Eric, Sarah & Selina, Höhe Brunnen in Richtung Gästehaus
Wenn Eric ehrlich zu sich und seiner Umwelt wr, was er stets versuchte aber ebenso oft daran scheiterte, wie andere, merkte er, dass er nicht ganz so viel Aufmerksamkeit auf Sarah wandte, wie ihm eigentlich lieb war. Natürlich war ihm das Mädchen deshalb nicht egal. Im Gegenteil. Er spürte, wie sie sich irgendwie etwas entspannte, ihn und auch Miss Tucker anlächelte, viel offener als sonst. Dennoch drückte sie ihre Puppe genau so an sich, als würde sie sich unwohl fühlen. Eric kannte eben die kleinen verschiedenen Details noch nicht von Sarahs Art.
Das Sarah aber die Erwachsenen nun mehr neugierig beäugte, bekam er nicht mit, waren Sarahs Augen doch durch die Haube gut geschützt und Eric hatte für den Moment fast nur noch Augen für Miss Tucker. Als Sarah dann aber auf einmal vor ihnen rumhüpfte und irgendwie spielerisch um die kleinen Verweheungen des Schnees zu tanzen schien, bekam es Eric natürlich mit, aber es freute ihn, dass Sarah auf einmal wie ein Kind reagierte, dass sich wohl zu fühlen schien. Vielleicht hatte sie aber auch gar nicht mehr mitbekommen, was Eric der jungen Schmiedin da gerade gebeichtet hatte? Oder wollte sie so tun , als würde sie es nicht mitbekommen, aus Rücksicht? Eric glaubte, ein recht guter Menschenkenner zu sein, dass hatte der Beruf als Sheriff so mit sich gebracht. Aber kannte er Sarah? Eine Frage, die er sich einmal gründlich würde widmen müssen.
Doch nun hatte er tatsächlich fast nur Augen für die junge, so hübsch aussehende, so offene Schmiedin. Er hatte also automatisch Sarahs Hand losgelassen, als diese sich etwas vor ihnen bewegte. Sich etwas anschaute, was Eric erst einmal nicht mitbekam, denn Miss Tucker schien sprachlos. Hoffentlich war er ihr nun nicht zu nahe getreten. Aber so wie er diese so offene Frau einschätzte, glaubte er, dass sie Direktheit zu schätzen wusste. Und Eric hatte es nicht getan, um ihr zu imponieren. Eigentlich war es dennoch nicht seine Art, einem eigentlich so fremden Menschen gleich so etwas zu sagen. ber so wie Selina, war Eric auf seiner Weise auch direkt. Manchmal mochte er es anders verpacken, aber was wusste er schon von der Frau? Außer dass er sie näher kennenlernen wollte, weil sie ihm unglaublich sympathisch war. Und dann sprach sie etwas aus, was ihn einfach nur glücklich machte. Zwar kam es etwas verhaltener, als sie dankte und meinte, sie fände ihn auch nett, aber was erwartete Eric denn auch schon? Einer fast wildfremden Frau hatte er auf offener Strasse gesagt, dass er sie mochte. Er hatte diesmal nicht mit Worten gerungen, oder seine Aussage mit mehr und blumigen Worten geschmückt. Doch dann holte Miss Tucker ihn kurzfristig zurück, doch auch ihre nächste Aussage bestätigte ihm, dass er diese Frau einfach sehr mochte.
»Ja, das ist richtig ... sie reden gerne und viel, so lange es nicht sie selber angeht ...« Und dann dieses Zuzwinkern der Schmiedin. Eric schluckte leicht. Es war so liebreizend, so ehrlich. So echt.
Eric lächelte einfach nur wie ein Honigkuchenpferd. Nur vielleicht schon etwas intelligenter. Aber dass man sich nun duzen könne, liess sein Herz in seiner Brust fast zerspringen. Eric wusste gar nicht wirklich damit umzugehen. Denn ihre Einladung bestätigte ihm, dass ihre Aussage, ihn auch nett zu finden, einfach nur wahr war oder eben sehr der Wahrheit entsprach. Sie gab sein Kompliment nicht nur zurück, sondern sie bot von sich aus etwas sehr persönliches an. Das würde niemand tun, der es nicht so meinte. Miss Tucker hätte auch einfach nur danken können. Also für sein Kompliment. Aber nein, es kam zweifach zurück. Auch wenn sie da mit ihrer Haarlocke spielte. Dinge, die Eric wahrnahm und normalerweise zu deuten wusste, wie er glaubte. Aber Eric hatte so etwas, was sich hier gerade abspielte, selbst noch niemals erlebt. Also war er mit seinem deduktiven Latein ein wenig am Ende. Aber er erwischte sich eben dabei, dass er wieder anfing, wie ein Sheriff zu denken, oder eben ein Ermittler, ein Detektiv. Und er fand sich schrecklich damit, aber so war er nun einmal. Doch schnell versuchte er es von sich zu stossen.
»Eh ... oh .... Gerne ... ich heisse Eric ...« stammelte er dann und hielt Selina einfach seine Hand entgegen, um diese neue Entwicklung zwischen ihnen zu besiegeln, nein, er tat es einfach, weil er unsicher war und glaubte, es tun zu müssen. Aber seine Geste war auch wie ein dank gedacht. Eric, reiss dich zusammen. Du stammelst ja rum wie ein kleiner Junge ... ermahnte er sich dann. Aber sie hatte ihm gerade etwas sehr persönliches angeboten. Nun war Eric sprachlos. Eigentlich wollte er Sarah noch ansprechen. Aber was sollte er sagen? Sarah, komm doch mal her. Miss Tucker bietet uns an, dass wir sie nun duzen dürfen und mit ihrem Vornamen ansprechen können? Wie albern hätte das ausgesehen, sich angehört.
Nein, Eric war wie im Rausch. Sarah für den Moment einfach fast vegessen. Er blickte einfach nur Miss Tucker in ihre so tiefen, schönen dunklen Augen an. So glücklich er war, so närrisch kam er sich aber auch vor. Einfach, weil er so etwas noch so nie erlebt hatte.
Das sie inzwischen stehen geblieben waren, nahm eric gar nicht war, so wie auch nicht andere Leute in der Entfernung.
Die Unterhaltung der beiden Erwachsenen hinter ihr verblaßte für Sarah zu einem Gemurmel, einem akustischen Hintergrund, der genausogut von einem plätschernden Bach oder einem summenden Bienenschwarm hätte stammen können. Die Worte drangen zwar an ihre Ohren, doch für den Moment war ihr Geist mit anderen Dingen beschäftigt, mit bunteren, interessanteren Dingen als der Wirklichkeit eines kalten Wintertages. Diese Beschäftigung war derart intensiv, daß sich das Gespräch in ihrem Rücken nicht etwa störend auf ihre Vorstellungskraft auswirkte, sondern sich vielmehr – mit einigen kleinen Veränderungen, welche ihre Fantasie mühelos bewirkte – nahtlos in ihre Traumwelt einfügte. Da war wirklich ein leises Plätschern wie von einem kleinen Bach, der sich durch eine sonnendurchflutete Waldlichtung schlängelte. Ja, so mußte es sein... Sarah glaubte beinahe den würzigen Duft der Bäume und der Kräuter im Unterholz ihres Schattens zu riechen! Bestimmt war hier der Eingang zu einem Kaninchenbau, ganz in der Nähe, und hinter dem verbarg sich eine andere Welt! Vielleicht war das Loch unter einer Veranda, oder hinter einem Strauch? Die Erwachsenen gingen achtlos an so etwas vorüber, und sie wären ohnehin viel zu groß gewesen, um in ein enges Erdloch wie dieses hineinzukriechen. Sarah dagegen war klein und schmal. Sie blickte sich suchend um. Wäre es nicht wunderschön, für eine Weile diesem tristen, eisigen Tag zu entfliehen und dafür in eine Märchenwelt einzutauchen?
Dort würde sie vielleicht sprechende Raupen sehen, oder Häuser aus Käselaiben. Oder sogar die Cheshire-Katze? Und vielleicht würde sie dort auch mit Josephine sprechen können – würde die Puppe dort aus eigener Kraft laufen, statt von ihr getragen zu werden? Der Gedanke elektrisierte das Mädchen. Sarah begann sich ernsthaft umzuschauen und blendete dabei alles Übrige rundherum aus, ohne es richtig zu realisieren. Sie bückte sich, um die Schneeverwehung genauer zu untersuchen, in der sie eben noch die Umrisse eines weißen Kaninchenkopfes gesehen hatte. Doch aus dem neuen Blickwinkel konnte sie den Kopf nicht mehr ausmachen. Spielte das Kaninchen etwa verstecken mit ihr? Just in diesem Moment drang das leise Lachen Selinas zu ihr, und dem träumenden Mädchen erschienen die Laute ganz klar als das neckenden Lachen des Kaninchens, das sie aufforderte, nach ihm zu suchen. Ihre Wangen röteten sich leicht, als sie mit einem ungewöhnlich unternehmungslustigen Lächeln nach dem Versteck des Langohrs Ausschau hielt. Es wäre doch gelacht gewesen, wenn sie es nicht entdeckt hätte! Schließlich war alles, wie es in dem Buch gewesen war – nur daß das Kaninchen heute offenbar nicht in Eile war wie bei Alice, sondern Zeit hatte, sie zu necken. Zu gern hätte sie gesehen, wie es aussah, wenn ein großes Kaninchen eine Taschenuhr aus einer Weste zog...
