Ruth mit Calvin, Helen und Laura (Terry mit Sophie und Cassidy in unmittelbarer Nähe)
Sophie bemühte sich, ihre Zweifel nicht allzu deutlich zu zeigen. Soweit käme es noch, dem frisch eingetoffenen Reverend der Lüge zu bezichtigen, auch wenn sie sich fragte, wie genau dieser angebliche „Unfall“ wohl ausgesehen haben mochte. Normalerweise hätte sie sich selbst für ihre Neugier gescholten, doch heute nahm sie es als gutes Zeichen, dass sie sich tatsächlich wieder dafür interessierte, was um sie herum geschah und nicht mehr ganz mit dem eigenen Leid beschäftigt war. Cassidy allerdings übte sich weniger in löblicher Zurückhaltung als sie selbst und hakte frech nach. „Also Cassidy...“ murmelte Sophie etwas pikiert und warf der Freundin einen strafenden Blick zu. Dem jedoch fehlte der nötige Ernst, um zu verletzen und sie nahm ihrer eigenen Aussage den Stachel, indem sie am Ende die Mundwinkel zu einem kaum merklichen Lächeln verzog und dabei rasch die Augen niederschlug.Es hatte nicht in ihrer Absicht gelegen Cassidy aus dem Gespräch hinauszudrängen und ihr wurde erst verspätet bewusst, dass sie das gerade getan hatte.
Ihre Freundin wirkte nämlich alles andere als begeistert, dass sie sich nun auf ein Pläuschen mit dem Reverend einließ. Aber … sie musste doch schnell loswerden, was ihr auf der Seele lag, sonst hatte der Mann noch einen falschen Eindruck von ihr. Und Sophie legte es nun wirklich nicht darauf an, von Hawkins Nachfolger schon wieder die Hölle angedroht zu bekommen. Da hatte Stevensons Vorgänger gereicht. Sie hatte mit einer würdevollen zur Kenntnisnahme ihrer Entschuldigung gerechnet – so würdevoll wie man das mit einem lädierten Kinn zustande bekam – doch zu ihrer Überraschung wirkte der Mann fast etwas bestürzt und dann reagierte er mit mehr Verständnis, als Sophie je erwartet hätte. Sie lächelte vorsichtig und musterte den Reverend unaufällig, während sie rasch versuchte ihn neu einzuschätzen. Obwohl man ihm ansah, dass er keine zwanzig mehr war, verströmte er eine beinahe jugendliche Energie und da lag ein lebhaftes Funkeln in seinen Augen. Sein Gesicht schien beinahe wie ein Spiegel jeder Gefühlsregung zu sein und es war nicht sonderlich schwer zu erraten, was er dachte, oder was in ihm vorging. Das gefiel Sophie, die sonst häufig nur raten konnte, was die Menschen um sie herum dazu trieb, zu tun, was sie taten. Vielleicht wäre die Kirche unter ihm ja kein Ort mehr, an dem man Gott fürchten musste, sondern eher eine in der man sich ihm vertrauensvoll zuwenden konnten? Es schien nicht besonders gefährlich, diesem Mann ihr Vertrauen zu schenken und doch.... kurz huschte ein Schatten über Sophies Gesicht. Sie hatte auf unangenehme Weise gelernt, dass es nicht immer klug war, auf sein erstes Bauchgefühl zu hören. Trotzdem hörte sie ihm aufmerksam zu und lächelte unwillkürlich, als er von einem Sohn sprach. Soweit sie es überblicken konnte, war Stevenson ganz alleine hier und soweit ab von den großen Städten könnte man sich in einem kleinen Ort wie diesen leicht verloren vorkommen. Da war es sicher schön, einen Menschen dabei zu haben, den man schon kannte. Ihre Lippen formten ein überraschtes „Oh...“ als er tatsächlich vorschlug, das nächste Mal höchstpersönlich dafür zu sorgen, dass sie den Gottesdienst nicht verpasste. „Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, aber ich wohne gleich nebenan.“ erklärte sie, bevor ihr bewusst wurde, was für ein ungemein schlechtes Licht, das auf sie warf. Sie wohnte direkt neben der Kirche und kam dennoch nicht zum Gottesdienst. „Es war nur...“ redete sie deswegen hastig weiter und spielte nervös mit einer Locke, die verrutscht war, „... heute ist doch Ihr Empfang, da wollte ich heute morgen schnell Ruth und Ms. Farley ein wenig zur Hand gehen, bevor ich mich aufmache und dann ..“ Ihr wurde bewusst, dass sie ihr Grab wahrscheinlich gerade tiefer schaufelte. Wie hätte sie erklären sollen, dass sie sich zu erschöpft fühlte. Doch dazu kam es gar nicht mehr.
Ruth stürmte die Rezeption und zog sehr resolut den Jungen der neuen Gäste hinter sich her. Hatte der nicht Wasser holen sollen. Sophies Blick folgte dem Geschehen, welches sich vor ihren Augen entspann. Scheinbar hatte der Knabe gestohlen und Sophie presste hastig eine Hand vor den Mund, um nicht aufzustöhnen, als dessen resolute Großmutter die Dinge in die eigene Hand nahm und ihm zwei Ohrfeigen gab. Hastig griff sie nach Cassidys Hand und drückte diese nervös in ihrer. Sie war noch nie sonderlich standfest gewesen, wenn es darum ging, Gewaltaten vor ihren Augen gut zu verkraften. Unwillkürlich hatte sie die Schultern ein wenig hochgezogen und vergaß für einen Augenblick Stevenson um mit der gebannten Faszination einer Maus vor der Katze zu zu sehen, wie das Familiendrama vor ihren Augen seinen Lauf nahm. Mitfühlend musterte sie den Jungen. Er mochte ein Dieb sein, aber es war doch nur ein Muffin und er hatte es bestimmt nicht in böser Absicht getan. Ob sie ein gutes Wort für ihn einlegen sollte? Wäre sie Cassidy dann wären ihr bestimmt die richtigen Worte dazu eingefallen, ihr hingegen wurde allein bei dem Gedanken ganz anders vor sovielen Leuten sprechen zu müssen. So warf sie stattdessen Cassidy einen bedeutungsvollen Blick zu. Wenn Ruth schon wegen einem Muffin so wütend wurde, dann wollte sie sich lieber nicht dabei erwischen lassen, wie sie versuchte etwas Bowle abzuzweigen.
