Auf Huans unterwürfiges Verhalten verwendete Dean keinen Gedanken. Das Mädchen war gut erzogen, wie es schien, sie wußte offenkundig, daß sie zu gehorchen hatte. Das erleichterte die Sache, und damit war dieser Punkt für ihn auch schon abgehakt. Allenfalls war es ein kleiner Pluspunkt für sie, denn im allgemeinen konnte er aufsässige Frauenzimmer ganz und gar nicht vertragen. Bei der kleinen Gelben war vorauszusehen, daß sie kaum jemals offen widersprechen und auch nicht aufbegehren würde, wenn sie erfuhr, was ihre Pflichten sein würden. Denn für sie würde wie für die anderen Mädchen gelten: Solange sie noch nicht so viel Umsatz machten, daß sich das Queen of Hearts ein oder zwei Hausmädchen leisten konnte, würden sie auch den Haushalt führen. Dean legte Wert auf Sauberkeit, Ordnung und gutes Essen. Das hatte er schon immer, wenn auch nur in Bezug auf die Häuser, in denen er als Gast vorübergehend untergekommen war. Sein vagabundierendes Leben zu anderen Zeiten war da etwas anderes gewesen... jetzt allerdings, als Geschäftsinhaber, war er sich bewußt geworden, daß es sich nun um seinen eigenen Laden – nun gut, seinen und den Hayways – handelte. Bei eigenem Besitz lohnte es sich schon deutlich mehr, etwas bürgerlich-pedantischer zu sein. Und schließlich waren Frauen ja auch zum Putzen, Kochen und Waschen da, das war eine allgemein bekannte Tatsache. Nichts naheliegender also, als daß seine Mädchen ihren Teil dazu tun würden, dieses Haus in gutem Schuß zu halten. Und dieses Schätzchen hier würde sich recht glatt in die Ordnung des Bostoners einfügen, wie er das sah.
Da wäre von seinen beiden anderen Pferdchen, vor allem von Alice, weniger Einsicht zu erwarten. Immerhin eine aber schon einmal, die er nicht würde zurechtstutzen müssen. Gut, gut... Es mochte Huans Glück sein, daß sie mit ihrem devoten Verhalten in diesem Moment bei Dean einen relativ günstigen Eindruck hinterließ. Er kam in eine milde Stimmung, die seinen Beschützerinstinkt gegenüber seinem Drang zu einem Männlichkeitsbeweis knapp das Rennen machen ließ. Normalerweise hätte er sich das Mädchen nun als erstes einmal vorgenommen. Ein Bad, eine Mahlzeit, ein wenig Ruhe, damit sich ihre Angst erst einmal etwas legte, das hätte er ihr schon gegönnt. Doch danach hätte er sie mit Sicherheit noch einmal eingeritten, und wäre es nur, um sich und ihr zu zeigen, wie die Verhältnisse lagen. Es wäre gar nicht nötig gewesen, daß er speziell auf sie Lust hatte. Eine Klärung der Situation, und natürlich die Übung... man mußte schließlich bei den Weibern genauso in Übung bleiben wie beim Schießen. Ein Colt wurde nutzlos, wenn man verlernte, blitzschnell zu ziehen und zielsicher zu sein, und ebenso war es mit dem kleinen Dean. Er mußte regelmäßig zum Schuß kommen, damit er in Form blieb. Ja, das Mädchen wäre dran gewesen, und so wie Dean es sah, wäre das mitnichten ein Unglück für sie gewesen – er hätte sie auf eine Wolke irgendwo in der Glückseligkeit gestoßen, wie alle Frauenzimmer, die er sich vornahm! Normalerweise...
Doch gerade jetzt mußte er wieder an Kate denken. Verdammt, das Biest würde ihn noch heute abend kennenlernen! Sein Zorn auf ihre Widerspenstigkeit war nicht sonderlich tiefsitzend, eher schwang in ihm eine zufriedene Gewißheit mit, daß er sie in Kürze wieder daran erinnern würde, was zwischen ihnen geschehen war, damals im Wald, als er sie entführt hatte. Oh ja... Doch wenn er an diese kleine Wildkatze mit ihren brennenden Augen und ihrer heftigen, wenn auch erfolglosen Gegenwehr dachte, mit ihrer Reife, ihrer Erfahrung, ein echtes Satansweib im besten Alter, und sich dann das arme Mädchen hier besah... aus irgendeinem Grund fühlte er sich plötzlich so viel älter als dieses Kindchen. Nicht daß er irgendeine Form von Schwäche damit verbunden hätte, no Sir! Aber ihm schien mit einem Mal die Besitzerin des Gästehauses weitaus dringender eine Lektion in Sachen Glück – und in Sachen Verhältnis zwischen Mann und Frau – nötig zu haben als die Kleine. Er würde sich seine Kraft für Kate aufsparen und seinem verschüchterten Neuerwerb eine längere Gnadenfrist gönnen, auch in Bezug auf die erwarteten Gäste der Neueröffnung. Eine ganze Weile ließ er seinen Blick auf ihrem Gesicht ruhen, dessen mandelförmige Augen ihn offen und zugleich irgendwie leer anblickten, als sehe sie ihn gar nicht. Dann lächelte er mit einem Mal in einer Mischung aus Väterlichkeit und Überlegenheit und winkte ab, als habe sie etwas gesagt. "Na gut, ich denke, für heute wirst du erst mal nur in der Küche helfen und die Gäste bedienen, bis dir die anderen alles gezeigt haben und du dich hier soweit auskennst." Eine Antwort wartete er gar nicht ab. Er ging davon aus, daß sie begriff und ihm dankbar sein würde – schließlich hieß das für sie einen Tag unerwarteter Schonzeit, bis sie die Beine breitmachen mußte. Und außerdem, kam ihm ein weiterer Gedanke, mochte das vielleicht die Lust der Gäste auf sie steigern. Sollten erst einmal die anderen Mädchen ihre Kunst zeigen, während die kleine Gelbe nur bediente. Bestimmt würde früher oder später der erste kommen und verstohlen fragen, ob sie auch zu haben sei... Was exotisch und zudem noch schwer zu haben war, erfreute sich meist der größten Beliebtheit. Dean fing an zu grinsen. Ihm kamen immer mehr gute Ideen, wie man die Dollars aus den Kunden herauskitzeln konnte. Er war einfach der geborene Geschäftsmann, fand er.
