem besser sprechen als sie tat. Er verlangte in diesem Punkt Aufrichtigkeit, sonst setzte es Hiebe. Nun sah sie doch auf, blickte Foster direkt ins Gesicht und empfand die pure Verachtung für diesen Mann, wie sie sie für all die anderen Männern zuvor auch empfunden hatte. Im Drohen waren sie alle gleich und darin einer wehrlosen Frau Gewalt anzutun, um ihr ihren Willen aufzuzwingen, wäre auch in diesem Fall nichts Neues für Huan gewesen. Das sie zu gehorchen hatte, war ihr auch ohne Fosters bedrohlichen Worten bewusst. Sie hatte es als Kind in Bezug auf die Brüder und ihren Vater zu lernen gehabt, oft genug auf dem schmerzhaften Weg, den sie auch später in all den Bordellen zu gehen gehabt hatte. Nicht immer hatte ihre Erziehung geholfen sich unsichtbar zu machen und nicht alles hatte sie sich gefallen gelassen. Sie zweifelte auch nicht im geringsten daran, dass Foster seine Worte nicht ernst meinte. Er wäre der erste Mann in ihrem Leben gewesen, der nicht zu einer Tracht Prügel greifen würde, um sich Ehrlichkeit, Gehorsam und Demut von Huan zu erzwingen. Ein klein wenig zog sich ihr Magen doch bei diesem Gedanken zusammen, doch sie zuckte mit keiner Wimper, noch verzog sie auch nur einen Muskel ihres Gesichtes. Sie blickte ihn ausdruckslos an, fast stolz, lächelte aber innerlich darüber, dass er sie zwar überführt hatte, aber keinerlei Beweise dafür besaß. Sie musste ihm gegenüber nicht alles preisgeben, wenn sie nicht wollte. Sie konnte sich gelassen darauf berufen, nicht alles verstanden zu haben. Und musste diesen eingeschlagenen Weg auch weiterhin bestreiten. Dann würde ihr schon nichts passieren. Vielleicht aber war sie hier bei Foster ein wenig auf der Hut. Denn dumm erschien ihr der Mann nicht. Vorsicht war sicher geboten. Das hieß im Endeffekt sie durfte es nicht übertreiben.
"Ich verstehen gut," sagte sie endlich nach einer gefühlten Ewigkeit und das in ihrem besten Englisch, das sie konnte. Daran war nichts übertrieben, aber auch nichts untertrieben. Nur was wollte er von ihr hören? Was sollte sie ihm erzählen, was ihm nicht schon Oldman erzählt hatte? Foster hatte sehr viel geredet. Zu viel um ihm richtig folgen zu können. "Und ich reden auch gut. Besser als Oldman wissen. Ich nicht lügen. Nur nicht viel reden." Sie hielt ihren Ton leise, mit der nötigen Demut, die sie hoffte dass Foster sie hören wollte. "Was wollen du wissen? Oldman sicher hat alles erzählt."
Oldmans Worte waren bereits halb wieder aus Deans Gedächtnis verschwunden gewesen, als er sich dem Mädchen zugewandt hatte. Und nachdem er sie sich länger angesehen hatte, schwand schließlich auch der leise Zweifel, sie könne in irgendeiner Weise gefährlich sein. Blödsinn, der Gedanke! Er mußte über sich selbst grinsen. Seit wann kannte der Sohn von Dean Fosters Vater so etwas wie Bedenken?! Nein, nein, die Kleine machte den Eindruck, als würde sie brav und verständig sein. Ihre Tricks würde sie gewiß versuchen, wie das alle Frauenzimmer taten, aber es würde völlig genügen, ihr klare Regeln zu geben, dann würde die Sache bestens laufen! Alles in allem war sie ein ganz netter Käfer und würde ziemlich bald ihren Kaufpreis amortisiert haben, daran zweifelte er nicht. Denn ein gewisser exotischer Reiz haftete ihren Zügen unleugbar an. Und auch wenn viele der Meinung waren, Asiaten seien gar keine richtigen Menschen wie Weiße, würde das die Kunden nicht davon abhalten, von dieser unbekannten Frucht kosten zu wollen. Die Augen des Bostoners wanderten über ihren Körper. Seinem Blick fehlte zwar ein gieriges Funkeln, doch bei allem Wohlwollen darin war das abschätzende Element nicht zu verkennen. Sie war Kapital, auch wenn er nicht vorhatte, sie schlechter zu behandeln als notwendig. Solange sie sich benahm, wohlgemerkt. Es blieb zu hoffen, daß sie seine Worte verstanden hatte, was das anging, und Strafen gar nicht erst nötig sein würden.
