cf: [Mainstreet / Queen of Hearts] - Schankraum & Tische
Es war so kalt, dass sie Mexikanerin sogleich die Hände in ihren Manteltaschen vergrub. Der Wind prickelte wie kaltes Wasser auf ihrer Haut und die junge Frau senkte den Kopf und zog die Schultern ein wenig hoch. Unter anderen Umständen hätte sie sich den Schal über Mund und Nase gezogen, doch sie wollte kein solches Bild des Elends abgeben. Gewiss hatte es sich bereits herumgesprochen, dass sie im Bordell arbeitete und Nevada konnte sich die Empörung der Bevölkerung nur allzu gut vorstellen. Vor denen werde ich gewiss keine Schwäche zeigen. Sie war nicht über die Maßen beunruhigt, trotzdem blieb sie einen Moment stehen und blickte taxierend die Hauptstraße hinunter.
Graham war klar, dass er Bonnie ziemlich überru0mpelt haben musste, aber hier ergab sich die perfekte Gelegenheit, Nevada ab zu passen, bevor ihm irgendwer in die Quere kam. Auf dem Umtrunk, zu dem der Reverend eingeladen hatte, würde sie nicht sein und das Queen of Hearts konnte er nicht betreten, ohne sich dort etwas zu leisten. Was er sich zur Zeit wirklich nicht leisten konnte. Und so ungern er sich das eingestand, er wollte nicht als armer Schlucker vor ihr dastehen. „Miss Rose.“ rief er ihr hinterher und blieb dann bei ihr stehen, bemüht nicht das Gesicht zu verziehen, weil er den angeschossenen Arm ignoriert hatte. Die Wunde verheilte zu seiner ungemeinen Erleichterung sauber und er würde ihn bald wieder ordentlich verwenden können. „'N Morgen, Miss.“ grüßte er verspätet, jetzt wo er vor ihr stand. Flüchtig bemerkte er vor dem Gästehaus einen auffälligen Rotschopf, der in ihre Richtung blickte. Ihren merkwürdigen Aufzug in Männerkleidung registrierte er dabei zwar, doch er war weit entfernt Anstoß zu n ehmen. Was ging es ihn denn an, wenn das Weibsbild lieber bequeme Sachen anzog. Und warum sollte er sie überhaupt weiter beachten, wenn Nevada gerade vor ihm stand. „Sie ähm .. Sie sehen hübsch aus.“ kam ein von ihm selbst unverwartetes, aber völlig ehrliches Kompliment über seine Lippen, obwohl er es ehrlich meinte. Die 'Anstellung schien ihr gut zu tun. Sie war merklich besserer Laune als bei ihrer Ankunft zu sein und hatte das zerzauste Aussehen der Reise abgeelegt, hatte die Haare fein säuberlich hochgesteckt. Lediglich kalt schien ihr zu sein, wenn man nach ihrer Körperhaltung ging.
„Das is' Bonnie Barclay, meine Schwester.“ stellte er rasch vor, um seine Verlegenheit zu überspielen. Zwar hatte Nevada ihm noch ein Stück bis zum Gunners Point begleitet, doch dann war sie umgekehrt, so dass die beiden sich nicht begegnet waren. „Miss Rose; sie hat mich am Montag zusammengeflickt.“kehrte er das Vorstellspielchen dann um, ohne die geringste Ahnung, ob die beiden sich schon kannten. Immerhin schienen Welten zwischen seiner rauhbeinigen Schwester und der glamouösen Mexikanerin zu liegen. Zwar hatte er Nevada ein paar Mal im Zusammenhang mit seiner Arbeit erwähnt, möglicherweise sogar, den Toten, der auf ihr Konto ging, doch er glaubte nicht, dass er die Sache – und vor allem die vielen merkwürdigen Augenblicke zwischen ihm und der Mexikanerin – ausführlich zur Sprache gebracht hatte.
Beinahe augenblicklich entdeckte sie Cassiels Liebchen, die wie ein Cowboy auf der Straße herum lungerte. Ihr Aufzug war ebenso skandalös wie ihre ungebändigte Frisur, doch die Mexikanerin empfand keine Eifersucht. Sie konnte sich durchaus die Empörung vorstellen, die seine neue Affäre bei einem Großteil der Einwohner hier im Ort hervor rufen würde und lächelte bittersüß.
Du bist perfekt Stevie. Der Ire zerstört seinen Ruf schon ganz allein indem er sich mit den Huren und Weibern wie Dir und mir herumtreibt. Das er das so öffentlich macht wird jedem Wort von mir Gewicht geben, denn wer seinen Ruf so ruiniert dem traut man alles zu.
Ohne die Frau eines längeren Blickes zu würdigen ging Nevada die Straße hinunter in Richtung der Kirche, da hörte sie hinter sich einen Ruf. Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde darüber nachdenken zu müssen wusste sie, wer ihren Namen ausgerufen hatte. Die Stimme des Deputys löste eine merkwürdige Unruhe in der jungen Frau aus und sie zwang sich zur Ruhe. Betont gelassen verlangsamte sie ihren Schritt und setzte ein Lächeln auf, das ebenso unbeteiligt war, wie die Miene, mit der sie einen Gast begrüßen würde.
Er ist bestimmt doch verärgert, dass ich jetzt im Bordell arbeite nachdem was damals passiert ist. Sonst hätte er mir doch auch längst meine Sachen gebracht, oder hat Cassiel sie ihm gar nicht gegeben? Ich frage mich was der Mistkerl ihm erzählt hat?
Zumindest hatte der Gesetzeshüter sie bisher nicht verhört, dabei war Nevada ziemlich sicher, dass Serenity sie des Diebstahls bezichtigt hatte.
Pah, vielleicht ist sie auch schlau genug zu begreifen, dass sie und ihr feiner Bruder mehr zu verlieren haben als ich.
Sie blieb stehen und wandte sich erst zu ihm, als Graham direkt neben ihr stand und sie begrüßte. Trotz ihres oberflächlich freundlichen Lächelns waren die dunklen Augen der Mexikanerin fragend und ihr Blick verriet, dass sie versuchte die Situation schnellstmöglich einzuschätzen.
Überrascht bemerkte sie, dass der Deputy in Begleitung seiner Schwester war und senkte für einen Moment verlegen den Blick. Sicher weiß das Mädchen gar nicht wie ihr geschieht, sie will mit ihrem Bruder in die Kirche und …
Bonnie machte keineswegs den Eindruck eines verschüchterten Mädchens und Nevada wusste, dass sie für ihr Auskommen arbeiten musste genau wie auch sie selbst es immer hatte tun müssen und das machte ihr die junge Frau sympathisch.
Ganz unbefangen machte Graham ihr ein Kompliment über ihr Aussehen und Nevada blickte verdutzt zu ihm auf. Bisher war der Deputy nicht grade durch seine Süßholzraspelei aufgefallen und so selbstverständlich wie ihm die Worte über die Lippen gekommen waren schien er es ehrlich zu meinen. Die unerwartete Anerkennung schmeichelte Nevada und ihr Lächeln wurde breiter. In ihrem Wollmantel machte sie nicht grade einen Aufreizenden Eindruck, deshalb wäre es auch etwas ganz anderes gewesen, hätte er ihr in einem ihrer aufreizenden Arbeitskleider ein solches Kompliment gemacht. „Danke, ja es is schon erstaunlich, was ein bisschen Wasser, ein Kamm und ein anständiges Essen bewirken können.“ Kommen sie doch mal vorbei, das würde ihnen bestimmt auch gefallen. Die junge Frau beendete ihren Satz so abrupt, dass recht offensichtlich war, dass ihr beinahe noch etwas anderes herausgerutscht wäre, doch vor Grahams Schwester konnte sie nicht so offensichtlich mit dem Deputy scherzen oder ihn direkt in das Hurenhaus einladen.