Calvin mit Helen u. Ruth und Laura (Terry mit Sophie und Cassidy in unmittelbarer Nähe)
"Ja,Ma'am." Calvins Augen füllten sich mit neuen Tränen, als er dem Druck des Zeigefingers unter seinem Kinn nachgebend, den Kopf anhob. Seine Mutter hatte ganz offensichtlich Kummer seinetwegen und das tat ihm viel mehr leid, als das Mitnehmen der Muffins. Das waren sie ihm genauso wenig wert, wie das, was er nun für den Abend auf der Ranch zu erwarten hatte. Seine Ma hatte ihn bisher nur ein- bis zweimal ernsthaft gezüchtigt, aber beide Male so nachdrücklich, dass er sich vor den zu erwarteten Hieben mit dem Gürtel des Großvaters fürchtete. Vielleicht haben wir Glück, Huckles. Wer weiß, wo er hingekommen ist.. Es gab nur eine winzige Chance, dass der Gürtel durch den Umzug verloren gegangen sein könne, aber daran hielt er sich nun fest, um nicht vor Angst vor den Schmerzen bereits zu heulen, bevor überhaupt der erste Hieb gefallen war. Widerstandslos ließ er sich von seiner Ma an den Schultern um die Achse drehen. "Entschuldigung, Ma'am. Ich hätte die Muffins nicht nehmen dürfen. Es kommt bestimmt nicht wieder vor." Ob die Köchin seine Entschuldigung annahm, konnte er weder ihrem Blick noch ihren Worten entnehmen, denn gerade in diesem Augenblick war aus dem Speiseraum heraus das Scheppern fallenden Geschirrs und ein spitzer Schrei zu vernehmen.
Ruth mit Calvin, Helen und Laura (Terry mit Sophie und Cassidy in unmittelbarer Nähe)
Neugierig spitzte Ruth die Ohren, konnte aber nicht alle Worte verstehen, die der neue Reverend mit Sophie oder Cassidy austauschte. Aus dem Speiseraum heraus hörte sie lautes Klirren und die erschreckten Schreie zwei Mädchen. Dort hatte es offensichtlich ein Unglück gegeben. Ruth fühlte sich verpflichtet, zunächst den im Speiseraum vermutlich angerichteten Schaden zu beheben, statt einem Gespräch zwischen dem Reverend oder Sophie zuzuhören oder sich mit einer Entschuldigung Calvins aufzuhalten. Der Junge schien über seine Diebstahl traurig und beschämt zu sein, so dass Ruth annahm, keinen notorischen Dieb vor sich zu haben. Der Junge hatte wohl wirklich nur großen Hunger gehabt. Mrs. Alcott reagierte mit einer erstaunlichen Ruhe und Gelassenheit auf diesen Vorfall, so dass Ruth darüber innerlich den Kopf schüttelte. Im Stillen gab sie sogar der älteren Dame Recht, die dem Jungen kurzerhand ein paar Ohrfeigen gab. Verdient hat er sich diese allemal. Der Lärm im Speiseraum ließ sie unruhig werden, so dass sie mit Verzögerung auf die Entschuldigung reagierte, die die Mutter des Jungen diesem abgerungen hatte. "Nun, gut - es ist ja nicht viel passiert, nicht? Die zwei Muffins.. Trotzdem bleibt ein Diebstahl, ein Diebstahl." Ruth nickte dem Jungen zu und wandte sich dann an Mrs. Alcott. "Nun, ich bin sicher, dass sie dafür sorgen, dass ihr Sohn sich nicht noch einmal einen Diebstahl zu schulden kommen lässt. Mich wollen Sie bitte entschuldigen. Ich denke, ich habe gerade andere Probleme, als ein paar fehlende Muffins." Noch einmal nickte sie freundlich Mrs. Alcott zu, bevor sie ihren Rock ein wenig raffte und in den Speiseraum eilte.
Terry mit Sophie und Cassidy Calvin mit Helen u. Ruth und Laura in unmittelbarer Nähe
Im Stillen schmunzelte Terry über die Reaktion Miss Garners auf die Bemerkung ihrer Freundin, bevor er sich mit amüsiertem Ton an diese wendete: "So? Wie sollte ein Unfall denn aussehen?" Gespielt kritisch musterte er zunächst Miss Clayton, bevor er seinen Blick über deren Beine und Krücke hinweg zu Miss Garner wandern ließ. Natürlich wusste er über deren Missgeschick, der zu ihren Verletzungen geführt hatte, noch immer keine Einzelheiten, aber das sah für ihn auch nicht gerade wie ein Unfall aus. Miss Garner zeigte sich über die Bemerkung ihrer Freundin also zu Recht pikiert, denn mit dieser, machte Miss Clayton nicht nur ihn unglaubwürdig, sondern warf auch die Frage auf, in wie weit man beim Anblick der offenbar zur gleichen Zeit aufgetretenen und sehr ähnlichen Verletzungen der beiden jungen Damen an einen Unfall glauben konnte. Die fast gestammelten Worte Miss Garners gingen in dem Klirren und Scheppern im Speiseraum beinahe unter. "Sie werden ihre Gründe gehabt haben, Miss Garner. Ich bin weder der Verkläger noch der Richter." Unter anderen Umständen hätte sich Terry vermutlich mehr Zeit gelassen, um sich zu erklären, aber gerade erkannte er in den spitzen Schreien, die Stimme Sarah Malones. Clara? Er war sich nicht sicher, Claras Stimme zweifelsfrei erkannt zu haben, aber allein die Tatsache, dass die stille und brave Sarah plötzlich in der Öffentlichkeit erschreckt aufgeschrien hatte, ließ in ihm das dumme Gefühl entstehen, dass mehr passiert war, als ein, zwei am Boden zerschellte Teller oder Gläser. "Wie gesagt - ich bin gerne bereit, Alles zu versuchen, damit auch wirklich Jeder, der will, den Gottesdienst auch besuchen kann..." In seinem Rücken nahm Terry die Unterhaltung des ihm fremden Jungen mit seiner Großmutter und Mutter deutlicher wahr, als ihm lieb war. Das täte auch zu Jerry passen..gute Ausrede, wirklich. Es lag Terry fern, sich ungefragt in die Erziehung des ihm unbekannten Jungen einzumischen, aber die Reaktion der Mutter erschien ihm weit angemessener zu sein, als die Ohrfeigen der älteren Dame oder die Empörung Mrs. Cornwells. Der Junge schien seine Entschuldigung, die er nun nicht nur seiner Mutter gegenüber sondern auch der Köchin gegenüber aussprach, ernst zu meinen. Im Gegensatz zu Jerry, der sich manchmal nur proforma zu entschuldigen scheint.. Hoffentlich ist er inzwischen zu Hause "Sie entschuldigen mich? So ein Unglück passte zu ihm." Der letzte Satz rutschte Terry unbedacht über die Lippen dabei war dieser Gedanke gar nicht mal so weit hergeholt. Ich sollte wohl nach dem Rechten sehen.. gute Ausrede. Der spitze Schrei zweier Mädchen und ein Ausbleiben von lauten schimpfenden Worten verhieß nichts Gutes, so dass Terry nun einen guten Grund hatte, Erin und Eli in den Speiseraum zu folgen, ohne Aufsehen zu erregen. Vermutlich war er es nicht, aber Jerry könnte immerhin in die Angelegenheit verwickelt sein.