Huans ruhigem, äußeren Erscheinen war nicht anzusehen wie nervös sie tatsächlich war und um wie viel nervöser sie wurde, um so länger sie von Mr. Foster gemustert wurde. Er sagte dabei nichts. Kein Wort. Er sah sie nur an. Ganz so als versuchte er aus ihr schlau zu werden oder sie zu ergründen. Vielleicht diente es auch nur dem Zweck sie unsicher zu machen, ihr Angst einzujagen und ihr gleich einmal einen Vorgeschmack davon zu geben, was sie von ihm zu erwarten hatte. Huan hatte keine langjährige Erfahrung in ihrem Gewerbe in das sie nun verschuldet oder unverschuldet dank ihres Vaters hineingerutscht war. Sie hatte mit diesem Haus hier vier Mal den Arbeitsplatz gewechselt und das in sehr kurzer Zeit. Man lernte natürlich das eine oder andere dazu, oft aus Erfahrung und wurde klüger und schlauer. Der Umgang mit den Männern, die sie gegen Geld "besuchten", hatte Huan über vieles die Augen geöffnet und auch der Umgang mit ihr selbst durch die Hand ihrer Arbeitgeber hatte Huan zumindest gelehrt vorsichtig zu sein. Sie war es gewohnt angebrüllt zu werden, wenn etwas schief lief, sie kannte Schläge genauso wie maßloses Verwöhnen für schlechte und gute Arbeit, sie verstand es ihren Kopf einzuziehen und wusste wie sie Schmerzen, Erniedrigungen und Ekel verarbeiten konnte, ohne daran zu zerbrechen und darüber hinaus wie man die Zähne zusammen biss und tat, was verlangt wurde. Sie kannte die Musterung genauso wie die harten Probetage danach. Hier würde es daher nicht anders sein. Sie durfte jetzt keinen Fehler machen, musste folgen, demütig sein und beweisen, dass sie zu gehorchen verstand. Dann würden ihre ersten Tage hier im Haus sicherlich angenehmer verlaufen wie damals bei ihrem ersten Mal. Was hatte sie sich gewehrt, wie hatte sie gekämpft und darauf bestanden, dass man ihren Vater zurückhole, weil ein furchtbares Missverständnis vorliegen musste. Die Polizei hatte sie verlangt, sie hatte am Ende um sich getreten, gebissen und geschlagen, nur um selbst geschlagen zu werden. Immer wieder, bis sie keine Kraft mehr zur Gegenwehr gehabt hatte und aus Angst vor neuen Schmerzen gefügig erfüllt hatte, was erwartet wurde. Beim nächsten 'Verkauf' hatte sie schon gehörig dazu gelernt und nur noch aufbegehrt, als der Neue sie gleich in sein Bett gezwungen hatte, um sie 'zu testen' wie er sagte, und um ihr zu beweisen, dass der Herr im Haus ein ganzer Mann war und über sie die Macht besaß. Ihre Gegenwehr hatte sie einiges gekostet und sie für Tage "unbrauchbar" gemacht. Danach hatte sie keinen leichten Stand mehr gehabt und war für alles was nicht so lief, wie erwünscht, bestraft worden, ehe sie rasch nach St. Johns verkauft worden war. Dort hatte sie weder aufbegehrt, als Oldman sie 'eingeritten' hatte, noch hatte sie sich dagegen gewehrt die Sonderwünsche mancher Herren zu erfüllen. Und doch war sie nicht gut genug für Oldman gewesen. Nur weil er ihre zurückhaltende Art für geschäftsschädigend gehalten hatte. All seine Erziehungsmethoden aus ihr ein Mädchen zu machen, dass keck und frech wie Alice auf Männer zu ging, waren gescheitert und am Ende war sie auch dort ein getretener Hund gewesen. Sie wusste im Grunde nicht, was diese Männer von ihr wollten und erwarteten. Denn egal was sie tat war es am Ende falsch. Vielleicht aber auch nicht und sie war nur ein willkommenes Opfer für sie, das man herumschubsen konnte, an dem man seine schlechten Launen abreagieren konnte oder seine Neigungen austoben durfte. Denn sie konnte sich weder wehren, noch sich beklagen oder gar kündigen. Sie war Besitz, ohne Rechte und ohne das sich jemand über ihren Verbleib sorgen würde. Womöglich war sie für viel Geld von ihrem Vater in der Heimat bereits verkauft worden, um die Familie vor dem Hungertod zu retten. Die Eltern und die Brüder... sie selbst war wohl jenes Glied der Familie auf das man am leichtesten verzichten konnte. Eine Erkenntnis, die es ihr mitunter sehr schwer machte weiterzumachen. Der Freitod war ihr schon oft als gute Alternative erschienen, doch jedes Mal hatte sie feige einen Rückzieher gemacht. Denn die Hoffnung, dass das Leben besser werden könnte, dass irgendwann alles einmal ein Ende fand, war stark in ihr. Obwohl sie es im Grunde besser wusste.
Entsprechend all ihrer Erfahrungen war sie sich im Augenblick klar darüber, dass auch Mr. Foster ihr seine Vorzüge beweisen wollte. Früher oder später... das spielte für sie keine Rolle. Sie sorgte sich viel mehr darüber welchen Neigungen er nachging, obwohl sie sich sicher war, dass sie bereits alles erlebt und am eigenen Körper erfahren hatte, fürchtete sie die schmerzhaften Spielchen, die dazu dienten sie zu demütigen, um den Herrn des Hauses zu demonstrieren. Wieso sollte es hier anders zugehen? Nur weil alles so hübsch und adrett wirkte und der Mann vor ihr durchaus Manieren besaß, die sie bei all den anderen bis lang vermisst hatte? Sie zuckte leicht zusammen, als er plötzlich doch das Wort ergriff und sie mit diesen in die Küche schickte. In die Küche. Sie hatte sich nicht verhört. Nicht in ein Zimmer, nicht in SEIN Zimmer, sondern in die Küche. Für einen Moment verlor Huan ihre beherrschte Miene und ließ einen verblüfften Ausdruck zu, mit dem sie Foster anstarrte. Doch als sie sich dessen bewusst wurde, senkte sie eilig ihren Blick und sammelte sich. Er sollte nicht sehen, wie erleichtert sie darüber war. Sie konnte es gar nicht fassen, was sie gehört hatte. Gegen all ihre Erwartungen würde nicht ein neuer Besitzer gleich seinen Duft an ihr hinterlassen wollen, nachdem der vom letzten noch nicht einmal von ihr abgewaschen war. Sie würde nicht einmal heute schon die Beine für Foster und seine Gäste breit machen müssen, um den horrenden Kaufpreis abzuarbeiten. Es irritierte sie neben all der Erleichterung aber auch sehr und machte sie unsicher. Noch nie hatte man ihr eine Schonfrist eingeräumt oder gar eine kurze Zeit zum Einleben gewährt. Es war so neu für sie dass sie ein fassungsloses "Danke" murmelte, für das sie sich zugleich zu tiefst schämte. Denn bei all der Verblüffung, die sie empfand, war sie sich jedoch ziemlich sicher, dass das alles gut möglich zu einer völlig anderen Masche zählen konnte. Foster konnte den Großzügigen spielen und dafür ewige Dankbarkeit erwarten und wenn er diese vermisste... zack, gab es ordentlich Prügel. Auch diese Männer kannte Huan inzwischen und sie wollte sich gerade darum nicht in Sicherheit wiegen. Was auch immer Foster zu dieser Großzügigkeit bewog, würde wie ein Boomerang zu ihr zurückkehren. Mit dieser Erkenntnis fand Huan zu ihrer alten Stärke zurück, die es ihr ermöglichte mit steinerner Miene ihre Gefühle zu verhüllen. Besser war es, wenn Foster so wenig wie möglich über ihr Innenleben wusste. Wie sie es von zu Hause aus gewohnt war, und es viele Männer später in den Bordellen zu schätzen gelernt hatten, verbeugte sie sich demütig in Fosters Richtung, wobei sie ihre Arme kurz vor der Brust kreuzte und ihre Worte etwas lauter und in ihrem besten Englisch wiederholte. "Danke, Herr. Soll ich gehen gleich Küche?" Ihr Blick wanderte zu dem kleinen Bündel, das ihren ganzen Besitz darstellte und für das sie doch gerne einen Platz gehabt hätte. Es konnte kaum hier unten liegen, wo sicher bald Gäste kamen. Eine eigentliche Einführung in ihre Arbeit brauchte sie dagegen nicht. Wie man Kunden bediente und wie man in der Küche aushalf war ihr inzwischen sehr vertraut.