Glücklicherweise rettete der Ire sie über die Situation hinweg, indem er die beiden Frauen einander vorstellte. Nevada war froh, dass er dabei herausstellte, dass sie den Gesetzeshüter verarztet hatte, denn das gab Bonnie einen guten Grund zumindest ein Mindestmaß an Höflichkeit zu wahren, dass sie wohl ansonsten nicht aufgebracht hätte, wenn sie vor einer Hure stand. „Morgen Miss Barclay, es freut mich sie kennen zu lernen.“ Nevada sah die junge Frau an und wartete. Sie erwartete keine Nettigkeiten, denn zweifellos war Bonnie sich darüber im klaren, was sie war. Ich werde jedenfalls die Schnauze halten egal was die sagt, ich bleibe ruhig. Ist mir doch sowieso egal was eine wie die sagt, es gibt sicher ne Menge Leute, die sich da auch das Maul zerreißen, immerhin geht die für nen paar lausige Dollar bei ner Niggerin arbeiten. Innerlich gewappnet konzentrierte sich Nevada darauf keine Regung zu zeigen, denn diesen Gefallen wollte sie heute niemandem tun und mit Anfeindungen musste sie sowieso rechnen.
Mit Grahams Reaktion über ihre Eröffnung mit Michael hatte sie gerechnet, also ließ sie sein wütendes Aufbrausen einfach schweigend über sich ergehen und wartete, bis er von selbst darauf kam, dass sie die Begegnung mit dem Vater ja offensichtlich überlebt hatte. Als ihm die Erleuchtung kam, fragte er – bereits ein wenig ruhiger – nach, was Michael gewollt hatte, doch bevor sie noch zu einer Antwort ansetzen konnte, hatte er auf Miss Rose verwiesen, die er auf der Straße gesehen hatte. Mit Grahams Worten „Reden wir später weiter.“ verließen die Zwillinge das Hayway Haus und versuchten, besagte Miss Rose einzuholen.
Auf Grahams Ruf hin blieb die junge Frau stehen und wartete, bis die Geschwister herangekommen waren. Nur, um sich gleich ein Kompliment von Graham einzufangen. Bonnies Ausdruck der Überraschung stand dem Nevadas wohl ihn nichts nach. Vielleicht wanderten ihre Augenbrauen noch ein wenig höher, weil sie ihren Bruder kannte und sich nicht erinnern konnte, solch freundliche Worte schon einmal aus seinem Mund gehört zu haben. Und dann waren seine ersten Worte zu der jungen Frau direkt ein solch ehrliches Kompliment? Hatte der Bruder ihr etwas verschwiegen? Zwar hatte er ihr von Miss Rose erzählt. Aber in ihren Ohren hatte das immer nach recht oberflächlichen Begegnungen geklungen. War die Tatsache, dass sie ihn zusammengeflickt hatte, wie er noch einmal betonte, genug, um eine solch freundliche Begrüßung zu erklären? Das mochte ja für manchen zutreffen, aber doch nicht für Graham! Miss Roses höfliche Worte lenkten sie von ihrem überraschten Starren zu ihrem Bruder ab. „Ebenso, Miss“, erwiderte sie mit einem angedeuteten Lächeln. Irgendetwas in Nevadas Blick ließ sie jedoch einen Moment lang stutzen. Nur ein paar Sekunden, bevor ihr Gesicht so verschlossen wurde, wie sie es von sich und ihrem Bruder kannte. Nicht unbedingt abweisend, bloß ohne jede Regung und ohne Gefühle sichtbar werden zu lassen. Den Ausdruck ignorierend, schwenkte sie auf gewohntes Gebiet um, indem sie versuchte, ihren Bruder ein wenig zu triezen. „Grahams Arm ham Sie ja ganz gut wieder hingekriegt, Miss, aber ich glaub er hat auch was am Kopf abgekriegt. So viel wie gerade sagt er sonst nie, so früh am Morgen...“ Sie sah vielsagend zu ihm herüber. Wahr wohl klar, dass sie nicht glaubte, er habe tatsächlich etwas am Kopf. Höchstens, dass ihm der ein wenig verdreht war. Das versprach mehr als amüsant zu werden, sollte sie herausfinden, dass sie damit recht hatte.
Was auch immer er erwartet hatte, das hier war es jedenfalls nicht. Graham nahm sich einen Augenblick Zeit, um die merkwürdige Enttäuschung zu ergründen, die er empfand, als er Nevadas unverbindliches Lächeln sah. Sie hatten einen merkwürdigen Augenblick der Verbundenheit geteilt – nicht zum ersten Mal – festgestellt, dass sie einiges gemeinsam hatten. Doch jetzt arbeitete sie ja in einem schicken Saloon, dem man schon von außen ansah, dass er exklusiv für gut betuchte Bürger war. Da konnte ihr nicht mehr daran gelegen sein, einen Hungerleider wie ihn zu kennen. Und er könnte sie für diesen Gedankengang nicht einmal verurteilen, erkannte er mit einer gewissen Resignation. Bestenfalls zerstreut gab er ein – mehr oder weniger – artikuliertes Grunzen von sich, als hinter ihm ein Morgengruß ertönte, der ihn gerade nicht im mindesten interessierte. Mit viel gutem Willen hätte man es vielleicht für ein „Miss.“ deuten können. Er bemerkte zwar, dass jemand eilig an ihnen vorbeistapfte, doch sein Verstand war noch dabei, die neue Situation aus zu loten.
Zu seinem und wohl auch dem Glück seiner Begleiter, hatte sich ganz ohne sein Zutun ein Kompliment über seine Lippen geschlichen, dass ungefähr so gut zu ihm passte, wie gute Laune zu Michael. Jedenfalls stellte er fest, dass seine beiden Begleiterinnen nicht allein in ihrer Überraschung war. Er verkniff sich den prüfenden Seitenblick auf Bonnie, denn er war ziemlich sicher, dass ihm nicht gefallen würde, was er da sehen würde. Da war der milde erstaunte Ausdruck auf Nevadas herzförmigem Gesicht irgendwie leichter zu ertragen. Vor allem, nachdem er sich nach kurzem Zögern in ein ehrlich erfreutes Lächeln wandelte, das ihr gut zu Gesicht stand. Allerdings erinnerte ihn ihre Antwort unwillentlich daran, dass sie jetzt jeder haben konnte, der genug Geld hatte. Warum sich ihm dabei ausgerechnet Fosters Bild aufschob, wusste er nicht. „Gut … gut für Sie.“ antwortete er deswegen mit einem leicht gequälten Lächeln.
Er war kein Experte in den Ränkespielen der Frauen, aber wenn er nicht völlig falsch lag, dann waren sich Miss Rose und Bonnie zumindest nicht vom ersten Augenblick an völlig unsympathisch. Sollte er darüber erleichtert sein? Eigentlich konnte es ihm auch egal sein, was Bonnie von seinem Umgang hielt. Das war schließlich seine Angelegenheit. Der Gedanke gab ihm das nötige Selbstbewusstsein Bonnie einen leichten Stoß zu versetzen. „Nun hör schon auf, mich an zu glotzen, als wär' mir'n zweites Paar Ohren gewachsen. Hab' ne gute Kinderstube genossen, im Gegensatz zu dir.“ Die letzte Aussage war zwar blanker Hohn, trotzdem konnte er sich ein für seine Verhältnisse gutmütiges Grinsen nicht verkneifen. „Und mit meinem Verstand is' auch noch alles in Ordnung.“ Ohja, sie brannte darauf ihn auf zu ziehen. Sollte sich lieber nicht auf ein hohes Ross setzen, die feine Lady, so unverschämt wie sie jetzt mit Victor und früher mit Matt geflirtet hatte.