Terry mit Sophie und Cassidy Calvin mit Helen u. Ruth und Laura in unmittelbarer Nähe
Wie nicht anders zu erwarten, entrüstete sich Sophie natürlich sofort über Cassidys gewagten Ton dem Reverend gegenüber. Und dafür erntete die Freundin einen etwas ungehaltenen Blick. Der wehrte allerdings nur kurz, als Cassidy das feine Lächeln sah, dass um Sophies Mundwinkel spielten. Na also... sah sie das doch wohl so ähnlich wie sie und hat sich nur nicht zu fragen gewagt. Überraschend zeigte sich der Reverend jedoch wenig beeindruckt. Er war nicht entrüstet, nicht verärgert, noch setzte er dazu an Cassidy in ihre Schranken zu verweisen. Allerdings mochte es Cassidy nicht, wie er bei seiner Gegenfrage leise Kritik mitschwingen ließ und dabei ihr und Sophies Bein musterte. Sie wusste natürlich auf was er hinaus wollte, aber der Selbstmordversuch von Sophie und ihr Einsatz um das Leben der Freundin zu retten, war etwas, das sie in keinsterweise mit irgendetwas vergleichen, noch kritisiert sehen wollte. Natürlich wusste der Reverend nicht, was mit ihnen passiert war und sie durfte ihm daraus keinen Vorwurf machen, allerdings fand sie es für ein wenig geschmacklos. Beine brache man sich bei einem Unfall, ein bläulich gefärbtes Kinn, erhielt man durch einen Schlag. Sicherlich war der Reverend nicht per Zufall gegen die Faust eines anderen gelaufen. Aber sie schwieg. Weder sah sie durch den leisen Tadel beschämt zur Seite, noch ließ sie ihre leichte Verärgerung durchscheinen. Ihr Blick war jedoch eindeutig - mit mir nicht, Mister. Letztendlich zuckte sie auch nur leicht mit den Schultern. "Ganz wie sie meinen, Reverend," sagte sie reserviert und verdrehte innerlich die Augen, weil Sophie anscheinend anfing einen Narren an dem neuen Gottesmann zu fressen. Sie legte so viel Wert darauf, was er von ihr dachte, dass es für Cassidy zumindest offensichtlich war, dass sie schön Wetter zu machen versuchte.
Da war Ruth Auftauchen eine nette Abwechslung, auch wenn es Cassidy ganz schön Selbstbeherrschung kostete, nicht loszulassen, als sie den Grund der Aufregung erfuhr. Ein paar Muffins. Also wirklich.. die hätten doch sowieso ihren Weg auf das Büffet gefunden und dann der Allgemeinheit gehört. Jetzt brachte dieses herrschsüchtige Weib einen armen Jungen in Verlegenheit ... sie schüttelte innerlich den Kopf darüber und zuckte gleich etwas heftig zusammen, als die ältere Dame ihrem scheinbaren Enkelsohn zwei schallende Ohrfeigen verpasste, die ordentlich saßen. Cassidy hatte Mitgefühl mit dem Jungen und sah etwas verlegen zur Seite. Der Sache sollte sie wohl nicht länger Beachtung schenken, am Ende wurde es nur noch peinlicher für den Kleinen. Aber an eine weitere Unterhaltung war nicht mehr zu denken, denn Ruth als auch Mrs. Alcott wurden laut, der Junge schniefte und man musste ob man wollte oder nicht dem ganzen stumm beiwohnen. Auch Sophie schien das Spektakel unangenehm zu sein, denn sie suchte Cassidys Hand und drückte sie. Cassidy sah sie kurz an, schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln und hätte ihr gerne auch noch in einer beruhigenden Geste über die Wange gestrichen. Doch das war ein Ding der Unmöglichkeit und sie hoffte Sophie würde durch den kurzen Ausbruch an Gewalt neben ihnen, nicht gleich wieder jede neu gewonnene Zuversicht in ihr Leben verlieren. Nur weil sie sich an die letzten Monate erinnert fühlte. Es waren nur zwei Ohrfeigen, für einen kleinen Dieb, wohlverdient sicherlich, aber für Sophie konnte es wieder zu einem dieser Hebel in ihrem Kopf werden, von denen Dr. Leigh einmal gesprochen hatte. Aber es passierte nichts weiter, einmal davon abgesehen, dass Sophie ihr einen deutlichen Blick zu warf, der Besorgnis ausdrückte. Unweigerlich musste auch Cassidy an den bevorstehenden Plan mit der Fruchtbowle denken und verzog ein wenig das Gesicht. Besorgt war sie jedoch nicht. Schließlich wäre es ja Sophie, die die Bowle mitgehen lassen wollte, Sophie, die ein Stein im Brett bei Ruth hatte. Da würde schon nichts schief gehen. Sie auf jeden Fall würde nichts in der Küche anfassen, nicht mal einen Löffel, oder ein Glas.