Er hätte wahrscheinlich noch den einen oder anderen Trick ausprobiert, um die kleine Gelbe ein wenig aus der Fassung zu bringen. Allein schon, um ihr zu zeigen, daß sie es nicht mit einem primitiven Idioten wie ihrem Vorbesitzer zu tun hatte, dem sie alles Mögliche vortäuschen konnte, wenn er schon nicht mehr aus ihr herausgebracht hätte. Doch Dean war einfach nicht mehr recht bei der Sache. Es ärgerte ihn maßlos, daß seine Gedanken sich ausschließlich um das wohl sturste Frauenzimmer im ganzen Ort – ach was, im ganzen Staat! – drehten, während er hier doch wirklich genug Mädchen zur Verfügung hatte, und zwar frei Haus, denn gehorchen mußten sie ihm schließlich alle. Aber es war nicht zu leugnen, er verspürte im Moment gar keine Lust, sich seine Neue mal ordentlich vorzunehmen. Oh, körperlich war er topfit, das spürte er, da gab es keine Probleme. Er hätte es dem Mädchen besorgen können, bis sie halb besinnungslos gewesen wäre! Nein, es war nichts Körperliches... es war in seinem Kopf! Er konnte, aber er wollte einfach nicht, und das war ein Zustand, den er erst seit kurzer Zeit kannte, der ihn aber zunehmend gereizt machte. War es nicht genug, daß diese eingebildete Schnepfe sich ihm hochmütig verweigerte, obwohl ihr bestimmt die Lust schon von den Schenkeln tropfte, wenn sie nur an ihn dachte?! Nein, sie mußte ihm auch noch seine eigene Lust verderben, verflucht! Ärgerlich trommelte er mit den Fingern auf die Tischplatte. Er mußte dringend Druck abbauen, verdammt, aber obwohl ihm hier junge, weiche Frauenkörper frei Haus vor der Nase standen, draller, schmaler, ganz wie er es wollte, hatte er einfach keine Lust, zum Teufel! Beschissen, das ganze! Er, Dean Foster, saß da wie ein seniler Greis mit einer Blasenentzündung, der sich dringend entleeren mußte, es aber nicht wagte, weil er jedesmal glaubte, Rasierklingen zu pinkeln...
Halb mürrisch, halb um Haltung bemüht, winkte er ab, als er den leisen Dank des Mädchens vor ihm gerade noch so vernahm. "Ja, ja, schon gut..." murmelte er und war dabei fast erschrocken darüber, wie müde seine Stimme klang. Verdammt noch eins, das war noch nie dagewesen. Er hatte in seinem Leben noch nie langsamer getreten, nie auf etwas verzichtet. Und er war doch noch nicht alt! Ah... das war einfach lächerlich, wie es dieses vermaledeite Weibsbild fertig brachte, daß er sich quasi selbst besiegte..! Er hob den Kopf auf Huans Frage und machte eine unwirsche Handbewegung. "Hier gibt es kein 'Herr' – für dich bin ich Mr. Foster, klar? Sind doch hier nicht bei irgendwelchen chinesischen Stammesältesten oder wie das bei euch auch immer heißt..." Einen Moment später dachte er sich, daß die Kleine ja gar nichts für seinen Unmut konnte. Was konnte so ein junges Ding schon davon wissen, wie man sich fühlte, wenn man die ersten Anzeichen von Alter am Horizont zu erkennen glaubte? Darum nickte er gleich darauf in Richtung Küche und meinte in ruhigerem Ton: "Na ja, ist im Moment auch nicht so wichtig. Sieh einfach zu, daß du dein Zeug in ein freies Zimmer räumst und dich dann ein bißchen nützlich machst, Mädchen. Morgen sehen wir dann weiter " Er schüttelt leicht den Kopf, um seine miese Stimmung loszuwerden. Dann sah er auf seine Hände, die auf der Tischplatte lagen. Er ballte sie zu Fäusten. Die Muskeln in seinen Unterarmen spielten unter seiner Haut. Nein, er war kein alter Mann! Er war Dean Foster, und er konnte noch immer jede Frau haben, die er wollte! Er würde es ihr zeigen, und er würde sie besiegen, nicht mit Schlägen, sondern mit ihrer eigenen Lust! Er würde sie haben, und sie würde es nicht leugnen können, wie sehr es ihr gefiel! Der Bostoner atmete einmal tief durch, dann stand er mit einem Ruck auf und streckte sich. Nach und nach kroch das gewohnte, selbstsichere Lächeln wieder über sein Gesicht. Sein Blick richtete sich auf das Mädchen vor ihm, und es lag daran wieder die Mischung aus Überlegenheit und Lausbubencharme, die viele Frauen anziehend fanden.
"Oh, ja, natürlich, Sir. Mister Foster, Sir," beeilte sich Huan ehrlich erschrocken über die Berichtigung ihren Fehler zu korrigieren, denn die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es ihr stets nicht gut bekommen war, wenn sie Fehler gemacht hatte. Innerlich verkrampfte sie sich jedoch, als Foster nicht sonderlich mit Respekt über ihre Kultur und Sitte sprach. Auch wenn er eigentlich fast gar nichts sagte, hatte es den unangenehmen Beigeschmack der altbekannten Vorurteile ihrer Herkunft gegenüber. Im Grunde sollte sie sich eher Sorgen darüber machen, wie Mr. Foster auf ihren Fehler reagieren würde, um den Konsequenzen ängstlich entgegen zu blicken, doch diesen Teil hatte sie bereits so oft durchlebt, dass es sie kalt ließ. Zumal Mr. Foster sich bislang von einer ungewohnt ruhigen, gelassenen Seite gezeigt hatte, die Huan vermuten ließ, dass er keineswegs einen aufbrausenden Charakter besaß. WAs nichts heißen musste. Um seine Mädchen zu beherrschen, sie zu quälen und zu unterdrücken, musste man nicht unbedingt auch nach außen hin ein Kotzbrocken sein.
