John mit Eric und Sarah rundum Bürger auf dem Weg in die Kirche
Bemüht, sich möglichst klein zu machen und nicht mehr aufzufallen, gab Sarah vor, sich intensiv mit den Spitzen ihrer Schuhe zu befassen. Die feinen schwarzen mit den zierlichen Spangen, nur für Sonntage und hohe Feiertage reserviert. Tatsächlich spitzte sie ihre Ohren, um mehr von dem Gespräch der beiden Erwachsenen zu verstehen. Der Mann vor ihr war irgendwie traurig, fand sie. Etwas bedrückte ihn, und da sie dieses Gefühl nur zu gut kannte, spürte sie das recht genau. Zuhören mußte sie aber dennoch. Denn ihr feines Gespür ließ zwar wenig Zweifel zu, daß da etwas war, doch worum es sich handelte, darüber gaben ihre vagen Ahnungen keinerlei Aufschluß. So beängstigend der große Mann nämlich auch war, das Mädchen war neugierig geworden. Vielleicht trieb sie auch ein wenig ihr Mitgefühl. Auf jeden Fall wollte sie mehr erfahren, und dafür mußte sie verstehen, was Mr. Clayton sagte. Das bislang gehörte konnte sie noch nicht recht zu einem sinnvollen Ganzen zusammensetzen. Zu ihrem Leidwesen wechselten die beiden Männer nun aber nur noch allgemeine Worte, die ihr keinen weiteren Anhaltspunkt gaben. Vielleicht hatten sie sie ja durchschaut und bestraften ihre Neugier auf diese Weise... oder Onkel Eric wollte schon wieder irgend etwas vor ihr geheimhalten, um sie vor wer weiß welchen Gefahren oder Enttäuschungen zu schützen.
Dieser Gedanke nagte an ihr. Sarah war ein durchaus aufgewecktes Kind, und ihre Wißbegierde fühlte sich unangenehm eingeengt durch die Entschlossenheit ihres Vormunds, sie von manchen Dingen fernzuhalten, weil die nach seiner Ansicht einfach nichts für kleine Mädchen waren. Andererseits besaß sie weder den Mut und das Selbstbewußtsein, ihm so etwas einfach so zu sagen, noch war es gänzlich schlecht, wie er so über ihren Kopf hinweg entschied. Erstens war es eben einfach so: Er war ihr Vormund und traf die Entscheidungen für sie beide, wie vorher Mama es getan hatte. Und zweitens war sie in vielen Situationen sehr dankbar dafür, wenn er sie ein wenig von der Außenwelt abschirmte. Sie hörte gern Geschichten, lernte neues kennen, beobachtete aber doch lieber aus sicherer Entfernung und schloß nur schwer neue Freundschaften. So blieb ihr auch jetzt nichts anderes, als ihre Lippen zu schürzen und stumm vor sich hin schmollend Löcher in ihre Schuhe zu starren – hätte sie etwas an der Situation ändern wollen, sie hätte ihren Mund öffnen und sich lautstark melden müssen, und kaum etwas lag ihr ferner. Mit einem innerlichen Seufzer sagte sie sich also, es bliebe ihr ja noch die Chance, bei einer anderen Gelegenheit mehr zu erfahren oder Onkel Eric in einem ruhigen Moment vorsichtig anzutippen...
Sie sah auf, als sie hörte, wie sich die Schritte Claytons entfernten. Indem sie ihm nachsah, glaubte sie plötzlich Onkel Erics Blick auf sich ruhen zu fühlen. Und tatsächlich, kaum hatte sie den Kopf weit genug gehoben, um ihn unter dem Schirm ihrer Haube hervor anzublinzeln, sprach er sie auch schon an. Und stellte ihr eine sehr unangenehme Frage. Unangenehm, weil er zeigte, daß ihm ihre schüchterne Zurückhaltung auffiel, und weil er nach einer Begründung verlangte. Womit er sie in die Enge trieb. Was für eine Ausrede hätte es jetzt schon gegeben, um ihn auf ein anderes Thema zu bringen und von seiner Frage abzulenken? Zugleich schämte sie sich aber auch, vor allem Mamas wegen, ihm einfach so die Wahrheit zu sagen. Sie wußte ja selbst nicht so genau, warum sie vor allem und jedem neuen erst einmal Angst hatte, ob es nun die Umgebung war, ein Mensch oder was auch immer. Aber Eric wartete auf Antwort, und er wartete jetzt und direkt vor ihr. Sie raffte sich also zu einem "Es ist alles so neu..." auf, das selbst in ihren eigenen Ohren recht dünn klang. Aber weder fiel ihr etwas Überzeugenderes ein, noch half ihr Josephine, so fest sie die Puppe auch an sich drücken mochte. Nervös versuchte sie Erics Blick standzuhalten, und ohne richtig nachzudenken, löste sie ihre Starre schließlich mit einer der Fragen, die ihr selbst auf dem Herzen lagen, und – möglicherweise – doch noch der ersehnten Ablenkung von sich selbst. "Hat Mr. Clayton auch Mama gekannt?"
John mit Eric und Sarah rundum Bürger auf dem Weg in die Kirche
"Bis später, Eric. Sarah," John nickte auch der Nichte seines Freundes kurz zu und wandte sich endgültig dem Kirchenportal zu. Die Menschen auf dem Kirchplatz waren weniger geworden. Nur noch einige Nachzügler hastete auf die Kirche zu. Mit ihnen John, der drinnen noch auf einen Platz hoffte. Die Neugier auf den neuen Reverend hatte die ganze Gegend mobil gemacht und sicher war die Kirche bis auf die letzte Bank besucht.
'Die Zeit rennt ja nicht davon....', Erics Bemerkung begleitete John auf seinem Weg zum Kirchenportal. Er konnte seinem alten Freund leider nicht zustimmen. Ihm rannte die Zeit davon. Tag für Tag. Er wurde ja nicht jünger. Leider. Und es gab noch so viel zu tun, so vieles, dass er nicht verpassen wollte, nur weil er davon ausging, dass ihm noch alle Zeit der Welt blieb. Ein Gespräch mit Eric sollte ihm heute Mittag genauso möglich sein wie ein längst überfälliges mit Emily.
Hinter Mrs. Callahan hergehend, nahm John seinen Hut ab und fuhr sich mit der anderen Hand durch das ergraute Haar, zupfte den Mantel ein wenig zurecht und hoffte, dass sein Anblick den Reverend nicht zu sehr erschreckte. Die Schwellung und violette Färbung unter dem Auge stand ihm weniger gut, aber ließ sich nicht ändern. Wer den Helden spielen musste, musste auch mit den Konsequenzen leben können. Geduldig wartete John, bis vor ihm die irische Familie weiterrückte und nickte dann selbst mit einem 'Guten Morgen' dem Reverend zu. Die letzten Tage waren so geschäftig gewesen, dass er nicht dazu gekommen war dem Reverend einen Besuch abzustatten. Er hatte ihn zwar ein paar Mal auf der Staße gesehen und sich daran erinnert, ihn am Montag mit der Kutsche und einem Jungen, in Elis Alter ungefähr, ankommen gesehen zu haben, aber für mehr hatte es nicht gereicht. Deswegen nahm er sich auch jetzt kurz die Zeit, um vor dem Reverend stehen zu bleiben und dem Mann die Hand zu reichen. "Reverend Stevenson? Wir hatten noch nicht das Vergnügen. Clayton. John Clayton. Ich war leider die Woche über sehr beschäftigt. Als Sheriff ist man ein vielgefragter Mann," er lächelte schmal, aber warm, da hauptsächlich Privates Schuld trug und nicht die Arbeit, und gab nach festem Händedruck die Hand des anderen wieder frei. "Ich wünsch ihnen für ihren ersten Sonntag viel Glück oder besser gesagt, den Beistand unseres Herrn. Den werden sie sicherlich gebrauchen." John wusste nicht in wie weit Stevenson bereits seine Gemeinde kennengelernt hatte, aber wie er die Camdener kannte würden sie sehr kritisch den Worten des neuen Mannes lauschen und diese sogar bewerten. Und wenn der Reverend nur den einen oder anderen schon besser kannte, wusste er vor welch kritisches Publikum er sich heute stellen würde. Da würde ein wenig Beistand nicht schaden.