Inzwischen hatte sich auch die Mutter des Jungen erhoben, um die Sache etwas ruhiger und leiser zu regeln. Fasst gefasst. Entweder war sie von ihrem kleinen Bengel nichts anderes gewöhnt, oder aber sie war eine geübte Meisterin in Selbstbeherrschung. Auf jeden Fall war damit wieder die eigene Unterhaltung mit dem Reverend möglich, der gerade auch prompt Sophie sein Angebot wiederholte und den Ernst dahinter. "Sophie wohnt auch in der Lake Street," warf sie etwas gelangweilt ein. Von ihrem Vater wusste sie bereits, dass der Reverend mit seinem Sohn in das alte Pfarrhaus eingezogen war. "Sie können sie jeden Sonntag abholen." So damit war das wohl geklärt. Sie warf Sophie einen kleinen, herausfordernden Blick zu, der deutlich sagte 'jetzt weiß er alles, was er wissen muss und gut'. Da der Lärm aus dem Speiseraum jedoch alle Aufmerksamkeit auf sich zog, war sowohl Ruth im Begriff die Rezeption zu verlassen, als auch der Reverend und damit wären sie frei. Seine Bemerkung irritierte Cassidy flüchtig. Wen er wohl meinte? Zu wem passte was? Aber sie verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr daran, nickte dem Reverend abschließend zu und beugte sich dann zu Sophie hinüber. "Was meinst du, sollen wir auch mal nachsehen, oder sollten wir die Stunde der Gunst für die Küche ausnutzen?"
Ruth mit Calvin, Helen und Laura (Terry mit Sophie und Cassidy in unmittelbarer Nähe)
Helen machte sich die Sache nicht ganz so leicht, wie es für die Außenstehenden wohl wirken musste. Sie war innerlich mehr enttäuscht und erschüttert über Calvins Tat, als sie zeigen wollte. Weniger über den Diebstahl selbst, als viel mehr über das, was dahinter steckte: sein leichtfertiges Handeln, sein fehlendes Nachdenken und ein triebgesteuertes Verhalten. Und dennoch verspürte sie mehr Mitgefühl mit ihrem Sohn, als für ihn oder sie gut gewesen wäre. Auch ein wenig Verständnis spielte eine Rolle. Alleine das Verhalten ihrer eigenen Mutter hätte gereicht, um Cal zu beschämen, aber das alles auch noch vor so vielen fremden Menschen ausstehen zu müssen, war erniedrigend und vernichtend. Und jetzt durfte sich der Kleine auch noch für den Rest des Tages und ihrer Reise ausmalen, was ihn erst einmal zu Hause angekommen erwarten würde. Dass er sie zweifelsohne richtig verstanden hatte, hatte sie deutlich an dem kurzen, erschrockenen Ausdruck in seinen Augen sehen können. Und doch hielt sie an ihrer Entscheidung fest, ganz gleich wie viel Mitgefühl sie übrig hatte oder wie leid es Calvin tat. Es war nun einmal ihre Aufgabe Calvin mit nachhaltiger Wirkung seine Fehler büßen zu lassen, damit so etwas wirklich nie wieder passieren würde.
Ohne ihn noch einmal auffordern zu müssen, entschuldigte sich Calvin bei der älteren Dame und sie konnte ihrem Sohn anhören wie aufrichtig er seine Worte meinte. Es bestand kein Zweifel daran, dass es ihm leid tat. Durch die ganze Aufregung im Speiseraum, kam etwas Unruhe in die Rezeption zurück und allgemeine Aufbruchsstimmung brach aus. Sie vernahm, dass der Reverend nachsehen gehen wollte, wie auch die ältere Dame vor ihnen, die sich bis jetzt noch nicht vorgestellt hatte. Aber das spielte gar keine besondere Rolle. Helen legte keinen gesteigerten Wert darauf die Frau jemals wieder zu treffen. Falls doch dann hoffentlich unter angenehmeren Umständen. Die Frau nahm die Entschuldigung letztendlich an und versäumte es nicht noch einmal zu betonen, dass auch ein kleiner Diebstahl eine Sünde blieb und sorgte damit sicher nicht nur bei Calvin für Unwohlsein. Kurz verstärkte sich daraufhin Helens Griff um die Schultern von ihrem Sohn, während sie nickte. "Sicher," murmelte sie nur und nickte gleich wieder, als die Frau ihr Vertrauen in Helens mütterliche Erziehung legte. Sie würde dafür sorgen. Oh, und wie sie dafür sorgen würde. "Natürlich. Wir wollen sie nicht länger aufhalten als nötig," erwiderte Helen höflich zurückhaltend, als die Frau ebenfalls in den Speiseraum wollte und sah ihr noch einen Augenblick kurz hinter her, ehe sie Calvin unter dem missbilligenden Blick ihrer eigenen Mutter, mit einer Hand im Rücken auf ihren Stuhl zuschob, auf dem sie sich sichtlich erschöpft niederließ und dabei Calvin so an den Handgelenken fasste, dass er direkt vor ihr stand. Sie spürte einen warmen Rinnsal hinter ihrem Ohr am Hals hinablaufen und fragte sich wo nur Miss Farley mit dem Arzt blieb. Hoffentlich war im Speisesaal nichts schlimmeres passiert, so dass dessen Hilfe am Ende dort von Nöten war. Sie wollte doch so schnell wie möglich auf die Ranch. Nicht nur, weil sie Miss Hall nicht länger als nötig warten lassen wollte, sondern auch um der Familie das neue Zuhause zu zeigen und ihnen die notwendige Ruhe zu geben, die sie sich nach diesem aufregenden Tag sicherlich alle herbeisehnten. Das vielsagende Schnauben ihrer Mutter ignorierend, sah sie zu Calvin auf und ließ ihn kurz in ihrem Gesicht ihre Empfindungen über das Geschehen sehen, ehe der gewohnte beherrschte Ausdruck darin Platz nahm. Ein etwas bitterer Zug trat um ihre Mundwinkel, während sie ihn absichtlich auf ihre Worte warten ließ. Gerade als sie etwas sagen wollte, hielt ihr Laura ein Taschentuch unter die Nase, das sie jedoch mit einem Kopfschütteln ablehnte. Ihre Verletzung musste warten.