Rasch lief sie los, auf die andere Straßenseite, wo sie den Wegweiser in die Welt des Kaninchens vermutete. Dabei rutschte sie aus und setzte sich unsanft auf ihr Hinterteil, was sie jedoch nicht daran hinderte, sich sofort wieder aufzuraffen und weiterzulaufen. Kichernd stürmte sie auf ihr Ziel los und hätte in ihrer Begeisterung wie ein ganz normales Kind gewirkt, wäre da nicht die Tatsache gewesen, daß sich Sarah ganz allein mit sich beschäftigte. Sie agierte in einer Welt, die ihr die eigene Fantasie zeigte, und brauchte weder Spielkameraden noch sonst etwas als eben ihre Vorstellungskraft. Für gewöhnlich zog sie sich nur dorthin zurück, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, wenn niemand in ihrer Nähe war. Heute hatte sie einfach vergessen, daß sie in Begleitung war. Vielleicht war es, weil Miss Tucker so nett zu ihr gewesen war und ihr damit etwas von ihrer üblichen Vorsicht genommen hatte, vielleicht bahnte sich auch einfach nur der kindliche Drang nach Spiel und Abenteuer gewaltsam seinen Weg. Jedenfalls benahm sich Sarah ganz so, als sei sie allein. Ein aufmerksamer Beobachter hätte allerdings einen zweiten Hinweis darauf entdeckt, daß dieses Kind sich an anderen Tagen nicht so verhielt wie heute: Sarah hatte nicht nur das Gesicht einer feinen Porzellanpuppe, sie war auch ähnlich empfindlich. Ihr feingliedriger Körper war das Laufen und Springen nicht gewohnt, so daß sie heftig atmete und ihre Wangen zusehends tiefer rot wurden. Ihrem Elan tat das im Moment allerdings noch keinen Abbruch – sie bemerkte nicht einmal, wie sehr sie das Umherhüpfen im Schnee anstrengte. Die Rückseite ihres Kleids war von ihrer unfreiwilligen Landung auf dem Boden noch schneebedeckt, ihre Schuhe und Strümpfe wurden langsam aber sicher feucht.
Höhe Klinik, Richtung Gästehaus Matt und Rebeccha mit Nicholas, Matt geht (In höflicher Entfernung Martin Tanner)
Mat verabschiedete sich höflich, wies darauf hin, dass er seine Familie nicht länger warten lassen wollte. Nicholas hatte verständnisvoll genickt und Mat dann hinterher gesehen. Ihm war auch nicht entgangen, wie sehr sich Rebeccah und Mat angestrahlt hatten. Und genau das stach Nicholas ziemlich. Er hatte gerade vor Augen geführt bekommen, wie sehr er an Rebeccah hing und wie sehr er sich bisher eingebildet hatte, er wäre ihr Lebensmittelpunkt. Das stimmte ja auch ... bis vor Kurzem. Aber nun musste er sich der Realität stellen und das schmeckte ihm noch so gar nicht. Doch als er in das strahlende Gesicht von Rebeccah sah und das Funkeln in ihren Augen entdeckte, wurde ihm wieder warm ums Herz.
War es nicht das, was ich immer wollte? Dass sie mehr am Leben teil nimmt und nicht mehr so streng mit sich ist? Dass sie offener wird? Damit muss ich wohl leben. Aber diesen Mat werde ich noch eine Weile unter Beobachtung haben. Ich will nicht, dass sie ihr Herz an einen Lügner und Hochstapler vergibt. Es wird sich noch rausstellen, ob Mat es wert ist. Und OB das so ist, bestimme ich!
Dann sprach Rebeccah ihn an und riss den Araber etwas aus den Gedanken. Was sollte das denn jetzt auf einmal? Eben war sie noch so begeistert davon, dass er sie mit Mat kurz alleine lassen wollte und jetzt sagte sie, es sei keine Männerarbeit den Kuchen zu holen? Also, nicht dass sie damit ja nicht ganz Unrecht hatte, aber die Art und Weise wie sie es sagte, kam ihm doch etwas verdächtig vor. Für Rebeccahs Verhältnisse wirkte es geradezu wie eine kleine Ausrede. Aber wofür? Oder wollte sie von etwas ablenken, was er bisher nicht bemerkt hatte?
Nicholas sah sich um. Es waren mehrere Menschen auf der Straße und ganz in der Nähe entdeckte er Mister Tanner. Er nickte dem Mann höflich zu und tippte sich an die Hutkrempe. Dann wandte er sich wieder an Rebeccah. "Also, dann lass uns mal gehen." sagte er und lächelte. Sie gingen ein paar Schritte, bevor Nicholas weiter sprach. Und er stellte die Frage bewusst ein wenig provokativ.
Martin auf dem Weg zum Gästehaus, in der Nähe Nicholas, Rebeccah und Matt an der Klinik, dann geht Matt weg
Martin beobachtete das Gespräch weiterhin, anscheinend war das was privates, denn ein normales Gespräch zwischen Bekannten würde kurz dauern und Martin war sich auch sicher das Mister Firth , Rebeccah und der Junge sich schon länger kannten. Er sah auch keinen Streit oder ähnliches. Rebeccah sah auch nicht verängstig aus. Also nichts wo Martin geholfen hätte. Er sah sich derweil die Richtung an wo sich wahrscheinlich das Gästehaus befand. Also da musste man hin, in dieser verschneiten Stadt. Die Kälte machte Martin gerade nichts aus und auch sonst gingst ihn wieder besser, in Lukas Tee waren wahrscheinlich irgendwelche Heilkräuter oder sowas in der Art drin, sicher war sich Martin nicht aber er hatte gehört das solche Wunder wirken können, angeblich wurden Tote damit wieder zum Leben erweckt aber diese Idee hielt Martin für einen Blödsinn. Nur weil es Heilkräuter waren, hieße es schon lange nicht das sie Tote zum Leben erwecken können, niemals. Martin hatte jedenfalls nie sowas gesehen. Er bekam nicht mit dass das Gespräch zu Ende war und der Junge weg ging. Erst als Martin sich umdrehte und Mister Firth ihn zunickte. Martin winkte mit einen Lächeln zurück. Mister Firth schien wohl nicht verwundert zu sein, das Martin draußen war. Mister Firth und Rebeccah gingen los, schienen sich noch zu unterhalten. Martin wartete noch etwas ab bis sie einige Meter entfernt waren, um ihnen dann zu folgen, und ihn hoffentlich zum Gästehaus führen.
Eric & Selina, Höhe Brunnen in Richtung Gästehaus Sarah etwas voraus
Es tat wirklich gut, alle Unstimmigkeiten aus dem Weg geräumt zu wissen. Alle Beteiligten wirkten gleich um so vieles entspannter, auch wenn dies wohl bei Sarah am deutlichsten zu spüren war. Wobei Selina noch nicht einmal genau sagen konnte, was letztendlich Auslöser für Sarah’s kleine Freudensprünge durch den Schnee gewesen waren. Doch war das nicht auch egal? Hauptsache war, dass sie sich nicht mehr in einer so unangenehmen Lage wie kurz zuvor befanden und nun schien wirklich alles bloß noch bergauf zu gehen. So sah die Schmiedin auch Eric’s Zustimmung bezüglich des Duzens sehr entspannt entgegen. Natürlich war es schon ziemlich ungewöhnlich, doch ungewöhnlich musste ja nicht immer schlecht sein, oder? War es denn so verkehrt, wenn man sich auf Anhieb so sympathisch war und sich gern näher kennen lernen wollte? Wenn man einfach mal seinem Bauchgefühl folgte und vollkommen außer Acht ließ, was der Verstand womöglich dazu sagte? Selina hatte keinerlei schlechtes Gewissen bezüglich ihres Verhaltens, im Gegenteil. Gerade fühlte sie sich wieder richtig wohl und da Mister Malone nun auch so direkt geworden war, glaubte sie auch nicht länger, ihn oder Sarah in irgendeiner Weise in die Bredouille zu bringen. Sie standen über solchen Dingen, sollten die Leute doch reden, wenn sie wollten. Als ob es dieser Tage keine besseren Gesprächsthemen gäbe! Es war schon traurig, wenn man sich das Maul über seine Mitbürger zerreißen musste, weil das eigene Leben nicht interessant genug war.