Selina mit ihren Eltern, dann bei Eric & Sarah rundum (die letzten) Bürger auf dem Weg in die Kirche
Obgleich sie einen der kürzesten Wege zur Kirche hatten, waren die Tuckers heute diejenigen, die fast am Schluss erst am Kirchenplatz eintrafen. Natürlich hatte sich Selinas Mutter daheim tierisch über diesen Umstand beklagt, was solle der neue Pfarrer denken, und natürlich die anderen Bürger, worüber die Schmiedin jedoch nur stumm mit den Augen rollte. Als ob alles Augenmerk auf ihrer Familie liegen würde! Manchmal litt ihre Mutter tatsächlich unter ein wenig Größenwahn und zudem auch noch unter schrecklichem Egoismus. Hätte sie, anstatt am Fenster zu stehen und jeden Vorbeiziehenden in Richtung Kirche zu kommentieren, lieber ihrem Ehemann geholfen, wären sie sicher früher aus dem Haus gekommen. Henry plagte die Kälte der letzten Tage sehr, sodass er heute Morgen sein linkes Bein kaum belasten konnte. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn er im Bett liegen geblieben wäre, doch er war ein alter Dickschädel, und wollte sicher nicht den Gottesdienst verschlafen, nur weil sein Bein „ein bisschen Probleme bereitete“. Dass weitaus mehr dahinter steckte, konnte Selina mehr als deutlich sehen, doch sie wusste ebenso gut, dass es nichts brachte, ihren Vater von seinem Vorhaben abzubringen.
Dennoch dauerte es seine Zeit, bis Henry auf die Beine kam und Selina irgendwo in den hintersten Ecken des Hauses einen alten Stock aus Holz gefunden hatte, auf den ihr Vater sich stützen konnte. Natürlich war er zu stolz, um diese Hilfe anzunehmen, resignierte aber letztendlich dennoch. Hierbei war es dann wohl Glück, dass nicht mehr viele Menschen auf dem Kirchenplatz waren, die ihn hinkend sehen konnten. So kamen die drei dann doch noch rechtzeitig an der Kirche an, wenn auch weitaus später als es normalerweise der Fall war. Es waren kaum noch Menschen draußen und Selina sah gerade noch, wie der Sheriff durch das Portal in der Kirche schritt. Sonst waren bloß noch ein paar mehr oder wenige bekannte Gesichter zu sehen, die sich aber nun auch auf den Weg ins Innere der Kirche machten, raus aus der Kälte. Nur ein „Paar“ fiel Selina noch auf: Ein Mann, der ein kleines Mädchen an der Hand hielt. Mr. Malone und seine Nichte wohnten noch nicht lange in Camden und bisher hatte Selina die beiden auch bloß einmal gesehen, als sie sich vorgestellt hatten, doch beide hatten einen sehr netten Eindruck auf sie gemacht. Das Mädchen wirkte sehr schüchtern, beinahe scheu, doch wer konnte es ihr verübeln? Eine fremde Gegend und lauter fremde Menschen, das war für Jeden erst einmal unangenehm.
„Geht ihr schon einmal vor, ich komme gleich nach.“, meinte die Schmiedin dann zu ihren Eltern und löste vorsichtig ihren Arm, mit dem sie sich bei ihrem Vater eingehakt hatte. Der Blick ihrer Mutter war tödlich, aber wenigstens wusste sie sich zu beherrschen und ein „Beeil dich aber. Was macht das denn sonst für einen Eindruck!“ war das Einzige, was sie Selina noch entgegen warf. Die Schmiedin hingegen ignorierte diesen Kommentar geflissentlich. Sie hatte keine Lust, so früh am Morgen – und dann auch noch sonntags – einen unnötigen Streit anzufangen. Stattdessen schloss sie zu Eric und Sarah Malone auf und hoffte, dass sie die beiden nicht gerade in einem wichtigen Gespräch störte. „Guten Morgen, Mister Malone.“ Sie lächelte ihm zu und sah dann zu Sarah hinunter. „Guten Morgen Sarah.“ Es war derselbe Tonfall wie bei Eric auch, nichts verniedlichendes, kindisches. Selina war sowieso niemand, der andere verhätschelte, und vielleicht tat es der Scheu des Mädchens ganz gut, wenn sie genauso behandelt wurde wie ihr Onkel auch. „Schön, dass ich Sie hier noch antreffe. Haben Sie vielleicht nach dem Gottesdienst etwas Zeit? Ich würde gern etwas mehr über Ihre Zeitung erfahren.“ Mit direkten Fragen hatte Selina noch nie Probleme gehabt und da die Zeit gerade doch etwas knapp war, war es besser, gleich zum Punkt zu kommen. Vielleicht hatte Mister Malone ja auch besseres zu tun, immerhin war Sonntag. Aber Fragen tat ja niemandem weh.
((ooc: Sorry, dass es so lang gedauert hat - hoffe, es passt so ))
John geht, Eric und Sarah und später tritt Selina dazu
John verabschiedete sich dann schliesslich auch mit einem "später" und dieses war nicht nur an Eric gerichtet. eric nickte und sah dem Sheriff dann noch kurz nach. Dann hatte er sich um seine Nichte gekümmert. Ein wenig kam ihm dann der Gedanke, dass er wohl ein miserabler Onkel sein musste. Warum, wusste er gar nicht so wirklich, denn eigentlich war Eric kein Mann, der sich ständig in Frage stellte. Er war recht selbstbewusst ohne arrogant zu sein, so hoffte er zumindest. Aber er war es eben auch nicht gewohnt, mit einem jungen Kind wie Sarah umzugehen. Es war sicherlich etwas anderes, ein Kind von der Geburt her aufzuziehen, als es schliesslich mit einem schon in sich mehr gereiften Mädchen von 9 Jahren zu tun zu haben, welche gerade ihre Mutter und ihr gewohntes Umfeld verloren zu haben. Aber Eric bemühte sich redlich. Dennoch war ihm auch heute und hier nicht entgangen, dass sich Sarah unwohl fühlte, wie eigentlich immer, wenn zu viele fremde Menschen um sie war. Also versuchte er das weder auf sie noch auf sich zu beziehen. Sarah war eben so. Dass er sie einengte, kam ihm daher dennoch nicht in den Sinn. Sie hatte einen Mund, der dazu war, ihn auf zumachen. Auch wenn er wusste, dass ihr das eben sehr schwer fiel. Aber er zwang sie seiner Meinung auch zu nichts. Aber vielleicht lag er ja auch falsch. Der Mann, der glaubte, sich gut in Menschen hinein versetzen zu können, musste zugeben, dass es ihm bei Sarah irgendwie nicht wirklich gelang. Und dann, als John schon außer Reichweite war und sie quasi alleine da standen und nur noch wenige in die Kirche eilten, schaute Sarah zu ihm hoch und er sah in ihre Augen. Scheu wie ein Reh war sie, ängstlich und doch lag mehr in ihrem Blick, etwas, was Eric aber nicht in der Lage war zu deuten. Auch schien irgendwie Sarah seine sehr direkte Frage erneut zu verunsichern. Und für einen Moment glaubte er, so gut wie alles falsch zu machen. dabei war er bisher wirklich nicht der Mensch, der so grübelte oder sich verunsichern liess, schon gar nicht von einem neun jährigen Kind. Aber gerade bei Sarah wollte er besonders perfekt sein.
Und dann überraschte ihn seine Nichte mit einer recht schnellen Antwort. Natürlich war alles so neu für sie. Zwar klang ihre Antwort irgendwie dünn, auch was ihre Stimme anging, aber immerhin sagte sie, was sie bewegte. fast hätte er so etwas erwartet wie: Nein Onkel Eric, ich ängstige mich nicht. Nein, stattdessen kam eine ehrliche Antwort, auch wenn Sarah es dann irgendwann schaffte, etwas abzulenken, als sie dann fragte, ob der Mann, Clayton, ihre Mama kannte. Dies waren zwei unerwartete Aussagen seiner Nichte. Eric brauchte einen Moment. Und Sarah wohl auch. Aber auch wenn Eric fieberhaft nach der perfekten Reaktion seinerseits suchte, tat er nur eines: Er lächelte Sarah einfach nur warm an. »Ach mein Schatz, ich weiss, dass das alles so neu und fremd und beängstigend für dich ist ...« begann er dann ruhig. Erst einmal wollte er seiner Sarah das Gefühl geben, dass er sie verstand. Wenn ein Mensch, egal ob Kind oder Erwachsener dieses Gefühl annahm, bedeutete es schon viel. Man fühlte sich verbunden. Dieses Gefühl wollte Eric Sarah geben. »Aber etwas Neues kann auch spannend sein, verstehst du?« fügte er dann doof belehrend hinzu, dabei hätte er es auch gerne lassen können. Wahrscheinlich verstand Sarah nun gerade gar nicht. Innerlich schalt er sich. »Also, ich meine ... die neuen Menschen. « Und dann wusste er kurz selber nichts zu sagen und war fast froh über Sarahs Frage:»Und ja, Mr. Clayton kannte deine Mama.« Und dann stand Eric da, legte eine Hand um Sarahs kleine Schulter und wusste für den Moment gar nicht, was er sagen sollte. Er hasste diese eigene Unsicherheit. Er musste Sarah doch ein Vorbild sein. Doch irgendwie kam ihm gerade Terry in den Sinn, der hier heute seinen ersten Gottesdienst absolvierte. Er war sicherlich auch irgendwie unsicher, oder nicht? Nur wie kam er nur gerade jetzt auf Terry? Eric hatte einfach mehr Glück als Sarah: Er konnte Terry und John zu seinen Freunden zählen. Sarah hatte hier niemanden ausser ihm ...