"Was stell ich nur mit dir an, Calvin," sagte sie kühl, um zu verbergen, dass ihr viel mehr nach einem tiefen Seufzer gewesen wäre, der ihre leichte Hilflosigkeit sicherlich treffend zum Ausdruck gebracht hätte. "Na ich wüsste etwas," merkte Laura spitz an und ließ es sich nicht nehmen etwas ruppig die in Unordnung geratene Jacke von Calvin zu richten, wie auch das zerzauste Haar. So sah der Bengel wenigstens wieder salonfähig aus. Helen ignorierte sie auch dieses Mal. "Ich dachte ich könnte mich auf dich verlassen, weil du inzwischen schon ein großer Junge bist. Und wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich dir doch gesagt, dass du etwas zu essen bekommst und einen heißen Tee dazu. Vielleicht sogar heißen Kakao. War es wirklich zu viel verlangt, dich so lange zu gedulden, bis der Arzt nach mir gesehen hätte?"
Calvin mit Helen, Ruth (Sophie, Terry u. Cassidy in unmittelbarer Nähe)
Beschämt sah Calvin den Muffin in seiner Hand an. Wenn er nur wüsste, wohin er nun mit den vielen Bröseln sollte? Schließlich konnte er diesen zerbröckelten Muffin jetzt nicht einfach in den Mund stecken! Die Frau aus der Küche hatte seine Entschuldigung angenommen und daran erinnert, dass seine Ma dafür Sorge zu tragen habe, dass er nie wieder stahl. Calvin fürchtete, dass seine Ma genau das auch tun würde. Am Liebsten hätte er sich mit Huckles nun auch in irgendeine Ecke unter dem Tisch verkrochen, denn auf der Ranch spätestens erwarteten ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diverse Schläge mit dem Gürtel auf seinen Allerwertesten. Oft hatte er so eine Züchtigung nicht erlebt, aber die Schmerzen einer solchen fürchtete er. Danach würde er nicht einmal mehr schmerzfrei sitzen können und an ein Reiten auf Sawyer war gar nicht zu denken! Normalerweise empfand Calvin ein Verbot des Reitens als Härte, aber in diesem Falle käme ihm ein solches entgegen, denn jeder Schritt des Ponys würde ihn jeden einzelnen Hieb deutlich spüren lassen - und ihn stets daran erinnern, dass er gestohlen hatte. Seine Mutter hatte wohl Recht, denn einem Dieb vertraute man nicht. "Nein, Ma. Bestimmt durftest Du Dich auf mich verlassen." Hoffend das sein Ma ihm verziehen hatte, sah er auf. Sogar die Frau aus der Küche hatte ihm verziehen und eilte sich, in den Speiseraum zu gelangen. Da würde doch seine Ma ihm erst Rechte verzeihen können, oder? Natürlich hieße das nicht, dass sie ihn nicht empfindlich bestrafen würde, aber vielleicht gelänge es ihm doch, ihr Vertrauen in seine Verlässlichkeit wiederherzustellen - irgendwann. Calvin seufzte, denn er konnte doch gar nicht wissen, ob und wann ein Arzt überhaupt käme. Außerdem hatte ihn das Klirren und Geschrei aus dem Speiseraum annehmen lassen, dass genau das geschehen war, was er vorhin schon gedacht hatte. Die blöde Kuh hat bestimmt das Geschirrtuch herunter gerissen.. und nun gibt es erst Recht nichts mehr zu essen. So eine blöde Zicke! Calvin behielt seine Bedenken für sich, warf aber einen finsteren Blick zur Tür zum Speiseraum, die sich hinter Ruth wieder schloss. Er würde also nun wohl hier doch nichts bekommen. Dabei war es egal, wie lange er noch auf den Arzt warten musste. Seine Wangen röteten sich, als ihm einfiel, dass sein Ma nicht nur über seinen Mundraub enttäuscht war, sondern auch, weil er ihr das erwartete Wasser nicht gebracht hatte. Daran war ja nicht er, sondern diese Frau Schuld, die ihn einfach weggezerrt hatte. Es steht noch dort und das ist die Chance. Ein Geistesblitz der Erkenntnis ließ Calvins dunkle Augen kurz aufleuchten. Jetzt hatte er einen Einfall, um seiner Ma doch noch zu beweisen, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. "Ma? Ich gehe jetzt noch einmal los - Dein Wasser holen, ja? Ich bin auch sofort wieder da und fasse nichts anderes an." Fragend und fast flehend sah Calvin seine Ma an, die sich so enttäuscht gezeigt hatte. Hoffentlich erlaubt sie mir das... Ich bin doch schon groß!
Sophie stellte fest, dass die Sache mit dem Unfall ganz schön verzwickt zu werden drohte. Der kurze Moment des Unmutes zwischen Cassidy und ihr war zwa abgewendet, dafür spürte sie auf einmal den durchdringenden Blick des Reverends auf sich und den Verletzungen der beiden Mädchen. Dabei war er mit Sicherheit der letzte Mensch auf Gottes schöner Erde, der jemals von ihrer Wahnsinnstat wissen sollte. Was wenn er es ihr ansah, gerade jetzt fühlte sie sich, als könnte er durch ihre Kleider hindurch bis auf den Grund ihrer Seele blicken und obwohl er eigentlich mit Cassidy sprach, fühltle Sophie wie sie rot anlief. Fröstelnd schlang sie die Arme um sich und entspannte sich erst, als die Unterhaltung sich in eine andere Richtung wandte. Zumindest verurteilte er sie trotz ihrer unwürdigen Stammelei nicht, im Gegenteil, er schien ja richtig großmütig im Vergleich zu Hawkins. Sophie wagte ein vorsichtiges Lächeln und suchte nach den richtigen Worten des Dankes.
