„Ich weiß nicht, wen wir fragen müssten“, antwortete Bonnie und hob beide Schultern. Woher sollte sie das auch wissen, immerhin wäre das der erste Umzug in eine leerstehende Wohnung oder gar einem Haus. Aber auch in ihr kam die Sorge auf, dass jede hübsche Wohnung so teuer gemacht werden würde, dass sich die Geschwister die vier Wände nicht leisten konnten. Da war doch ein Baufälliges Haus, das ohnehin zu viel Geld kosten würde, wenn die Stadt es renovierte, vielleicht sogar noch die realistischere Variante. Heute schien Graham seine Schwester glücklich machen zu wollen, denn er schlug vor, gleich zum leerstehenden Haus in der Mainstreet zu gehen. „Das ist eine großartige Idee, Bruderherz!“, meinte sie freudestrahlend und ließ sich nur zu gern von ihrem Bruder ziehen, „Vielleicht solltest du deinen Kopf doch öfter einsetzen...“ Das Lächeln auf ihren Lippen schien gar nicht mehr verschwinden zu wollen. Jeder, der sie so sehen würde, würde sie vermutlich gar nicht wieder erkennen.
Mit einem Satz war der Rotschopf ihrem Zwilling auf den Rücken gesprungen und klammerte ihre Beine um seine Mitte, die Arme legte sie um seinen Hals. Ihren Kopf lehnte sie so an seinen, dass ihre Wange seine wärmte. „Los, schneller, Debuty!“, flüsterte sie in sein Ohr und spürte die Kälte unter ihrem Rock ihre Beine hinauf wandern. Doch einen so ausgelassenen Tag wie heute, hatte sie ewig nicht mehr gehabt und das musste sie einfach ausnutzen. Wer wusste schon, wann sie sich je wieder so gut fühlen würde. Spätestens wenn die Nacht begann, würde sie sich unruhig in den Schlaf wälzen und dann vielleicht noch von den Geräuschen der Zimmernachbarn geweckt werden. Wenn der Schlaf sie dann endgültig hatte, würde sie nur schlecht träumen.
„Ich könnte neben der Arbeit auch noch privat Dinge flicken und nähen... Als Nebenverdienst. Es wäre nicht viel, weil ich weniger nehmen müsste, als in der Schneiderei um überhaupt an Kundschaft zu kommen, aber es wäre ja besser als nichts. Und vielleicht ist es ja gar nicht so teuer... Aber wir müssen ja auch nicht alles auf einmal erneuern. Es reicht ja den Winter über erst mal ein Zimmer für uns. Und dann bauen wir langsam aus.“ Das Mädchen drückte sich fest an ihren Bruder, der Einzige, von dem sie sich tragen ließ. Nur von ihm wusste sie, dass er sie niemals fallen lassen würde.
Abigail und Ben vom Gästehaus Richtung Telegraphenamt unterwegs
In regelmäßigen Abständen stiegen Wölkchen von Bens Mund und Nase auf, gleichen Takt mit seinen Schritten haltend. Er schritt zunehmend weiter aus, auch wenn er sich nach wie vor langsam bewegte, um Miss Abby einen möglichst bequemen Transport zu bescheren. Auf dem Gesicht des großen Mannes lag noch immer ein seliges, leicht abwesend wirkendes Lächeln, wie man es ansonsten höchstens von einem Säugling hätte sehen können, der satt und zufrieden mit der Welt war. Er sprach während des Weges nicht, was weniger daran lag, daß ihn seine Angebetete sonderlich belastet hätte. Ihr Gewicht spürte er kaum. Doch seine Gedanken waren vorausgeeilt – nun zumindest vorausgewandert, zu seiner Werkstatt, seinem eigenen Heim, das er ihr zeigen wollte. Stolz erfüllte ihn, und er begann sich bereits einige Sätze zurechtzulegen, mit denen er sie in die einzelnen Räume führen könnte. Da er gleichzeitig auf den Weg zu achten hatte, blieb ihm einfach keine Zeit mehr übrig, sich auch noch über Konversation den Kopf zu zerbrechen. Er nahm noch nicht einmal bewußt wahr, wer ihnen auf ihrem Weg begegnete, oder ob ihnen überhaupt jemand entgegen kam. Und das war ihm im Moment auch gar nicht wichtig. Er schwelgte in der Situation, wie er sie sich schon lange herbeigeträumt hatte, und damit war er vollkommen ausgelastet und glücklich. Es gelang ihm schließlich sogar, das vage Gefühl von Unbehagen zu überwinden, das ihn kurz überkommen hatte, als er sich der körperlichen Nähe zu Miss Abby bewußt geworden war. Für einmal mehr konnte er ihre Schönheit in völliger Unschuld genießen, ohne das nagende Empfinden im Hinterkopf, das seine Blicke immer wieder auf ihre Bluse oder ihr Hinterteil lenkte.
Als sie unvermittelt zu ihm sprach, mit ihrer glockenhellen Stimme, und dabei kicherte, brauchte er erst einige Augenblicke, um zu verarbeiten, was sie überhaupt gesagt hatte. Daher lächelte er sie zunächst einmal einfach an. Auf seinen Zügen strahlte ein breites Lächeln. Und es vertiefte sich sogar noch, nachdem er ihre Worte richtig erfaßt hatte. Sie hatte eine Bemerkung über seine Stärke gemacht! Für gewöhnlich fiel ihm gar nicht auf, um wieviel mehr Kraft er besaß als gewöhnliche Männer. Für Ben war es einfach normal, kleine Fäßchen mit einer Hand anheben zu können, die andere nur mit beiden Händen vom Boden bekamen. Es war aus seiner Sicht nichts besonders und half ihm im Alltag keineswegs, sich mit der Tatsache abzufinden, daß er im Gegenzug geistig so ziemlich jedem, den er kannte, weit unterlegen war. Seine Dummheit und die Verachtung der Klügeren für ihn, die taten weh. Doch auf seine Muskeln stolz zu sein, war ihm noch nie in den Sinn gekommen. Jetzt allerdings dämmerte ihm, daß es Miss Abby vielleicht gefallen könnte, wie kräftig er war. Mädchen mochten so etwas an Männern, oder nicht? Er wagte ein verlegenes Grinsen und murmelte ein leises "Meinste, Miss Abby..? Na ja, is wohl so..." Sein Gesicht bekam rote Flecken, während er sich unwillkürlich noch etwas weiter aufrichtete. Ein warmes Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Es gefiel Miss Abby! Er gefiel ihr..! Es hätte ihn gereizt, ihr nun auch etwas Nettes zu sagen, doch er spürte, er hätte in diesem Moment vor lauter Aufregung viel zu sehr gestottert und damit den guten Eindruck am Ende vielleicht gar ruiniert. Und es fielen ihm auch nicht die rechten Worte ein, um auszudrücken, was er ihr hätte sagen wollen. Du bist noch viel schöner, als ich stark bin..? Nein, das klang selbst in seinen Ohren irgendwie... komisch. Also begnügte er sich damit, sie stumm anzulächeln und ihr Kichern mit einem leisen Glucksen und Lachen zu erwidern. Ben strahlte.