Wieder musste Selina leise lachen, als Mister Malone sich als Eric vorstellte und ihr die Hand entgegen hielt. Sie lachte nicht, weil er sich vielleicht wieder etwas unglücklich ausdrückte, oder herumdruckste. Nein, sie war einfach entspannt und erfreut. Ihr Lachen war ohne jegliche böse Hintergedanken. „Ich weiß.“, entgegnete sie schmunzelnd und ja, auch ein wenig neckend. Natürlich wusste sie, wie Mister Malone mit Vornamen hieß, ebenso wie er auch ihren kannte. Doch wie auch seine angebotene Hand war es bloß eine kleine Formalität, um diesen Schritt festzuhalten. Die Schmiedin ergriff daher auch ohne weiteres Zögern Eric’s Hand und schüttelte sie mit sanftem Druck, wobei sie ebenfalls ihren Vornamen nannte. Ihr Blick suchte den von Eric, und ihre Hand ruhte vielleicht einen Moment zu lang in seiner, doch das war momentan nicht wichtig. Es gab gerade niemanden, der sich ein Urteil über sie machen wollte. In der Nähe war Mister Firth mit dem Mädchen zu sehen, das vorhin mit Matt den Kirchenplatz verlassen hatte und in deren Nähe war ein weiterer Mann, den die Schmiedin jedoch nicht kannte. Vor dem Gästehaus führte Mister Harding ein Gespräch dem Kroaten aus dem Saloon, doch die beiden waren noch zu weit entfernt, um mehr von ihnen mitzubekommen. Wobei Tucker darauf sowieso gerade nicht achtete. Ihr kam der Gang von der Kirche bis zum Gästehaus sowieso mittlerweile unglaublich lange vor – vermutlich waren sie auch wirklich länger als gewöhnlich unterwegs – doch das machte gar nichts. Bei dieser kleinen Feierlichkeit war es nun wirklich nichts Schlimmes, ein paar Minuten später zu kommen, sofern sie bereits zu spät dran waren.
Schließlich zog die Schmiedin aber doch ihre Hand wieder zurück, jedoch keineswegs hektisch. Aus den Augenwinkeln sah sie Sarah auf die andere Straßenseite huschen, doch sie widmete ihre Aufmerksamkeit dem Mädchen, als dieses im Schnee ausrutschte und mit ihren vier Buchstaben auf dem Boden landete. Völlig unbeeindruckt von diesem kleinen „Unfall“ sprang Sarah jedoch gleich wieder auf und rannte weiter, und ihr klares Kinderlachen hallte ein Moment wider. „Sie ist wirklich ein faszinierendes Mädchen.“, meinte die Schmiedin schließlich zu Eric, den Blick dabei jedoch weiter auf Sarah gerichtet. Sie sah in dem Verhalten des Kindes keine Auffälligkeiten, im Gegenteil. Auf Selina wirkte Sarah gerade wie ein absolut normales Kind, ein äußerst entzückendes sogar. Sie war ja kaum wieder zu erkennen, wenn sie an die erste Begegnung dachte, oder vorhin an den Gottesdienst. Sarah wurde ihr immer sympathischer, völlig unabhängig von Eric. Selina mochte sie beide, jeden auf seine eigene Weise. Und sie wollte beide näher kennen lernen, wobei sie mittlerweile glaubte, dass das bei Sarah sogar etwas schwieriger werden würde. Doch gänzlich unsympathisch schien sie dem Mädchen ja auch nicht zu sein, sonst hätte sie wohl anders auf sie reagiert. Für ihre Verhältnisse – soweit Selina das beurteilen konnte – war Sarah doch schlussendlich sehr offen und selbstbewusst geworden und klammerte nicht mehr an ihrem Onkel. Die Schmiedin wertete dies durchaus als positives Zeichen. „Wenn sie für sich ist, geht sie sehr aus sich heraus.“ Mit diesen Worten richtete Selina ihren Blick wieder gen Eric und schmunzelte dabei sachte. „Wir sollten uns für das letzte Stück bis zum Gästehaus noch etwas Zeit lassen.“
Martin auf dem Weg zum Gästehaus, Nicholas und Rebeccah in der Nähe
Martin entschied sich doch nun statt Mister Firth und seiner Tochter zu folgen, lieber zu fragen. Martin sah noch andere Leute auf der Straße, aber diese beachtete er nicht groß. Er ging auf die beiden zu, fast wäre er noch mit einen Mann zusammen gestoßen. ''Oh Verzeihung Mister, habe sie nicht gesehen.'' sagte er freundlich zu ihn. ''Passen sie das nächste mal besser auf!'' sagte dieser Mann, er sah grimmig aus. Martin zog seine Augenbrauen noch. ''Ihnen noch einen schönen Tag.'' entgegnete Martin. ''Der und schön, das ich nicht lache und jetzt lassen sie mich in Ruhe!'' sagte dieser Mann mit einer säuerlichen Stimme und ging weiter.
Der ist wohl mit einen falschen Fuß aufgestanden.
Martin drehte sich wieder in Richtung Mister Firth und seiner Tochter, die noch ein wenig sich unterhielten. Also ging er wieder auf sie zu, mit einer normalen Geschwindigkeit die nicht bedrohlich wirken sollte. Als er nur einige Schritte entfernt war, fragte er Mister Firth freundlich. ''Hallo Mister Firth, entschuldigen sie die kleine Störung aber sie sind doch auch auf dem Weg zum Gästehaus. Würde es ihnen nicht ausmachen wenn ich mich kurz ihnen anschließe?''.
Eric & Selina, Höhe Brunnen in Richtung Gästehaus Sarah etwas voraus (Nicholas, Rebeccah und Martin Höhe Klinik)
Da Eric für den Moment nur Augen für Miss Tucker hatte, nahm er natürlich auch ihr leises, fast ein wenig mädchenhaftes Lachen wahr, als Eric sich mit seinem Vornamen vorstellte. Natürlich kannte Miss Tucker diesen schon vom ersten Zusammentreffen letzte Woche und auch er wusste den ihren. Aber was hätte er denn sonst sagen sollen? Du kannst du zu mir sagen? Eric gefiel das Lachen jedoch und fühlte dabei nicht, dass sie sich sein Gegenüber lustig machte. Und er schmunzelte ebenso wie Selina, als sie meinte, dass sie seinen Namen ja schon wüsste. Und die Schmiedin hatte die Situation sofort richtig erkannt: Es war einfach eine Geste. Vielleicht eine Art Ritual. Und das dies dennoch recht früh kam, liess vielleicht beide einfach schmunzeln. Es war ein sehr intimer Moment, wie Eirc feststellte, auch als Selina dann seine dargebotene Hand nahm, um sie zu Schütteln, wenn auch eher sanft. Aber als Eric ihre Hand in der seinen hielt und diese Wärme spürte, die von ihr ausging, schauten sich beide in die Augen und etwas Interessantes lag in ihren Blicken. Selinas Hand fühlte sich nicht weich und zart an, sie war schliesslich Schmiedin. Dennoch gefiel Eric diese kurze Berührung, welche sogar länger andauerte, als vielleicht in einem anderen Fall. Er genoss es innerlich, auch er wollte erst gar nicht los lassen. Aber was er wollte, wusste er eh nicht, so seltsam schön und aufregend glaubte er etwas in seinem Bauch zu spüren, was er so nicht kannte. Ein angenehme, wenn auch fremdes Gefühl, wie ein Kribbeln. Und dann war da diese fast elektrisierende Wärme, welche von Selinas Hand ausging und die sich Eric einfach nicht erklären konnte. Eric war ein eher Pragmatiker. Zumindest glaubte er das von sich. Es war nicht so, dass er keine Prinzipien hatte, aber eigentlich wenige festgelegte. Oft entschied er mit seinem Kopf, den Gedanken, den Tatsachen. Dennoch war es nicht so, dass er sich nicht auch auf seine Intuition verlassen konnte. Hier aber fühlte er einfach nur etwas Schönes. Und ja, seine Intuition sagte ihm, dass es gut so war. Aber es überwältigte ihn teilweise auch, so sehr, dass es ihn verwirrte.
Selina entzog dann sanft und langsam ihre Hand und Eric wusste, dass es ok war und hielt sie nicht unnötig fest. Aber er versuchte unbewusst noch bios zum Letzten zu gehen, denn auch er zog seine Hand nicht schnell weg, sondern glaubte noch zu spüren, wie in der Bewegung sich bis zu Letzt ihrer beider Fingerspitzen berührte. Irgendwie war es eher so, als würde Selinas Hand aus der seinen gleiten.