Fast wie erwartet geschah nichts weiter und doch atmete Huan ganz vorsichtig durch, sah dann in die Richtung in die Mr. Foster genickt hatte und nickte dann selbst. "Ist gut, Mr. Foster. Ich gehe," es war einfacher die Sprache des Landes, in dem sie aufgewachsen war zu sprechen, wenn sie kurze Sätze bildete und sie fühlte sich gleich etwas sicherer. Mit ihren Worten griff sie nach dem Bündel am Boden und sah daher nicht, wie Foster seine Fäuste ballte und mit düsterer Miene seinen Gedanken nachhing. Unsicher ging sie zu der Treppe, die nach oben führte und sah sich fragend nach Mr. Foster um. "Zimmer?", fragte sie und zeigte nach oben. Sie kannte sich hier nicht aus und hoffte er sah ihr ihre Unkenntnis nach und würde nicht wieder mit Unmut auf sie unwirsch reagieren. Die Küche hatte er ihr ja mehr oder weniger schon gewiesen, so dass sie diese selbst finden würde. Dann konnte sie ihm zeigen, dass sie durchaus mehr Qualitäten besaß als für ihn mit Beine breit machen Geld zu verdienen. Nicht das sie hoffte, dass sie das von ihrer Hauptpflicht in diesem Haus entbinden würde, aber sie hoffte, dass es ihm zeigen würde, dass sie nicht so dumm war, wie sie wohl eben den Anschein erweckt hatte.
Dem Bostoner war nicht aufgefallen, welche Gefühle seine Worte in der Chinesin auslösten, und er hatte auch nicht sonderlich darauf geachtet. Weiber waren ohnehin furchtbar gefühlduselige Wesen, die allenthalben herumjammerten oder flennten, und in den allermeisten Fällen erwiesen sich die Anlässe als ziemlich nichtig. Er war nicht der Mann, der sich durch übermäßige Rücksichtnahme vorlaute Frauenzimmer heranziehen wollte. Die Kleine würde es bei ihm besser haben als zuvor, und dafür mußte sie dankbar sein. Ob sie nun Tränchen darüber vergoß, daß das Schicksal sie nicht zu einer umsorgten Prinzessin gemacht hatte, war nicht sein Problem. Er hatte vor, seine Mädchen mit strenger Hand, aber gerecht und anständig zu behandeln, mehr konnten sie nicht verlangen. Er war mit sich im Reinen und sah sich als fairen, wenn auch sicherlich gewitzten Geschäftsmann an, der sich eben wie alle Geschäftsmänner, Betonung auf Männer, keine weibischen Sentimentalitäten leisten konnte. Daher kam es Dean auch nicht in den Sinn, einen weiteren Gedanken auf die Wünsche oder Ängste des Mädchens zu verschwenden. Sie würde sich einleben, sie würde lernen, ihre Pflichten im Haus und bei den Kunden zu erfüllen, und damit würde sie auch zufrieden sein, wenn sie sich erst einmal eingewöhnt hatte. Denn im Grunde genommen bot er den Mädchen ja Bedingungen, die den weiblichen Bedürfnissen recht gut entgegenkamen. Alles bestens also in seinem Haus. Seine Gedanken kreisten vielmehr schon wieder um die Wirtin des Gästehauses, die ein gänzlich untypisches Weibsstück war und daher auch eine andere Behandlung nötig hatte. Kate war verdammt stolz und brauchte einen Mann, der ihr stramme Zügel anlegte und diese auch zu führen vermochte.
Er hörte nur mit halbem Ohr hin, was Huan sagte, während er zusehendes zu seiner gewohnten Spannkraft und Zuversicht zurückfand. Oh ja, diesem kratzbürstigen Frauenzimmer stand heute abend eine Lektion bevor, die sie von ihrem viel zu hohen Roß zurück zur Erde befördern würde – und in seine Arme! Einen Daumen in die Westentasche gehakt, grinste er vor sich hin, während er sich ausmalte, was er alles anstellen würde, bis ihr Widerstand dahinschmelzen würde, ihre prüde Fassade abbröckelte und nur noch die Leidenschaft übrig war, die er in der Nacht im Wald gesehen und gespürt hatte... Er fuhr aus seinen Gedanken hoch, als ihn die kleine Gelbe vorsichtig nach den Zimmern fragte. Er sah sie stirnrunzelnd an, doch kurz darauf erschien wieder das lässige Grinsen auf seinen Zügen. "Ach ja, du kennst dich ja noch gar nicht aus. Dann schnapp dir mal deine Sachen und komm mit." Er stieß sich vom Stuhl ab und gab ihr einen Wink, um sich dann zur Treppe nach oben zu wenden. Es war vielleicht wirklich besser, wenn er sie selbst in eines der Zimmer führte. Oben war Alice wohl gerade mit dem Kunden beschäftigt, und die Kleine konnte ja nicht wissen, welche Zimmer frei waren. Während er nach oben ging, wies er mit einer Hand in Richtung der Küche. "Da ist die Küche. Schau nachher gleich mal rein, ob alles in Ordnung ist." Er ließ seinen Auftrag bewußt vage. Die Küche war Frauenrevier, die Mädchen würden selbst wissen, wie sie sie am besten in Schuß hielten. Von ihm würden sie nur eins auf die Finger bekommen, wenn er selbst oder einer seiner Kunden Anlaß zur Beschwerde über das Essen hätte. "Und dann kannst du den Gästeraum vor der Eröffnung noch mal durchfegen." Das war nicht wirklich nötig, doch er wollte sich davon überzeugen, wie ernst sie es mit dem Putzen nahm, und außerdem war es immer besser, die Mädchen beschäftigt zu halten, damit sie ihre hübschen Köpfchen nicht mit allzu vielen Gedanken belasteten.
Huan sah wie üblich von unten durch die Wimpern auf, um nach Fosters Reaktion zu spähen, ohne ihn dabei direkt ansehen zu müssen. Das war ihre anerzogene Demut, aber auch Selbstschutz. Weiße waren... nun sie waren nämlich keine Schönheiten. Ihnen fehlten die feinen Züge, die ihrem Volk eigen waren und sie waren so groß und kräftig, gar nicht klein, zierlich und drahtig. Alles an ihnen war grob. Foster allerdings.. nun er war nicht anders. Auch er war groß und seine Züge waren grob und rau. Aber er war im Gegensatz zu anderen Weißen sehr auf sein Äußeres konzentriert und machte dadurch schon Eindruck. Er hatte auch ganz eigene Augen, die Huan vorhin schon beim Eintreten aufgefallen waren. Seine Gesichtszüge, so grob sie auch sein mochten, waren ebenfalls anders. Hohe Wagenknochen, schmales Gesicht. Huan hielt Foster immerhin für interessant genug, um ihn mehr als nur eines Blickes zu beachten. Doch niemals würde sie diesen offen wagen. Für den Augenblick jedoch befürchtete Huan viel zu sehr, sie habe nach dem falschen gefragt, denn Fosters Züge verdunkelten sich kurz, ehe er lässig zu einem Grinsen überging und ihr zugestand, sich hier nicht auszukennen. Sie war milde überrascht, als er statt knapp mit ja zu antworten und sie die Treppe hochzujagen aufstand und mitkommen wollte. Sie ließ sich nicht zweimal bitten, presste ihr Bündel fester an sich und wich mit gesenktem Haupt ein Stück zur Seite, um Foster den Vortritt zu lassen. Sie folgte ihm nach oben, nickte, als er ihr dabei die Tür zur Küche kurz wies und murmelte auf seine Anweisung hin ein "Ja, Mr. Foster, natürlich." Und auch auf die nächste Anweisung gab es ein leises "Natürlich, Mr. Foster." Küche, Ausfegen... das waren niedrige Arbeiten in solch einem Haus, aber sie würde sie gerne erledigen, denn sie würden ihr eine Schonfrist einbringen. Eine, die ihr kostbar war.