Demonstrativ ignorierte er sie, konnte sich aber den Anflug eines Lächelns nicht verkneifen. Dieses eine Mal war er in der Stimmung, ihre Stichelei souverän abprallen zu lassen. Immerhin hatte er ja ein schlagkräftiges Gegenenargument. Also wandte er sich wieder an Nevada. „Wenn Sie nach der Kirche 'n Moment Zeit haben... Ich hab' mich gestern mal mit den Browns unterhalten.“ erklärte er, denn es schien sicher, davon aus zu gehen, dass sie auf dem Weg zur Kirche war. Und es sollte sie freuen zu hören, dass er ihrer Bitte entsprochen hatte.
Der unartikulierte Laut, mit dem der Deputy Stevie bedachte erfüllte die Mexikanerin mit Genugtuung. Scheinbar hatten sie eine recht ähnliche Meinung über die Meisten Leute hier und Nevada war froh, dass er nicht ausgerechnet dieses Mannweib wie eine Lady behandelte.
Das hat mir schon immer an ihm gefallen! Er verstellt sich nicht, sondern zeigt den Leuten, was er von ihnen hält ohne sich beliebt machen zu wollen.
Genau so fühlte es sich jedenfalls an, doch Nevada merkte selbst, dass irgendwas daran nicht stimmen konnte. Zum Einen gab Graham sich vermutlich nur so, weil er sich das in seinem Amt auch tatsächlich leisten konnte und war keinesfalls so, wenn er dadurch etwas zu verlieren hätte, was doch wieder ein ganz anderes Licht auf sein Verhalten warf und zum Anderen ging er ja mit ihr vollkommen anders um, als es zu erwarten wäre. Sie verdiente es nicht so behandelt zu werden und auch jetzt, wo sie allein durch ihre Arbeit endgültig besiegelt hatte, dass sie nie zur ehrbaren Bevölkerung gehören würde behandelte er sie mit Respekt. Mehr noch, er machte ihr Komplimente und setzte sich für ihre Belange ein. Was jedoch am erstaunlichsten war, schien die Tatsache, dass er sie seiner Schwester vorstellte und billigte, dass das Mädchen auf offener Straße mit ihr redete.
Er sprach sogar aus, dass er sich für sie freute, dass es ihr besser ging und sie gut versorgt war, zumindest interprtierte die Mexikanerin seine Worte so. Bonnie wirkte zunächst ein wenig erschrocken, dass ihr Bruder sie mit einer Person wie ihr zusammen brachte. Ihr Augen waren im Erstaunen weit geöffnet und Nevada konnte nicht umhin die Ähnlichkeiten zwischen den Geschwistern zu bemerken. Beide hatten fein geschnittene Züge und dasselbe rotblonde Haar. Bei dem Gedanken daran erinnerte die Mexikanerin sich daran wie sie dem vor ihr sitzenden Deputy über den Kopf gestrichen hatte. Verstohlen warf sie dem jungen Mann einen Seitenblick zu und versuchte heraus zu finden, ob auch ihm diese zärtlichen Gesten zwischen ihnen im Gedächtnis geblieben waren. Nevada wusste, dass diese Hoffnung närrisch war, denn der Gesetzeshüter musste glauben, sie verteile ihre Nähe an jeden, der ihr dafür ein paar Münzen daließ.
Als Bonnie ihren Gruß erwiderte entspannte die Mexikanerin sich ein wenig. Die junge Frau schien weder verlegen noch ärgerlich zu sein.
Vielleicht weiß sie doch nicht wer ich bin? Deputy Barclay wird ja gewiss nicht bei seiner Familie rum erzählt haben, dass er Bekanntschaft mit einer Hure gemacht hat und wenn es auch nur beruflich war.
Die Provokation der Irin hielt Nevada davon ab weiter zu grübeln. Das Mädchen neckte ihren Bruder so vertraut, dass die Hure breit grinste. Für einen Moment fürchtete sie Graham könne ungehalten reagieren, doch er schien Bonnie der Bruder, den sie selbst sich immer gewünscht hatte. Statt sie zu tadeln knuffte er sie und zahlte es ihr mit selber Münze heim. Die harmonische Beziehung der Beiden war offensichtlich und das die Geschwister sich so vor ihr zeigten ließ Nevada für den Augenblick die entzweienden Grenzen zwischen ihnen vergessen. „Wenn er dann aber was sagt is es immer die Wahrheit.“ Amüsiert zwinkerte sie Graham zu, immerhin hatte sie mit diesen Worten sein Kompliment unterstrichen und die Kinderstube der Barclays nicht grade ins Beste Licht gerückt.
Mit einem Schlag wurde die junge Frau jedoch wieder ernüchtert, denn der Deputy hatte sie keinesfalls aus dem gefühlsduseligen Moment einer Verbundenheit angesprochen, sondern war bei den Browns gewesen, die ihn beauftragt hatten. Der Anwalt und seine Geschwister hatten gewiss etwas gegen sie vorgebracht und Nevada wusste selbst nicht recht, wie sie diese Vorwürfe entkräften sollte. Deshalb hat er auch was über mein Aussehen gesagt. Das sollte kein Kompliment sein, er hat nur das neue Kleid bemerkt und denkt so was kann ich mir ja nicht leisten, wenn ich das Geld nicht wirklich geklaut hätte. Natürlich wäre das nichts als die Wahrheit, aber trotzdem empfand Nevada Empörung. Sie wollte nicht, dass Graham so über sie dachte und das er damit auch noch den Nagel auf den Kopf getroffen hatte machte es nur schlimmer.
Genervt rollte die Mexikanerin mit den Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie werden denen doch nicht etwa auch nur ein Wort glauben?!“ Als könne sie sich von ihrer Geschlechtsgenossin Hilfe erhoffen blickte die Mexikanerin Bonnie an. „Dieser Dreckskerl glaubt mit seinem Amt und seinem Geld kann er sich alles erlauben und mit einer wie mir umspringen wie es ihm grade gefällt.“ Ebenso schnell wie ihr Temperament sie hatte aufbrausen lassen wurde die Mexikanerin auch wieder ruhiger und ihr war sofort klar, dass sie zu weit gegangen war. So durfte sie vor Graham nicht auftreten und schon gar nicht, wenn seine Schwester daneben stand.
„Ähmm...“ Ohne ihr Zutun lösten sie die verschränkten Arme der jungen Frau und ihre Hände sanken kraftlos herab. „Kommen sie doch nach der Kirche mit zu mir Deputy dann können wir in Ruhe reden.“ Plötzlich wirkte Nevada kleinlaut und auch ihre Stimme war leise geworden. Sie wusste, dass es da nichts zu bereden gab. Wenn Graham ihr nicht glaubte konnte sie nur hoffen, dass er sich auf einen Deal mit ihr einlassen würde um sie zumindest nicht zu belangen und wenn nicht war es sowieso egal, dann würde sie im Besten Fall aus der Stadt verschwinden und hoffen können, dass sie es bis nach St. Johns schaffte.