Seine Mundwinkel wanderten leicht nach oben, während mehr und mehr das Gefühl zurückkehrte, hier wirklich eine gute Gelegenheit genutzt zu haben, den dämlichen Unkenrufen von Oldman zum Trotz. Der Trottel hatte bloß keine Ahnung, wie man das anstellte, das war es. Er war einfach zu grob und zu ungehobelt. Viel zu sehr... Deans Blick verfinsterte sich wieder leicht, als er an den Handgelenken der Kleinen hängenblieb. "Zeig mal her." Seine Worte klangen etwas barscher als zuvor, auch wenn er nicht auf sie wütend war, sondern auf diesen hirnverbrannten Sadisten, der sie anscheinend vollkommen überflüssigerweise verschnürt hatte, als sei sie ein wilder Mustang. Er langte nach Huans Handgelenk und faßte es, drehte ihr die Handinnenfläche nach oben und ließ langsam seinen Daumen über die geröteten Striemen wandern. "Dieser..." Er verschluckte seine zornigen Worte – es war nicht gut, wenn er vor den Mädchen allzu abfällig über Oldman sprach. Persönlich hätte er ihm hierfür zwar ein paar Zähne ausschlagen mögen, aber der Kerl war trotz allem eine Art von Gleichrangigem, und die Mädchen mußten nicht nur die Person, sondern auch die Position Deans respektieren lernen. Ein Bordellbesitzer durfte nicht unter ein gewisses Maß in ihrer Achtung sinken, sonst litt die auch gegenüber Seinesgleichen. Ein wenig mürrisch brummte er daher vor sich hin, während er ihren zweiten Arm packte und ihn sich besah. "Na ja, wird denke ich in ein paar Tagen nicht mehr zu sehen sein. Bis dahin trägst du irgendwas, das das hier verdeckt, Schmuck oder so."
Dann hob er unvermittelt wieder seinen Blick und musterte sie eingehend. Die Antworten des Mädchens befriedigten ihn nicht ganz. Sie schien sich einen winzigen Schritt aus der Deckung zu wagen, gab immerhin zu, was er ohnehin schon so gut wie gewußt hatte – nämlich daß sie deutlich besser verstand, als Oldman dachte. Doch Dean wurde das Gefühl nicht los, dieses kleine gelbe Luder verstand sogar noch mehr, als sie bis jetzt gezeigt hatte. Dumm nur, daß er sie mit Gewalt nur schlecht zwingen konnte, ihm zu zeigen, wieviel. Seine Nase sagte ihm, daß er bei ihr mit Brutalität nicht viel erreichen würde, ganz abgesehen davon, wie sehr es ihm widerstrebte, die Regeln des feinen Spiels zwischen einem Gentleman und einem weiblichen Wesen zu brechen, selbst wenn es sich nur um eine asiatische Hure handelte. Er war seinem Selbstwertgefühl als kultivierter Mann von Welt etwas schuldig, und im allgemeinen war es fast immer schade, ein Frauenzimmer mit Schlägen zu irgend etwas bringen zu müssen. Nein, das war ein letzter Ausweg, wenn sonst nichts mehr half. Erst einmal würde er sehen, ob er sie nicht auf anderem Wege dazu bringen konnte, ihm mehr zu verraten. Sein Lächeln vertiefte sich. Er hielt ihr Handgelenk weiter umfaßt, während sein Daumen sanft über die Innenseite ihres Unterarms strich, als sei er sich der Bewegung gar nicht bewußt. "So, so, du redest also nicht viel... na, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben, warst du ja auch ziemlich schweigsam..." In einer beiläufigen Bewegung legte er ihr seine freie Hand ans Kinn und hob ihren Kopf an, so daß sie ihn direkt ansehen mußte, behutsam, aber durchaus bestimmt. Er suchte ihren Blick, während in seinen Augen eine Mischung aus überlegener Nachsicht und einem fast lausbubenhaften Übermut zu blitzen schien. Auf seine eigene Weise war Dean kein Rassist. Die Kleine war eine Frau, und Frauen reagierten doch letztendlich alle ähnlich, ganz gleich, wie ihre Augen geformt waren oder wie ihre Haut aussah, nicht wahr?