Doch gleich darauf ertappte Ruth nicht nur den kleinen Dieb, sondern es war auch ein lautes Scheppern und Klirren aus dem Gästesaal zu hören und der Reverend entschuldigte sich. Scheinbar vermutete er seinen Sohn unter den Übeltätern. Wenn es denn welche gäbe. „Oh .. natürlich.“ erteilte ihm Sophie die erbetene Entschuldigung und sah ihm kurz hinterher, als er davoneilte. Dann erst sah sie wieder zu Cassidy, atmete tief durch und ließ langsam deren Hand wieder los. „Ist alles wieder in Ordnung?“ fragte sie, ohne irgendwohin zu sehen außer zu Cassidy. Für einen Außenstehenden mochte die Frage deplatziert wirken, aber ihre Freundin würde schon wissen, wie sehr sich Sophie vor der Familienkonfrontation fürchtete, die da gerade im Hintergrund ablief. Der Ausbruch der älteren Dame schien vorbei und Ruth war auch abgerauscht, um im Speisesaal nach dem rechten zu sehen, trotzdem ging Sophie das Risiko lieber nicht ein. Dementsprechend erleichtert war sie über Cassidys Vorschlag, den sie zuvor zu umgehen versucht hatte. Die Küche versprach Frieden und Ruth war im Speisesaal beschäftigt. „Ruhen wir uns ein wenig in der Küche aus. Da ist es auch wärmer.“ meinte sie zustimmend und machte sich schwerfällig daran, sich zu erheben.
Sie bedauerte es nur wenig der unangenehmen Atmosphäre zu entkommen, denn es war ersichtlich, dass die Sache für den Jungen noch nicht ausgestanden war. Doch dann wollte er auf einmal Wasser für seine Ma holen. Aus der Küche, genau da wo sie auch hinwollten. „Ma'am ...“ meldete Sophie sich zögerlich zu Wort, denn sie empfand das merkwürdige und unerklärliche Bedürfnis, dem Kleinen Rückendeckung zu geben. Zumindest Wasser holen lassen konnte sie ihn doch. „wir wollten auch in die Küche, also wenn Sie wollen können wir ihren Jungen begleiten und ihm zeigen, wo er das Wasser findet.“ meinte sie. Dass sie dabei ein beaufsichtigendes Auge auf ihn haben würden, verstand sich doch von selbst. Und die Frau musste ja auch nicht unbedingt wissen, dass sie ebenfalls planten Ruth etwas von ihren Vorräten abzuknöpfen. Sie lächelte dem Kleinen scheu zu.
Mit einem ungehaltenen Seufzer nahm Laura etwas grob Calvin die Muffinreste aus der Hand und sah sich suchend nach einem Mülleimer um. Dieser Junge machte sie noch wahnsinnig. Es war ja ganz schön und nett, dass Helen sich ein Vorbild an der Erziehung nahm, die sie ihr als Kind gegeben hatten, aber es war nun einmal etwas völlig anderes ein Mädchen groß zu ziehen, anstatt eines Jungen. Und umso eher Helen das endlich begriff, umso besser für sie alle. Da sie bis auf einen Spucknapf neben der Theke kein ähnliches Behältnis fand, warf sie die Krümel kurzer Hand dort hinein, nur um gleich darauf sichtlich ungeduldig und mit einer säuerlichen Miene, Helens Worte an Calvin zu lauschen. Helen wusste, dass sie nicht mit ihr und wie sie mit Calvin sprach einverstanden war, doch das ignorierte Helen fürs Erste. Ihr reichte es vollkommen, dass Calvin den Ernst der Lage begriffen zu haben schien und so beschämt und zerknirscht ihr Junge gerade vor ihr stand, sollte das wohl für den Moment ausreichende Bestrafung sein. Sie seufzte jedoch leise auf seine Worte hin und schüttelte mit dem Kopf. "Nein Calvin, dass konnte ich mich anscheinend nicht. Ich bin mir allerdings sicher, dass du mit den besten Absichten losgezogen bist, um mir ein Glass Wasser zu holen, aber es ist nicht gut ausgegangen," sie klang schon nicht mehr so streng wie zuvor und ein kurzes Schmunzeln bei ihren letzten Worten ließ erkennen, dass die Welt wegen zwei gestohlenen Muffins nicht untergehen würde. Verziehen hatte sie ihm das durchaus längst, aber durchgehen lassen konnte sie ihm das leider nicht. Als Calvin mit einer Bitte herausrückte, um ihr doch noch Wasser holen zu dürfen, schwankte Helen mit einer Entscheidung. Einerseits sah sie Calvin sehr wohl an, dass er das dringende Bedürfnis hatte seinen Fehler wieder gutzumachen, andererseits war sie nicht wirklich bereit ihm jetzt schon wieder eine Bitte zu erfüllen. Er sollte ruhig sehen und spüren, dass seine Tat nicht so einfach ungeschehen gemacht werden konnte. Doch ehe sie etwas sagen konnte, mischte sich die junge Rothaarige neben ihnen ein. Sehr vorsichtig und höflich, so dass Helen keinen Grund hatte darüber verärgert zu sein. Dennoch blieb ihr Blick reserviert, als sie von Calvin zu den Mädchen blickte. Sie hatte etwas Aufforderndes im Blick und bereute es im selben Augenblick, als die Rothaarige vorschlug, dass sie und ihre Freundin Calvin mit zur Küche nehmen könnten... nun, der Vorschlag war gewiss schlau. Calvin wäre unter Beobachtung und könnte keine Dummheiten mehr anstellen. Damit war ihr das Argument, das sie eben noch hatte vorbringen wollen aus dem Mund genommen. Und etwas besseres außer dass sie Calvin nicht vertrauen konnte, wollte ihr nicht einfallen. Ein Argument, das Calvin sicher tief getroffen hätte...
"Nun ja," etwas gedehnt und nicht sonderlich erfreut, sah Helen jedoch sichtlich hilflos zwischen Calvin und den Mädchen hin und her. Da sie aber aus den Augenwinkeln heraus ihre Mutter einen Schritt auf die Mädchen zumachen sah, mit erboster Miene, entschloss sie sich rasch zu einer Entscheidung. "Sie arbeiten hier," fragte sie vorsichtig und willigte schließlich ein, als die Rothaarige nickte. "Also gut... ich meine, danke für das Angebot," nach einem raschen, erzwungenen Lächeln sah sie wieder zu Calvin und machte ein ernstes Gesicht, während sie Calvin tief in die Augen blickte. "Du tust genau, was die beiden jungen Damen sagen und folgst ihnen. Sobald du das Wasser hast, kommst du schnurstracks zu uns beiden zurück. Ist das klar, Calvin? Keine Umwege, keine Bummeleien..."