Eric und Sarah auf dem Weg in die Kirche In der Entfernung Bonnie, Graham, Nevada und Stevie
Fröstelnd blieb Sarah für einen Moment stehen, als sie an der Seite Erics aus dem Haus trat. Eine Böe ließ den eisigen Wind unter ihr Kleid fahren und zerrte am Schirm ihrer Haube. Blinzelnd ließ sie die Hand ihres Vormunds los, rückte die Haube zurecht und faßte ihre Puppe Josephine fester. "Huh, das ist aber kalt, Onkel Eric!" Eric verschloß die Tür, und sie sah sich um. In einiger Entfernung glaubte sie einen jungen Mann über die Straße gehen zu sehen. Er passierte eine Gruppe aus zwei Frauen und einem weiteren Mann, an denen der Blick des Mädchens neugierig hängen blieb. Die beiden Frauen sahen merkwürdig aus, denn keine von beiden schien eine Kopfbedeckung zu tragen, was an sich schon sehr ungewöhnlich war. Doch noch dazu hatte die eine rötlich schimmerndes blondes Haar. Fasziniert starrte Sarah zu ihr hinüber, denn jemanden mit solch einer Haarfarbe hatte sie noch nie gesehen. Woher mochte sie stammen? Menschen mit brauner Hautfarbe kannte sie, doch die hatten für gewöhnlich schwarzes Haar. Aber wie eine Indianerin sah die fremde Frau auch nicht aus, sondern eigentlich wie eine ganz normale weiße Frau, soweit Sarah es beurteilen konnte. Nachdenklich zog sie ihre Stirn kraus, während hinter ihr Onkel Eric sich um die Haustür kümmerte.
Die drei schienen sich zu unterhalten, und das in dieser Kälte. Sarah schauderte. Sie freute sich schon jetzt darauf, in die Kirche zu kommen, wo die vielen eng beieinander stehenden Menschen es wenigstens etwas weniger kalt würden werden lassen. Zwar mochte sie große Menschenansammlungen eigentlich nicht, und noch weniger, zwischen Erwachsenen eingekeilt zu sein, so daß sie kaum mehr als die Jacken der Männer oder die Schultertücher und Überwürfe der Frauen zu sehen, manchmal auch den einen oder anderen Ellbogen an ihrem Kopf zu spüren bekam, doch heute... heute fror sie genug, um sich nach jedem bißchen Wärme zu sehnen, das in Aussicht kam. Sie reckte ein wenig den Hals, entdeckte aber auf der Straße niemanden außer Onkel Eric, sich selbst und den drei bewußten Fremden. Indem sie ihre Musterung fortsetzte, fiel ihr auf, daß die Frauen wohl sehr arm sein mußten. Wenn man in der großen Stadt in die Kirche gegangen war, hatten die Bürgersfrauen sichtlich teurere Kleider getragen als diese beiden. Am Tag des Herrn präsentierte man sich dem Schöpfer schließlich in seinem besten Staat, so wie sie selbst es auch tat. Doch ihr eigenes Sonntagskleid schien ihr weit feiner als das, was diese beiden armen Frauen anhatten. Wenn die Menschen hier also nicht mehr hatten, mußten sie recht arm sein. Sarah gewann immer mehr den Eindruck, daß Onkel Eric mit ihr an einen Ort gezogen war, der mehr Wildnis als Stadt zu nennen war.
Geistesabwesend griff sie nach der Hand ihres Vormunds, als der sich ihr wieder zuwandte. Den Blick wandte sie jedoch nicht von dem Dreiergrüppchen ab. Sie mochte nicht gern beobachtet werden und fühlte sich stets unwohl, wenn sie im Mittelpunkt des Interesses stand. Selbst jedoch beobachtete sie gern andere Menschen – aus sicherer Entfernung. Wenn einer der drei sie bemerken und zu ihr hinübersehen würde, blieb ihr schließlich noch genug Zeit, um den Blick abzuwenden und so zu tun, als habe sie nicht so unhöflich hinübergestarrt, wie sie es gerade tat und wie es ihr Mama immer verboten hatte. Aber Mama war eben nicht mehr da, um ihr jeden Tag von neuem einzubleuen, wie man sich verhielt, und die Neugier war stark. Vielleicht konnte sie es ja sogar so einrichten, daß sie im Vorübergehen mit Onkel Eric noch einen Blick oder zwei auf die Frau mit dem seltsamen, schönen roten Haar erhaschte. Wenn man geschickt war, konnte man nämlich ganz unauffällig unter dem Schirm der Haube hervorschielen...
Bonnie, Graham und Nevada Eric und Sarah in einiger Entfernung
Grahams Retourkutsche folgte auf dem Fuß, begleitet von einem leichten Boxhieb gegen die Schulter. Er hatte ihr schon schmerzhaftere Schläge verpasst. Hmm... Sie hatte eine stärkere Reaktion erwartet, zumindest, wenn sie mit ihrer Vermutung richtig lag. Vielleicht hatte sie sich doch getäuscht und es war bloß Grahams gute Kinderstube, die ihn zu dem Kompliment getrieben hatte, wie er sagte. Das hätte sie womöglich geglaubt, wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass die 'gute Kinderstube' von der er da sprach, frei erfunden war. „Oh, ja, wie konnte ich bloß deine gute Erziehung vergessen“, witzelte sie mit bitterem Sarkasmus, erwiderte aber sein seltenes Grinsen. War das nicht ein Zeichen, dass sie trotz allem auf einem guten Weg waren, wenn sie schon vor anderen Witze über ihre Kindheit machen konnten? Aber trotzdem hing noch das drohende Gespräch über Michael in Bonnies Gedanken. Auch das würden sie wohl gleich nach der Kirche regeln müssen. Sobald Graham mit Miss Rose gesprochen hatte. Diese schien jedoch über die Worte des Deputys nicht gerade erfreut zu sein. Gerade noch hatte sie lächelnd gemeint, dass ihr Bruder immer die Wahrheit sagte – was Bonnie einfach mal so stehen ließ – da verfinsterte sich auch schon ihr Gesicht, als Graham sein Gespräch mit den Browns erwähnte. Sie brauste förmlich auf, wandte sich wie hilfesuchend an Bonnie. Aber was sollte sie schon dazu sagen? Sie wusste kaum die Hälfte von dem, was wirklich vorgefallen war. Die wenigen Worte, die Graham zu der Geschichte verloren hatte, reichten nicht aus, um Partei zu ergreifen. Dennoch war sie geneigt, sich auf die Seite der Mexikanerin zu schlagen, wenn es sein musste. Allein schon deswegen, weil sie Leute nicht leiden konnte, die sich für etwas Besseres hielten. Mit solchen hatte sie ihr Leben lang genug zu tun gehabt um schon bei der bloßen Erwähnung die Nase davon voll zu haben. Mit empörtem Blick wandte sie sich ihrem Bruder zu. Er würde doch wohl nicht einen unterstützen, der sich derartig was auf sein Amt einbildete? Das wäre ja so, als würde er auf einmal für Warren Simones arbeiten wollen. Doch bevor sie den Mund aufgemacht hatte, um Graham darauf hinzuweisen, sprach bereits Miss Rose weiter. In einem Ton, aus dem deutlich die Resignation sprach. Mit gerunzelter Stirn sah Bonnie vom einen zur anderen. Nach Grahams Worten eben konnte sie sich kaum vorstellen, dass er Miss Rose nicht helfen wollte. Doch genau das schien ihre Befürchtung zu sein. Als sie gerade ein weiteres Mal von Miss Rose zu ihrem Bruder sah, wurde sie auf ein kleines Mädchen aufmerksam, das offensichtlich zu ihnen hinübersah, aber dann rasch den Blick abwandte. Sie konnte sich nicht erinnern, die kleine schon einmal gesehen zu haben, doch den Mann, der bei ihr war, kannte sie. Er war vor ein paar Tagen in die Schneiderei gekommen, um sich vorzustellen, da er die Zeitung in Camden Village übernommen hatte. Bonnie ließ sich einen Augenblick lang von dem Gespräch der beiden anderen ablenken und sah zu dem ungleichen Paar hinüber.