Abigail und Ben vom Gästehaus Richtung Telegraphenamt unterwegs
Es kostete Ben, wie eigentlich immer, einige Augenblicke bevor er reagierte. Sein Kopf arbeitete nunmal nicht so schnell wie der anderer Menschen. Wenn er in Gedanken gewesen war, würde es eben seine Zeit brauchen bis er wieder hier bei ihr war und auf ihren Kommentar eingehen konnte. So einfach. Das Strahlen auf seinem Gesicht war ein deutliches Zeichen das er wieder hier war, seine Gedanken sortiert bekam und es wurde sogar noch tiefer. Abby nahm das so auf das er nun gänzlich verinnerlicht hatte was sie gesagt hatte und es gefiel ihm ganz offensichtlich. Seine Erwiderung war knapp, unsicher und ausweichend, so wie sie es im Grunde erwartet hatte. Sie wollte sich das eigentlich nicht eingestehen, aber die Leichtigkeit, mit der Ben sie hochgehoben hatte und nun trug, war schon beeindruckend. Bens Gesicht bekam wieder rote Flecken, wie immer wenn er schöne Worte bekam. Da waren sie sich ja nicht so unterschiedlich. Ob Ben realisierte, das es Abigail sehr wohl gefiel, wie stark er war? Das es eine seltsame Wirkung auf die kleine Frau hatte, das Ben sie so leicht durch die Gegend tragen konnte?! Die selbe Wirkung, die dafür sorgte das ihr der im Grunde sehr peinliche Moment, immerhin wurde sie hier wie ein Kind durch den Ort getragen, gar nicht mehr so peinlich erschien und ihr vielmehr das Gefühl gab etwas ganz besonderes zu sein? Ein Gefühl das Abigail in der Form nicht kannte oder nur sehr sehr selten gefühlt hatte. Schon verrückt. Da kehrte sie nach Jahren wieder an den Ort zurück an dem ihre Wurzeln lagen und traf hier ihren alten Schulfreund und von all den Männern die ihr in ihrem Leben begegnet waren, schaffte es dieser, ja sie musst es schweren Herzens so sagen, dumme Mann es, ihr diese Gefühle zu vermitteln. Ben schaffte das, was all die gebildeten Herren nicht geschafft hatten. Diesen kleinen Funken zu erwecken, der ihr eben genau dieses Gefühl gab nicht nur die einfache Töpferin zu sein. Ben war nicht das, was man einen hübschen Mann nennen würde. Ihm fehlte der ergraute Charme des Sheriffs, die Eleganz oder Klasse die der Arzt ausstrahlte oder die Selbstbewusstheit des Majors. Ihm fehlte das sympatische Lächeln, das der ehemalige Sheriff, McKay auflegen konnte. Im Grunde fehlte Ben alles. Charme, Intelligenz, Bildung aber er hatte Werte die für Abby soviel mehr bedeuteten. Er war warmherzig, er war gütig, er war sanft und trotz allem stark, entschlossen und er wusste was er wollte.
Ben fehlte vielleicht die Raffinesse, sich mit Geschick und Klasse die Dinge zu holen die er wollte und unterm Strich sah er seine Karriere hier wohl auch ein gutes Stück zu einfach. Der Wille hart zu arbeiten war da aber das alleine würde nicht reichen. Es war die Basis zum Erfolg, sicher, aber es gab noch soviels zu beachten und zu bedenken und jemand wie Ben, so aufrichtig und ehrlich, so lieb, würde unter den Wölfen der Stadt zugrunde gehen, ohne jemanden an seiner Seite. Abigaile ertappte sich dabei , wie sie sich einen Momen lang selber in dieser Rolle sah. Die kleinen Fantasien die Ben schon die ganzen Jahre lebte. Es war nur ein kindliches Versprechen gewesen, ein Spiel und dennoch hatte der grosse Mann es all die Jahre als echt und binden angesehen. Jetzt, auf seinem Arm, konnte sie darüber das erste Mal wirklich nachdenken. Der Mann hielt ihr seid Jahren, einem Jahrzehnt die Treue und das obwohl sie nichtmal getraut waren. Konnte es eine ehrlichere Seele geben? Je öfter sie auf Ben herumdachte umso öfter stellte Abigail fest das sie nicht nur auf ihm herumdachte sonder auch an ihn dachte. Aber sie fühlte auch, das es wohl noch eine Weile dauern würde, bis sie diese verbliebene, innere Hürde überwunden haben würde, bevor sie Ben vollends akzeptieren konnte und mit sich selber im reinen sein würde, ihn als Gatten in Erwägung zu ziehen. Der Zwist zwischen Kopf und Herz, denn im Herzen wusste sie es schon eine Weile, fühlte sie es schon eine lange Zeit. Eine Tatsache, der sich ihr Kopf noch immer wehement gegenüber verschloss. Ben strahlte und Abigail tat es ihm gleich. Weit konnte es ja eigentlich nicht mehr sein zur Stellmacherei und sie wurde neugieriger, was Ben da wohl geschaffen hatte, je näher sie dem Haus kamen.