»Ich ... also mein Schatz. Habe keine Angst. Ich bin bei dir ...« murmelte er dann fast verlegen und wollte gerade mit Sarah in die Kirche, als auf einmal jemand zu ihnen trat. Eric wandte seinen Blick von Sarah ab, hielt sie aber weiter an der Hand und drückte diese leicht. Und dann war sie da. Miss Tucker. Selina Tucker. Sie begrüsste Sarah und ihn mit einem so herrlich unkomplizierten »Guten Morgen!« dass Eric nicht anders konnte, als einfach nur zu lächeln. Er blickte sogleich die Frau an, welche er nur einmal gesehen hatte, als er sich einigen Bewohnern hier vor Tagen vorgestellt hatte. Aber diese Frau war aus der Masse herausgestochen. Nicht nur, weil sie als Frau eine Schmiede führte. Ihm war gleich die recht unkomplizierte und offene Art der Frau aufgefallen. Natürlich auch ihre Attraktivität. Aber Schönheit war nicht alles. Nein, diese Frau hatte etwas ganz besonderes an sich, etwas, was Eric aber in diesem Moment nicht formulieren konnte. Außer einem: Sie wirkte unglaublich natürlich. »Eh ... guten Morgen ... Miss Tucker ...« schien der sonst so klare und selbstbewusste Mann von sich zu geben. Oh verdammt, was ist denn mit dir los? fragte sich Eric. Er musste der Dame ja wie ein idiotischer Schuljunge vorkommen. Aber ja, Eric hatte damit nun einfach nicht gerechnet. Er schluckte leicht. Versuchte sich zusammenuzureissen und freute sich, dass Miss Tucker Sarah einfach auch nur begrüsste und nicht verhätschelte. Aber das hatte Miss Tucker auch damals schon nicht getan. Und dann, nachdem sie Sarah so lieb begrüsst hatte, sprach sie gleich an, was sie wollte und Eric klopfte irgendwie das Herz. Nicht, weil die Frau so direkt war, im Gegenteil, er schätzte das. Aber er fühlte sich seltsam dabei. Doch dann versuchte er seinen Puls runter zu schalten und lächelte einfach, wie er es immer tat: Lässig. So glaubte er zumindest. Aber da war mehr. Seine Augen strahlten, ohne, dass er es vor hatte. »Auch Ihnen einen guten Morgen, Miss Tucker. Und ... ja, gerne ... « gab er dann vor sich und konnte den Blick nicht von der Frau lassen. Er freute sich einfach ungemein, sie zu sehen. Jetzt reiss dich zusammen, Eric Malone!
Und dann wurde die Kirchentür geschlossen. Selinas Eltern hatte Eric vorher nicht bemerkt, auch nicht, wie diese bereits die Kirche betreten hattem. Sie waren nun quasi alleine auf dem Platz. Oh je. Terry! Erics Herz pochte um so mehr. Wie konnte er zu spät zum ersten Gottesdienst seines Freundes auftauchen. Nun war Eric wirklich im Zugzwang. »Also, ja, wirklich gerne.« sprach er dann erneut aus, ohne sich bewusst zu werden, dass er dies bereits ausgesprochen hatte. Doch schnell fand er alle Contenance wieder, wie ein Wunder und er dankte Gott. »Wir sollte nun nur schnell in die Kirche ... Miss Tucker. « Er grinste nun sogar und etwas von seiner Unsicherheit fiel ab. Er deutete auf die inzwischen geschlossene Tür. Miss Tucker den Arm anzubieten, ging zu weit. dafür kannte man sich nicht gut genug, also deutete er einfach nur mit dem Arm zur Kirche, machete anstalten, aufzubrechen. »Komm Sarah. Und später reden wir dann, ja mein Schatz?« Er zwinkerte erst Sarah zu, dann seltsamer weise Selina ...
Auch an diesem Morgen machte Mr. Malone einen ebenso sympathischen Eindruck wie bereits beim ersten Treffen. Er hatte eine herrlich offene und liebevolle Art, und vor allem war er ehrlich. Das alles waren Eigenschaften, die die Schmiedin an einem Menschen schätzte und sie war froh darüber, dass zwei so liebe Menschen wie Eric und seine Nichte nach Camden gefunden hatten. Ein wenig Gutmütigkeit tat der kleinen Stadt nach all dem Trubel der letzten Zeit vielleicht ganz gut und war zudem eine willkommene Abwechslung… Auf seine geplante Zeitung war Selina bereits gespannt, weshalb sie ja auch um ein wenig nähere Erläuterung zu diesem Thema gebeten hatte. Es war einfach mal etwas Neues, etwas Anderes. Und Lesen tat sie sowieso gern, auch wenn sie eigentlich nur sehr wenig Zeit dazu hatte. Doch sie bewunderte, was manche Leute zu Papier bringen konnten. Sie selbst war darin sicherlich nicht begabt, was sie persönlich aber auch nicht weiter störte. Wäre ja schlimm, wenn alle Menschen dieselben Fähigkeiten hätten.
Der Schmiedin fiel auf, dass Mr. Malone zwar freundlich, jedoch ein wenig verwirrt wirkte, denn er wiederholte sich mehr als einmal. Selina sah darüber mit einem leichten Schmunzeln hinweg, vielleicht hatte sie die Beiden ja auch gerade bei einem Gespräch gestört oder es lag an der Eile, noch rechtzeitig in die Kirche zu kommen. Sarah hingegen brachte nicht mehr als eine knappe Begrüßung heraus, begleitet von einem höflichen Knicks und sogar einem kleinen Lächeln. Die Schmiedin freute sich darüber – nicht etwa über die artige Begrüßung oder den Knicks, der ihrer Meinung nach allgemein ja doch etwas überbewertet wurde – sondern vor allem über dieses kleine Lächeln. Es war zwar schüchtern und eigentlich kaum mehr ein Zucken der kleinen Mundwinkel, doch es war da. Und selbst diesem kleinen Mädchen schien aufzufallen, dass ihr Onkel doch etwas zerstreut war, denn sie sah dann stirnrunzelnd zu ihm auf. „Das freut mich.“, entgegnete Selina schließlich mit dankendem Nicken in Richtung Mr. Malone, als dieser meinte, ihrer Bitte nachkommen zu wollen. Natürlich nach der Kirche, deren Türen gerade geschlossen wurden. Ohje, das würde sicher wieder Geschwätz geben. Nicht, dass es Selina etwas ausmachte, sie war da überhaupt nicht kleinlich. Doch sie kannte genügend andere Bürger, bei denen das der Fall war. Und das Schlimme war, dass ihre Mutter einer diesen geschwätzigen Menschen war. Herrje, man durfte ja wohl eine Minute zu spät kommen, sie waren ja quasi schon da.
„Sie sollten die Blicke ignorieren, die man Ihnen und uns gleich zuwerfen wird.“, meinte die Schmiedin dann noch als gut gemeinten Ratschlag, jedoch von einer Prise Sarkasmus begleitet, und machte sich mit auf den Weg ins Innere der Kirche. Ihr machte es ja nichts aus, sie kannte diese Blicke gut genug, nur um Eric & Sarah tat es ihr etwas Leid. Die beiden wollten doch sicher auch nichts anderes, als einen guten Start in ihrer neuen Umgebung zu haben.
Die Gorens und Ben noch an der Kutsche, etliche Leute in der Nähe
Cf: Hof der Gorens
Der Weg zur Kirche war weitgehend schweigend verlaufen. William und Ben sassen auf ihren Pferden, während Kate und ihre Eltern in der Kutsche sassen. Ben hatte sein Halstuch über den Mund gezogen und den Hut tief ins Gesicht gerückt, um dem beissenden Wind zumindest ein Stück weit zu entgehen. Allerdings sah er auf diese Weise wohl eher aus wie ein Bandit als wie ein Kirchgänger. Dafür war es auf diese Weise etwas wärmer… und er konnte das Unbehagen etwas verbergen, das ihn jedes Mal beschlich, wenn sie auf dem sonntäglichen Weg zur Kirche waren. Seitdem er bei den Gorens eingestellt worden war, hatte er keine Möglichkeit mehr, sich vor den Gottesdiensten zu drücken, auch wenn er es eigentlich nur zu gern getan hätte. Zum Glück lenkte Kate ihn ein wenig von seinen Gedanken ab, denn das Mädchen plauderte fröhlich und schien nichts von der etwas bedrückten Stimmung um sie herum zu bemerken. Oder aber sie ignorierte sie einfach. So oder so… sie entlockte dem Viehtreiber mit ihrer lebhaften, fröhlichen Art immer wieder mal ein Lächeln.