Eric mochte seine Augen nicht von der Frau vor ihm lassen, aber irgendwie bekam auch er aus den Augenwinkeln mit, wie Sarah da vor ihnen fast schon herumtollte, wie sie wohl ausgerutscht war, sich aber sofort aufrichtete. Nur ganz kurz zuckte Eric zusammen, wie in Sorge, aber er verdankte es der sehr ruhigen Schmiedin, die sich nicht gleich auf das Kind stürzte, ob sie sich wehgetan hatte, wie es vielleicht weit aus mehr andere Frauen getan hatten. Und das beeindruckte Eric, so dass er seinen eigenen, etwas unsicheren Teil unterdrücken konnte. Denn was niemand wusste: Eric machte sich mehr Sorgen manchmal um Sarah, als ihm gut war. Aber Sarah schien so in ihrer Welt zu sein, dass Eric nun bei Selinas Worten versonnen Sarah hinterher schaute. Sie war so ausgelassen, so kannte er sie einfach nicht. Und wie schön Sarahs Lachen zu vernehmen war. Als Selina dann ihre Äusserung über Sarah machte, schaute auch Eric nur zu dem Kind vor ihnen und war zurück in der Realität. Aber es fühlte sich gut an. Es waren ja auch nur wenige Augenblicke gewesen, wo er nur Augen für Selina hatte. Das war nun vorbei und dennoch fühlte sich Eric sehr wohl. »Ja ...« meinte er nur irgendwie glücklich und versonnen, während er weiter Sarah beobachtete. Dass ihr Kleid hinten voller Schnee war, war ihm egal. er war nicht übervorsichtig. Und dass sie durch die hohen Schneewehen lief und dabei sicherlich kalte und nasse Füsse bekam, war ihm in diesem Moment auch nicht wichtig. Sarah würde schon etwas sagen. Doch auf einmal wurde ihm gewahr, wie lieb er seine Nichte hatte, aber wie viel Sorgen er sich auch oft machte. Sorgen darum, dass sie unglücklich war. Und ja, es stimmte: Wenn Sarah sich unbeobachtet fühlte, konnte sie wunderschön sie selbst sein. Manchmal hatte er das schon erkannt. Wusste dies aber noch nicht richtig zu deuten. Aber ihm wurde es auf einmal wieder bewusst. Aber es lag an beiden Frauen, dass er sich nicht zu viele Sorgen machte. Es war seltsam, er fühlte sich irgendwie aufgehoben neben Selina, die Sarah gerade mal kurz kannte, aber so viel schneller etwas erkannte, wo Eric vielleicht teilweise Scheuklappen angelegt hatte. Dabei wollte er immer so "großzügig sein". Aus Angst, das Mädchen unglücklich zu sehen. »Sie ist ein wahrer Schatz ...« schwärmte dann auch Eric weiter versonnen und irgendwie leiser.. »Sie ist mir inzwischen wie eine eigene Tochter ....« Darin klang nichts trauriges, nicht so, als würde er sich eine eigene Tochter wünschen, im Gegenteil. Seine Worte waren voller Liebe für das Kind. Denn Sarah war wirklich für ihn wie eine Tochter und eigentlich spielte es keine Rolle, dass er nur ihr Onkel war. Und doch war er eben nur der Onkel.
Und dann schwieg Eric einfach, schaute Sarah hinterher und fragte sich für den Moment, was in ihrem kleinen Köpfchen vorging. Er wusste von ihrer hellen Fantasy. Aber dennoch war er noch nicht so weit, dies immer genau abschätzen zu können. Dann aber, und er war sehr froh, dass Selina ihm diese kleine Pause nicht nahm, begann er zu erzählen. »Sie leidet sehr unter dem Verlust ihrer Mutter, meiner Schwester. Sehr. Und doch hatte ich das Glück, Sarah aufwachsen zu sehen, wenn auch nicht so, wie ein eigenes Kind. Ich liebe sie über alles. Und ich danke Gott, dass er mit die Chance gegeben hat, zu leben ... für sie da zu sein, für meinen Spatz Sarah .... « Wieder schaute Eric versonnen und liebevoll zu Sarah, welche da so ganz zu glauben schaute, dass sie alleine und unbeobachtet war und Eric war tatsächlich von dieser Szene fasziniert. Denn so ausgelassen hatte er seine Nichte lange nicht gesehen.
Ohne es zu merken, sprach Eric seinen "Unfall" an, meinte es aber gar nicht böse, aber er war einfach gerade in Gedanken, während er Sarah weiter beobachtete, wie sie hier und da schaute, neugierig, kicherte und einfach ein Kind war, wenn auch ohne Spielkameraden. »Hätte mich der Herr damals auch noch zu sich geholt, dann ... « Eric schluckte. »Würde Sarah nun ihr Dasein in seinem Waisenhaus fristen ...«
Erst jetzt bemerkte er, dass Selina ja von all dem nichts wusste. Ein Ruck ging kurz durch seinen Körper und nun schaute er wieder Selina ernst an. »Bitte verzeihen Sie ... eh ... du. « Dann lächelte er aber. Wenn auch leicht gequält. Dennoch war nichts falsches an ihm. Eric hatte nur schlicht bemerkt, dass seine Worte einer Erklärung bedurften. Und die kam dem ehemaligen Sheriff dann auch sogleich. Er wartete nicht ab, bis Selina fragte. So war er nicht, er machte sich nicht gerne interessant. »Verzeihung: Ich muss mich Erklären .... Selina.« Nun war sein Lächeln schon entspannter. «Aber einige Zeit nach dem Tod von Sarahs Mutter, wäre ich auch fast gestorben.« Verdammt, nun musste noch eine Erklärung her. Also gut, auch dies. Aber es war Eric fast ein wenig unangenehm, denn er wollte nicht, dass Selina nun von ihm dachte, dass er sich interessant machen wollte. Auf der anderen Seite wollte er die Schmiedin doch so viel fragen, aber nun war es eben gekommen, wie es gekommen war. »Ich war jahrelang Sheriff in der City of Kansas gewesen und ... da ging es dann fast schief ... « Eric atmete nun bei den Erinnerungen von damals doch tiefer ein, als ihm lieb war. er kam sich gerade etwas blöd vor. Er hatte das gar nicht erzählen wollen, es war einfach gekommen, weil er sich plötzlich dahin zurück versetzt fühlte. Wegen Sarah. Denn wäre alles schöner gewesen, würde er heute mit Sarah nicht hier sein.
Eric nahm nun nur Sarah vor sich wahr und Selina neben sich, alles andere bekam er nicht mit. Auch ging er gar nicht verbal darauf ein, dass sie sich zeit lassen sollten, wie Selina es vorschlug. Er bejahte es, ohne etwas zu sagen. Denn immernoch standen sie da und beide schauten zu Sarah.
Kurz vor Stadtbrunnen, Richtung Gästehaus Rebeccha mit Nicholas, Martin stösst dazu
Rebeccah sah flüchtig in die Richtung hinüber in die Nicholas grüßte und bemerkte einen ihr unbekannten Mann. Ehe sie Nicholas jedoch nach diesen Fragen konnte, brachen sie schon auf. Sicherlich kannte Nicholas ihn aus dem Saloon. Da Nicholas einfach ihre Bemerkung über den Kuchen ignorierte, war sie etwas verunsichert darüber, wie sie darauf reagieren sollte. Flüchtig kam ihr ja der Gedanke in den Sinn, dass er womöglich absichtlich darüber kein Wort verlor, weil er seine Abmachung mit Matt ihren Pflichten überstellte. Und in diesem Fall hatte sie ihm natürlich nicht zu widersprechen. Dennoch kam in ihren Augen natürlich die Pflichten immer zu erst und sie hoffte Nicholas war im Augenblick nicht zu sehr über die Situation mit Matt verärgert, um daran nicht zu denken.
Schweigend gingen sie weiter und Rebeccah fühlte sich seltsam unwohl und daher auch etwas angespannt. Als Nicholas das Schweigen brach, klang er doch sehr verschnupft und sie war sich nicht sicher, ob er wirklich nur daran interessiert war, wie sie den neuen Reverend fand.
"Nun ja," druckste sie ein wenig, unsicher ob er die Wahrheit hören wollte und unsicher, welchen Ton sie wählen sollte. "Er ist.. anders. Er ist definitiv und leider kein Reverend Hawkins. Aber ... scheinbar sehr nett. Und er ist ganz anders als, als.. also als mein verstorbener Vater," oft hatte sie ihn nicht Nicholas gegenüber erwähnt, oft nur den Vater angedeutet und entsprechend hielt sie es auch jetzt. Eine freundliche Stimme ließ Rebeccah nicht weitersprechen und sie sah den Mann von eben auf sie zukommen. Er schien tatsächlich Nicholas zu kennen, denn er sprach ihn mit Namen an und suchte sichtlich den Weg zum Gästehaus. Unscheinbar wie es Rebeccahs Art war, blieb sie an Nicholas Seite stehen und überließ ihm die Unterhaltung.