Jason neben Maureen mit Ian u. Colleen auf der Kutsche, Richtung Saloon unterwegs
Maureens Blick nahm gleich wieder einen misstrauischen Blick an, als Mr. Burnett laut erwähnte, dass er sich nicht unbedingt für einen Mörder hielt, denn daran würde er sich ja bestimmt erinnern. Da war sich Maureen überhaupt nicht so sicher. Und wirklich witzig fand sie diese Worte auch nicht unbedingt, obwohl Ian und Coleen leise kicherten und Mr. Burnett deutlich machte, dass er scherzte. Sie ließ die Kinder gewähren, denn ein entsprechendes Eingreifen hätte sie sicher verunsichert. Sie beließ es bei ihrem Blick, den sie alleine auf Mr. Burnett richtete, ehe sie sich wieder auf die Straße konzentrierte. Der Saloon war dank der Kutsche auch gleich erreicht. Nur ein Pferd konnte sie davor nicht sehen. Der ganze Saloon schien zur Abwechslung einmal geschlossen zu haben, was Maureen verdächtig erschien. Seit sie in Camden Village lebte, hatte der Saloon rund um die Uhr die ganze Woche über geöffnet gehabt. Merkwürdig... und das Pferd? Hatte Mr. Burnett sie doch angelogen? Scheinbar lag sie jedoch falsch, denn Mr. Burnett wirkte selbst ein wenig irritiert. Er hatte mit dem Pferd gerechnet. Der Gedanke ließ Maureen sich ein wenig entspannen. Und als er sie bat kurz zu warten, nickte sie sogar. "Wir warten. Zehn Minuten. Nicht länger," auch wenn sie vermutlich auf die Hilfe dieses Mannes angewiesen war, wollte sie nicht unnötig in dieser Kälte herumsitzen müssen. Zur Not würden sie es auch alleine nach Hause schaffen. Bei ihren Worten hatte sie die Zügel gezogen und brachte die Kutsche vor dem Saloon zum Stillstand.
"Na, das reicht wohl." Mit einem Satz hopste Jason vom Bock und unterdrückte einen Fluch, als er trotz des Schnees sein geprelltes Knie erneut deutlich spürte. Das würde er sich wohl doch noch in Ruhe ansehen müssen. Es war zwar keine schwere Verletzung und er wollte sich von dieser auch nicht über Gebühr beeinflussen lassen, aber er musste schließlich wissen, wie er damit am Besten fertig werden würde. Eine Verschlechterung des Zustandes kam für ihn überhaupt nicht in Frage. Dem galt es wohl vorzubeugen, aber das konnte er kaum mal eben so zwischendurch. Kurz drehte er sich noch einmal zu der resoluten Mrs. Callahan um, da er glaubte sich verhört zu haben. Ihren Ton interpretierte er schon so, als ob sie der Meinung wäre, er habe ihre Hilfe nötiger, als sie die seine. Das war selbstverständlich völlig abwegig, so abwegig gar, dass er nicht darauf einging. Er brauchte nicht mit Mrs. Callahan reiten -nicht um seinetwillen, aber er würde dies tun - um ihretwillen. Die in ihm aufsteigende Empörung überlagerte das verdrängte Wissen, dass er sehr wohl die Hilfe einer erfahrenen Frau und Mutter bezüglich seines Knies ebenso brauchen konnte, wie einen Gelegenheitsjob, der ihm zwar nicht viel Geld, aber doch wenigstens ein Dach über dem Kopf einbringen würde, bis er seiner Arbeit als Kopfgeldjäger wieder nachgehen konnte. Zielstrebig ging er nun auf den Saloon zu und verschwand in dem schmalen Spalt zwischen den Häusern. Er brauchte in der Tat nicht länger als knapp zehn Minuten, um zu satteln, die Trense anzulegen und Black Jase von hinten kommend auf die Mainstreet zu führen. Erst als er in Höhe der wartenden Kutsche ankam, schwang er sich in den Sattel und hielt sich in Höhe des Bockes. "Ich wäre so weit, Mrs. Callahan."
"Wollen wir es hoffen," stellte Maureen neutral fest und sah Mr. Burnett dabei zu, wie er vom Kutschbock zu Boden sprang. Gemessen daran wie er vorhin das Gesicht unter Schmerzen verzogen hatte, sicher keine angenehme Aktion. Seinen Blick quittierte sie mit einem, der deutlich sagte 'Ja was denn?', ehe sie ein durchaus charmantes Lächeln zeigte.
Während sie nun zum Warten verdonnert waren, sorgte sie dafür, dass Ian und Coleen ordentlich in ihren Decken eingehüllt waren. Nicht auszudenken wenn sich einer der beiden einen Schnupfen einfing, oder Ohrenschmerzen. Sie konnte kaum Zeit erübrigen mit den Kindern zum Arzt zu fahren. Dazu mussten sie wohl von nun an nach St. Johns, denn Dr. Leigh war nicht mehr am Ort. Also mehr Zeit, die verschwendet werden würde. Ganz zu schweigen davon, was dieser Arztbesuch kosten würde. "So, ihr seid mir jetzt die Fahrt über so brav wie möglich. Keiner stellt Mr. Burnett eine Frage. Der Mann ist uns völlig unbekannt und geht uns auch überhaupt nichts an. Der erste, der ein Piep von sich gibt, kann zu Hause was erleben," verwarnte sie ihr beiden jüngsten mit strengem Blick und ließ sich mit einem sehr raschen Kopfnicken der beiden abspeisen. Die Warnung war deutlich gewesen und beide wussten, dass Maureen keine leeren Versprechungen machte. Im Grunde wollte sie nur vermeiden, dass Mr. Burnett sie und die Kinder für unerträgliche Leute hielt, die neugierig alle ausfragten, aber selbst nichts preis geben würden. Sie hatte so hart darum gekämpft, dass ihr Ruf einigermaßen gut war, da wollte sie nicht unnötig auffallen. Reichte schon, dass sie einen blutverkrusteten, empfindlich schmerzenden Mundwinkel hatte und ein Kinn, dass sich ziemlich geschwollen anfühlte. Mr. Burnett hatte darüber kein Wort verloren, was nicht hieß, dass er sich seinen Teil dachte... irisch, saufender Ehemann, der prügelte.. nun ja besser er dachte das von ihr, als das sie von ihrem Sohn reden musste, der dafür verantwortlich war. Als katholische Iren hatte man es in diesem Land einfach nicht leicht. Ganz gleich wie lange man schon hier lebte und wie sehr man sich Amerika als Heimat verbunden fühlte. Ihre Kinder noch mehr als sie.
