Graham, Nevada und Bonnie Eric und Sarah kommen dazu
Als der Deputy auf ihre Worte einging versuchte Nevada in seinem Blick zu lesen, ob er nur scherzte, oder ob er seine Schwester wirklich loswerden wollte, um auf ihr Angebot einzugehen. Er witzelte, dass die letzte Einladung dieser Art eine Weile her sei und Nevada grinste den Burschen unverfroren an. „Ein Grund mehr meine Einladung anzunehmen! Außerdem wüsst ich niemanden, dessen Gesellschaft mir lieber wäre.“ Unverwandt blickte sie dem jungen Mann in die Augen und beobachtete, inwieweit ihre Koketterie ihn erreichte, als sie plötzlich Angesprochen wurden. Der Gringo stellte sich und das Mädchen vor und fragte ausgerechnet sie nach dem Weg zur Kirche. Nevada wirkte für einen Moment beinahe so beschämt wie die Nichte des Mannes, die er als Sarah Malone vorstellte. Sie warf einen Blick zurück zum Bordell und obwohl sie ja einen potentiellen Kunden vor sich hatte nahm die Verlegenheit ihr für einen Moment die Worte und rötete ihre Wangen. Sie sah dann zu Graham auf, denn als Mann oblag es eigentlich ihm sie miteinander bekannt zu machen. Seine Schwester war hingegen nicht auf den Mund gefallen und bot zumindest indirekt an, dass man den Weg gemeinsam gehen könne was Graham auch sogleich aufgriff. Amüsanter Weise warnte er den Fremden davor, sich mit ihnen als Katholiken sehen zu lassen, doch dass sie als Hure gewiss eine wesentlich schlechtere Wegbegleitung war erwähnte er nicht und stellte sie auch nicht vor. Nevada wusste nicht, ob es unverschämt war das Wort an diese Herrschaften zu richten, aber Grahams Scherz, über den Hexenblick seiner Schwester löste sie aus ihrer peinlichen Befangenheit und sie kicherte Mädchenhaft. „Mich nennt man Nevada Rose“ noch immer grinsend ahmte die Mexikanerin den Knicks des Mädchens nach und wandte ihren Blick zurück zu dem Bordell. „Ich arbeite hier im Queen of Hearts.“ Sie hatte kaum ausgesprochen, da wandte sie Eric auch schon ihr Gesicht zu und in den jugendlichen Zügen stand eine trotzige Herausforderung. Ihr selbst fiel gar nicht auf, dass ihre Worte implizierten, dass sie einen falschen Namen verwendete, doch je besser sie ihn kannte, desto mehr drohte sie zu vergessen, welches Amt Graham bekleidete.
Graham, Nevada und Bonnie Eric und Sarah kommen dazu
Eric brauchte nur ein paar wenige geschulte Blicke, bevor ihm klar war, wie sich die Situation gestaltete. Sarah schaute etwas arg neugierig und er würde sie darauf noch ansprechen, wollte es aber nicht vor den fremden Menschen tun. Er spürte nämlich, wie fest Sarah seine Hand hielt und ging davon aus, dass sie mal wieder sehr unsicher war: Natürlich: Da waren fremde Menschen, damit kam Sarah einfach nicht klar. Soweit glaubte er sie zu kennen. Also drückte er auch ihre Hand. fast ein wenig zu fest. Als wolle er sagen: Starre die Menschen nicht so an ... Dann glaubte er einen Blickkontakt zwischen der Rothaarigen und Sarah aber gleichzeitig musste er sich auch auf die anderen Personen konzentrieren.
Und kaum hatte er seine Frage nach dem Weg zur Kirche geäussert, war es jene junge Frau mit den roten Haaren, die dann antwortete, dass auch sie auf dem Weg zur Kirche wären, allerdings entging ihm nicht der Blick zu dem jungen Mann. Erkannte Eric da einen Deputy Stern? Ja, denn er hatte sich diesem letzte Woche vorgestellt. Aber noch wusste Eric nicht, wie die Frau mit den roten Haaren im Zusammenhang stand. Und dann war da noch diese etwas fremdländisch aussehende Frau.