Die Blicke des Mädchens fielen Dean nicht auf. Er war zu sehr mit seinen anderweitigen Gedanken beschäftigt und hatte Huan für den Moment schon halb aus seiner Wahrnehmung gestrichen. Er würde ihr einfach eins der freien Zimmer zuteilen und sich dann um wichtigeres kümmern. Um seine persönlichen Angelegenheiten. Ohne sie groß anzusehen wandte er sich daher der Treppe ins Obergeschoß zu, schnippte mit den Fingern und gab ihr einen Wink, ihm zu folgen. Eindruck zu schinden war ihm jedoch zu einem zweiten Naturell geworden, weshalb er die Treppenstufen wie ein junger Bursche von zwanzig mit federnden Schritten nahm, ohne sich dessen überhaupt bewußt zu sein. Nicht im entferntesten dachte er daran, die kleine Gelbe gezielt zu beeindrucken. Nicht nur sein Vorhaben mit der Wirtin des Gästehauses beschäftigte ihn nämlich weitaus mehr. Nein, auch unter anderen Umständen wäre es ihm ziemlich abwegig erschienen, ihr diese gewisse, ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die er für außergewöhnliche Frauenzimmer reversiert hatte. Solche, die attraktiv, jedoch nicht einfach zu bekommen, aber gerade darum um so reizvoller für ihn waren. Eine Chinesin, unverheiratet, also ohne jeden Beschützer, die ihm noch dazu praktisch sowieso gehörte... ihm hätte an ihr der Reiz der Herausforderung gefehlt. Und bei aller Bewunderung, die er manchen Eigenschaften des weiblichen Geschlechts ganz ohne Diskriminierung zukommen ließ – sie war keine Weiße, und er mußte ja trotz allem auf seinen Ruf achten. Man gab nicht zu, irgend etwas an einer Nichtweißen attraktiv zu finden. Die Kleine war etwas zum gelegentlichen Vergnügen in ruhigen Momenten, wenn ihm gerade danach war, aber nicht eine, der man auf allzu galante Weise den Hof machte. Eine kleine Streicheleinheit hier und da vielleicht, wenn sie brav war. Aber den weltgewandten Verführer würde eine wie Huan allenfalls als Dritte, als stumme Zeugin zu sehen bekommen. Für Dean war die Sache ganz klar – wenn er die Absicht hatte, sich mit ihr zu vergnügen, würde er ihr das schon deutlich machen. Solange das nicht der Fall war, würden sie eine rein geschäftliche Beziehung haben: Er sagte, wo es langging, und sie gehorchte. Fertig. Er ging automatisch davon aus, daß sie das ganz ähnlich sah. Hätte man ihm gesagt, das Mädchen stelle in diesem Moment Überlegungen an, wie attraktiv oder abstoßend er sei, er hätte wohl nur ungläubig den Kopf geschüttelt.
Jethro hatte rasch die Hoffnung an einen Spielkameraden für Jacob aufgegeben. Die Straßen waren einfach wie leer gefegt und wer sich hier draußen rumtrieb, war meist erwachsen. So sah sich Jethro tatsächlich gezwungen den Jungen mit zu nehmen, was dieser wohl von Anfang an geplant hatte. Zumindest wirkte er nicht sonderlich traurig, als Jethro ihm den geänderten Plan mitteilte. Nur was fing er mit einem Jungen wie Jacob im Bordell an? Das war bei all seiner Freizügigkeit kein Ort, den er sich für ein Kind als geeignet vorstellen konnte. Aber nun hatte er ihm schon einmal etwas in Aussicht gestellt, was Jacobs Neugier geweckt hatte, da wollte er kein Spielverderber sein. Gerade weil er Jacob so vieles Neues in dieser Stadt aufzwang, wollte er ihm eine kleine Freude bereiten.
"Na dann komm mal mit rein, Kleiner," seufzte Jethro, während sie auf die Tür des Hearts zu stiefelten. "Putz dir die Stiefel ab," wies er den Jungen an, klopfte selbst den Schnee von den Absätzen und öffnete die Tür ins Innere. Noch hatten sie geschlossen, aber Jethro wollte dies gleich ändern und ließ die Tür daher unverschlossen. Auch nahm er das CLOSED-Schild ab und bugsierte Jacob auf einen bequemen Sessel. "Warte hier," befahl er knapp und stiefelte in den Raum hinein. Es herrschte angenehme Ruhe. Vielleicht zu viel Ruhe.
Der Mittag mit Raphael war ausgeklungen, der Mexikaner seid einer Weile weg und Alice hatte die Zeit genutzt sich wieder zurecht zu machen. Ein neues Kleid, das andere hand sie in den Schrank, und ihre Haare frisch gebürstet. Ein wenig von ihrer Schminke um die angenehmen Aspekte ihres Gesichts hervorzuheben, trat sie aus ihrem Zimmer. Von dem kleinen Balkon aus sah sie in den Schankraum der verlassen war. Dean und Huang waren nicht mehr da, ebensowenig wie ihr ehemaliger Chef. Leise zog sie die Tür zu ihrem Zimmer zu und wollte sich gerade auf den Weg nach unten machen, als ein Mann eintrat. Ein markantes, bärtiges Gesicht, mit einem Gesicht in dem sich zwei, irgendwie dauerhaft zusammengekniffene Augen befanden. Neben ihm ein Junge den Alice auf vielleicht zehn, hüchstens zwölf schätzte. Ein nicht weisses Kind. Auf den Teppichen des Balkons konnte sie auch in ihren Schuhen recht leise gehen, so das der Mann sie nicht direkt wahrnahm. Von oben konnte sie beobachten wie er das Schild umdrehte auf dem Closed stand, ein Schild das bisher irgendwie jeder gekonnt ignoriert hatte. So wie er mit dem Jungen sprach, vermutete Alice zumindest das die beiden sich kannten, der Mann auf den Kleinen aufpasste. Mit lautem rufen machte der Neuankömmling sich dann bemerkbar.
Da Huang und Foster nicht mehr unten waren, nahm Alice an das ihr neuer Chef auch dieses zweite Pferdchen proberitt und da war so ein Gast der hier rumbrüllte nicht ganz das was er gebrauchen konnte. Mit deutlicher Stimme, so das Foster auf jeden Fall hören konnte das jemand auf den Gast reagierte wenn er in einem der Zimmer war, machte sich Alice bemerkbar. „Guten Tag Mister, natürlich ist jemand da.“
Langsam schritt sie die Treppe herunter, mit einer fast schon schwebenden Eleganz und durchquerte den Teil des Raumes der zwischen der Treppe und Hayway lag. Dem Jungen zu zeigen was es hiess ein Mann zu werden stand wohl nicht auf dem Plan, dafür war der Junge noch zu jung, womit Alice doch etwas verwundert auf das Kind schaute und dann zu dem Mann. „Willkommen im Queen of Hearts, womit kann ich dienen?“ Alice Stimme war weich, einen Hauch einlullend und der Blick versprechend aber nicht aufdringlich. Davon, das sie hier ihren anderen Chef vor sich hatte, ahnte sie nichts.