Sie besaß natürlich keine Uhr und hatte daher absolut keine Ahnung ob Mr. Burnett fünf, zehn, oder zwanzig Minuten weg gewesen war, als er wieder auftauchte. In Begleitung eines Pferds. Was sie natürlich beruhigte und sie erst einmal an seine Glaubwürdigkeit denken ließ. Als er sich in den Sattel geschwungen hatte, bekundete er bereit zu sein und Maureen nickte ihm zu. "Sehr schön. Wir wären fast festgefroren," sie knurrte die Worte, grinste aber dazu, weil sie sie nicht ernst meinte und gab die Zügel, damit die Kutsche losruckeln konnte. "Dann wollen wir mal. Iss'n langer Weg, Sir. Sind sie denn schon vor Längerem in Camden Village angekommen?"
Stevie, Martin und Selina Vom Gästehaus in Richtung Postkutschenstation
Die Sache verselbstständigte sich ohne das Stevie es hätte verhindern können. Ihre Helfer dachten überhaupt nicht daran nach Hause zu gehen und den Restsonntag gemütlich ausklingen zu lassen. Sie wollten mitkommen? Nur wohin? Stevie war völlig von den Socken. Der Tross setzte sich in Bewegung und Stevie stieg aus dem Sattel, um mit den beiden laufen zu können. Im Prinzip war ihr weiterer Plan nur gewesen die Pferde bei der Postkutschenstation abzugeben und anschließend ein frisches Pferd für Mrs. Alcott zu besorgen und zum Gästehaus zurückzukehren. Die restlichen Fahrgäste sowie die Kutschmänner der verunglückten Postkutsche hatte sie der Organisation der Postkutschenstation überlassen wollen. Doch Mr. Tanner und Miss Tucker waren Feuer und Flamme selbst dorthin zu reiten und nachzusehen wie sie helfen konnten. Stevie zweifelte, ob sie sich so einfach aus der Sache ausklinken konnte ohne dabei egoistisch zu erscheinen. Während sie mit ihren beiden Helfern die Mainstreet entlang lief, die Pferde geführt am Zügel hinter ihnen, suchte Stevie nach den richtigen Worten. „Ihre Hilfsbereitschaft ehrt mich.“ begann sie behutsam, „aber es ist wirklich nicht notwendig, dass Sie bei diesem Wetter ebenfalls unterwegs sind. Ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen, dass ich nicht vorgehabt hatte wieder zu den restlichen Fahrgästen zurückzukehren.“ Sie sah ihre beiden Begleiter an. „Nicht, dass ich den übrigen Personen nicht helfen möchte, aber ich dachte ich sage dem Mann auf der Postkutschenstation hier in Camden Village Bescheid und er regelt das dann. Oder habe ich mir das zu einfach vorgestellt?“ fragte sie ihre beiden Begleiter. „Mein Problem ist nämlich, dass ich eigentlich in einer knappen Stunde wieder hier am Gästehaus verabredet bin. Ich müsste drei der Fahrgäste, die mich zu Pferd in die Stadt begleitet haben, weiter auf ihre Ranch begleiten. Und bekanntlich kann man nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.“ grinste sie während man weiter die Straße hinunter lief. „Deswegen denke ich nicht Miss Tucker, dass sich ein Umziehen lohnen würde. Die Postkutsche muss erst wieder fahrtüchtig gemacht werden und die restlichen Fahrgäste vielleicht mit einer Ersatzkutsche geholt werden.“ Stevie war es reichlich unangenehm die beiden in ihrem Vorhaben auszubremsen. Doch was würde Mrs. Alcott als ihre frischgebackene Chefin dazu sagen, wenn sie erfahren würde, dass Stevie es zugelassen hatte zwei weitere Personen in diese Kälte hinaus zu schicken. Der Schneefall war stärker geworden und es war wirklich bitterkalt. Stevie konnte und wollte nicht zulassen, dass die beiden bei diesem Wetter unterwegs waren. Nebenbei passierte man weitere Passanten die auf der Mainstreet unterwegs waren. Hier und da auch eine Pferdegespann. Stevie kannte jedoch niemanden, zumal bei solch einer Kälte sowieso jeder darauf bedacht war schnell von A nach B zu kommen. Das übliche fröhliche Grüßen beschränkte sich an solchen Tagen meist auf ein knappes Nicken, wenn überhaupt.
pp - Mainstreet // Twin Falls // Vor dem Gästehaus
Stevie, Martin und Selina Vom Gästehaus in Richtung Postkutschenstation
„Aber sicher, Mister Tanner.“, entgegnete die Schmiedin lächelnd. Nach einem Notfall klangen seine Worte nicht, vielleicht war es auch eher darauf ausgelegt, dass er früher oder später sowieso mit seinem Pferd wieder zum Schmied musste. Würde sich ja mit der Zeit ergeben. Jetzt galt es erst einmal, Miss Hall beim Wegbringen der Pferde zu helfen. Die Frau sah selbst ein, dass ihr viel Zeit verloren gegangen war, doch daran konnte man nun auch nichts mehr ändern. Passierte eben, besonders bei Wetter wie diesem. Miss Hall stieg dann ebenfalls von ihrem Pferd ab und zu dritt führten sie die Tiere die Main Street entlang in Richtung der Postkutschenstation. Auf die erklärenden Worte der Rothaarigen musste Selina sich ein Grinsen verkneifen und sie schüttelte sachte den Kopf. „Sie sind hier in Camden und nicht in San Francisco, Miss Hall.“, setzte sie mit gutmütigem Lächeln an, „Hier gibt es nur eine Postkutsche. Ganz so einfach, wie Sie es sich vorgestellt haben, wird es also nicht werden.“ Dann erzählte sie jedoch weiter und Selina erinnerte sich zurück an die Gäste, die sie kurz bei der Rezeption im Gästehaus gesehen hatte. Sie hatte ihnen gar nicht weiter Beachtung geschenkt, außer einem grüßenden Nicken, da alle gerade in ein sehr angeregtes Gespräch mit Miss Farley vertieft waren. Aber hatte sie nicht zwei Frauen und einen kleinen Jungen gesehen? Das waren vermutlich die drei Personen, von denen Miss Hall sprach. Auf welche Ranch wollte dieser Tross sich bei diesem Wetter wohl wagen?