Bonnie, Graham und Nevada Eric und Sarah in einiger Entfernung
Unter anderen Umständen hätte Graham Nevadas Grinsen vielleicht als Provokation aufgenommen, weil sie sich damit auf Bonnies Seite schlug. Doch die Hure machte nicht im Mindesten den Eindruck als würde sie über die Geschwister und ihren derben Umgangston lachen, sondern vielmehr als klinge er vertraut in ihren Ohren. Dabei wusste er doch inzwischen, dass Nevada hinter einem geheimnisvollen und exotischen Fassade auch ein paar deftige Schimpfwörter versteckte. Manchmal war es fast so, als benutzte sie die Maske der Lady, um einen bestimmten Effekt bei den Leuten zu erzielen. Doch dann ließ sie diese Maske in Augenblicken wie diesen oder auch am Montag im Saloon fallen und was er dort sah, gefiel ihm eigentlich ganz gut. Jedenfalls schien sie einen Teil ihrer anfänglichen Zurückhaltung abgelegt zu haben, und Graham fing an sich zu fragen, ob er sie zu stürmisch begrüßt hatte, indem er hinter ihr herlief und ihren Namen rief. Oder war es gar Bonnies Gegenwart? Jetzt, wo er so drüber nachdachte, fiel ihm wieder ein, wie wenig begeistert sie davon gewesen war, ihm zum Gunners Point zu begleiten. Er hatte sie ja von Anfang an nicht für die Sorte gehalten, die mit den alten Vetteln der Stadt zusammen saß, um an einem neuen Altartuch zu sticken oder ähnliche Zeitverschwendung zu betreiben. Manchmal war sie ihm gar wie eine Ausgestoßene erschienen. Wahrscheinlich lag da der Ursprung ihrer Sympathie füreinander. Sie fügten sich alle drei nicht nahtlos in die Mühlen der Gesellschaft. Doch zumindest bei seiner Schwester konnte sie das nicht erahnen. Oder dieser Gedankengang war völliger Schwachsinn und sie hegte einfach kein Interesse an Menschen, die sie nicht als Kunden gewinnen und dadurch einen Gefallen von ihnen erhoffen konnte. Der Gedanke war in höchstem Maße ernüchternd. Doch wenn dem so war, dann ließ sich Miss Rose nichts anmerken, sondern gab seine Worte zurück und spielte das Spiel der beiden Zwillinge nahtlos mit, als hätte sie nie etwas anderes getan. „Sagen Sie das meiner Schwester, Sie scheint Ihnen nicht zu glauben.“ spottete er zurück und hob die Augenbrauen als er hinüber zu Bonnie sah. Trotzdem genoss er den Augenblick. Wann war ihnen schon vergönnt sorgenfrei – so sorgenfrei wie es eben möglich war – miteinander zu scherzen und er hatte die spitze Zunge seiner Schwester erfolgreich gegen sie gewendet, so dass sie zumindest vorerst wohl keine neue Munition für ihre Sticheleien bekam. Außerdem – selbst wenn es so wäre, dass da irgendwas zwischen Miss Rose und ihm stattfand – dann ging es Bonnie immer noch nichts an und alle Burschen in seinem Alter suchten doch nach einer Möglichkeit, sich die Hörner ab zu stoßen. Da wäre er garantiert nicht der Einzige.
Womit Graham allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass Nevadas Gesicht ein wenig in sich zusammen zu sinken schien, als er die Browns erwähnte und ein frustriertes Geräusch über ihre Lippen kam. Und noch viel weniger, dass Bonnie sich plötzlich mit der Mexikanerin verbündete und er in zwei Paar anklagende Augen schauen würde. Verblüfft sah er von einer zur anderen und fragte sich, wie er mit seiner unverdächtigen Einleitung dort gelandet war, wo er sich jetzt befand. „Ähm...“ echote er Nevada dann und warf Bonnie einen irritierten Blick zu, der deutlich „Solltest du nicht auf meiner Seite sein?“ fragte. „Eigentlich hat Brown gar nichts gesagt.“ Zumindest nichts, aus dem Graham irgendeinen Sinn hätte machen können. Cassiel hatte etwas unzusammenhängend über die Abreise der Mexikanerin philosophiert und wie genau jetzt der Abschied der beiden vonstatten gegangen war, wusste Graham immer noch nicht. Die Sache schien verzwickt, scheinbar war Cassiel ja doch der Meinung, Nevada hätte irgendwie die Grenzen seiner Gastfreundschaft überschritten, aber wie das nun genau ausgesehen hatte, dazu hatte sich der Ire nicht klar geäußert. „Ihre Sachen hat er jedenfalls anstandslos rausgerückt. Ich wollte sie Ihnen eigentlich zurückbringen.“ Flüchtig folgte sein Blick dem von Bonnie, die scheinbar das Interesse an dem Gespräch doch noch verloren hatte, zumindest blickte sie zwei Gestalten, einem Mann und einem Kind, nach, deren Gesichter Graham in Camden Village noch nie gesehen hatte.
Doch er befand die beiden für unwichtig, wandte sich wieder an Nevada, um zu ergründen, ob sie seine knappen Worte beruhigt hatten. Da war es wieder, dieses merkwürdige Bedürfnis, ihr einen Gefallen zu tun, oder zumindest wieder dieses freche, natürliche Grinsen auf ihre Züge zu locken, das eben darauf aufgetaucht war. Graham biss die Zähne zusammen, um der Versuchung zu widerstehen und trat abwesend mit der Schuhspitze ein bisschen Schnee beiseite. „Jedenfalls wollte ich Ihnen anbieten, sie für Sie nach der Kirche aus der Station zu holen.“ beendete er seinen Gedankengang unbeholfen. Es geschah ja nicht gerade häufig, dass ihn ein hübsches Frauenzimmer zu sich nach Hause einlud. Selbst wenn es nur ums Geschäftliche ging. Andererseits sollte er wahrscheinlich froh sein, denn in Nevadas Nähe fühlte er sich immer, als würde er blindlings über ein Feld mit Bärenfallen tappen und es wäre nur eine Frage der Zeit bis er in eine hineintrat. Um Bonnies Stichelei zuvor zu kommen, wandte er sich dann in geheuchelter Besorgnis an sie. „Vielleicht solltest du mitkommen, dauert ja nur'n Moment und wenn ich nich' da bin, um auf dich auf zu passen, gerätst du nur wieder in Schwierigkeiten.“ Perfekt, die Dinge so gedreht, als wäre sie der Unruhestifter in der Familie und gleichzeitig dafür gesorgt, dass Michael ihr nicht noch einmal alleine auflauern konnte.