Cassidy war froh und erleichtert, als der Reverend sich dem Speiseraum zu wandte und die Unterhaltung beendet war. Sophies Verhalten während dieser hatte doch sehr gefährlich geschwankt und fast hatte Cassidy die Befürchtung, dass mit unterschwelligen Erinnerungen an den Montag ihre Sophie wieder in das Schneckenhaus zurückkriechen könnte, aus dem sie sie vorhin erst herausgeholt hatte. Aber abgesehen davon, dass Ruth und der Knirps, so wie der Lärm aus dem Speiseraum für Aufsehen erregten und damit alle von unangenehmen Themen wieder abgelenkt wurden, entspannte sie sich wieder. "Bei mir ist alles in Ordnung," sagte Cassidy leise und mit einem beruhigenden Lächeln, als sich Sophie von ihr löste und bei weitem noch nicht so entspannt war wie Cassidy. Was auch kein Wunder war, wenn man bedachte wie die ganze Situation um sie herum auf die feinfühlige Sophie wirken musste. Zum Glück blieb ihnen allen aber weitere Gewalt in welcher Form auch immer erspart und auch der Junge erhielt eher ruhigere und leisere Ermahnungen von Seiten seiner Mutter. Die ältere Dame war mehr oder weniger mundtot gemacht. Darüber hätte Cassidy fast gegrinst. Ein bisschen erinnerte sie diese an die eigene Großmutter, die trotz den vielen Jahren nie ganz aus ihren Erinnerungen verblasst war.
Froh, dass Sophie die Ablenkung in Form der Küche annahm, stemmte sich Cassidy auf ihrer Krücke zurecht und wartete darauf, dass sich Sophie erhob. "Vielleicht ist Ruth so nett und gibt uns was zu essen. Sofern wir nett fragen, und nicht stehlen," sie blinzelte dem Knirps neben ihnen zu, der sich gerade anhören musste, wie enttäuscht seine Mutter war. Cassidy hielt es für einen passenden Scherz, aber sie war auch nicht in seiner Situation und konnte dazu der peinlichen Sache mit Sophie entfliehen. In Gedanken schon damit beschäftigt, wie man den Punsch aus der Küche bekam, wenn schon ein Muffin für Aufsehen erregte, hörte sie nur mit halbem Ohr noch den Alcott zu. Dass der Kleine aber anbot seiner Mutter Wasser zu holen, bekam sie mit. Na der hatte Mut. Der erste Versuch war schon in die Hose gegangen! Jeder andere hätte sich wohl ein wenig grollend über die öffentliche Zurechtweisung in eine Ecke verzogen, anstatt noch einmal zu versuchen alles richtig zu machen. Damit kam er Cassidys Wesen recht nahe und ließ sie kurz den Kurzen mit anderen Augen betrachten. Aber oh je... was machte ihre gutherzige Sophie? Die, die nur bei der Vorstellung, dass Cassidy Eli und Clara mit zu einer Verabredung hatte bringen wollen, panisch geworden war? Sie bot an, dem Jungen die Küche zu zeigen!
"Eh...?", sprachlos mit einem Fragezeichen dahinter sah sie Sophie an und fragte sich nun wirklich, ob es daran lag, dass sie Angst hatte mit Cassidy alleine zu sein, dass sie seit dem Betreten des Hotels Hinz und Kunz zum Reden und Unterhalten einlud. Da Mrs. Alcott jedoch schon das Angebot angenommen hatte, blieb Cassidy nur ein Seufzen und Nicken. "Wir passen schon auf, dass er nichts anstellt," versicherte sie der besorgten Mutter, warf Sophie aber einen ziemlich verstimmten Blick zu. Langsam wurde es ihr doch ein wenig zu bunt. Sie wollte nur mit Sophie alleine sein, aber das wurde seit gut einer Stunde sabotiert...
Kate mit Dr. Smith an der Tür zur Rezeption, der Reverend in ihrer Nähe (Calvin mit Helen, Ruth und Cassidy, Sophie)
An der Tür zur Rezeption blieb sie stehen und deutete auf die dunkelhaarige Frau, die auf einem der Stühle am Fenster saß und noch immer recht blass wirkte. "Das dort drüber ist sie. Sie heißt Alcott. Mrs. Alcott. Ihre Mutter," sie wies auf die ältere Frau, die an der Theke stand. "Kann ihnen bestimmt alle Fragen beantworten. Ich muss mich nämlich leider entschuldigen, Dr. Smith, und mich um das ruinierte Büffet kümmern," bei ihren Worten sah sie Reverend Stevenson auf sie zukommen, der scheinbar zurück in den Speisesaal wollte. Etwas irritiert betrachtete sie sein Kinn, das geschwollen war und ließ ihren Blick über die Blutflecken am Kragenrand wandern. Sie verbat sich jeden Kommentar und machte stattdessen dem Reverend Platz. Sophie und Cassidy standen bei Mrs. Alcott und schienen geraden mit ihr und dem kleinen Jungen in ein Gespräch verwickelt zu sein. Auch dem Maß sie keine Bedeutung bei. "Wenn sie noch etwas brauchen, Dr. Smith schicken sie ruhig ihren Jungen zu mir. Wir können heißes Wasser, Seife, Handtücher und Tücher bitten, falls sie etwas davon benötigen."
Kate mit Dr. Smith an der Tür zur Rezeption, der Reverend in ihrer Nähe (Calvin mit Helen, Ruth und Cassidy, Sophie)
Adrian war Mrs. Farley gefolgt und besah sich die Dame, auf die gewiesen wurde. Kurz war er abgelenkt, als der Reverend an ihm vorbei Richtung Speiseraum strebte. Ein geschwollenes Kinn und ein Blutfleck waren nicht zu übersehen. Doch der Mann wirkte noch nicht so, als bräuchte er Hilfe. Und wenn, er war erwachsen genug sich selbst beim Doktor zu melden.