Erst jetzt im Nachhinein fiel Selina auf, dass es sich eigentlich nur um Mrs. Alcott handeln konnte. Das würde auch mit der Richtung, aus der die Postkutsche kam, hinkommen und zu den drei Personen passen, die sie im Gästehaus gesehen hatte. Was machte die berühmt-berüchtigte Ice Queen denn bei einem solchen Sauwetter im bescheidenen Camden? Nicht, dass Selina etwas gegen sie hatte. Wirklich kennen tat sie die Frau auch nur vom Hören-Sagen. Aber man redete eben eine Menge über sie und auch die Tatsache, dass sie eine ganze Menge Farmland rund um St. Johns besaß, sprach für sich. Und dass die werte Mrs. Alcott mit all ihren Ländereien und ihrer ausgeprägten Viehzucht sogar so langsam Warren zu schaffen machte (was dieser aber weder in diesem, noch in irgendeinem anderen Leben jemals zugeben würde), war wie das Tüpfelchen auf dem i. Die Frau war jedenfalls nicht verkehrt.
„Sagen Sie, Miss Hall, sind Sie in Begleitung von Helen Alcott gereist?“, fragte die Schmiedin schließlich, nachdem ihr all diese Gedanken durch den Kopf gegangen waren. „Dann sehe ich doch noch Hoffnung, denn Sie sind demnach sicherlich mit der Postkutsche aus St. Johns gekommen. Die hiesige Postkutsche steht demnach völlig unversehrt in der Station und Ihr Plan könnte sogar aufgehen.“, meinte sie mit einem Zwinkern. „Wenn Sie wollen, kann ich Sie aber noch bis zu den Ställen begleiten. Dort sollten Sie auf jeden Fall Pferde für ihren Trip kriegen.“ Von Miss Hall sah Selina weiter zu dem Dritten im Bunde: „Mister Tanner, dort wäre auch der richtige Platz, falls Sie eine Unterkunft für Ihr Pferd suchen.“ Bei diesem miesen Winterwetter konnte das arme Pferd schließlich nicht im Windschatten des Saloons stehen.
''Ma'am, wir sind da. Das hier ist Camden Village.'' sagte der Mann, der seinen Wagen lenkte. Seine Ehefrau die neben ihn saß, sagte dann: ''Wenn sie zum Saloon oder Gästehaus wollen, müssen sie zu Fuß gerade aus weiter. Denn ich und mein Mann müssen die Lake Street durch zur Kirche, um auf dessen Friedhof dem Grab meiner verstorbenen Mutter zu besuchen.'' Cath hatte in St. Johns keine andere Wahl, die Postkutsche nach Camden Village verpasste sie, erfuhr auch das nur eine einzige dorthin fuhr. Aber dann traf sie dieses Ehepaar, die nach Camden Village wollten. Und so ließ sie sich mitnehmen.
Camden Village, hier also lebte Megan vermutlich. Die hoffentlich letzte Spur ihrer Schwester, denn sie hatte einen langen Weg hinter sich. Sie musste von Boston nach New York, von dort aus nach Cheyenne und danach schließlich von da aus nach Camden Village. Das waren wirklich anstrengende Tage aber Cath dachte nicht daran aufzugeben. Vor dem Tod ihres Ehemannes Michael hatte sie nie gedacht, das sie Megan wiedersehen wollte. Joanna lebte in Europa und Megan blieb die einzige Wahl. Der Wagen hielt an und der Mann wandte sich zu Cath. ''Ma'am, sie müssen aussteigen, ich helfe ihnen.'' Cath schaute sich dann die Straße und Häuser an, dann griff sie ihre Sachen. ''Danke Mister, ich wünsche ihrer Frau und ihnen alles Gute.'' Nachdem der Mann ihr beim Aussteigen geholfen hatte und Cath sich verabschiedete, sah sie nachdem das Ehepaar mit dem Wagen abbog, wieder die Straße an. Es waren wenige Passanten unterwegs und eigene Männer sahen sie an. Kein Wunder, Cath sah schon sehr ansehnlich aus und man merkte ihr kaum die Strapazen der letzten Tage an.
Und hier soll meine Schwester sein, dieser Ort schien fast Tod zu sein. Ach Michael, wieso hast du mich so so früh verlassen. Sie wischte sich noch eine Träne aus ihren Gesicht, schnappte sich ihr Gepäck. Ein Mann, dessen Alter vermutlich Anfang dreißig war trat an Cath heran. ''Was will eine schöne Frau wie sie in langweiligen Camden?'' Cath schaute ihn leicht genervt an aber lächelte freundlich. ''Ich bin auf eine Geschäftsreise, könnten sie mir sagen, wo ich denn den Saloon oder das Gästehaus finden kann?'' Der Mann blickte dann die Straße entlang und zeigte die Richtung. ''Einfach die Straße entlang, aber beim Saloon werden sie warten müssen. Es hatte geschlossen, als ich daran vorbei ging. Im Gästehaus werden sie wohl mehr Glück haben, dort ist der Empfang wegen unserem neuen Reverend. Wollen sie das ich sie begleite?'' Cath schüttelte den Kopf. ''Nicht nötig, ich finde schon selbst dem Weg dorthin. Danke.'' Die Unterhaltung war jedenfalls zu Ende als eine andere Männerstimme erklang. ''Dave!'' rief dieser. Der Mann der sich mit Cath unterhielte entschuldigte sich und rannte zur der Richtung aus dem der Ruf kam.