Bonnie, Graham und Nevada Eric und Sarah in einiger Entfernung
Die Normalität, mit der die drei jungen Leute miteinander scherzten ließ ein Gefühl der Nähe entstehen. Es schien Nevada bedeutungslos, dass sie Bonnie im Grunde nicht kannte und bei Graham nie sicher war, ob er sich als Freund oder Feind erweisen würde. Nur der Moment zählte und die junge Frau war so selbstverständlich in das vertraute Spiel der Geschwister eingefallen, als sei sie Teil davon. Erst die Erwähnung der Browns holte die Mexikanerin ein kleines Stück in die Wirklichkeit zurück. Die Vertrautheit blieb jedoch und als würde sie der jungen Frau etwas bedeuten, sprach aus dem empörten Blick seiner Schwester tatsächlich eine Art Einvernehmen mit der Hure.
Bonnie ist noch jung, aber nicht jung genug, nicht auch schon ihre Erfahrungen gemacht zu haben, darauf würde ich wetten.
Die rothaarige Irin wirkte alles andere als affektiert und so wie sie mit Graham umsprang reizte sie mit ihrem Mundwerk und ihrem Temperament gewiss so manchen Burschen dazu sie zähmen zu wollen.
Angesichts dieser Front schien der Deputy zunächst sprachlos, doch Nevada erkannte rasch, dass darin keine Unsicherheit lag. Völlig gelassen überdachte er ihre Worte und legte die Ruhe an den Tag, die er schon in weit schwierigeren Situationen bewiesen hatte.
Noch vor wenigen Sekunden schien das Schicksal trostloser und kälter als die Winter hier in Wyoming, doch mit wenigen Sätzen veränderte der Gesetzeshüter alles. Was bin ich nur für eine Cretina! Der feige Gringo hat gar nichts gesagt! Soll er sich auch hüten.
Schneller noch als das Wetter in den Bergen schwang die Stimmung der Mexikanerin um und als Graham verkündete, er wolle ihr dann nachher ihre Sachen bringen stieß die Hure einen Laut aus, der irgendwo zwischen einem erfreuten Auflachen und einem erleichterten Ausatmen lag. Impulsiv machte sie einen Schritt auf Graham zu und hätte ihn beinahe stürmisch umarmt.
Anders als sie selbst wirkte der Gesetzeshüter nicht grade überschwänglich und als er ihr Vorhaben erahnte blickte er warnend zu den Passanten, die sie umgaben. So ließ die Hure die Hände wieder sinken und folgte für einen Moment dem Blick ihres Retters. Just in diesem Moment gingen ein gepflegt aussehender Mann und ein Mädchen, dass wohl seine Tochter sein musste vorüber, doch statt den Blick zu senken hob die Mexikanerin ihr Kinn noch ein wenig höher und nickte dann Graham zu, zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Sie stand nun dicht vor ihm und obwohl sie keineswegs beleidigt war und verstehen konnte, das er nicht so mit ihr gesehen werden wollte wich sie nicht zurück. Dann sagte er jedoch seiner Schwester, es werde nur einen Moment dauern und sie solle doch mitkommen, was Nevada stutzen ließ. Sie war nicht sicher, ob er damit seine Schwester necken wollte, aber auch im Scherz konnte er ihr wohl nicht antragen ein Bordell zu betreten. Wenn dem nicht so war, konnte das nur bedeuten, er erteilte ihr erneut eine Abfuhr, indem er klarstellte, dass er nur die Zeit mit ihr, einer Hure verbringen wollte, die nötig war, um ihr die Sachen auszuhändigen.
Vielleicht ist es ihm doch peinlich und er will nicht, dass seine Schwester auf den Gedanken kommt, er treibe es mit einer Hure?
Bonnie schien jedoch abgelenkt und da sie so dicht vor ihm stand musste sie sich nicht auffällig vorbeugen, damit der Deputy ihre geflüsterten Worte verstand. „Bringen sie besser Zeit mit. Ich finde das sollten wir feiern und uns amüsieren.“ Keck grinste sie Graham an und trat erst dann wieder einen halben Schritt zurück, so dass zumindest nicht schon von weitem Anstoß an ihrer Unterhaltung genommen werden konnte.
Bonnie, Graham und Nevada Eric und Sarah in einiger Entfernung, kommen dann aber dazu
Eric und Sarah hatten schliesslich das Haus verlassen, ihr neues Haus, welches beiden noch so fremd war und eine eisige Windböe liess nicht nur Sarah frösteln, was sie dann auch meinte, wie kalt es wäre- »Ja, ziemlich kalt. « antwortete Eric dann nur und schlug den Kragen seines Mantel hoch, nachdem er die Haustüre abgeschlossen hatte. Und auch er sah sich um, um sich zu orientieren. Er war zwar die Woche schon einige Male rumgekommen in dem Ort, um sich bei einigen Leuten vorzustellen, aber der Ort war ihm noch sehr neu und er musste sich für den Moment einfach orientieren. Er hatte Terry zwar auch schon in der Kirche und dann zu Hause besucht, aber noch lag alles so in einem dämmerigen Dunkeln und Hellem durch den Schnee, dass er sich eben erst einmal orientieren musste. Dabei fiel ihm dann auch dank Sarah diese kleine Gruppe Menschen in der Nähe auf. Er blinzelte zu ihnen hinüber. Zuerst waren sie etwas unscharf., Ob er wohl bald eine Brille brauchte, oder lag es einfach an der Luft, da er eben noch im Warmen war? Er erkannte aber niemanden wirklich, oder doch? Ja, doch, der junge Mann war der Deputy. Denn natürlich hatte Eric die Woche drauf nach John, seinem alten Freund und Lehrmeister gesucht und die Sheriffstation aufgesucht, doch statt auf John war er damals nur auf diesen jungen Deputy getroffen, dem er aber nicht erzählt hatte, dass er John von früher her kannte. Die beiden anderen Frauen kannte Eric nicht. Aber das war ja auch kein Wunder, so neu er und Sarah hier waren. Die beiden Frauen wirkten sehr unterschiedlich und doch eher einfach in ihrer Kleidung, doch bemerkte Eric sogleich die Frau, die wohl spanische Wurzeln in sich trug, wenn er sich nicht täuschte und die rötlichen Haare der anderen Jungen Frau waren ihm nicht neu.
Schliesslich bemerkte Eric, wie Sarah nach seiner Hand griff und er umfasste diese sanft. Und irgendwie freute es ihn, dass sie so viel Vertrauen hatte, auch wenn sie vielleicht nur nach seiner Hand griff, weil sie ängstlich oder unsicher war. Aber es freute ihn und er hielt ihre Hand fest, nicht zu fest, aber genügend, um ihr zu zeigen, dass er immer für sie da war. Ja, auch für Sarah war hier alles furchtbar neu, auch wenn sie schon seit einigen Tagen die Schule besuchte. Und Eric glaubte, wie Sarah die drei Fremden musterte, nicht sehr auffällig und doch auch nicht heimlich und er grinste innerlich. Gut, das Mädchen war neugierig, aber das wusste er ja schon. Mit Sarah an der Hand näherte er sich den dreien unauffällig auf der Mainstreet, denn er wollte nun auch nicht neugierig sein oder stören. Und er glaubte eh den Weg zur Kirche zu wissen, aber in diesem weissen, teilweise hohen Schnee sah alles gleich aus.