Bei der Kirche angekommen war Will der erste, der von seinem Pferd herunter war und es festgemacht hatte. Ben beobachtete, wie der Blondschopf zu seiner Mutter hinüber ging um ihr beim Heruntersteigen zu helfen. Ben schlang die Zügel seiner Stute einmal locker um die Stange. Er wusste, dass Foggy gut genug ausgebildet war, dass sie hier bleiben würde. Dann wandte auch er sich der Kutsche zu und streckte seine Hand Kate entgegen, die sicher auch etwas Hilfe beim Herunterklettern brauchen konnte. „Darf ich Ihnen helfen, Miss?“, scherzte er mit einem Lächeln. Dass die Eltern der beiden Gorens nicht miteinander sprachen, das war auch ihm aufgefallen. Dass der Haussegen bei dieser Familie ab und zu etwas schief hing, das war nichts Neues, aber vielleicht konnte er zumindest die Kleine etwas ablenken.
Als Will ankündigte, dass er sich noch um die Kutsche kümmern und dann nachkommen würde, trat Ben zu ihm und nickte ihm stumm zu, ein Zeichen dafür, dass er ihm zur Hand gehen und danach mit ihm zusammen in die Kirche hinein gehen würde. Dem Gottestdienst entgehen konnte er wohl kaum, dazu hätten schon die Pferde durchgehen müssen oder etwas Ähnliches, und nur um seinem Widerstreben zuliebe, würde er die Tiere ganz sicher nicht scheu machen. Also blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als sich erneut den Worten des Pfarrers und dem Wissen, dass er letztendlich in der Hölle landen würde, zu stellen.
Nach Zeitsprung auf der Lake Street, dann Kirchenplatz Erin mit Jerry, Emily und Arthur (Matthew mit Martin bei den McKays, die Smiths und die Gorens betreten die Kirche, William und Benjamin bei der Kutsche)
Mit dem Gedanken im Hinterkopf Miss Hunter und Mister Waltham nachher nicht zu vergessen, hatte Erin Jeremiah in die Küche gescheucht. Miss Farley war dort bereits mit dem Essen zugange und hatte ein wenig irritiert auf Jeremiahs Anwesenheit reagiert. Erin konnte schnell für Aufklärung sorgen und war erleichtert, dass Miss Farley nichts dagegen hatte, dass sie sich um den Jungen angemessen kümmerte. Überrascht von dessen Wehleidigkeit hatte sie ihre größte Mühe gehabt, Jeremiah die verletzte Hand vom Schmutz zu befreien. Sie war zunächst ein wenig amüsiert darüber gewesen, denn so wie sie Jerry bereits kannte, war er ein wilder Bursche, der keinen hohen Baum scheute und sicherlich auch sonst kein Riskio. Entsprechend hatte sie damit gerechnet, dass der Junge ohne mit der Wimper zu zucken stillhalten würde. Am Ende war sie dann doch ein wenig ungehalten gewesen, denn er weigerte sich auch nur im Ansatz mit dem feuchten Tuch im Gesicht wischen zu lassen. Letztendlich war es seine Entscheidung, wie er in der Kirche auftauchen wollte. Zwingen hatte sie ihn nicht können und wollte sie auch nicht. Zumindest die Mütze hatte sie ihm später vor der Tür abnehmen können, um sie vom größten Schmutz freizuklopfen. Während sie mit Jerrys Gejammer begleitet die Hand versorgt hatte, hatte sie Miss Farley von ihrem neuen Gast berichtet, der gerade mithalf die Tische zu stellen und dann sein Zimmer beziehen wollte. Eine Information, die die Chefin des Hauses ein wenig nervös machte, wie Erin hatte feststellen müssen. Ihr fiel zu spät ein, dass Sophie im Moment keine Zimmer richten konnte und Ruth bereits nicht mehr im Haus war. Miss Farley hatte sich daraufhin auch sofort entschuldigt und war nach oben gegangen, um für Mister Waltham das Zimmer zu richten. Alleine in der Küche hatte Jerry den günstigen Moment genutzt, um sich ein bisschen näher zu erklären. Zumindest hatte Erin von dem Schneemann erfahren und von den Schneebällen, dem kaputten Fenster und einem Mister McKay, der Jerry wohl etwas Angst eingeflösst hatte. Über was genau er mit seinem Vater jedoch in Streit geraten war, wollte er nicht verraten. Wie es schien tat es dem Jungen bereits leid und das war für Erin ein Grund ihm doch soweit zu helfen, dass er den mutigen Schritt zurück in die Kirche auch tatsächlich wagte.
Sie hatten in der Rezeption auf Miss Hunter und Mister Waltham gewartet. Die eine hatte sich unbedingt noch umziehen und richten müssen und Mister Waltham bezog nach Miss Farleys Auskunft gerade sein Zimmer. Jerry war in der Zeit unruhig von Fenster zu Fenster gelaufen und hatte immer wieder danach gefragt, wenn sie endlich aufbrechen könnten. Er berfürchtete zu Recht, dass der Gottesdienst zu ende sein könnte, bevor sie dort ankamen. Auch Erin war am Ende ein wenig unruhig geworden.
Inzwischen befanden sie sich auf direktem Weg zur Kirche. Wie zu erwarten gewesen war, waren die Straßen im Ort wie ausgestorben, denn sicher saß jeder Bürger in der Kirche und hing Terry an den Lippen. Nur sie nicht. Dabei hatte sie versprochen noch vor Beginn da zu sein. Hoffentlich hatten sich Clara und Eli benommen... eigentlich befürchtete sie nicht wirklich eine Klage, doch beide Kinder waren genau wie sie von den letzten Monaten gezeichnet. Es war keine Verlässlichkeit mehr in ihren Verhaltensmustern, genauso wenig wie in dem ihren. Entsprechend zügig war ihr Schritt ausgefallen. Sie hatte den kurzen Fußweg dazu genutzt Mister Waltham auf John und seinen Personalmangel anzusprechen. Sie hatte ihm gar geraten noch heute die Gelegenheit wahrzunehmen ihn auf eine Stelle anzusprechen. Miss Hunter war ihnen gefolgt, aber schweigsam und umso näher sie der Kirche kamen, umso mehr glaubte Erin Nervosität an ihr zu erkennen. Sie sorgte sich bestimmt über die Zeit und wie spät sie wirklich kamen. Und über den Eindruck, den dies hinterlassen würde. Möglich, dass es auch an Erin selbst lag und flüchtig dachte sie darüber nach, ob John seiner Haushälterin.. nein, neuen Flamme... überhaupt die Wahrheit über sich und Erins Vergangenheit erzählt hatte. Wenn dem so war, würde es natürlich erklären, wieso sich die Britin ihr gegenüber die ganze Zeit über zurückgehalten hatte. Erin selbst war natürlich auch ein wenig aufgeregt. Nicht nur dass die ganze Gemeinde sie anstarren würde, nein, dort vorne in der Kirche stand auch Terry und würde sicher enttäuscht über ihr Versprechen sein. Aber vielleicht freute er sich auch ein klein wenig, dass sie es überhaupt noch geschafft hatte? Diesem Gedanke wollte Erin gerne nachhängen, doch es fiel ihr schwer, angesichts dem Spießrutenlauf, dem sie sich gleich unterwerfen musste.
Überrascht hatte sie beim Vorbeigehen Matthew McKay mit einem ihr unbekannten jungen Mann vor dem elterlichen Haus stehen gesehen. Als die beiden wieder Richtung Kirche losgingen, runzelte Erin ein wenig die Stirn. Die McKays ließen bestimmt nicht zu, dass ein Teil der Familie nicht mit dem Rest der Familie die Kirche versäumte. Hoffentlich hatte ihr Jerry die ganze Wahrheit erzählt und es gab nicht doch einen verletzten Ben, um den sich Matt kümmern hatte müssen. Es gab natürlich tausend gute Gründe, wieso Matt erst jetzt zur Kirche ging, aber im Zusammenhang mit Jerrys Geschichte drängte sich Erin ungewollt sofort die Vorstellung auf, Ben hätte trotz Jerrys Eingeständnis eine unverhältnismäßig harte Züchtigung erleiden müssen und Matts Fürsorge nötig gehabt. Das war vielleicht überzogen, aber Erin hatte doch ein ungutes Gefühl. Doch Matthew lief zu weit vor ihnen, als das sie ihn hätte fragen können, noch wollte sie seine Unterhaltung stören. Auf dem Kirchenplatz waren tatsächlich noch weitere Menschen, die zu spät kamen. Das beruhigte Erin zwar ein bisschen, aber es machte die eigene Situation nicht besser. Die Gorens liefen gerade einer ihr unbekannten Familie hinter her. Aber die Gorens kamen von weit draußen und das Wetter war sicherlich nicht dazu gemacht, um zu reisen. Auch Schnee fiel bereits wieder und ließ das Wetter unwirtlich erscheinen. Die unbekannte Familie hatte es sehr eilig. Aus der Ferne war zu erkennen, dass der Familienvater ungehalten die Kinder und auch die Ehefrau in die Kirche scheuchte. Kurz darauf erreichten auch die Gorens das Kirchenportal. Erin musste einmal tief durchatmen, denn nun war es wohl an ihnen.