So langweilig ist es hier auch nicht. Dave sagte das der Saloon geschlossen sei, ich schau dort aber trotzdem vorbei. So machte sich Cath auf dem Weg zum Saloon. Sie wusste nicht, ob sie Megan hier wiedersah oder in einer anderen Stadt. Aber sie wollte dies heraus finden. War ihre Schwester nicht hier, so musste Cath dann weiterreisen, bis sie Megan fand und ihr alles erzählen konnte, warum sie auf ihre Briefe nie antwortete und sie nun seit Jahren Wiedersehen wollte.
tbc: [Mainstreet / Saloon] - Vor und hinter dem Saloon
Stevie, Martin und Selina Vom Gästehaus in Richtung Postkutschenstation
Martin lächelte bei Miss Tuckers Worten zurück und dann machten sich alle auf dem Weg. Miss Hall schien die Sache wohl anders zu vernehmen als es war. Hatte Martin dies richtig gehört? Sie wollte nicht, das man die anderen Fahrgäste bei dem Wetter rettet? Sondern lieber die Sache der Postkutschengesellschaft überließ. Aber dies hatte auch einen Grund, Miss Hall war verabredet und das schon in einer knappen Stunde. Martin wusste nicht wie weit die Postkutsche im Umland von Camden Village verunglückte, aber Miss Halls Begründung klang wirklich ernst. Die Bergung musste also schnell gehen, damit Miss Hall rechtzeitig zur ihrer Verabredung kam. Die Sorge von Miss Hall verstand Martin schon. Sie hatte schon ohnehin viel Zeit verloren und der Himmel, als Martin erneut hinauf sah, war nun Grau. Es war eine Frage der Zeit bis der Schneesturm begann, selbst Martin als erfahrener Spurenleser konnte nichts viel machen. Und es gab noch ein Problem, es gab nur diese eine Postkutsche im Camden Village und es damit also nicht einfach war, wie Miss Tucker erklärte. Die Frau lebte hier schon länger, so wie es schien.
Dann ging es um eine Mrs. Helen Alcott, dem Namen hatte Martin doch einmal gehört. Er war zwar seit heute in Camden Village aber das hieß nicht das er Wyoming nicht kannte. Diese Viehbaronin, auch Hexe genannt, hatte wohl auch hier ihre Finger im Spiel. Sie wollte anscheinend ihr Land vergrößern, soviel dachte sich Martin, für was war die Frau sonst hier? Dann sprach Miss Tucker Martin an. ''Mein Pferd ist in einem Stall, hinter dem Saloon aber trotzdem danke, werde darauf zurück kommen.'' Fast monoton sprach er die Worte, aber lächelte alles runter. Dann wandte sich Martin Miss Hall zu. ''Miss Hall, wie viele Fahrgäste ließen sie bei der Kutsche zurück?''
Jason zu Pferd, Maureen, Ian u. Colleen auf der Kutsche vor dem Saloon
"Oh, in dem Fall sollten wir wirklich aufbrechen, Ma'am." Jason quittierte das Grinsen Mrs. Callahans mit einem angedeuteten Tippen an die Hutkrempe, bevor er Black Jase antrieb. Ihren Worten nach lag ein langer Weg vor ihnen, so dass Jason hoffte, man werde ihn im Dunkeln nicht mehr wieder fort schicken. Er würde schon dafür sorgen, dass man ihn auf der Ranch für unentbehrlich hielte! Ein bisschen Helfen hier und dort, reparieren, was schon lange liegen geblieben war und ein wenig Honig würden schon dafür sorgen, dass er bleiben durfte! "Nein und ja." Jason seufzte, denn die Frage nach seiner Ankunft in Camden Village war nicht leicht für ihn zu beantworten. "Ich bin erst seit heute Morgen wieder in der Stadt. Tatsächlich habe ich mein halbes Leben im Umland Camden Villages verbracht, zumindest steht's in meinen Papieren - und dann muss es ja wohl ebenso stimmen, wie mein Name darin, nicht?" Jason zuckte die Achseln, denn verbinden tat er mit seinem Namen, Jason Burnett, genauso wenig, wie mit den Angaben zu seinem Geburtsort. Er verband damit weder Erinnerungen noch Gefühle. "Ich habe vor etlichen Jahren einige Zeit auf der Farm der Marones gelebt? Kennen Sie sie?" Jason hielt Black Jase zurück, während die Kutschpferde anzogen. Ruckelnd setzte sich die Kutsche in Bewegung. Der geübte Kopfgeldjäger in ihm ließ Jason seine Aufmerksamkeit einer Frau zu, die auf den Saloon zu gehen zu wollen schien. Sie war hübsch, für Jasons Geschmack zu hübsch, um alleine durch Camden Village umher zu spazieren. Camden Village wr zwar recht zivilisiert, lag aber immer noch mitten im sogenannten Wilden Westen, in dem Frauen Mangelware waren und sich mancher Mann zur Not mit Gewalt, eine Frau ins Haus holen konnte. Natürlich fragte er sich, warum so eine hübsche Frau an einem Sonntag mitten im Schnee mutterseelenallein durch Camden Village spazierte, aber es ging ihn rein gar nichts an. Jason wandte also seine Aufmerksamkeit wieder Mrs. Callahan und ihren Kindern zu, die still und ohne Fragen zu stellen, hinter ihr saßen.