Und so blieb ihm nichts anderes übrig, auch von etwas Neugierde getrieben, sich der Gruppe zu nähern. Er versuchte vorher noch zui lauschen, weil er auch nicht stören wollte, aber irgendwie drang nur wenig zu ihm herrüber und dann waren er und Sarah auch schon nah genug dran und Eric räusperte sich höflich, um klar zu machen, dass er eine Frage hatte und setze dann auch kurz an, als er glaubte, die Aufmerksamkeit der drei Menschen auf sich gezogen zu haben. Irgendwie wirkte es zwar seltsam zwischen den dreien, aber Eric war nicht im Stande, dies zu deuten. Zu sehr wehte ihm der eisige Wind und der Schnee um die Ohren. Auch bekam er nicht wirklich mit, wie die dunkelhaarige etwas zu dem Deputy flüsterte, aber, wie die Rothaarige ein wenig in seine und Sarahs Richtung schaute. Da er keinen Hut tru, an den er mit einer Handbewegung einen Gruss anzeigen konnte, nickte er zum Gruss einfach allen dreien freundlich zu. »Verzeihen Sie, wenn ich störe. Wir sind gerade erst hergezogen. Eric Malone, mein Name und dies ist meine Nicht Sarah. Ich suche die Kirche. « Eric wusste wirklich zuerst nicht, welche Strasse er einbiegen hätte müssen, nutzte diesen kleinen Moment einfach aber auch aus, um weitere Bürger dieser Stadt kennen zulernen.
Occ: Ich kann am WE antworten, also damit ihr nicht denkt, ihr müsst dann warten und ich sehe dies hier dann auch nur als kurzes Zwischenspiel.*zwinker*
Bonnie, Graham und Nevada Eric und Sarah kommen hinzu
Beim Gehen hielt Sarah die Hand ihres Onkels so fest, wie sie es mit ihren kurzen Fingern konnte. Noch war alles an diesem Ort fremd für sie. Die Nähe ihres Vormunds zu spüren, half ihr dabei, ihr Unwohlsein zu bekämpfen. Die Häuser zu beiden Seiten der Straße schienen sie finster anzustarren... So hielt sie sich dicht bei Eric und hatte dabei ihre Puppe Josephine, die in ihrem Miniatur-Sonntagskleid wie eine kleine Ausgabe ihrer selbst aussah, fest an sich gedrückt. Mit Vorbedacht hatte sie sich allerdings die Hand Erics ausgesucht, an der sie ihn zwischen sich und den drei Fremden haben würde. Denn die erregten in ihr, im Gegensatz zu den Gebäuden, nicht nur Unbehagen, sondern auch Neugier. Vor allem die Frau mit dem rötlichen Haar. Durch den Körper des Erwachsenen halb und halb vor den Blicken der drei verborgen, schielte sie ihrerseits unter dem Schirm ihrer Haube hervor immer wieder hinüber zu ihnen.
Während die andere Frau und der Mann jedoch weder Eric noch seiner Nichte sonderliche Beachtung zu schenken schienen, schaute die Rote sie einige Momente lang an. Beinahe schien sie Sarahs Blick zu erwidern, und das Mädchen senkte rasch beschämt seine Augen. Sie fühlte sich von der Fremden ertappt bei etwas, von dem sie ganz genau wußte, daß es unhöflich war. Mama hatte es ihr wahrlich oft genug gesagt. Man starrte andere Leute nicht so aufdringlich an. Aber so deutlich ihr die Worte ihrer Mutter im Gedächtnis standen und so unangenehm es ihr auch war, sich ihrerseits den Blicken der Frau ausgesetzt zu sehen – es dauerte nicht lange, bis ihre Neugier wiederum gesiegt hatte und sie einen erneuten Seitenblick zu dem Trio wagte. Als solle die Versuchung für sie zusätzlich erhöht werden, führte Onkel Eric sie auch noch fast direkt auf die kleine Gruppe zu. Ihre Hand krampfte sich unwillkürlich noch etwas fester um seine, als er sich räusperte. Sie ahnte bereits, was er vorhatte, bevor er zum Sprechen ansetzte.
Und tatsächlich, sie hatte sich nicht geirrt: Onkel Eric sprach die drei fremden Menschen an! Sarah erstarrte an seiner Seite und senkte schnell wieder den Blick, bis sie von ihnen kaum mehr sah als ein Paar Stiefel und zwei Rocksäume. Erst als Eric sie vorstellte, hob sie notgedrungen wieder den Kopf und machte automatisch einen kleinen Knicks, wie man ihn von einem wohlerzogenen Mädchen gegenüber Erwachsenen erwartete, noch dazu am Sonntag. Dabei sah sie jedoch keinem der drei direkt ins Gesicht und blieb stumm. Im Gegenteil, sie preßte ihre Lippen fest zusammen, wie um zu verdeutlichen, daß man von ihr keinen Ton zu hören bekommen würde, solange sie – hoffentlich! – nicht direkt angesprochen würde. Nervös blinzelte sie einige Male, während sie verlegen neben ihrem Vormund stand, der so unbefangen mit den wildfremden Menschen sprach, die ihr ein wenig Angst machten. Nur einmal verirrte sich ihr Blick noch zu den roten Haaren der einen Frau und blieb für einen Moment daran hängen. Die schöne Farbe faszinierte sie derart, daß sie vorübergehend ihre Zurückhaltung vergaß und mit großen, neugierigen Augen schaute.
Graham, Nevada und Bonnie Eric und Sarah kommen dazu
Von dem plötzlichen Sinneswandel der Mexikanerin schien Graham bereits ein wenig verwirrt zu sein und der vorwurfsvolle Gesichtsausdruck seiner Schwester schien ihm den Rest zu geben, sah er sie doch ein wenig irritiert an und fragte, ob sie nicht eigentlich auf seiner Seite sein solle. Für gewöhnlich stimmte das natürlich. Aber manchmal konnte sie auch durchaus zugeben, wenn er Scheiße gebaut hatte. Doch Bonnies Sorge, dass Graham sich auf einmal auf die Seite von Leuten stellte, die allzu gerne ihre Macht ausspielten, war unbegründet. Er beruhigte Nevada und die kurze Spannung, die in dem Gespräch der drei aufgekommen war, legte sich wieder. So konnte sich Bonnie ungestört dem Mann und dem kleinen Mädchen zuwenden, die inzwischen langsam über die verschneite Mainstreet gingen.
Eine Bewegung aus dem Augenwinkel ließ sie jedoch zurück zu Nevada und ihrem Bruder gucken. Die Mexikanerin trat gerade einen Schritt zurück, nachdem sie Graham offenbar etwas zugeraunt hatte. Mit hellen Augen beobachtete sie kurz die Gesichter der beiden, versuchte herauszufinden, was gesprochen worden war, ohne, dass sie es gehört hatte. Doch Graham konnte seine Gedanken ebenso gut verbergen, wie sie selbst und an Nevadas Lächeln hatte sich auch nichts verändert, das einen Schluss zugelassen hätte, um was es gegangen war. Auf die Bemerkung, sie solle doch mitkommen, zuckte sie bloß mit den Schultern. Besonders reizen tat diese Aussicht sie nicht, aber etwas besseres hatte sie auch nicht zu tun. Aber vielleicht traf sie ja Victor oder Matt in der Kirche? Festlegen wollte sie sich dementsprechend noch nicht. Mal sehen, was sich so ergab.
Das Knirschen der Schritte im Schnee wurde lauter und es dauerte nicht lange, bis die beiden Personen nähergekommen waren, von denen die eine sie eben schon beobachtet hatte. Das kleine Mädchen an der Hand des Mannes starrte wie hypnotisiert auf seine Schuhe und hatte die Puppe fest an die Brust gepresst, der Mann, der vor ein paar Tagen schonmal in der Schneiderei gewesen war, stellte sich als Eric Malone vor und erzählte, dass er die Kirche suche. Die Kleine – Sarah – starrte noch immer auf den Boden, knickste aber, als sie vorgestellt wurde, eine Bewegung, die definitiv nicht zu Bonnies Repertoire gehörte und ihr deshalb einen neugierigen Blick einbrachte.