Jethro kaute auf seinen Glimmstengel umher und wollte Jacob gerade die Anweisung geben sich auf einen der Sessel niederzulassen und ja keinen Mucks von sich zu geben, als eine weibliche Stimme, recht selbstbewusst und fest klingend, auf sich aufmerksam machte. Automatisch hob Jethro seinen Blick und sah aus zusammengekniffenen Augen zur Treppe, auf der ein recht rassiges Mädchen stand und diese gleich darauf herabstieg. Ihr Anblick irritierte Jethro ein klein wenig. Bis jetzt hatten sie nur eine dunkelhaarige Hure eingestellt, diese junge Mexikanerin. Dieses Gesicht war ihm jedoch völlig fremd. Sollte Foster eigenmächtig ... Nun, der Gedanke war nicht abwegig, allerdings versetzte er Jethro einen wütenden Stich.
Wie es aussah hielt die junge Frau Jethro für einen möglichen Kunden, denn sie gab sich viel Mühe elegant und aufreizend auf ihn zu zuschreiten. Allerdings schien die Anwesenheit eines Kindes doch dafür zu sorgen, dass sie aus dem Konzept kam. Ein Umstand, der Jethro eines seiner seltenen Lächeln entlockte
„Ma'am," sagte er etwas reserviert und zog zum Gruß kurz an der Hutkrempe, ehe er sich den Mantel aufknöpfte und mit einem Nicken Jacob zu verstehen gab, ebenfalls abzulegen.
"Nun, wie wäre es damit mir zu erklären wer sie sind und was sie hier in meinem Laden zu suchen haben?", antwortete er grummelig wie immer, ohne es persönlich zu meinen. Allerdings verzog er noch einmal die Mundwinkel zu einem Grinsen in die Höhe, ehe er wieder ernst geworden den Blick hob, als von oben Fosters Stimmer ertönte. Also dort trieb er sich herum. Da Jethro keine Ahnung davon hatte, dass es bereits zwei neue Mädchen gab, nahm er an Foster bezog sich auf die Dunkelhaarige vor ihm und konnte sich unschwer vorstellen was bei einem wie Foster "in Empfang genommen" bedeuten mochte. Neuzugang so war das also. Sein Blick wurde kritischer, als er ihn über den Körper des Mädchens wandern ließ und sich gut vorstellen konnte, dass sie ihnen eine Menge Geld einbringen würde. Geschmack schien Foster ja zu haben, auch wenn er gerne ein Mitspracherecht gehabt hätte. Doch das würde er mit Foster gleich selbst klären.
"Schwing lieber gleich deinen Arsch runter, Foster. Der Laden sollte schon seit gut ner halben Stunde geöffnet sein. Wir wollen Geld verdienen, und nicht mit dem Kapital spielen."
Freundlich hatte der ansonsten eher verkniffene Mann an der Hutkrempe gezogen und sie so zumindest gegrüsst, bevor er begonnen hatte den Mantel aufzuknöpfen. Die Antwort auf ihre Frage machte dann deutlich warum Foster so vertraut mit dem Mann sprach und wer das da vor ihr war. Den Namen wusste sie zwar noch nicht, aber das in meinem Laden war ja überdeutlich das dies ihr zweiter Chef war, den Foster erwähnt hatte. Höflich knickste sie leicht, mit Blick auf Hayways Augen gerichtet, mit einem feinen Lächeln in den Mundwinkeln. Foster rief von oben herunter, das er den Neuzugang in Empfang genommen hatte. Die Art und Weise wie Foster mit dem Neuankömmling sprach gab einen warnenden Hinweis wen sie hier vor sich hatte, leider eine Idee zu spät, aber wenigstens früh genug das Alice möglichen Schaden im so wichtigen, ersten Eindruck vermeiden konnte.
„Alice Bennett. Ihr Partner war so nett mich anzustellen, bis die Anstellung von Ihnen auch beführwortet ist.“ Erwiderte sie auf die Frage des Mannes vor ihr. Ob Foster das so gesagt hatte wusste sie schon gar nicht mehr. Wenn nicht war es aber bestimmt nicht schädlich dem jüngeren Chef ein wenig den Rücken zu stärken. Männer waren ja, wenn es um Machtbefugnisse oder ihr ‚Revier‘ ging immer so schrecklich kompliziert und engstirning. Unflexibel geradezu. Die Fronten zwischen Foster und dem Kerl vor ihr und ihre Rollen wurden schnell deutlich. Foster der Lebemann, dessen Traum von Whiskey, gehobener Umgebung und sexy Mädchen hier Erfüllung fand. Der Charmeur der die Damen um den Finger wickelte. Der Mann vor ihr, der Bodenständige, der den Träumer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte, der Verwalter. Eine gute Kombination von Talenten, wenn die beiden sich zusammenraufen konnten und ihre Reviermarkiererei überwanden.
„Kann ich ihnen sonst etwas bringen? Kaffee, Milch, Whiskey?“ fragte sie freundlich und bezog in den Blick auch den Jungen ein, welcher der offensichtliche Grund für die Milch in der Frage war. Für Alice ganz offensichtlich ein Gast des zweiten Besitzers, womit er automatisch einbezogen wurde um einen Wunsch zu äussern.
Die Miene des Bostoners bewegte sich irgendwo zwischen einem amüsierten und einem süßsäuerlichen Grinsen, als Hayways Gebrüll durch das ganze Gebäude nach oben hallte. Der Mann war auf seine Weise brauchbar, aber nicht gerade förderlich für das Ambiente, das Dean für diesen Laden vorschwebte. Er warf der kleinen Gelben noch einen Blick zu und meinte mit einem beinahe aufgeräumten Unterton: "Also, sieh zu, dass du hier bald fertig bist, und dann setz deinen Hinter nach unten in Bewegung, ansonsten macht er Bekanntschaft mit ’nem festen Lederriemen, klar?" Dabei zwinkerte er ihr kurz zu, was die junge Frau wohl verwirren mochte, sprachen doch seine Augen eine klare Sprache: Die Worte waren keine leere Drohung. Davon überzeugt, dass das neue Mädchen fürs erste artig bleiben würde, wandte er sich dann wieder zur Treppe. Langsam spazierte er die Stufen hinunter, die Daumen lässig in die Taschen seiner Weste gehakt, das überlegen wirkende, aber dennoch charmante Lächeln auf den Lippen, das man von ihm kannte. Dean ließ sich Zeit, nahm jede Stufe mit einem langsamen, federnden Schritt. Dabei trat er zugleich laut genug auf, um mit dem Knarren seiner Stiefelsohlen klar zu machen, dass er unterwegs war.