Die Frau hingegen, auf die Kate gewiesen hatte, schien wirklich seine Hilfe zu benötigen. Also ging Adrian auf die Mutter an der Theke zu. "Mrs. Alcott? Guten Tag. Mein Name ist Dr. Adrian Smith. Man sagte mir, hier wird ärztliche Hilfe benötigt?" stellte er sich höflich lächelnd vor. "Sagen Sie mir doch, was passiert ist." bat er freundlich und hoffte, dass sein verdammter Sohn endlich mit seiner Tasche wieder kam. Das konnte ja nun nicht den ganzen Tag dauern.
Den anderen jungen Damen nickte er freundlich zu. "Die Damen."
Wer hier wer war, hatte er noch nicht rausgefunden. Aber sie würden sich ihm schon vorstellen. er war immerhin der Doktor und genoss dadurch ja wohl ein entsprechendes Ansehen.
Calvin mit Helen, Sophie u. Cassidy, Terry in der Nähe, Kate kommt mit Adrian in den Raum
Mit wachsendem Unmut hörte Calvin, wie seine Mutter mit diesen beiden Mädchen sprach. Er brauchte doch keine Babysitter! Schließlich hatte er vorhin auch die Küche gefunden! Trotzdem bestand seine Mutter darauf, dass er auf deren Worte hörte und Calvin war ganz sicher, dass diese nicht zufällig den gleichen Weg hatten, wie er. Ursprünglich mochte es ein Zufall gewesen sein, dass sie ebenfalls in die Küche wollten, aber hatten sie sich nicht geradezu aufgedrängt, auf ihn zu achten? Am Liebsten hätte Calvin den Beiden die Zunge herausgestreckt. Die halten mich ja wohl für doof. Ich weiß doch, wie man Wasser holt. Calvins helle Empörung überspielte der Junge, in dem er interessiert nach Miss Farley sah, die soeben mit einem fremden Mann gemeinsam die Rezeption betrat. Calvin kannte den Mann gar nicht, aber irgendetwas an dessen Ausstrahlung ließ ihn sofort an die Eishexe denken. Falls dies der Arzt war, wollte er lieber nicht krank werden. "Nur Wasser holen - versprochen." Calvin nickte ernsthaft, obwohl er innerlich den Kopf schüttelte. Einen Umweg machen - seine Ma hatte aber auch Ideen! Wo sollte er hier im Gästehaus zwischen Rezeption und Küche schon einen Umweg machen oder Unfug anstellen? Das hatte er ja vorhin auch nicht gemacht. Was konnte er denn dafür, dass er hungrig war und die Muffins so verlockend da herumstanden? Und waren diese denn nicht zum Essen gedacht? Calvin wusste, dass er besser hätte fragen sollen, aber wo der genaue Unterschied darin lag, ob die Muffins nun in der Küche oder im Speiseraum gegessen wurden, erschloss sich ihm noch nicht so ganz. Das blonde Mädchen versicherte seiner Ma noch einmal, sie werde auf ihn achten. Calvin war schon kurz davor, sich stur zu stellen und mit vor der Brust verschränkten Armen deutlich zu machen, dass er sich von den Beiden bestimmt nichts würde sagen lassen, als Huckles ihn auf eine Idee brachte. So man den beiden Mädchen in der Küche glaubhaft versicherte, man hielte es vor Hunger nicht aus, böten diese ihm vielleicht gar an, sich einen Muffin zu nehmen. Und da er ja auf diese Beiden hören sollte....
Terry, Sophie, Cassidy im Gespräch mit Helen u. Calvin, Laura in der Nähe, Kate kommt mit Adrian
"Nun, dann wünsche ich noch einen schönen Nachmittag." Mehr sagte Terry nun nicht mehr dazu, obwohl er sowohl die Worte Miss Claytons verstanden, als auch ihren Blick interpretiert hatte. Von ihr würde er kaum erfahren, was den beiden Mädchen zugestoßen war. An ging es ihn wohl genau so wenig, wie es die beiden anging, warum sein Kinn lädiert war. Er würde dennoch jederzeit darauf bestehen, es sei ein Unfall gewesen, denn wäre es von Mr. Bowmann beabsichtigt gewesen, sähe er nun vermutlich noch lädierter aus, als es tatsächlich der Fall war. Der Lärm fallenden Geschirrs, der aus dem Speiseraum heraus zu vernehmen gewesen war, lenkte nicht nur alle Anwesenden erfolgreich von ihm ab und ließ Mrs. Cornwell schnell in den Speiseraum huschen, sondern ließ auch in ihm Unruhe entstehen. Es sähe Jeremiah nicht unähnlich, gut gemeint helfen zu wollen und dabei versehentlich Geschirr fallen zu lassen. Allerdings hätte Jeremiah wohl gesehen werden müssen, so er durch die Rezeption in den Speiseraum gegangen wäre. Der Ruf Erins nach Clara ließ durchaus den Schluss zu, dass diese in die Sache verwickelt worden war, wenn sie auch wohl kaum ursächlich dafür verantwortlich war. Er wusste nun weder, wo sich Benjamin und Jeremiah, noch Clara sich aufhielten. Dieser zeitliche Zusammenhang so kurz nach seinem Zusammenstoß mit Randall Bowmann ließ Schmetterlinge, in seinem Magen flattern. Auf dem Weg zur Tür kamen ihm Miss Farley und Dr. Smith entgegen und Terry nahm erleichtert an, dass offensichtlich Niemand im Speiseraum verletzt worden war. Kurz ließ er seinen Blick noch einmal durch den Raum wandern und entschloss sich dann, zunächst zu sehen, ob Erin noch Unterstützung benötigte. Anderenfalls würde er so schnell wie möglich in die Lakestreet wollen, um endlich sicher sein zu können, dass es Jeremiah gut ging. Obwohl er in erster Linie an seinen eigenen Sohn dachte, bangte er auch um Benjamin. War dieser tatsächlich weggelaufen und nicht aufzufinden, konnte er leicht erfrieren und anderenfalls drohte ihm eine körperliche Züchtigung, die er seinem Sohn niemals hätte zumuten wollen. Die beide Mädchen boten nun an, Calvin in die Küche zu begleiten und Miss Alcott bekam gerade Hilfe durch Dr. Smith, so dass Terry himself wohl kaum vermisst werden würde. Seine Hilfe war kaum mehr von Nöten, so dass er nun nach einem kurzen grüßenden Nicken dem Arzt gegenüber in den Speiseraum ging.