Jason zu Pferd, Maureen, Ian u. Colleen auf der Kutsche vor dem Saloon (Catherine Cunningham, Cassiel und John werden bemerkt)
Maureen erwiderte das Grinsen und wartete nicht erst darauf, dass Mr. Burnett sein Pferd in Bewegung brachte, als sie die Kutsche anfahren ließ. Denn umso schneller sie aus der Kälte kamen umso besser für alle beteiligten. Sie passierten die Mündung in die Lake Street und Maureen sah eher ohne wirklich großes Interesse dabei zu, wie eine Frau in Stadtkleidung von der Kutsche eines Ehepaars stieg. Die drei schienen sich gerade zu verabschieden, denn die Frau lief Richtung Stadtmitte los. Schon wieder ein neues Gesicht in Camden Village! Die Stadt schien stetig zu wachsen, ohne das Maureen den Zusammenhang verstanden hätte. Sie war zu einfach gestrickt, um Wirtschaft, fruchtbares Land, beginnender Tourismus in einer Beziehung zu betrachten, die den Boom erklärt hätte. Zumindest aber verstand sie, dass sie wohl eine gute Wahl getroffen hatte hier ihr Winterquartier zu beziehen. In nur kürzester Zeit hatten es die Kinder und sie von einem Nichts zu einem doch ganz beschaulichen Leben geführt. Sah man von den Schwierigkeiten mit Jake einmal ab. Während die Pferde stoisch die Kutsche Richtung Ortsausgang zogen, erkannte sie Mr. Brown auf der Straße, der in dieselbe Richtung ging, in die sie fuhren. Ian, der das gebotene Schweigen nicht lange ausgehalten hatte, machte auf den Sheriff aufmerksam, der gerade sein Büro betrat und Maureen damit ein Stirnrunzeln bescherte. Mit einem entsprechenden Blick brachte sie ihren Sohn wieder zum Schweigen und wurde von Mr. Burnetts Worte daran erinnert, dass sie ihm ja eigentlich eine Frage gestellt hatte. "Oh nein, ich glaube nicht," beantwortete Maureen erst einmal die Frage des Mannes nach den Marones. So viele Leute kannte sie hier im Umland nun wirklich noch nicht. Und seit sie mit den Kindern auf Shepards Ranch lebte, gab es sowieso kaum noch Möglichkeiten für sie in Berührung mit anderen zu kommen. An den Sonntagen mied man sie gerne vor und nach der Kirche, denn nur wenige schienen sich gerne mit Iren abgeben zu wollen und Besuch erhielt der Major nie. Die Frage war also völlig wahr beantwortet worden. Allerdings hatte ihr Mr. Burnett mit nur wenigen Worten ins Gedächtnis gerufen, dass er seiniges ja verloren hatte. So traf ihn kurz ein mitfühlendes Lächeln, das Maureen sich dieses Mal nicht hatte verkneifen können. Nur auf dem Papier eine Erinnerung zu besitzen war wohl in der Tat nichts schönes, auch wenn sie selbst vorhin bei der Kirche behauptet hatte, gerne mit Mr. Burnett tauschen zu wollen. Nate zu vergessen und das Leben mit ihm, war natürlich verlockend, aber selbst nicht einmal zu wissen, wer man war, nun, dass wollte sie nun wirklich nicht.
"Also sind sie quasi neu hier," stellte Maureen mit einem neckenden Unterton fest. "Das können die wenigsten von sich behaupten, dass s'e die Heimat zum ersten Mal sehen. Iss bestimmt nich' die passende Frage, aber wissen sie wie's passiert ist? Diese Gedächtnislücke?"
Jason zu Pferd, Maureen, Ian u. Colleen auf der Kutsche vor dem Saloon (Catherine Cunningham, Cassiel und John werden bemerkt)
"Nun, ja - es hätte immerhin sein Können." Jason zuckte die Achseln, denn natürlich mussten Mrs. Callahan und die Marones sich nicht zwangsläufig kennen - nicht einmal vom Sehen. Was wusste er schon, wie weit die Farm von der Ranch, zu der sie nun wollten, weg war? Immerhin hatte Mrs. Callahan von einem weiten Weg gesprochen und schien nicht zu Übertreibungen zu neigen. Doch noch ein paar Menschen unterwegs.. Die blonde Fremde, die ihm wegen ihrer hellen Haare aufgefallen war, war nun wirklich nicht die Einzige, die sich zu Fuß durch den Schnee kämpfte. In Fahrtrichtung der Kutsche, die er begleitete, entdeckte er einen Mann, der ebenfalls alleine unterwegs zu sein schien. Dieser schien ihn oder Mrs. Callahans Kutsche nicht bemerkt zu haben, oder zumindest beachtete er sie nicht weiter. Wohl eher Letzteres. Die Worte Ians, der auf einen Blick seiner Ma hin sofort wieder still wurde, waren wohl laut genug gewesen, um von dem Fremden vor ihnen gehört zu werden. Jason machte diesen nicht von sich aus, auf sich aufmerksam, sondern ließ Black Jase seinem Schenkel weichen, um den Fußgänger nicht versehentlich über den Haufen zu reiten. Statt diesem Mann seine Aufmerksamkeit zu widmen, folgte er dem Blicke des Jungen und prägte sich, Haltung und Aussehen des Mannes ein, der den Stern des Sheriffs trug. Immerhin konnte man nie wissen, wann er auf die Zusammenarbeit mit diesem oder gar auf dessen Hilfe angewiesen war und dann war es wohl gut, zu wissen, mit wem man zu rechnen hatte. "Oh, doch. Es war ein harter Schlag auf den Kopf." Unbewusst rieb Jason sich unter dem Hut über die Stelle seines Kopfes, die ihn so lange noch geschmerzt hatte. "Ganz zum ersten Male sehe ich Camden Village dennoch nicht. Die Eheleute Marones haben mich damals zu mir genommen. Ich muss wohl der einzige Überlebende dieses Überfalls gewesen sein." Noch verschwieg Jason, dass er seit Jahren immer mal wieder nach seiner Schwester Anna suchte, von deren Entführung oder Verschwinden, ihm berichtet worden war. Diese Mrs. Callahan würde vermutlich nichts davon wissen und derlei Bemerkungen über Entführungen durch Indianer konnten die beiden Kinder schon erschrecken.
Jason zu Pferd, Maureen, Ian u. Colleen auf der Kutsche Richtung Ortsausgang via Sheriff Station (Gefangenentransport wird bemerkt)
"Ja, es hätt' sein können," bestätigte Maureen Burnetts Worte unnötig, aber mit ernst, weil sie durchaus wollte, dass er wusste, dass sie die Wahrheit gesagt hatte und nicht aus einem Misstrauen heraus Informationen zurückhielt. Das Treiben auf der Straße zog derweil an Maureen vorbei, ohne dass sie noch weiter auf die Menschen achtete, die sich bei diesem Wetter herumtrieben. Nur ein größerer Wagen zog ihre Aufmerksamkeit sofort auf sich, der von außerhalb der Stadt auf sie zukam. Das lag alleine daran, dass ein Trupp Soldaten als Begleitschutz mit ritt und Maureen ein etwas beklommenes Gefühl bescherte.