Hayways ziemlich unverhohlener Vorwurf, er hätte die Neue als Erstes persönlich rangenommen, hatte nämlich seinen Stolz getroffen, und er legte Wert darauf, zu zeigen, dass hier kein Mann kam, der gerade eben noch in anderen Angelegenheiten gesteckt hatte – im wahrsten Sinne des Wortes – und nun nach unten stürmte, während er noch sein Hemd in die Hose stopfen musste. Nein, hier kam ein Geschäftsmann, der sich um den Laden gekümmert hatte, um das Kapital, wie Hayway so schön gesagt hatte, und nun in angemessener Weise nach unten schritt, um sich anderen Pflichten zu widmen. Nicht etwa, dass es ihn verletzt hätte, wenn Hayway annahm, dass er alles ausprobierte, was Röcke trug und nicht gerade aussah wie eine Vogelscheuche. Es war ja so, und er war nicht wenig stolz darauf, es bis jetzt noch jedem Frauenzimmer derart besorgt zu haben, dass sie alle weiche Knie bekommen hatten! Nein, er fühlte sich von seinem Partner in dem Punkt angegriffen, auf den er im Moment größere Sorgfalt verwandte, als es eigentlich einem Tagedieb und Glücksritter zugetraut werden konnte: Das Geschäftliche. Hayway war doch ein ungehobelter Kuhjunge, alles was recht war! Wer war es denn, von dessen Geschmack und weltmännischem Auftreten es abhängen würde, ob der Rubel hier rollte oder nicht? Dean war nicht ernsthaft erzürnt, doch ein leichter Groll veranlasste ihn zu einer Demonstration.
Unten angelangt blieb er stehen und ließ seinen Blick durch den großen Raum schweifen, einen Ellbogen auf das Treppengeländer gelehnt. Die letzten Worte Hayways und des Mädchens hatte er noch gehört, auch den Versuch von Alice, die mögliche Verstimmung zwischen den beiden Männern gleich zu entschärfen. Typisch weiblich – scheute jede Art von Rempelei, dabei war das selbst unter Geschäftspartnern völlig normal und tat der Partnerschaft keinen Abbruch. Weiber eben, dachte er sich und grinste nachsichtig. "Ah, wie ich sehe, brauche ich nicht mehr vorzustellen... Wie geht’s, Hayway? Hier jedenfalls ist alles bestens vorbereitet." Und zwar auch ohne dich – das sagte Dean nicht laut dazu, aber sein betont entspanntes, selbstsicheres Auftreten unterstrich das Faktum seiner Meinung nach gebührend. Er wollte gerade eine kleine ironische Bemerkung auf seinen Partner abschießen, als er den Jungen an dessen Seite sah. Zwar hatte sich der ehemalige Berufsspieler genug unter Kontrolle, um seine Überraschung gekonnt mit einem Anheben der Augenbrauen zu überspielen. Dennoch brauchte er einen Moment, um den Seitenhieb auf Hayway hinabzuschlucken und stattdessen neue Worte zu finden. "Ehm... und wer ist das? Für einen Kunden noch ein wenig jung, was?" Alles in allem machte der Bursche wirklich den Eindruck, als würde er sonst wo hin gehören, aber zuallerletzt hierher. Auch wenn er eindeutig zu Hayway zu gehören schien. Aber was in aller Welt sollte ein Kind hier?!
Eher wie nebenbei registrierte Jethro, dass das Mädchen vor ihm eine kleine Gradwanderung durchlebte, jetzt wo sie wohl ahnte es mit einem ihrer Chefs zu tun zu haben. Nun ja, gutes Benehmen schadete ja nichts. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Foster Wort hielt und in gewohnt lässiger Weise die Treppen nach unten kam, wandte sich Jethro wieder dem Mädchen zu, das sich gerade als Alice Bennet vorstellte. Und sie bestätigte auch gleich seine Befürchtung, dass Foster die Hure eigenmächtig eingestellt hatte. Foster ließ wohl wirklich nichts anbraten... er ließ seinen Blick forschend über ihren Körper wandern, ehe er wieder an ihrem Gesicht hängen blieb und sich eingestehen musste, dass Fosters Wahl wohl keine so üble war. Allerdings ergaben ihre Worte so gar keinen Sinn für ihn. Entweder man war eingestellt oder eben nur zur Probe hier. Und so wie er Foster kannte und wie dieser das Mädchen herumlaufen ließ, hatte dieser sowieso schon seine Entscheidung getroffen, ohne Jethros Zustimmung.
"Nun, wir werden sehen," murmelte er nur dazu und warf Foster einen missmutigen Blick zu, der sich aber rasch aufhellte und Alice einen erstaunten Blick einbrachte. "Milch?", sein Blick folgte dem von Alice, der auf Jethro ruhte und er kam ins Grinsen. "Milch.. ja eine gute Idee für meinen Jungen. Und Whiskey für mich... Und Alice? Mein Name ist Hayway. Schlicht Hayway." Mehr musste das Mädchen gar nicht wissen. War immer besser, wenn man mal Ärger bekam. Es schadete nichts sich bedeckt zu halten. Der Plan wäre allerdings hinfällig, falls Foster schon aus dem Nähkästchen geplaudert hatte. Apropos Foster... Jethro sah zu seinem Partner hinüber und verzog keine Miene, während er am Glimmstängel zog und Rauch ausstieß... Mit stoischer Ruhe ertrug er das Reviergehabe von Foster, der sich mal wieder für unwiderstehlich zu halten schien und sich entsprechend in Szene setzte. Innerlich stöhnte Jethro durchaus laut auf und versuchte daran zu denken, welchen Traum er sich dank der Partnerschaft mit Foster ermöglichte, was half die Ruhe zu bewahren.
"Ja, das hab ich gesehen," murmelte Jethro wenig überzeugt von Fosters Getue, der im selben Atemzug den nächsten Beweis seiner Oberflächlichkeit zeigten, als er Jacob entdeckte und sichtlich vergessen zu haben schien, dass er Jethros Jungen bereits an jenem Abend kennengelernt hatte, als sie sich über eine Partnerschaft vor Richard Camden stritten. Ein leichtes Zucken im Gesicht von Jethro verriet dessen wachsende Ungeduld sowie der rasche Wechsel der Zigarillo von einem Mundwinkel in den anderen. "Dein kurzes Gedächtnis ist bemerkenswert, Foster," schnaubte er verächtlich. "Mein Junge, Jacob?", bot er helfend als Erinnerungsstütze an.