Huan tat was sie am besten konnte - unsichtbar werden und das auf demütige Art. Ihre Körperhaltung entsprach dem eines eingeschüchterten Wesens. Aber obwohl sie ihren Kopf leicht gesenkt hielt, den Blick nicht hob, beobachtete sie durch die niedergeschlagenen Wimpern Foster sehr genau. Ihr entging nicht, wie er sie prüfend betrachtete, abzuschätzen versuchte und sich wohl langsam auszurechnen begann, wie viel Kapital sie ihm wirklich versprach. Er tat es nicht so aufdringlich, wie die Männer, die sie bislang hatte kennenlernen müssen, aber doch sehr eindeutig. Huan spürte eine zarte Röte in ihren Wangen aufsteigen, denn zu ihrem Leidwesen musste sie feststellen, dass Foster hier in seinem eigenen Haus genauso attraktiv wirkte, wie bei seinem Besuch in Oldmans Bordell. Er schien sich also nicht nur für einen Ausgang herauszuputzen, sondern üblicherweise auf ein gutes Auftreten zu achten. Der Neid der anderen Mädchen schien also nicht von ungefähr gekommen zu sein. Doch für Huan spielte es keine Rolle, dass ihr neuer Besitzer gut aussah, gut roch und sich zu kleiden wusste. Sobald die Hüllen fallen würden, waren alle Männer gleich und abstoßend für Huan. All das Geschwätz, der anderen Mädchen, das sie kennengelernt hatte und davon zeugte, dass die Mädchen durchaus einen gutaussehenden, gutgebauten Freier mit Manieren gerne im Bett hatten, schien sie dabei nur immer wieder zu verhöhnen. Viel wichtiger war das Benehmen von Foster und das war gänzlich neu für Huan. Er bewies es gerade wieder, als er sich ihre Handgelenke zeigen ließ, als würde es ihn wirklich interessieren ob sie verletzt war oder nicht. Huan tat wie ihr geheißen, vor allem auch, weil sein Ton barsch und befehlend gewesen war, aber auch noch immer viel zu eingeschüchtert von der neuen Situation.
Die Seile hatten keinen bleibenden Schaden hinterlassen, aber die roten Stellen brannten und würden ein paar Tage lang zu sehen sein. Das schien auf Foster so zu sehen, der aufkommende Wut über Oldman unterdrückte und wohl auch deswegen nicht gerade zimperlich ihren anderen Arm packte. Huan zuckte nur leicht zusammen und ließ seine Begutachtung über sich ergehen. Dieser folgte gleich eine klar verständliche Arbeitsanweisung, die Huan nicken ließ. "Natürlich, Mister Foster.", hauchte sie nun doch etwas eingeschüchtert von seinem Auftreten und dachte lieber nicht darüber nach, wie Schmuck und geschlossene Ärmel auf den wunden Stellen zu reiben vermochten. Stattdessen hatte sie ihm seine Fragen beantwortet und als sie seinen Blick wieder auf ihrem Antlitz ruhen fühlte, während er schwieg, beschlich sie das ungute Gefühl, dass er mehr hören wollte, als sie gesagt hatte. Innerlich auf seine Verstimmung oder gar Wut gefasst, sah sie der Ohrfeige entgegen, die kommen sollte. Sie war nichts anderes gewohnt und doch dumm genug immer wieder aufs neue zu versuchen diesen Männern zu beweisen, dass sie sie zwar besaßen, aber nicht ihren Stolz gebrochen hatten. Doch es kam keine Ohrfeige, auch kein wütendes Gebrüll. Foster hielt sie nur weiter an den Handgelenken fest, was sie unruhig machte und ihren Blick heben ließ. Er lächelte? Er lächelte! Verwirrung mischte sich in Huans Blick und im ersten Moment bemerkte sie darüber hinweg auch nicht seine Berührungen, mit denen er ihr sanft über die Innenseite ihres Unterarms strich. Erst als er wieder das Wort ergriff und sie zu sich kam, lösten seine Liebkosungen eine unangenehme Gänsehaut aus. Nicht weil es ihr gefiel, sondern weil sie sich nicht seiner entziehen konnte und es doch gleichzeitig als unangenehm empfand. Seine Worte beschämten sie gleich wieder und sie sah zu Boden, wobei sie erneut nickte. Zu was große Worte machen?
Als Foster sie zwang ihn anzusehen hatte Huan keine Möglichkeit ihm auszuweichen, auch wenn sie im ersten Impuls versuchte ihren Kopf nach hinten zu beugen. Flüchtig strich ihr Blick über Fosters Gesicht, in dem sie nur schwer lesen konnte, aber... amüsierte er sich etwa gerade? Sie nahm sich nicht die Zeit es näher herauszufinden und brachte viel mehr das Kunststück fertig ihm direkt ins Gesicht zu blicken ohne seinen Augen zu begegnen.