"Mister Waltham? Es hat mich sehr gefreut sie kennengelernt zu haben," wandte sich Erin am Portal an den Gast des Twin Falls. "Wir sehen uns bestimmt später auf dem Empfang wieder. Vielleicht kann ich sie Sheriff Clayton auch vorstellen," sie schob Jerry bereits auf die Kirchentür zu und sah zu Miss Hunter. "KOmmen sie Miss Hunter, man wird uns schon nicht gleich auffressen...", sie lächelte ein wenig, aber angespannt, denn auch wenn sie versuchte die Situation mit einem Scherz aufzulockern, wusste sie selbst, dass es gleich sehr unangenehm werden würde.
Erin, Jerry, Emily und Arthur kommen auf dem Kirchenplatz an
Nervös trippelte Emily neben Miss Spencer, Mister Waltham und dem Jungen voran. Alle paar Sekunden prüfte sie den Sitz ihrer Haube oder der Falten in ihrem guten Sonntagsrock oder zog das Schultertuch enger um sich. Ihr war anzumerken, wie unwohl sie sich fühlte. Und dafür gab es zwei Gründe: Zum einen war die kleine Haushälterin bislang noch nie zu spät zu einem Gottesdienst aufgetaucht. Sie fürchtete um den Ruf der gottesfürchtigen Frau, den sie unter den Camdener Bürgern mittlerweile zu haben glaubte. Zum anderen wußte sie nur zu genau, wen sie in der Kirche antreffen würde: John. Und ein Gefühl sagte ihr, daß es ihr diesmal nicht gelingen würde, sich einem Gespräch mit ihm zu entziehen. Er hatte in den vergangenen Tagen immer energischer versucht, sie zum Reden zu bewegen, und es war der jungen Frau schwergefallen, ihm in diesem Ansinnen zu widerstehen, hegte sie doch für ihn einen tiefen Respekt – und, ihre Scham über das Geschehene hin oder her, einen mit überaus romantischen Aspekten noch dazu. So fand sie sich in einem Zwiespalt wieder, den in ihrem naiven Weltbild bis vor kurzem noch nicht einmal vorstellbar gewesen wäre.
Einerseits fühlte sie das dringende Bedürfnis, dem gütigen Herrgott zu zeigen, daß sie eine reuige Sünderin war und Vergebung erlangen wollte. Es war also nach ihrer Ansicht ganz unabdingbar, ihre christlichen Pflichten nun noch ernster zu nehmen als für gewöhnlich. Und zu denen gehörte unter anderem eben der Gang in die Kirche. Auf der anderen Seite und ganz im Gegensatz dazu schlug ihr Herz immer aufgeregter bei dem Gedanken an die Aussprache, die heute wohl endlich unaufhaltsam auf sie zukommen würde. Entsprechend widersprüchlich war auch ihr Verhalten gewesen, wahrscheinlich zum nicht geringen Erstaunen von Miss Spencer und Mister Waltham. Die rundliche kleine Britin hatte ängstlich darauf gedrängt, sie doch bitte nicht allein zurückzulassen, sondern auf sie zu warten, damit sie immerhin in Gesellschaft sein würde, wenn sie schon nach Beginn des Gottesdienstes noch in das Gotteshaus treten würde. In Windeseile und mit zitternden Fingern hatte sie sich daher auch in ihrem kleinen Kämmerchen kirchenfein gemacht. Ohne es bewußt zu realisieren, hatte Emily jedoch immer wieder einen kleinen Grund gefunden, den Aufbruch doch noch etwas hinauszuzögern.
Da hatte die zuerst gewählte Bluse sie am Hals gezwickt – hatte sie etwa zugenommen..? Die Bluse war hektisch gegen eine ältere, ebenfalls sonntagsfeine ausgetauscht worden. Dann war sie nicht mit ihrem Haar zurechtgekommen. Gerade heute und gerade unter ihren fahrigen Händen hatten sich die nußbraunen Locken, auf die sie sonst so stolz war, einfach nicht bändigen lassen. Immer wieder war sie damit unzufrieden gewesen, wie sich einzelne von ihnen frech, ja beinahe kokett unter ihrer Haube hervorgeringelt hatten. Nein, so konnte sie nicht als ehrbare Frau in der Kirche erscheinen! Immer wieder hatte sie vor dem kleinen Spiegel versucht und geschaut, bis Miss Spencers Stimme schließlich ein wenig ungeduldig zu werden begonnen hatte. Resignierend hatte Emily ihre Lockenpracht daraufhin mit einem Tuch stramm eingebunden und ihre Haube einfach darüber angezogen. Es hatte kein Weg mehr am Kirchgang vorbeigeführt. Sie war so eilig die Treppen hinab gestürzt, daß sie um ein Haar auf ihre Röcke getreten wäre und damit wohl Miss Farleys Haus die nächste ausgefallene Hilfskraft beschert hätte.
Nachdem sie dann jedoch endlich losgegangen waren, hatte sie sich in ihr Schicksal ergeben und versucht, wenigstens die Haltung zu zeigen, die sie als kleine, bescheidene, aber immerhin einzige Vertreterin der ruhmreichen britischen Nation zu zeigen verpflichtet war. Von dem Gespräch Miss Spencers mit Mister Waltham hatte sie allerdings nur wenig bewußt wahrgenommen, denn innerlich sah es in Emily weit weniger ruhig aus. Auch als sie auf dem Kirchplatz ankamen, registrierte sie nur vage – aber mit Erleichterung – die Anwesenheit anderer Nachzügler. Jemanden direkt anzusehen wagte sie allerdings nicht. Wie ein stilles Mäuschen folgte sie Miss Spencer. Nur ein scheues Lächeln traute sie sich zu zeigen, als diese sie zu ermutigen versuchte. Der Trost war wohlgemeint, konnte der Peinlichkeit der Verspätung aber nicht ihre Spitze nehmen. Abgesehen davon, daß auch ein zweiter Grund für Emilys Nervosität in der Kirche sitzen würde, was Miss Spencer natürlich nicht ahnen konnte. Oder... etwa doch? Emily schluckte, als die Kirchentür ihr gesamtes Sichtfeld einzunehmen begann.
Jesse am Rand der Kirche ausserhalb im Hintergrung
Jesse war ein wenig umhergewandert, hatte sich eine Zigarette nach der anderen gedreht und geraucht und fühlte sich fast dennoch nicht besser, denn immer wieder hustete er. Ja, es war gut gewesen, dass er die Kirche verlassen hatte, so leid es ihn´m auch um Megan tat und fast irgendwie auch für dem Reverend, der ja wirklich nett zu sein schien, Und sich um seine Schäfchen bemühte. Und Jesse kam sich auch höllisch mies vor, dass es ihm kurzzeitig so schlecht ergangen war und dann fast die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Aber es war geschehen, was geschehen war. Und sein Schwächeanfall hatte sich wirklich schrecklich angefühlt. Was es nun genau war, wusste er nicht, er war kein Arzt. Und an einen versteckten Herzinfarkt glaubte er nicht, das bekam man doch nur im Alter, so dachte er. Etwas besser ging es ihm ja nun, auch wenn er immer wieder hustete und da noch dieses seltsame Ziehen in seiner Brust war. Aber eine oder auch mehrere Zigaretten würden schon irgendwie helfen, wenn schon kein Whiskey.
Irgendwann aber kam Jesse, der ein wenig umhergelaufen war, wieder zurück zur Kirche, stellte sich allerdings ziemlich abseits und lehnte so an der Kirchenwand, etwas zurück gestellt, aber so, dass er mitbekommen konnte, wenn die Gemeinde die Kirche verlassen würde. Er war nun auch nur wegen Megan hier. Am liebsten wäre er eigentlich nur nach Hause gegangen und hätte sich ins Bett gelegt. Denn er spürte, dass er einfach noch nicht fit genug war. Aber er hatte ja auch eine ganze Woche das Bett gehütet, war nur selten aufgestanden, wenn er auf das Klosett musste oder mal kurz einfach so. Er fühlte sich einfach noch unendlich schwach, so, als wären ihm Muskeln abhanden gekommen. Und er schämte sich auch für diese Schwäche und noch mehr, dass er es nicht mal in der Kirche geschafft hatte, an Megans Seite zu bleiben. Was war er nur für ein Looser. Irgendwie bekam er nichts mehr auf die Reihe. Und dann war da diese seltsame Angst vor Horatio. Etwas, was er nicht erklären konnte. Würde er doch weniger ängstlich sein, sondern wütend. Wut konnte Kräfte freisetzen. Aber Jesse fühlte sich einfach nur als Versager und schwach. Und dennoch war er ja glücklich wegen Megan und dem Kind. Aber alles ging ihm auch zu schnell. Und doch versuchte er sich immer wieder zu sagen, dass er sich nun zusammenreissen musste, einfach wegen seiner geliebten Megan, die sein Kind in sich trug. Aber wenn er ehrlich war, kam er fast gar nicht mit allem gerade klar. Die Entführung und Misshandlung und Vergewaltigung durch Horatio war gerade mal eine Woche her, dann die schwere Krankheit. Erst seit gestern war Jesse wieder einigermaßen auf den Beinen. Und was keiner wusste, war eben etwas, worüber er einfach nicht wirklich reden konnte: Horatio. Zwar schien sich Jesse inzwischen an fast alles aus seinem Leben zu erinnern, es schien also fast Schluss zu sein mit seinem Gedächtnisverlust, aber was er mit Horatio noch einmal hatte durchleben hatte müssen, kratzte nicht nur an seinem Stolz, sondern an seiner Lebensberechtigung. Wie nur hatte er das noch einmal erleben müssen, mit 30 Jahren. Er war keine 15 mehr, nicht mehr so hilflos wie damals ... und doch hatte ihn diese schreckliche Vergangeheit dermaßen eingeholt, dass er nicht anders konnte. Er fühlte sich schwach und hilflos und ängstlich. Und er hasste es. Und Jesse wurde wiedermal daran erinnert, dass er nach dem Zuchthaus nur noch vor sich und seiner Vergangenheit weggerannt war. Und vor tiefen Beziehungen.