Die Kleine Problematik ihres hierseins war schnell geklärt, wie es den Anschein hatte. Ausser das der Fremde sie musterte, ihren Körper, ebenso wie ihr Gesicht, hatten ihre Worte keinen wirklich erkennbaren Effekt auf den Mann. Er grinste bei der Frage nach Milch für den Jungen. Warum das ein Grinsen auslöste wollte ihr nicht so recht einfallen, aber er nickte dann auch zu der Milch und dem Whiskey für ihn selber. Wenigstens war sie in guter Gesellschaft, zeigten weder Hayway, wie er sich vorstellte, noch Foster besonders christliche Ambitionen. Foster vögelte liebe seine weiblichen Angestellten am Sonntag statt in die Kirche zu gehen und Hayway scheute sich nicht vor Alkohol am Sonntag. Also genau die Sorte Männer die sie als Chefs in so einem Laden wie diesem hier erwarten durfte. Die Vorstellung des zweiten Chefs beinhaltete auch gleich die indirekte Anweisung wie sie in nennen sollte, was sie mit einem Nicken bedachte und zum Tresen ging um die gewünschten Getränke zu besorgen. Hinter ihr stieg Dean die Treppe herunter und die beiden Männer begannen eine Unterhaltung. Also Zeit für Alice den Mund zu halten und die Getränke zu bereiten, nur ein kurzes Lächeln ging in Richtung Foster bevor sie hinter den Tresen schritt.
Den Jungen stellte Hayway dann als Jacob vor, seinen Jungen. Ganz wie Alice sich das schon gedacht hatte. Schmunzelnd schenkte sie zwei Whiskey ein und füllte einen Becher mit Milch. Die Whiskeygläser klemmte sie zwischen Daumen, Zeige und Mittelfinger der linken Hand, die Milch trug sie in der Rechten und kam wieder hinter dem Tresen vor. In das Gespräch der Männer mischte sie sich lieber nicht ein. Das selbst Foster, der ja eigentlich der Partner von Hayway war, den Jungen nicht kannte, oder wie aus den Worten des Zigarrenrauchers hervorging, nicht wiedererkannte, liess sie innerlich schmunzeln. Genauso hatte sie Foster eingeschätzt. Das Zentrum seiner ganz eigenen Welt, mit nichts was wichtig war ausser ihm selber. Mit einem Lächeln reichte sie Jacob stumm den Becher mit der Milch. Das Lächeln war mehr auf den kleinen Dialog der beiden Männer bezogen, passte im Moment aber gut in die Situation und konnte somit leicht so aufgefasst werden das es Jacob galt. Die nun freie, rechte Hand nahm das Whiskeyglas zwischen Zeige und Mittelfinger und reichte es Dean, das andere hielt sie Hayway hin. Nach einem netten Schluck würden die beiden Herren sich schon entspannen.
Bisher hatte Hayway sie nicht weggeschickt, was hoffen liess das er durchaus mochte was er sah, was ihre Chancen hierbleiben zu können stark erhöhte. Gut, im Winter durch die Strassen zu rennen und Unterkunft und Arbeit zu suchen war nun sicherlich nicht Alice bevorzugte Tätigkeit. Nachdem beide Männer ihre Drinks hatten, schritt sie langsam wieder Richtung Tresen, einfach um den Männern nicht im Weg zu sein.
Die Miene des Bostoners blieb unbewegt, doch innerlich runzelte er die Stirn höchst unwillig. Hayway hatte ja Nerven..! Da tönte er herum, das Bordell solle doch eigentlich schon seit einer Weile geöffnet sein, brachte aber ein Kind mit, noch dazu eins, das für jeden offensichtlich kein weißes war..! Was dachte sich der Bursche überhaupt, wie das hier laufen sollte, verdammt?! Zahlenden Gästen würde es mit Sicherheit nicht passen, wenn hier eine kleine Rothaut herumlief, wo weiße, erwachsene Männer ganz klar unter sich bleiben wollten. Der Bursche sollte nur froh sein, dass der Betrieb noch nicht begonnen hatte, sonst wäre seine Schnapsidee bei der Kundschaft reichlich schlecht angekommen – wie auch bei seinem Partner, der den Ruf des Hauses nicht schon vor dem Start ruiniert sehen wollte. Zu allem Unglück kam das Mädchen auch noch mit Milch für den roten Bengel an – Weiber! Da waren sie alle gleich: Sobald so ein rotznäsiger Dreikäsehoch kam, schalteten sie auf Bemutterung um. Diesen Instinkt schienen sie alle irgendwie angeboren zu haben. Dean schenkte seiner Angestellten daher auch ein etwas frostiges Lächeln, als sie tatsächlich mit einem Becher Milch ankam. 'Fosters Milchsalon für Jungen und Mädchen' wäre vielleicht auch ein passender Firmenname... Seine Wangenmuskeln spielten kurz, als Hayway ihm auch noch in diesem gottverdammt vertraulichen Ton kam, vor dem Mädchen! Deans Lächeln, das die Augen nicht erreichte, gab Alice den eindeutigen Wink, ihren Posten hinter dem Tresen fürs erste nicht mehr in seiner Richtung zu verlassen. Dann kämpfte er mühsam den Drang hinunter, seinem Partner eine scharfe Entgegnung um die Ohren zu hauen. Herrgott – er war Geschäftsmann und kümmerte sich, im Gegensatz zu Hayway, um die Organisation! Konnte da jemand ernsthaft verlangen, dass er sich auch noch jedes Balg merkte, das man ihm mal vorführte?!
Immerhin, es gehörte wohl zu den Herausforderungen des Geschäftslebens, sich die eigentlich passende Bemerkung zu manchen Dingen zu verkneifen. Im Moment wäre es fatal gewesen, hätte sich Hayway beleidigt aus dem Geschäft zurückgezogen. Dean allein hätte die finanziellen Belastungen nicht schultern können, gerade jetzt, da sie so viel investiert hatten und hoffen mussten, dass die Einnahmen bald anfangen würden zu sprudeln. Er atmete daher leicht aus und wandte sich Hayway und dem Jungen mit einem neutralen Gesichtsausdruck zu. "Mmmhh... ach ja. Tut mir leid, Hayway, ich habe derzeit verdammt viel im Auge zu behalten, bis der Laden einigermaßen rund läuft. Damit scheint mein Gedächtnis wohl ausgelastet." Der kleinen Spitze hatte er sich doch nicht ganz enthalten können, auch wenn er bezweifelte, dass sein Partner sie überhaupt richtig erfassen konnte. Indem er diesen und seinen Sprössling musterte, nahm er einen Schluck Whiskey. Der Drink hatte genau das richtige rauchige Aroma, wie er es liebte – kein billiger Fusel. Er ließ den Alkohol langsam die Kehle hinab rinnen und begann sich zu fragen, warum sich Hayway derart viel Ärger aufhalste, indem er sich zu seinem Bastard bekannte. Der Mann musste wissen, wie sehr er damit überall anecken würde. Wenn Dean bei allen Weibsbildern nachgefragt hätte, die er flachgelegt hatte... Himmel, er hätte wahrscheinlich eine eigene Kolonie mit Foster Juniors gründen können. Irgendwo fast beeindruckend, wie sich Hayway der Verantwortung stellte – wenn auch reichlich blöde. Etwas aufgeräumter als zuvor wies er mit dem Whiskeyglas auf den Bengel. "Aber mal ernsthaft, Hayway: Warum hast du ihn mitgebracht? Denkst du, das ist hier der richtige Ort für 'nen Bengel in seinem Alter?" Das andere Problem – die zu erwartenden Reaktionen der Gäste – erwähnte er diplomatischerweise nicht. Das musste Hayway selbst klar sein, wenn er kein totaler Idiot war. Eine Erklärung war er Dean jedoch schuldig.