Kurz vor Stadtbrunnen, Richtung Gästehaus Rebeccha mit Nicholas, Martin stösst dazu
Nicholas verkniff sich ein Seufzen. Rebeccah hatte geantwortet, wie er es angenommen hatte. Sehr zurückhaltend und vorsichtig diplomatisch. Doch bevor er etwas sagen konnte, kam Mister Tanner zu ihnen und sprach Nicholas höflich an. Der Araber blieb stehen und nickte. "Nein, Mister Tanner, Sie stören nicht. Sie dürfen uns gerne begleiten. Es ist nicht mehr weit. Gleich dort vorne." sagte er freundlich und deutete mit dem Kopf in Richtung Gästehaus. Und dann zögerte er nur einen kurzen Augenblick, bevor er hinzufügte: "Meine Tochter Rebeccah. Mist Tanner, Übernachtungsgast im Saloon." stellte er die Beiden einander knapp vor. Er mochte es eigentlich nicht Fremden Gästen aus dem Saloon Rebeccah vorzustellen, doch Mister Tanner machte einen vernünftigen Eindruck. Die kurze Vorstellung würde reichen; damit war der Höflichkeit Genüge getan, aber eben nicht mehr. Es würde keinerlei Verpflichtung daraus erwachsen.
Und auch, wenn NIcholas nichts dagegen hatte, dass Mister Tanner sie bis zum Gästehaus begleitete, so vereitelte es ihm doch seine IDee Rebeccah einfach im Foyer abzuliefern. Auch, wenn dort andere Bewohner von Camden Village anwesend waren, es war eben auch ein fremder Mann dabei.
Kurz vor Stadtbrunnen, Richtung Gästehaus Rebeccah mit Nicholas, Martin stösst dazu
Mister Firth machte es nicht aus und der Weg zum Gästehaus war sowieso kurz, so wie es Mister Firth andeutete. Martin blickte kurz zur der Richtung und es war tatsächlich kein so langer Weg, er musste kurz schmunzeln. ''Danke Mister Firth.'' bedankte er sich in kurzen Worten. Dann stellte Mister Firth seine Tochter Rebeccah und ihn gegenseitig vor. Martin sah sich kurz Rebeccah an. Sie hatte blondes Haar und war ein wenig zurückhaltend, sonst sah sie so aus wie jedes andere jungendliches Mädchen. ''Hallo Rebeccah, nett dich kennen zulernen. Dein Vater ist ein sehr netter und gastfreundlicher Mann.'' sagte er mit einer freundlichen Geste und blickte langsam zu Mister Firth rüber. ''Ach Mister Firth, danke nochmal für das Angebot vorhin.'' nickte er ihn lächelt zu, er hatte es vorhin getan aber da hatte Meredith ihn kurz beim bedanken abgelenkt. Martin sah nun zur der Richtung des Gästehauses. ''Also dann, warten wir nicht länger.'' sagte Martin freundlich.
Eric und Selina, Höhe Brunnen in Richtung Gästehaus Sarah etwas voraus
Nachdem ihre Umgebung erst einmal vergessen war, achtete Sarah auch nicht mehr darauf, wie weit ihr Onkel und Miss Tucker hinter ihr zurückblieben oder ob sich Fremde in ihrer Nähe befanden. Für gewöhnlich hielt sie sich ängstlich an der Seite Erics, besonders in dem noch immer ungewohnten Umfeld Camdens. Jetzt aber war sie nicht mehr in Camden, jedenfalls nicht mehr in ihrer Wahrnehmung. Sie war in einem Land, von dem sie weder wußte, wo es war, noch, wie es hieß. Aber sie kannte es gut, denn sie war schon oft dorthin gereist. Es war das Land, in dem sie keine Angst mehr hatte und immer das sein und erleben konnte, was sie wollte. Es war auch nicht Winter, denn den Winter mochte sie nicht, und in dem namenlosen Land war alles immer so, wie sie es liebte. Für das Mädchen war es mit einem Mal kein Schnee mehr, der unter den Sohlen ihrer kleinen Spangenschuhe knirschte. Vielmehr hörte sie das Rascheln von Gras. Gras war auch auf dem Bild gewesen, das jenes andere Mädchen gezeigt hatte, dessen Spuren sie nun folgte. Alice hieß sie. So hatte es ihr Mama vorgelesen. Sie hatte Sarah gesagt, Alice sei etwa so groß und so alt und sehe auch etwa so aus wie sie. Daher hatte sich Sarah natürlich besonders für Alice’ Abenteuer interessiert.
Und nun hatte sie selbst eine Spur des großen weißen Kaninchens entdeckt, das schon Alice gefolgt war – wie aufregend! Etwas außer Atem hielt sie an einer Häuserecke an, bei der ein leeres Faß stand. Zwischen Wand und Faß war ein schmaler Spalt. Sie setzte Josephine mit behutsamen Bewegungen auf die hölzerne Veranda, die direkt daneben endete, schürzte ihr Kleid und bückte sich, um in den Spalt hinein zu spähen. Es war dunkel dort drinnen, denn hinter dem Faß war allerlei Gerümpel aufgestapelt. Sie beugte sich tiefer und brachte ihr Gesicht ganz nah an das Holz. "Hallo..? Mr. Kaninchen, sind Sie da drin..?" Angestrengt lauschend harrte sie einige Momente aus. Irgendwo in ihrem Kopf merkte sie, daß es an ihren Beinen nun doch reichlich kalt wurde, doch das hinderte sie nicht daran, sich weiterhin in den buntesten Farben auszumalen, wie es wohl hinter dem Loch – dem Loch, das in den Kaninchenbau führte – aussehen mochte. Ob wohl noch diese gemeine Königin dort herrschte, mit der Alice solche Probleme gehabt hatte? Sie schaute zu Josephine und glaubte zu erkennen, wie ihr die Puppe mit einem Augenzwinkern zunickte. Kurz stand sie unschlüssig, an ihrer Unterlippe nagend, dann hatte sie sich entschieden.
Rasch kniete sie sich in den Schnee und besah sich den Spalt. Ob sie wohl da hindurchkommen konnte, ohne ihr schönes Sonntagskleid zu beschädigen? Sie mochte das Kleid nämlich sehr, und Onkel Eric hatte es gutes Geld gekostet, weil es ja exakt dasselbe hatte sein müssen wie das Josephines. Diese Bedenken und die allzu gewohnte Furcht vor Unbekanntem wollten sie davon abhalten, sich weiter vor zu wagen, aber dann war ihr plötzlich, als stände ihre Mama direkt hinter ihr und beschützte sie. Beruhigt versuchte sie ihren kleinen Kopf in den Spalt zu zwängen, wobei sie sich die Haube abstreifte. "Huhu, Mr. Kaninchen! Warten Sie auf mich..! Ich komme gleich!" Ihre dünne Stimme trug nicht weit, zumal sie in das Dunkel des Holzgerümpels hinein rief. Doch bei Eric und Miss Tucker mochten ihre Worte wohl noch teilweise hörbar ankommen. Dessen war sie sich aber schon gar nicht mehr bewußt. Nur ganz flüchtig kam ihr die Frage in den Sinn, warum nur ihre Strümpfe an den Knien wirklich feucht zu werden begannen. Vielleicht war auf dem Gras noch Frühtau? Huh, war das kalt! Und auch an ihrer Kehrseite spürte sie eine eisige Böe unter das geraffte Kleid fahren. Aber gleich würde sie ja durch das Loch schlüpfen und auf einer Wiese landen, über der die Sonne schien und Schmetterlinge fröhlich in der Luft herumflatterten! Dann wäre sie nicht mehr in dem garstigen Camden mit dem scheußlichen Winter!