Aber selbst jetzt gingen ihm diese Gedanken zu weit. Er wollte sich nicht dem allen stellen, er wollte nur flüchten. Es war wie ein Teufelskreis. Also drehte er sich noch eine weitere Zigarette und rauchte diese. Und er fror langsam, aber was war schon ein wenig Kälte gegen all die inneren Dämonen?
Eines wusste er: Er liebte Megan und wollte sie nicht im Stich lassen. Eher liess er sich im Stich, denn er hasste es, sich Gedanken über sein Leben und Handeln und Denken zu machen. Aber es blieb inzwischen einfach nicht aus. Doch dann glaubte er zu hören, dass der Gottesdienst wohl langsam vorbei war. Bald würden sie aus der Kirche strömen. Also drückte sich Jesse, der möglichst nicht gesehen werden wollte, etwas weiter an der Wand zurück, aber immer so, dass er auch schauen konnte, wenn Megan die Kirche verliess.
Hoffentlich würde er dem Reverend nicht begegnen. Der Mann meinte es sicherlich gut und doch hatte Jesse gemerkt, dass er wohl in diesem Leben nie mehr wirklich an Gott würde glauben. All das was der Reverend gesagt hatte, klang logisch, ja sogar irgendwie friedlich. Aber leider hatten diese Worte auch schlechte Erinnerungen in Jesse hervorgerufen, oder vielleicht nicht dessen Worte ... aber Jesse konnte einfach nicht an all das Gute glauben, zu sehr hatte er das Leid der Injuns mitbekommen. Wo war Gottes Gnade dort? Dies eben war auch ein Grund, den Jesse so fertig machte. Er machte aber nicht den jungen Reverend dafür verantwortlich, Jesse wusste, dass dieser es nur auf seine Weise gut meinte und mit seinem offenen und ehrlichen Gottesdienst sogar so manchen alteingesessen gegen sich aufbrachte. Aber all diese Worte konnte Jesse einfach nicht nur so aufnehmen oder annehmen. Zu sehr musste er an all die Gräuel der Weissen gegen die Roten denken, an seine Frau ...
Und so stand er da ein wenig verlassen und rauchte eine Zigarette nach der anderen.
Gabriel, der sehr entfernt beim Grab seiner Schwester stand, hatte Jesse nicht wahrgenommen. Jesse schlug den Kragen seiner Jacke hoch, um seinen Hals vor der Kälte zu schützen, schob sich den Hut etwas tiefer in die Stirn und qualmte seine Zigarette. Und er dachte an Megan und an Horatio, an seine Zukunft und daran, dass er diesem Scheisskerl irgendwann die Eingeweide rausreissen würde. Aber Jesse dachte auch an sein Kind und wie gesagt an Megan. Aber auch an seinen verrückten Bruder Tristan dachte er. Zu gerne wäre Jesse einfach nur nach Hause gegangen. Er wollte nur noch schlafen und vergessen und nicht mehr denken. Am schnellsten würde das mit einer oder zwei Flaschen Whiskey gehen ... oh ja, das wäre schön. Einfach schlafen, nicht mehr denken. Aber Jesse war kein Feigling, auch wenn ein Pechvogel war. Aber nein, seine Megan würde er hier nicht einfach so ganz alleine lassen ... Nein, er ahnte, dass Megan etwas mehr als Besonderes war und seine Chance auf ein anderes Leben ... auch wenn sie es nicht einfach haben würde mit dem Mann aus Montana ...
Zitat von Megan FosterMit ihren lieblichsten Sonnenscheinlächeln ging sie auf ihn zu und legte ihm ihre Hand auf den Unterarm der die Zigarette hielt. "Gehts besser mein Schatz?"
Jesse vor der Kirche am Rand, Megan kommt dazu.
Endlich war dieser verdammte Gottesdienst vorbei, denn Jesse, der zwar warm angezogen war, fror sich dennoch den Arsch ab. Ihm war irgendwie kalt, aber es war eine ganz seltsame Kälte, eine, die er irgendwie nicht begriff. Sie war weniger bedingt durch die Kälte draussen, sondern kam irgendwie von innen. Und er hatte sich, trotz des heftigen Hustensanfall in der Kirche, eine Zigarette angesteckt. Denn sie tat ihm gut, irgendwie. Seine Gesundheit war ihm egal und auch den Schwächeanfall in der Kirche wollte er lieber nicht näher beleuchten. Der war halt da, was für ein Wunder, er hatte eine ganze Woche fast nur im Bett gelegen wegen seiner Krankheit. Da war das normal, dass er noch nicht ganz fit war. Jesse war gut darin, alles runter zu spielen, besonders, wenn es um Schwäche ging. Denn diese sich einzugestehen, war einfach nicht sein Ding. Da war er ein Sturkopf durch und durch. Und wie lecker diese Zigarette schmeckte und die Wirkung in seinem Hirn. Er rauchte einfach viel zu selten. Und eigentlich war ihm auch nur nach mehreren doppelten Whiskeys.
Und so stand er da in der Kälte, leicht an die Wnad der Kirche gelehnt und beobachtete die ersten Bürger, die die Kirche verliessen. Zu seiner Freunde gehörte dann Megan mit zu den ersten, denn er freute sich wirklich, sie zu sehen. Dennoch hing er auch noch seinen trüben Gedanken nach. Aber als er Megan erblickte, waren diese vorerst wie weggeblasen. Da kam seine Blume, seine Liebe. Und sie strahlte so, wie er sie kannte und liebte. Was natürlich nicht hiess, dass er sie sonst nicht auch mochte. Im Gegenteil. Aber Megan stahlen zu sehen war immer wie ein frischer, unschuldiger Sonnenaufgang ....
Als Megan dann so sanft ihre Hand auf seinen Unterarm legte, lächelte Jesse eher schwach. Er konnte sich gut verstellen, merkte aber, dass er das Megan gegenüber gar nicht wollte. Nicht, weil sie ihn vielleicht besser kannte, als er sich selber, sondern weil er wirklich dankbar war, dass es sie gab. Er liebte sie. Und es war ähnlich wie mit seiner verstorbenen Lakota-Frau Wynona. Sie hattem sich einfach verstanden, auch oft ohen Worte. Und so ging es Jesse mit Megan. Klar, beide hatten Schwächen. Aber das war erst einmal nicht wichtig.
Und so lächelte Jesse Megan freudig an, auch wenn in seinen Augen irgendwie viel Angst und Sorge lag. »Ja, mein Schatz, es geht mir besser.« Das war nicht mal gelogen. Auch wenn es Jesse nicht wirklich gut ging. Er war immer noch ziemlich fahl im Gesicht. Da noch nicht all zu viele Keute die Kirche verlassen hatten, nutzte er die Gelegenheit, seine Zigarette einfach in den Schnee zu werfen und anschliessend Megan einfach nur in den Arm zu nehmen. Er drückte sie einfach fest und es war ihm egal, was andere Kirchenbesucher, die gerade diese verliessen, denken mochten.
Und während er seinen Kopf an Megans Schulter presste und ihren so angenehmen Duft in sich aufnahm, flüsterte er leise und etwas schwach: »Ich liebe dich so, Megan ...« Aber deutlich kam auch heraus, dass er irgendwie doch mehr verzweifelt war, als er zeigen wollte. Und dann schmiegte sich Jesse einfach nur an Megan, umarmte sie und genoss unendlich ihre Nähe. Am liebsten würde er diesen Zustand einfrieren, so schön war es, sie so nah bei sich zu spüren, einen Menschen, von dem er wusste, dass er sie liebte und umgekehrt.