"So, ein harter Schlag also?", die Worte waren gemurmelt, aber Maureen hatte durchaus verstanden, was Mr. Burnett sagte und speicherte die Information ab. Sie wandte ihren Blick wieder Mr. Burnett zu, als der andere Wagen vor der Sheriff Station hielt. "Na sehen sie, alles vergessen haben sie scheinbar demnach ja gar nich'. Und hier im Ort gibt es bestimmt genug Menschen, die sich an so n'Vorfall auch heute noch erinnern. Sie müssen nur die richtig'n finden, die sich zu fragen lohnen. Ein Überfall also hat sie ihre Erinnerungen gekostet," fragte sie unverblümt nach, während Ian auf einmal einen langen Hals machte und sich schier verrenkte um zurück zur Station zu blicken. Dieser Junge hatte Hummeln im Hintern... Und scheinbar tat ihm die Abwesenheit seines Vaters genauso schlecht bekommen wie Jake. Sie hatte klare Anweisungen gegeben und wurde nun doch langsam zornig. In der nächsten Minute tat es ihr schon wieder leid, dass sie darüber nachgedacht hatte, dem Jungen zu Hause gründlich die Leviten zu lesen, als sie auf Grund seines Aufschreies: "Rothäute. Ma, die haben Rothäute gefangen," begriff, wieso er nicht anders hatte reagieren können. Auch sie warf einen Blick zurück und verzog das Gesicht. "Das geht uns nichts an Ian. S'wird schon einen Grund geben, wieso sie die gefangen haben. Und jetzt bleib ruhig sitzen und halt endlich den Mund, wenn sich Erwachsene unterhalten, sonst setzt es heute noch was. Und das ist keine Drohung sondern ein Versprechen. Entschuldigen sie den Jungen, Sir. Iss immer ein wenig aufregend - so ein Ausflug in die Stadt... wo waren wir? Ach ja, der Überfall. War'n das auch Indianer?"
Sicherlich hätte Sophie sich ncht so leicht den Wind aus den Segeln nehmen lassen. Sie konnte und wollte meistens nicht so leicht verzeihen und es erforderte immer einen großen Willensakt von ihrer Seite, sich auf eine Versöhnung einzulassen. Doch mit Cassidy hatte sie Glück, denn die trug die Dinge nicht lange nach und auch wenn sie sichtlich bemüht war, an ihrer Wut festzuhalten, wirkte sie mehr überrumpelt als zornig. Genau das hatte Sophie beabsichtigt und auch wenn sie von ihrem eigenen Erfolg überrascht war, so war sie doch sehr zufrieden mit sich. Die Frage, wer hier im Recht oder im Unrecht war, wurde unwichtig, genauso wie die kurze Begegnung mit Calvin. Cassidy stolperte sichtlich verwirrt hinter ihr her. Sophie öffnete die Tür und kletterte - viel langsamer als ihr recht war - hinaus, wobei sie sicherstellte, dass Cassidy ihre Hand nicht losließ. Sollte sie doch jeder sehen, gerade war es ihr egal. Zwei Mädchen, die sich an den Händen hielten, um sich gegenseitig zu stützen, konnte ja wohl niemand falsch verstehen. Sie blieb auch nicht stehen, als Cassidys Worte an ihre Ohren drangen und kämpfte den Drang hinunter, deren Vorwürfe mit eigenen zu beantworten. Es war schließlich ihr Ziel, den Streit zu vergessen, bevor er überhaupt angefangen hatte. "Na, ich hab ein Geschenk für dich." meinte sie stattdessen kokett. "Zur ..." sie senkte ein wenig die STimme. "... Verlobung." Sie schenkte Cassidy ein geheimnisvolles Lächeln und lief weiter, ganz in der Hoffnung, Cassidy würde durch ihre Neugier vergessen, was eben passiert war. Draußen wurde es langsam dunkel und es schien auch wieder kälter zu werden. Doch diesmal kümmerte es Sophie nicht. Die paar Meter bis zur Lake Street würden sie schon nicht erfrieren.
Es waren nicht allzu viele Leute unterwegs, was ihr an einem anderen Tag als Heute sicher Angst eingejagt häte, doch sie hatte Major Shephards Worte noch im Ohr, dass man der flüchtigen Indianer habhaft geworden war, und keinerlei Gefahr mehr drohte. In der Ferne in Richtung Sheriffstation konnten sie diese Irin mit ihren Kindern sehen, die Major Shephard eingestellt hatte und die sich gerade im Gespräch mit einem Fremden befand und scheinbar ging noch etwas anders da vor, denn es stand ein großer Wagen vor der Station. Doch das interessierte Sophie heute einmal herzlich wenig, sie hatte jetzt nur Augen für Cassidy und wartete, bis sie außer Sichtweite waren, dann schmiegte sie sich an Cassidys Seite, so dass sie sich gegenseitig wärmen konnten. Es war leider ein ganzes Stück bis zur Lake Street und der kalte Wind biss schmerzhaft in Sophies Haut. Still verfluchte sie die Tatsache, dass sie beide immer noch so schlecht zu Fuß waren. "Ich hab meine Vermieter gebeten, dass sie die Kammer weiter heizen, falls ich doch früher nach Hause komme." versprach sie Cassidy, um möglichen Klagen vorzubeugen, als sie in die Lake Street einbogen und die Silhouette der Kirche in der Ferne auftauchte. "Und was zu essen kriegen wir sicher auch dort. Außerdem wären wir tatsächlich mal ungestört." Schließlich war die Tatsache, dass sie vorher erst durch den Major, dann durch den Reverend und schließlich durch Calvin aufgehalten worden, keineswegs in ihrer Absicht gelegen, sie hatte lediglich mit den ersteren beiden etwas wichtiges - so fand sie - zu besprechen gehabt - und mit dem letzteren hatte sie der Zufall zusammengeführt. Doch jetzt war diese Hürde genommen und auch wenn sie immer noch langsam zu Fuß war, so ließ sie die Vorfreude doch beinahe beschwingt vorraushüpfen, als sie endlich die Lake Street Nummer 4 erreichten.