„Wir sind auch auf dem Weg zur Kirche, Mister“, erwiderte sie, bevor sie Graham vorsichtshalber noch einen fragenden Blick zuwarf. Stimmte doch, oder? Sicher war sie sich nicht. Sie gingen immerhin nicht mehr regelmäßig in die Kirche und wenn er hier schon mit Nevada herumstand. Vielleicht stand ihm der Sinn jetzt nicht mehr gerade nach der Sonntagspredigt? Bonnie wandte sich wieder Mr Malone zu, wobei ihr Blick auf dessen Nichte Sarah fiel, die sie geradezu anstarrte. Ein wenig irritiert trat sie von einem Fuß auf den anderen, runzelte die Stirn, während sie darüber nachgrübelte, was das Mädchen gestochen haben mochte, dass sie sie schon wieder beobachtete. Eben hatte sie doch auch schon zu ihr hinübergeschaut. Hatte sie noch was vom Frühstück im Gesicht? Sähe Graham ähnlich, ihr nicht Bescheid zu sagen. Mit dem Handrücken wischte sie sich über den Mund. Für alle Fälle.
Unter gesenkten Lidern warf sie dem Mädchen noch einen Blick zu. Sie sah aus wie eine größere Ausgabe der Puppe, die sie im Arm hielt. Konnte sie nicht sprechen? Bonnie konnte sich nicht erinnern, ein Kind getroffen zu haben, das so lange ruhig dastand. Schon gar nicht sie und Graham. Es sei denn, sie waren daheim gezwungen worden, in der Ecke zu stehen. Da hatte sich kein Muskel gerührt.
Graham, Nevada und Bonnie Eric und Sarah kommen dazu
So schnell wie das Missverständnis aufgekommen war, so schnell löste es sich wieder in Luft auf. Ein merkwürdiger Laut kam über Nevadas Lippen, den Graham nicht so ganz ein zu ordnen wusste und dann trat sie einen Schritt auf ihn zu und hob die Arme. Mehr aus Reflex heraus, hob Graham seinerseits die Arme ein Stück nach oben, weil die erste Reaktion war, sie zurück zu stoßen, bevor er ihr Vorhaben als das erkannte was es war. Eine Umarmung gar? Stumm verfluchte er sich für seine Fehlinterpretation und versuchte rasch das verräterische Verhalten zu überspielen. Rasch suchte er in Nevadas Gesicht nach einem Anzeichen, dass sie ihn durchschaut hätte, doch stattdessen beugte sie sich näher und nutzte den abgelenkten Augenblick von Seiten Bonnies, um ihm ein verheißungsvolles Versprechen zu geben. Graham hatte zwar wenig Ahnung, wie man sich amüsierte, außer wenn es Fusel, Poker oder eine Schlägerei beeinhaltete, aber er stellte fest, dass er bereit war es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
Ihre körperliche Nähe diente jedenfalls nach wie vor dazu, ihn zu verwirren. Manchmal mochte er sie nicht, dann wiederum lechzte er geradezu danach und er war es Leid, dass ihm sein Verstand ständig solche Streiche spielte. Alles was ihm zu sagen einfiel hätte zweideutig geklungen und er wagte zu bezweifeln, dass seine Schwester das noch hätte ignorieren können. Fragend fing er Nevadas Blick ein und ruckte mit dem Kinn kaum merklich in Bonnies Richtung, um dann mit den Achseln zu zucken, als wollte er sagen: „Vorher sollten wir aber mein Anhängsel los werden.“ Trotz der Bedrohung die über ihren Köpfen hing, musste er die Mexikanerin dabei ganz unvermutet schelmisch anlächeln. Die Vorstellung, was Bonnie wohl für ein Gesicht gezogen hätte, wenn sie seine Gedankengänge kennen würde, war einfach zu komisch. Zuvor hatte er sie noch mitschleifen wollen, aber langsam bekam er das Gefühl, dass das doch keine so gute Idee war. Vielleicht konnte er ja Matt überreden, eine Weile den Beschützer für Bonnie zu mimen. Wäre seinem Ruf als Frauenheld sicher nicht abträglich, den er so sorgsam pflegte und wenn Bonnie irgendwo sicher war, dann im Heim des alten Sheriffs.
„Is' schon 'ne Weile her, dass ich mal zu 'ner Feier eingeladen wurde. Scheint, als wär' ich schlechte Gesellschaft.“ warnte er sie dann nur halb im Scherz vor, gestand sich aber ein, dass er die Mexikanerin trotz ihrer zweifelhaften Geschichte und ihres wankelmütigen Charakters besser leiden konnte, als die meisten. So löste er mit einiger Verzögerung den Blick vom Antlitz Nevadas um sein Augenmerk auf die näherkommenden Schritte im Schnee zu richten. Er hatte den Mann und das Mädchen zwar schon zuvor bemerkt, ihnen aber keine sonderliche Bedeutung zu gemessen. Unwillkürlich verengte Graham die Augen, als er die beiden kurz von Kopf bis Fuß musterte und sich auch wenig Mühe gab, das zu verbergen. Es war unhöflich jemanden so direkt an zu starren und gerade deswegen eine gute Waffe. Nicht, dass die beiden ihm schon einen Grund gegeben hätten, sie nicht zu mögen, aber routinierte Feindseligkeit ließ sich nicht einfach ablegen. Bonnie kam dem Mann aber mit einer Antwort entgegen und Graham ruckte kurz mit dem Kinn, um an zu deuten, dass das tatsächlich der Wahrheit entsprach. Warum sie an dieser Angewohnheit festhielten, wussten sie beide nicht so genau, aber zumindest heute versprach der Kirchenbesuch ja etwas, war es doch der Einstand des neuen Reverends. Auch wenn Graham nicht daran glaubte, dass der Mann seinem Vorgänger an rigiden Einstellungen und harschen Strafandrohungen für Sünder irgendwie nachstehen würde. „Wir können Ihnen ja den Weg zeigen …. sin' aber allesamt Katholiken, weiß nich' ob sie an ihrem ersten Tag schon mit 'ner Bande von uns gesehen werden wollen.“ teilte er dem Mann spöttisch mit und hob herausfordernd das Kinn, als würde er den Mann still dazu drängen wollen, doch etwas abfälliges über ihre Glaubensrichtung zu sagen. Auch sie vor zu stellen vergaß er bequemerweise, obwohl er nur Minuten zuvor keinerlei Probleme damit gehabt hatte, als es um Nevada und Bonnie gegangen war.
Schon vorher war ihm aufgefallen, dass Bonnie und das Mädchen merkwürdige Blicke austauschten. Er konnte sich darauf zwar keinen Reim machen, konnte sich ein „Meine Schwester is' zwar 'ne echte Hexe, aber wär' mir neu, dass sie Leute verzaubern kann, wenn man sie anguckt, Kleine.“ nicht verkneifen. Warum das Mädchen so intensiv seine Zehenspitzen inspizierte wusste er nicht, es interessierte ihn aber auch nicht. Hatte vielleicht einfach nur am Morgen eine Tracht Prügel kassiert und war jetzt ein wenig durch den Wind, weil es sich kein neuerliches Fehlverhalten leisten konnte.