Jesse lächelte Megan freudig an, aber in seinen Augen lag Angst, lag Sorge. Sie kannte den Mann aus Montana mittlerweile gut genug um diese Zeichen zu sehen auch wenn er versuchte sie zu verbergen. In der Hinsicht waren sie beide sich zu ähnlich. Beide waren Dickköpfig und behielten ihren Kummer und ihre Sorgen lieber für sich, um andere nicht damit zu belästigen, nicht die Schwäche zu zeigen die sie fühlten. Megan predigte ihm zwar immer, das er das bei ihr nicht brauchte, sie gerne für ihn da war, aber sie wusste auch das umgekehrt genauso ablaufen würde. Jesse würde auch lange auf sie einreden müssen, bevor sie nachgäbe und ihm gegenüber eine Schwäche zugeben würde. Er war immer noch blass, wirkte kränklich, aber schon deutlich besser als eben in der Kirche, wo sie wirklich Angst um ihn bekommen hatte. Sie fühlte sich von Jesse in den Arm genommen, wie er sie einfach nur festhielt, wie einen Rettungsanker und es war ihr genauso egal was die Camdener denken mochten wie Jesse. Er war ihre Liebe, ihr Verlobter und das war etwas womit die Leute lernen mussten zu leben und umzugehen. Ganz einfach.
"Schwindler..." sagte sie scherzhaft und erwiderte die innige Umarmung. Es war ein schönes Gefühl von Nähe, körperlich wie seelisch, das Megan einfach
Während Jesse seinen Kopf an Megans Schulter presste tat sie es ihm gleich und legt den ihren an seinen Körper. Da sie ein gutes Stück kleiner war, eher gegen seine Brust. Er flüsterte leise und etwas schwach: »Ich liebe dich so, Megan ...« und Megan reagierte, indem sie sich etwas an ihn kuschelte. Ja, sie konnte es spühren wie sehr er sie liebte und das war teil dieses besonderen Zaubers zwischen ihm und ihr. Aber deutlich kam auch heraus, dass er irgendwie doch mehr verzweifelt war, als er zeigen wollte. Woran sie das festmachte konnte sie nichtmal genau sagen. Seine Haltung, die Art wie er sie hielt, der Klang seiner Stimme. Irgendetwas war es, das war sicher. Sie strich ihm zärtlich über den Rücken. "Ich dich auch mein Grosser und nichts wird daran etwas ändern. Ich bin Stolz auf Dich. Das war heute ein grosser Schritt, besonders nach der letzten Woche...." lobte sie ihren Grossen und sie meinte es sogar ehrlich. Es war immens viel was auf sie und ihn hier einstürmte. Butch, der Mangel an Whiskey für Jesse, das aufgeben ihres Jobs, die Krankheitswoche die beide recht viel Kraft gekostet hatte, das Kind in ihr, die Zukunftspläne. Ein gewaltiger Berg an Veränderungen, den sie beide erstmal gemeinsam abtragen mussten. Aber das Zauberwort war hier gemeinsam. Mit ihm an ihrer Seite würde sie alles irgendwie meistern und sie hoffte doch inständig, das Jesse die gleiche Erkenntnis und Ansicht hatte. "Wenn Du den Empfang lieber umgehen willst, ist das in Ordnung. Wir müssen nicht hetzen. "
Cassidy mit Elisa ein Stück weiter den Kirchplatz hinunter
Cassiyd musste leise kichern, als sie sich auf Elisas Worte hin einen in Wut geradenen Hawkins vorstellte, der durch die Kirche tobte, wie das personifizierte Fegefeuer. Es hätte wirklich gut getan das alte Scheusal dabei zu beobachten wie es bei der heutigen Predigt wohl den Boden unter den Füssen verloren hätte. Allerdings musste Cassidy Elisa recht geben. Schwer verständlich waren Stevensons Worte im Gegensatz zu denen von Hawkins tatsächlich gewesen. "Ja stimmt schon," sagte sie deshalb auch nachdenklich, denn auch wenn sie nicht allem hatte folgen können, fand sie es nicht verkehrt, dass er von der Gemeinde verlangte den Kopf zu gebrauchen. Es war unter Umständen gewagt, wenn man an jeden einzelnen Camdener dachte, aber manchmal musste man ein Risiko eingehen. Das hatte Cassidy in den letzten fünf Jahre ihres Lebens immer wieder feststellen müssen. "Aber falsch ist es bestimmt nicht. Stell dir vor, eines Tages erreicht er damit, dass die Menschen dich hier so wie du bist nicht nur tolerieren, sondern auch akzeptieren und dir dieselben Rechte zugestehen," insgeheim dachte sie dabei natürlich auch an Sophie und sich selbst, befürchtete aber, dass an dem, was sie beide verband, auch ein Rev. Stevenson nichts ändern konnte. "Ich meine eigentlich leben wir doch schon genauso, wie er gesagt hat. Ich respektiere das Leben und darum töte ich nicht einfach willenlos einen anderen Menschen. Glaube ich deswegen an die Hölle, habe ich davor Angst und töte ich deswegen nicht?", Cassidy zuckte ein wenig mit den Schultern. "Nein, sondern weil ich mich so entschieden habe. Du hast aber schon Recht, dass es irgendwie ähnlich ist. Aber bei Hawkins hatten wir alle furchtbare Angst vor seinem Stock und die Erwachsenen vor seiner üblen Bloßstellung. Er hat uns gestraft, nicht Gott. Er hat uns damit in Schach gehalten. Ich glaube das ist ein sehr großer und wichtiger Unterschied zwischen den beiden. Und mir gefällt das," Cassidy klang fest und von ihren Worten überzeugt, während sie Elisas Kopfschütteln mit Enttäuschung aufnahm. Aber im Grunde hatte sie schon mit einer Abfuhr wegen des Empfangs gerechnet. "Na ihr könntet denen dort die Stirn bieten," meinte Cassidy völlig ernst. "Kämpfen. Allein zeigen, dass ihr hier genauso hergehört wie all die anderen. Aber ich kann's auch verstehen, wenn nicht. Leicht ist so was bestimmt nicht," Cassidy humpelte noch ein Stück weiter und verließ damit den Kirchenplatz. "Falls du Ärger bekommst, wenn du mich dorthin begleitest, und lieber hier bleiben willst kann ich das auch verstehen. Ansonsten... ich muss nicht warten. John weiß wo ich hin will und wir könnten losgehen? Ich brauche wahrscheinlich eh viel länger als der Rest mit diesen blöden Krücken. Weißt du eigentlich schon, dass Sophie durch die blöde Kälte am Montag ein Ohr verloren hat?"
Jake hatte dem Gottesdienst kaum folgen können. Der Reverend sprach viel zu hochgestochen. Sein Pa hätte so nem Gottesmann wie diesem Stevenson bei der nächst besten Gelegenheit den Frack vollgehauen, damit er sein Getue ablegte. Nate hatte es sowieso nicht mit der Kirche. Womöglich hat er nur Angst vor Leuten, die intelligenter sind als er. Darum auch kein großer Schulbesuch seiner Kinder und schon gar nicht für Coleen. Alle schön klein halten... Jake hatte den Gottesdienst über mehr über sein Pa nachgedacht als dem Reverend zugehört. Dank Nate wusste Jake sehr wohl wie schnell kleine Sünden das Leben bestrafen konnte und auch mit welcher Brutalität. Nie hatte er auch nur eine Sekunde lang darüber nachgedacht, dass dies Gottes Wille sein könnte oder sein Pa als verlängerter Arm Gottes Strafe vollzog. Es war schlicht Nate gewesen und Nates verquertes Weltbild und Nates Regeln, nach denen sie zu leben hatten. Seit dem Gespräch mit dem Major empfand Jake in letzter Zeit mehr Abneigung seinem Vater gegenüber, als noch letzte Woche. Er konnte natürlich noch nicht wirklich alles ablegen und abstreifen, was ihm in den letzten Jahren von Nate eingebleut worden war, aber er spürte, dass er nicht mehr alles so einfach als normal hinnehmen konnte, wie noch vor einer Woche, oder vor einem Monat. Ab und an hatte er auch zu Elisa hinüber gelinst und in freudiger Erwartung auf später vor sich hingelächelt. Als der Gottesdienst ein Ende gefunden hatte, war er sofort aufgestanden, als auch Elisa und Cassidy aufgestanden waren. Er hoffte auf einen Moment mit Elisa alleine, aber das awr hier in der Kirche natürlich völlig utopisch. Aber vielleicht konnte sie sich hinter der Kirche kurz treffen... Wie er sie darauf ansprechen sollte wusste Jake nicht. Der Zufall wollte es, dass seine Geschwister hinter ihm so drängelten dass er in den Mittelgang geschoben wurde, genau in dem Moment als Elisa wie zufällig näher kam und ihm einen Zettel in die Hand drückte. Er sah nur kurz hinab, schloss die Faust fest darum als er den Zettel erkannte und hatte ein sehr seeliges Lächeln auf den Lippen, mit dem er die Kirche verließ und die frische Luft gierig einatmete. "Ich bin gleich wieder da.. muss mal," murmelte er Richtung Maureen und ehe sie etwas einwenden konnte schlug er sich durch den Pulk Menschen Richtung Toilettenhäuser hinter der Kirche. Erst als er sich dort in eines eingeschlossen hatte, öffnete er den Zettel und las, was Elisa ihm als Nachricht übergeben hatte. Zufrieden knüllte er den Zettel zusammen und warf ihn in den Abort. Besser es gab keine Beweise für ihre Beziehung. Er wusste nun wann sie sich treffen würden und ihm blieb noch ein bisschen Zeit seine Mutter darauf vorzubereiten, dass er für heute eigene Ideen hatte. Rumsitzen im Gästehaus gehörte gewiss nicht dazu....