Francis, Ben und Terry, Höhe Brunnen in Richtung Gästehaus (Eric, Selina und Sarah in der Nähe)
Francis bemerkte im ersten Moment gar nicht, dass der Reverend stehen geblieben war. Erst als er ihn nicht mehr an seiner Seite spürte und die Antwort etwas hinter ihm ertönte, blieb er verwundert stehen. Mit einem verlegenen Lächeln ging er die wenige Schritte zurück. Scheinbar hatte es Stevenson auf den Stadtbrunnen abgesehen, denn dorthin war sein Blick gewandert. Womöglich waren es aber auch die Leute, die dort standen und sich unterhielten. Ihre gemeinsame Nachbarin, Miss Tucker, und dieser neue Zeitungsmann, von dem Francis noch nicht allzu viel wusste und ein Mädchen, vielleicht so alt wie Ben, vielleicht auch ein wenig jünger. "Nun, ist das nicht der Wunsch aller Väter?", fragte Francis offen zurück und bedachte seinen Sohn mit einem Blick. Das dieser Wunsch so oft unerhört blieb war Francis allerdings ein Rätsel. Paul war Molly und ihm so wundervoll geraten. Er ging einem anständigen Beruf nach, war Familienvater geworden, wenn auch Francis nicht alles in seiner Erziehung gut hieß, und war ein frommer Mann, der seine Pflichten in der Gemeinde wahrnahm. Aber alle Söhne danach hatten nur Schwierigkeiten gemacht. Emmett mochte bestrebt sein, seinen Weg zu finden, aber nahm lieber den Umweg über das Geld der Eltern und Francis bezweifelt längst, dass dieses Geld tatsächlich in den Aufbau einer Farm floss. Matthew versuchte auf Biegen und Brechen seinen eigenen Willen durchzusetzen, etwas, dass er schon als kleines Kind nur zu gerne getan hatte. Und Ben war sein Leben lang schon ungeschickt und untauglich für alles was Mutter und Vater auftrugen. Allen vier Söhnen hatte er dieselbe Erziehung andeihen gelassen und doch hatte es sichtlich nicht gefruchtet. Er hatte sie alle vier nach seinem Vorbild zu formen versucht und bekam eine herbe Enttäuschung nach der anderen serviert. Nun vielleicht blieb dem Reverend ja ähnliches erspart. Er hatte nur den einen Sohn, den er formen und biegen konnte, ohne das ein falscher Einfluss aus der eigenen Familie das Kind verderben konnte.
Als sie wieder weitergingen bemerkte Francis durchaus, dass dem Reverend nicht sonderlich gefiel, wie er über Matthew und Ben sprach, aber da Francis der Meinung war, die Wahrheit sei immer eine bittere Pille, aber besser als eine verschlagene Lüge, konnte damit umgehen.
"Siebzehn," nickte er kurz bestätigend und zog dann selbst eine Augenbraue skeptisch in die Höhe. Persönlichkeitsentwicklung erschien Francis als ein recht langes und fremdes Wort. Er konnte damit überhaupt nichts anfangen, wagte aber nicht sich dies anmerken zu lassen und brummte daher nur unmissverständlich seinen Widerspruch. Der Junge mocht so wie der Reverend es betont hatte, alt genug sein um für sich zu sorgen, nur tat er es eben nicht. Nur sporadisch. Und wenn das Geld nicht mehr reichte, dann kroch er unter die schützenden Flügel der Eltern. Und so lange dies der Fall war, würde sich Matthew auch den häuslichen Regeln unterwerfen müssen. Entfaltung konnte er sich erlauben, wenn er auszog und bewies, dass er ein Mann war. Im Moment erschien Matt für Francis wie ein verzogener Bengel, der nicht so recht wusste was er wollte und dem galt es eben mit der nötigen Strenge entgegen zu wirken.
Das Misstrauen in seinem Blick blieb, als der Reverend von zwei Fragen sprach, die sich dem Mann aufdrängten. Er nickte aus reiner Höflickeit dazu, auch wenn er der Ansicht war, der Reverend könnte sich seinen Rat genauso gut ersparen. Er hatte ja selbst nicht unbedingt einen Musterknaben und war somit sicherlich alles andere als der perfekte Vater. Allerdings überraschte ihn die erste Frage ziemlich heftig und er starte den Reverend an, als wollte er nicht glauben, was er da gehört hatte. "Ja denken sie ich bin ein Rabenvater? Natürlich weiß er das," ein wenig aufgeregt klang Francis und fühlte sich auch in der Tat angegriffen. "Ich habe ihm lange genug vor Augen geführt, dass ich ihm mehr zutraue, als das was er im Moment aus seinem Leben macht. Er hört nur eben nicht zu oder hört nur das, was er hören will," jetzt klang Francis gleich wieder etwas verzweifelter, was dem entsprach, was er meist über Matt und dessen Handlungen empfand und dachte. "Ausprobiert ja, das hat er. Ihn entscheiden lassen? Ihn in sein Verderben rennen lassen? Ich weiß nicht... würden sie dabei zu sehen wollen, wenn ihr Jeremiah anfinge sich für etwas zu entscheiden, von dem sie genau wüssten, es könnte eines Tages seinen Tod bedeuten, oder weniger schlimm, aber sagen wir mal ihn in die Armut treibt, während sie alles getan haben, um ihm eine gute Zukunft zu sichern? Ich sehe ja nicht nur Matts Zukunft in Gefahr... alles was seine Mutter und ich für die Kinder erschaffen haben, noch dazu." Wieso Francis so offen über Matt oder gar sich sprach, konnte sich Francis nicht genau erklären. Er hatte auf jeden Fall das Bedürfnis sich zu verteidigen, denn in seinen Augen tat er seit je das Richtige für seine Kinder und letztendlich als Oberhaupt der Familie lag es an ihm für alle die Entscheidungen zu treffen. Er hatte für Paul entschieden, genauso wie für Isabelle... und aus beiden war etwas geworden. Nur Emmett und Matt hatten sich dagegen aufgelehnt und man sah ja wo es hinführte. Urplötzlich wechselten sie das Thema zu Ben zurück und Francis fragte sich welche zweite Frage sich noch Stevenson in Bezug auf Matt aufgedrängt hatte. Aber nachfragen konnte er nicht mehr. Er kam gar nicht dazu den Reverend zu unterbrechen, der sich nun auch noch ein Urteil über seinen Jüngsten anmaß. Doch er kannte ihn ja nicht wirklich. Abgesehen von den wenigen Minuten an der Haustür, wenn Ben Jerry für die Schule abholte. Und wäre ja noch mal schöner, wenn Ben sich anders als still und ruhig verhielt. Damit hatte er wenigstens wichtige Attribute verinnerlicht. In seiner Aufregung ging Francis ohne weiter Notiz von Miss Tucker und ihrem Begleiter zu nehmen, an diesen vorbei und warf eher einen strengen Blick auf das Mädchen, das etwas ausgelassen im Schnee spielte. Genau diese Erziehung führte doch zu all den Problemen die sie so im Land hatten. Die Landstreicher wurden immer jünger, weil man die Kinder gerade machen ließ was sie wollten, auch Diebe waren schon unter ihnen und Vandalen. Solche Kinder hätte man zu seiner Zeit in ein Waisenhaus gesperrt und mit Zucht und Ordnung zurück auf den Pfad der Tugend geführt. Und wer aus gutem Haus quer schoss, war schneller als es ihm lieb gewesen wäre auf die Militärakademie geschickt worden. Heute durften die Eltern aber experimentieren! Da gab es den Einfluss von außen nicht mehr. Oder war nicht so gerne mehr überall gesehen. Es gab sogar Stimmen in der Politik, die sich für eine neue Erziehungsrichtung aussprachen und sogar den Lehrern an den Schulen mit Einschränkungen drohten. Auch die Kirche sollte sich mehr und mehr heraushalten. Nein, so etwas sah Francis mit Sorge entgegen und er war sich sicher, dass das noch für alle ein böses Ende nahm. Sobald sie den Nachwuchs nicht mehr kontrollierten und an Gottes Stelle dafür sorgten, dass das Böse von ihm fernblieb, hatte genau dieses ein leichtes Spiel. Jugend war schnell verdorben.
Mit einem leisen Seufzen sah er wieder zu Stevenson, der nun doch noch eine zweite Frage in den Raum stellte und alleine wie er sie ankündigte, ließ Francis nichts gutes erahnen. Er sollte recht behalten... Allerdings war ihm die Frage nicht zu direkt, höchstens völlig unverständlich. Im ersten Impuls wollte Francis lospoltern und Stevenson ins Gesicht sagen, dass Matt ein fürchterlicher Querschläger war und sich von niemand korrigieren ließ. Doch dann überwog die Wut an der erneuten Kritik. Sein Sohn war nicht zu korrigieren. Er hatte alles richtig gemacht... Doch auch das sprach er nicht laut aus, obwohl er kurz vor Wut ein wenig an Farbe im Gesicht gewann. Gerade noch rechtzeitig erkannte Francis den Sinn hinter der Frage und zog die Stirn kraus, als müsste er ernsthaft nachdenken. Nun, die Antwort war nicht schwer, aber es drängten sich ihm ein paar eigene Fragen auf, die er nicht so leicht beantworten konnte. Nämlich wer Matts Freunde waren... "Ich bin mir nicht sicher, was sie genau damit meinen, Reverend, aber wenn sie da an guten Einfluss nehmen denken, lautet die Antwort von niemand. Er hat ein paar unselige Freunde, die nicht unbedingt der Traum jedes Elternteils sein kann. Sündige Personen, wenn sie verstehen. Wir haben natürlich versucht diese Freundschaften zu unterbinden, aber ich befürchte, dass wir nur im Glauben gelassen werden, gewonnen zu haben."