Maureen stand unterdessen mit Ian und Coleen etwas verloren auf dem Kirchenplatz, nötigte Ian seine Jacke zu schließen und band Coleens Haube fester, ehe sie sich nach Jake umsah. Der Junge raubte ihr den letzten Nerv, egal was der Major letzt über ihn gesagt. Sie seufzte leise, strich Coleen über die roten Wangen und legte um Ian einen Arm. Wäre der Major heute nur mit ihnen in die Kirche gegangen, würde sie sich nicht so alleine fühlen. Aber sie verstand natürlich seine Pflichten und dagegen konnte sie wenig ausrichten. Ach was tat sie nur... sie wollte doch nicht wieder von einem Mann abhängig werden. Sie hatte doch längst bewiesen, dass sie eigenständig denken und handeln konnte und keinen Mann dafür brauchte. Und doch... sie hätte sich besser gefühlt, wäre er hier....
Megan und Jesse amRand des Kirchenplatz Maureen, Jake, andere und Coleen entfernt
Als Megan auf einmal bei ihm war, seine Umarmung erwiderte, war Jesse für den Moment einfach glücklich. Und für den Moment schienen seine Sorgen vergessen. Es war einfach nur schön, sie in seinen Armen zu halten und zu spüren, dass sie es genoss. Ja, sie waren eine Einheit, sie gehörten einfach zusammen und das fühlte sich einfach unglaublich schön an. Und so drückte er sie noch ein wenig mehr, auch wenn sie wohl spürte, dass es ihm nicht ganz so gut ging, wie er versuchte, es zu zeigen. Und ja, Megan spürte es und irgendwie merkte es Jesse. Also drückte er sie einfach noch ein wenig mehr. Liebevoll ... nicht um über seine Sorgen hinwegzutäuschen, nein. einfach um ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Es tat so gut, sie in seinen Armen zu halten. Seine zukünftige Frau. Und als Megan meinte, dass auch sie ihn liebte, wusste er, dass sie es ehrlich meinte und es war ein so großes Geschenk. Und er drückte sie erneut, hielt sie einfach in seinen Armen. Es war einfach nur schön. Sie zu spüren, sie zu riechen, sie wahrzunehmen. Und für den Moment vergass er einfach seine Sorgen. Er genoss den Moment. Er hielt einen Menschen in seinen Armen, den er liebte und spürte, wie sie sich an ihn kuschelte, was war schöner? Nichts. Er glaubte ihren Herzschlag zu spüren, roch ihr Haar, vernahm ihre Stimme. Jesse war für den Moment wirklich unglaublich glücklich.
Aber so schön es auch war, Megan kannte ihn eben besser. Auf einmal war auch wieder diese entsetzliche Angst da. Wegen Butch. Und so stark er auch sein wollte, er hatte einfach Angst um Megan. Dieser Mann war leider immer noch auf freien Fuss. Und Megan hatte etwas richtiges gesagt: Ja, Jesse war ein Schwindler. Aber er konnte nicht anders. Aber sagen tat er nichts. Er fühlte sich ertappt und doch wusste er, dass es Megan besser wusste. Und dann genoss er einfach diese so liebe Umarmung und für einen kurzen Moment war ihm alles egal, Er liebte Megan einfach. »Ach, mein liebster Schatz ...« murmelte er dann einfach und versuchte seine Sorgen einfach mal wegzulassen. Aber es fiel ihm schwer. Megan sprach dann das sie ihn auch liebte und er lächelte sie freudig an. Sehr so gar. Ja. Dennoch war er voller Sorge. Und Megan schien es einfach zu merken, aber sie hielt sich zurück. Sie kannte ihn besser als er sich selber. Sie war einfach zauberhaft, einfach perfekt.
"Wenn Du den Empfang lieber umgehen willst, ist das in Ordnung. Wir müssen nicht hetzen. " meinte Megan dann und er liebte sie auch hierfür. Ja, eigentlich war ihm das alles zu viel, aber nein, er wollte nicht kneifen. Doch am liebsten wünschte er sich diesen Tag nur mit Megan
»Nein, ist schon ok, meine Blume ...« meinte er dann ehrlich und strahlte. Dann aber schluckte er auf einmal. Würde er Holly treffen, die dort doch arbeitete? Jesse wurde erneut unsicher. Aber sie hatten ja mit dem Reverend gesprochen, also sollten sie auch da sein. Allerdings wollte Jesse nicht als erster beim Empfang sein. Er war so schrecklich unsicher. Und während er Megan wieder in seine Arme nahm, schaute er sie fest an. Glücklich ... dennoch auch voller Sorge ... denn Butch war immer noch nicht gefasst und Jesse, könnte ihn einfach nicht ausblenden.»Lass uns einfach gehen ...« Inzwischen kamen auch andere Bürger aus der Kirche, aber Jesse hatte keinen wirklichen Blick für sie. (Cassidy mit Elisa und Maureen, Jake)
Jesse aber mochte gerade nicht eingehen auf die Menschen um ihn, die er eh nicht kannte.
Das war genau das, was sie an Jesse so schätzte, so liebte. Diese zwei Seelen in ihm. Die harte, männliche und die sanftmütige und verletzliche. Es machte ihn menschlich in Megans Augen. Nicht die typischen, ach ich bin so hart und toll' Männer die sonst so herumliefen. Jesse nahm sein Leben trotz aller Scheisse die ihm passiert war weiter in die Hand, soweit er eben im Moment konnte und verlor trotz allem nicht die Gabe zu fühlen und das auch zu zeigen. Das um sie herum die Menschen aus der Kirche kamen, kümmerte Megan nicht. Nicht das die kleine Schwarze da stand mit der Sheriffstochter, noch das die andere Familie gerade herauskam. Erst als Jesse sie losliess, schaute sie kurz zu denen herüber, betrachtete schmunzelnd das Bild. Die blonde Frau, ihre beiden Kinder. Wenn der Herr es gut meinte mit ihr und Jesse, dann würde sie dort stehen in 10 Jahren. Dann wäre sie diese blonde Frau und die Kinder die ihren. Der Gedanke erfüllte ihr inneres mit Wärme. Sie hörte Jesse, wie er bestätigte das sie zum Empfang gehen konnten, das es ok war und schaute wieder zu ihm.
"Ernsthaft Schatz, wenn du lieber nach Hause willst um dich hinzulegen dann Hopp. Du bist noch nicht ganz gesund und wir wollen ja nicht das du wieder in Fieber verfällst. Wir brauchen dich." Zwinkerte sie ihm zu und benutzte sehr bewusst die Mehrzahl. "Ich kann mit dem Reverend auch alleine reden wenn es sein muss, oder wir warten einfach noch eine Weile und ich sag ihm Bescheid. Deine Gesundheit ist mir wichtiger Grosser.."
So oder so gingen sie beide über den Kirchenplatz, auf die Lakestreet zu. Megan grüsste die Callahans mit einem freundlichen Lächeln und sogar einen kleinen Knicks. Auch die beiden Mädchen, Elisa und Cassidy, grüsste Megan auf die selbe Weise. Sie war ja grundlegend immer erstmal zu jedem nett und freundlich, solange man das erwiderte blieb das auch so. Behandelte man sie von oben herab oder anderweitig schlecht, so wie Mrs Farley es vor ein paar monaten getan hatte, dann landete man auch recht schnell auf Megans schlechter Seite und sich von da aus wieder einen Weg in die Sonne zu graben, das kostete Zeit. Aber um Menschen wie Mrs farley, oder gar Mrs Porter, wollte sich Megan heute keine Gedanken machen. Es war zwar Schweinekalt und der Himmel grau, leicht windig und etwas Schneefall, aber wenn sie weiter darauf herumdachte würde sie bestimmt irgendwann zum Aber kommen...
Aber sie hatte Jesse an ihrer Seite, die Kirche überstanden ohne rausschmiss, sie erwartete ein Kind, würde heiraten, was in aller Welt könnte dieses geballte Packet glücksgefühl zerstören? Eine klare Antwort für little Miss Sunshine, gar nichts .