Eric & Selina, Höhe Brunnen in Richtung Gästehaus Sarah etwas voraus (Francis, Ben & Terry in der Nähe, Nicholas, Rebeccah & Martin Höhe Klinik)
Selina war froh, dass Eric so gut auf ihren Themenumschwung eingestiegen war. Es war nicht so, dass sie Sarah bloß als Vorwand benutzt hatte, denn in den Augen der Schmiedin war das Mädchen in der Tat eine äußerst interessante und faszinierende kleine Persönlichkeit. Doch all das, was in dieser kurzen Zeit zwischen ihr und Eric passiert war, verwirrte sie letztendlich doch mehr, als sie wollte. Es waren so viele neue Eindrücke, die die Schmiedin einfach noch nicht richtig zuordnen konnte, obgleich sie jetzt aber schon zu glauben meinte, dass es sich um durchaus positive Dinge handelte. Doch für heute war es genug davon, zumal sie nun ein Level erreicht hatten, auf dem ihre Beziehung zueinander plötzlich so unkompliziert schien. Genau dabei wollte die Schmiedin es gerne vorerst belassen – die Fronten waren geklärt und niemand musste sich verstellen. Alles Weitere zu seiner Zeit. Was auch immer dieses ‚Alles Weitere‘ letztendlich darstellen sollte – Selina war bereits jetzt schon gespannt darauf. Gespannt und vorfreudig. War das nicht seltsam? Dass sie sich schon jetzt auf das nächste Treffen mit den Malones freute, obwohl sich ihre Wege noch nicht einmal getrennt hatten? Innerlich schüttelte die Schmiedin mit einem Schmunzeln den Kopf. Sie musste über einige Dinge, die ihr heute bereits durch den Kopf gegangen waren, definitiv noch einmal nachdenken. Oder einfach eine Nacht darüber schlafen – so etwas Simples konnte oft Wunder bewirken.
Doch nun lauschte sie erst einmal Eric’s Worten, wie er von seiner Nichte schwärmte, und Tucker stimmte ihm im Stillen zu. Sie konnte zu gut verstehen, dass Sarah für Eric wie eine eigene Tochter geworden war. Bei Mary war es nichts anderes, sie war Selina auch wie ein eigenes Kind ans Herz gewachsen, obgleich sie eben ‚nur‘ ihre Tante war. Bei diesem Gedanken merkte Tucker auch einmal mehr, wie sehr sie ihre Nichte und auch Scarlett vermisste. Es fehlte einfach etwas in ihrem Leben. Wenn sie wenigstens wüsste, wie es ihnen ging – doch dank dieses schon viel zu lang anhaltenden grausamen Winterwetters musste die Schmiedin schon lange auf einen Brief warten. Zu lange, wenn es nach ihr ging. Und doch beruhigte sie sich selbst damit, dass es eben nur an den Wetterverhältnissen lag und nicht daran, dass Scarlett oder Mary etwas zugestoßen war. Gerade, als Selina diesen Gedanken ausführte, erzählte Eric vom Verlust seiner Schwester, Sarah’s Mutter, und sie wandte ihm ihren Blick zu. Es war kein schönes Thema und sicher hatte dieser Schicksalsschlag sowohl Sarah, als auch ihren Onkel hart getroffen. Eric schien doch auch ein Mensch zu sein, der viel Wert auf die Familie legte. Wenn Selina nur daran dachte, dass Scarlett auf einmal nicht mehr war, wurde ihr gleich ganz anders. Für sie war die Vorstellung, dass plötzlich jemand aus ihrer Familie sterben würde, so grausam, dass sie nie einen Gedanken daran verschwendete. Doch Sarah und Eric mussten sich nahezu ständig damit befassen, vielleicht hin und wieder nur unbewusst, weil es für sie zur Normalität geworden war. Und doch würden sie immer von diesem Vorfall gezeichnet bleiben.
Ein wenig betroffen senkte die Schmiedin den Blick, wurde jedoch sofort wieder hellhörig, als Eric weiterredete. Fragend sah sie wieder zu ihrem Gegenüber, als er seinen Unfall ansprach. Natürlich konnte die Schmiedin mit diesen Fetzen an Informationen nichts anfangen, und doch war Eric sehr direkt geworden. Er erzählte davon, dass er nach dem Tod seiner Schwester beinahe selbst gestorben wäre, in seiner Zeit als Sheriff in Kansas. Allzu detailliert wurde seine Erzählung nicht und Selina war auch ganz froh darüber, denn der Tod war etwas, mit dem sie sich äußerst ungern auseinandersetzte. „Aber es ist nicht schief gegangen, Eric.“, entgegnete die Schmiedin dann in ruhiger Tonlage, „Und das ist gut so.“ Wieder bildete sich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen, das zugleich ein wenig aufmunternd wirkte. Selina war niemand, der sich viele Gedanken über eine Was-wäre-wenn-Version des Geschehenen machte. Es brachte nichts, außer Kopfschmerzen. Für Eric wäre es vermutlich auch besser, wenn er nicht weiter darüber nachdachte, was jetzt wohl aus Sarah geworden wäre, wenn es ihn damals erwischt hätte. Daher fragte die Schmiedin auch gar nicht nach weiteren Details der Geschichte – es sollte nicht so wirken, als ob sie desinteressiert war, denn sie war sehr wohl an dem interessiert, was Eric zu erzählen hatte. Doch seine Nahtoderfahrung war etwas sehr Persönliches, auch ein sehr ernstes Thema, für das vielleicht jetzt nicht der richtige Ort und die richtige Zeit war.
Plötzlich tönte Sarah’s Stimme durch die Luft, nicht allzu laut, aber doch deutlich genug vernehmbar, und Selina suchte nach der Geräuschquelle, da sie Sarah während des Gesprächs doch aus den Augen verloren hatte. Ihr Blick blieb an der Puppe des Mädchens hängen, die auf einem Fass neben einer Hauswand saß, und Selina musste zweimal hinsehen um Sarah zu erkennen, die dort im Schnee kniete und scheinbar schon halb in besagter Hauswand verschwunden war. Sie sagte doch, das Mädchen war faszinierend. Scheinbar war sie wirklich in ihre ganz eigene Welt abgetaucht, und in dieser Welt war sie keineswegs das schüchterne, fast verängstigt wirkende Ding, das ständig an der Hand ihres Onkels klebte. Sarah deckte wirklich eine überraschend große Palette an Charaktereigenschaften ab, die man auf den ersten Blick gar nicht bei ihr vermutete. „Versucht sie öfters, Hasen durch Hauswände zu folgen?“ Fragend wandte Selina ihren Blick gen Eric, doch sie klang nicht wirklich besorgt, eher ein wenig amüsiert. Für sie war Sarah’s Verhalten an für sich normal, sie schien einfach ein Kind mit viel Fantasie und Unternehmungsdrang zu sein – letzteres zumindest, wenn sie sich unbeobachtet fühlte oder glaubte, dass kaum Menschen in ihrer Nähe waren. Es bildete sich sogar ein feines Grinsen auf ihren Lippen, als Selina daran dachte, wie sehr Sarah sie doch gerade an die Geschichte von Alice im Wunderland erinnerte, in der die Titelheldin doch ebenfalls einem Kaninchen gefolgt war.
Weitere Stimmen drangen an ihr Ohr und als die Schmiedin den Kopf wandte, erkannte sie Francis McKay mit seinem Sohn Ben, sowie den neuen Reverend, die mit großer Wahrscheinlichkeit unterwegs zum Gästehaus waren. Sie nickte den Herren grüßend zu, wobei sie für Ben sogar ein kleines Lächeln übrig hatte. Es währte jedoch nur kurz, da sie nicht wollte, dass sein Vater etwas merkte, wobei dieser ja sehr in das Gespräch mit dem Reverend vertieft zu sein schien. Dann ging ihr Blick wieder zu Eric zurück, abwartend. Er hatte doch erwähnt, dass er Reverend Stevenson aus Kansas kannte, oder etwa nicht? Außerdem war da ja auch noch Sarah, von der man nur noch die Schuhe und den Rock sah. Selina wollte sich dort sicherlich nicht einmischen, das war eine Sache zwischen Eric und seiner Nichte. Falls Eric überhaupt irgendetwas tun wollte, oder er Sarah einfach gewähren ließ. In einen Kaninchenbau konnte sie hier zumindest nicht fallen, zumindest nicht körperlich. Nur in ihrer Fantasie. Und das war doch gar nicht so verwerflich, oder?
Francis, Ben und Terry, Höhe Brunnen in Richtung Gästehaus (Eric, Selina und Sarah in der Nähe)
Bedauernd schüttelte Terry den Kopf und hatte kurz das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. "Das habe ich nicht andeuten wollen, Sir. Ich habe keine Zweifel daran, dass sie schon oft Matt darüber gesprochen haben." Terry ruderte ein bisschen zurück, denn er wollte ja wirklich nicht seinem Nachbarn das Gefühl geben, ihn für einen schlechten Vater zu halten. Für ihn bestand jedoch ein Unterschied darin, ob dieser seinen Sohn wissen ließ, dass er ihm mehr zutraute oder ob er ihn konkret auf eine Lebensweise festlegen wollte. Mr. McKay schien jedoch verärgert zu sein, so dass Terry davon absah, seine Gedanken zu äußern. "Oh, nein.. natürlich nicht." Terry war nicht empört oder ärgerlich, aber er stellte mit seinem Ton klar, dass er sich auch nicht für einen Rabenvater hielt. Die Vorstellung, Jeremiah könnte sich eines Tages seinem Rat verschließen, bekümmerte ihn schon ein wenig und selbstverständlich würde er nicht tatenlos zu sehen, so dieser in sein Verderben rannte. "Natürlich riete ich ihm vehement davon ab, sein Leben so zu gestalten, dass er Gefahr liefe, dieses zu verlieren. Ich wäre sicher dankbar, so er in meine Fußstapfen träte, aber wenn ihn Anderes antreibt..Jetzt bekommt er Wurzeln, weiß wo er hingehört, aber mit sechzehn, siebzehn wird er Flügel brauchen." Terry war ziemlich sicher, dass Mr. McKay gerade ein wenig übertrieb. Er sagte ja selber von seinem Sohn, dass dieser gut lernen konnte, intelligent sei und seinen Willen durchsetzte, da würde er sich wohl mit seinen Aktivitäten im Bereich des Illegalen bewegen. "Nun, Sie haben Matt gut erzogen - da kann man wohl davon ausgehen, dass er sich an christlichen Maßstäben orientiert. " Terry hielt seine Worte bewusst allgemein, denn er wollte sich nicht noch einmal zu weit aus dem Fenster hängen. Dass Mathew eine gute Erziehung genossen hatte, hatte er bei dem gemeinsamen Abendessen bei den McKays am Montagabend durchaus bemerkt. Inzwischen hatten sie Eric und seine Begleitung fast eingeholt und Terry erwiderte kurz den freundlich Gruß der Begleitung seines Freundes. Dieser war wohl ebenso in ein Gespräch vertieft, wie er selber, so dass Terry davon absah, ihn zu stören. Er nickte ihm nur freundlich zu, konnte aber nicht erkennen, ob dieser diesen kurzen Gruß zu Kenntnis nahm. Mr. McKay schien erneut verärgert und Terry fragte sich im Stillen, ob er zu weit gegangen war. Gut kannte er Ben nun wirklich nicht und aus dem kurzen Erleben beim Abendessen neulich oder den kurzen Momenten, in denen Ben Jeremiah abgeholt hatte, ließ sich nicht viel über den Jungen schließen. Terry war kurz abgelenkt, weil Sarah plötzlich aus seinem Blickwinkel zu verschwinden schien. War diese nicht eben noch vor ihnen gewesen? Terry war sich sicher, dass er sie eben noch vor sich gesehen hatte. Sein Nachbar schien über seine direkte Frage in der Tag verärgert zu sein, oder gar wütend. Darüber wunderte sich Terry nicht, denn auch er wäre wohl ärgerlich, so man ihm auf den Kopf zu sagte, dass Jeremiah wohl nichts mehr auf seinen Rat gab. Das war kein Erziehungsfehler sondern schlicht der Lauf der Dinge. Mr. McKay schien über eine Antwort nachzudenken, so dass Terry annahm, dass Matthew kaum einen Freund besaß - jedenfalls Keinen, der ihm die Meinung sagen durfte. Sicherlich könnte er ihm ein solcher werden, aber aufdrängen würde er sich auch nicht. Vielleicht - so sich die Gelegenheit ergibt.. Schmunzelnd sah er auf Ben herab, dessen Versuch, nach Sarah Ausschau zu halten, von Mr. McKay wohl gerade nicht bemerkt werden konnte. Tatsächlich sah Ben nach Sarah, von der nur noch die Füße und ein Teil des Mäntelchens vor einer Mauer zu sehen war. Was auch immer sie dort trieb - sie würde vermutlich nass und kalt werden. Terry bezweifelte, dass das so eine gute Idee wäre, aber es war nicht an ihm, Sarah darauf hinzuweisen. Nachdenklich nickte Terry zu den Worten seines Nachbarn, denn danach war dieser junge Mann, der neben Matt gesessen hatte, wohl auch nicht ein Freund im Sinne eines Ratgebers. "Ich denke, ich verstehe, was Sie gerade andeuten. Das ist allerdings bedenklich." Terry verstand nicht genau, warum er gefühlsmäßig in diese Angelegenheit involviert zu sein schien. Schließlich kannte er die McKays weder sehr lange noch besonders gut, aber trotzdem beschlich ihn das Gefühl, dass er helfen musste, so gut er es vermochte. Um Rat gebeten hatte Mr. KcKay ihn mit keiner Silbe und auch nicht viel vom Familengefüge preisgegeben, so dass Terry sich ohne Weiteres hätte zurück ziehen können, so er gewollte hätte. Hatte denn Mr. McKay Recht mit der Annahme, Mathew sei dabei, sich ins Unglück zu stürzen? Dabei könnte Terry weder als Vater eines Sohnes noch in seiner Eigenschaft als Reverend oder auch nur in der Rolle des Nachbarn tatenlos zu sehen. Wahrscheinlich brachte er Mr. McKay damit nun doch wieder gegen sich auf, aber Terry brachte es nicht über sich zu schweigen. "Ich will gerne mit Mathew ein paar klare Worte wechseln - so sie es mir gestatten." Terry hielt sich keinesfalls für einen unseligen Menschen, aber er achtete das Recht eines Vaters den Umgang des minderjährigen Sohnes zu bestimmen unabhängig davon, ob dieser Sohn sich danach richtete, oder eben nicht.
Tadewi und Gabriel, Mainstreet Höhe Sheriffstation
Die ersten Häuser waren in Sicht. Zur Rechten das Büro des Sheriffs. Noch sahen sie nicht wirklich Menschen, denn es schneite leicht und verstperrte ihnen die Sicht. Inzwischen hatte Tadewi verstanden, was Gabriel gemeint hatte, aber er hatte nicht gelacht. Gabriel war einer der Weissen, der die Unterschiede der zwei Kulturen kennengelernt hatte. Monate hatte er bei einem Stamm der Cheynne verbracht, die ihm das Leben gerettet hatten. Und das diese keine Geigen kannten, war ihm auch klar. Aber nur weil dieses Instrument ein Geniestreich in den Augen Gabriel war, was Fortschritt anging, urteilte er nicht über jene, die dieses Instrument kannten. Und dann nickte er seinem Begleiter zu und lächelte und sprach: »Gerne nehme ich das Angebot an. Aber es wird wohl noch etwas dauern, bis die Knochen verheilt sind. Vorher ist es mir unmöglich, dieses Instrument so zu spielen wie es gespielt werden sollte, denn ich brauche zwei gesunde Arme. Dennoch danke ich dir sehr für das Vertrauen. «
Gabriels Lächeln war ehrlich, denn er kannte den Stolz mancher Indianer. Aber der Musiker freute sich ehrlich. Auch wenn er in den großen Städten sehr bekannt war unter den Menschen, besonders unter den Reicheren, so war die Vorstellung, ein kleines Konzert bei Tadewis Menschen zu spielen eine schöne Herausforderung. Gabriel spielte nämlich als erste Geige aus purer Leidenschaft, nicht nur des Geldes wegen. Dennoch war das einfach auch ein weiterer guter Grund. Da war er ein typischer Weisser.
Erst glaubte Gabriel ja, dass er den Mann wohl hatte ein wenig von seinen Sorgen ablenken können, aber das hielt nicht lange vor. Sie erreichten die erste Häuser des kleinen Ortes und Tadewi schien sich nicht wohl zu fühlen. Aber das wunderte Gabriel nicht.
Schliesslich fragte Tadewi, ob Gabriel das Haus kannte. Nur kurz brauchte Gabriel für eine Antwort: »Nein, aber ich weiss, glaube ich, dass wir es schnell finden werden. Der Ort ist nicht sehr groß. Und nein, ich kenne diesen Rechtsgelehrten nicht. Aber ich werde dir helfen, ihn zu finden.
Viel wusste Gabriel wirklich nicht. Aber das die Familie, soweit er wusste, ein Restaurant hatte. Und vielleicht hatte dieser Anwalt auch ein Büro. Und wenn er an beiden Orten nicht war, vielleicht dort im Gästehaus, wo ja so ein Treffen, ein empfang stattfinden sollte, wie GAbriel heute Morgen erfahren hatte.