»Ich danke Ihnen, Miss.« meinte Eric dann aufrichtig an Bonnie gerichtet. Er lag also nicht falsch, auch diese Personen wollten zur Kirche. Mehr wollte er ja eigentlich erst einmal nicht wissen. Aber warum dann der Blick zu dem Deputy? War sie seine Frau? Egal. Dann aber bemerkte er nicht mehr, wie Sarah starrte, er konzentrierte sich auf den Mann und die andere Frau. Versuchte es zumindest. Drer junge Mann schien dann vorher noch etwas gesagt zu haben zu der anderen, ausländische wirkenden Frau, aber Eric hatte es nicht ganz verstanden. Doch Eric registrierte, dass der Mann ihn und Sarah dann doch recht aufmerksam zu mustern schien, auch wenn er es vielleicht versuchte zu verbergen und Eric hatte das Gefühl, dass er störte, was ihn aber nicht störte. Dennoch bemerkte Eric die leicht verengten Augen des Mannes ... und wie er und Sarah eben gemustert wurden. Eric registrierte einfach innerlich, dass der Deputy recht misstrauisch zu sein schien, was bei Eric jedoch nur ein wohlwollendes Lächeln hervorzauberte, ohne einschmeichelnd zu sein. Und als die Rothaarige dann Eric geantwortet hatte, schien die Geste mit dem Kinn des Mannes sie nur zu bestätigen.
Und der Mann meinte dann, dass er ihnen gerne den Weg zeigen wolle, aber er warnte auch, dass sie wohl alledamt Katholiken sein und nun grinste Eric milde. Er wollte damit zeigen und dies nicht arrogant, dass er damit wirklich kein Problem hatte. Auch hatte er die weiteren Worte vernommen und Eric sprach aufrichtig: »Ich danke Ihnen, Miss, Mrs. « er schaute erst Bonnie an, dann Graham und führte fort: »Nein, ich habe kein Problem damit. Glauben wir denn nicht eigentlich an den selben Gott? Ich danke Ihnen also.« Und dennoch hatte Eric den Spott im Tonbfall des Deputys vernommen, ging darauf aber nicht ein. Ja, Eric wirkte sehr gelassen und dabei aber nicht arrogant.
Dann kam der Spruch von dem Mann, eigentlich schon vorher, und eindeutig schien er Sarah zu meinen. Und bevor diese antworten konnte, sprach Eric: »Ich möchte mich entschuldigen. Sarah, meine Nicht, ist neu hier, wie ich und eben noch sehr jung. Also bitte denken Sie sich nicht zu viel dabei, dass sie so geschaut hat ....« Nun war es doch soweit. Er drückte einfach nur Sarahs Hand etwas fester, so fest, dass er ihr damit zeigen wollte, dass sie sich zusammenreissen solle.
Und er hoffte, dass Sarah den Druck seiner Hand spürte ...
Dann aber galt seine Aufmerksamkeit der anderen Frau. Eindeutig eine Ausländerin. Dennoch schenkte Eric ihr ein Lächeln und schnell würde ihm klar, was sie sagte und andeutete. Als ehemaliger Sheriff aber hatte er keine Probleme mit Freudenmädchen. Doch es ging ihm auch um Sarah, die das ja nicht gerade alles mitbekommen musste und so neigte Eric leicht sein Haupt und sprach nur: »Miss Rose.« Allerdings nahm Eric wahr, wie die Frau ein wenig den Knicks von Sarah nachmachte und dann aber zu dem Bordell wandte und Eric Mimik würde etwas ernster. Un d er sprach: »Ich habe schon verstanden, Miss Rose.« Eric hatte nicht vor, hier irgendwen zu verurteilen. Warum nur taten es andere? Er glaubte zu spüren, was vielleicht gerade in der dunkelhaarigen Frau vorging, aber da er sie nicht kannte, wusste er auch nichts wirklich. Aber irgendwie lag eine gewisse Spannung in der Luft. Warum nur? Es lag an Eric, dies nun irgendwie hinzubekommen und auch wenn er wusste, welchen Beruf die Dunkelhäutigere Miss nachging, so blieb er höflich, denn er wollte nun nicht gerade, dass Sarah stutzig wurde, dass war einfach nicht gut für das Mädchen. Eric zeigte Nevada also, dass er sie akzeptierte. Aber auch, dass er ihre Blicke glaubte richtig zu deuten. Aber er schien unbeeindruckt und doch höflich zu sein. Eric kannte sich aus mit Freudenmädchen und er hatte nichts gegen sie. Warum diese Frau allerdings fast feindselig wirkte, verstand er nicht. Und natürlich ging der ehemalige Sheriff davon aus, dass der Name der Hure nicht der richtige war, aber er sah geflissen darüber weg.
Eric wirkte dabei aber nicht arrogant, sondern eher souverän. Er wirkte überhaupt nicht überheblich, im Gegenteil. Er machte einen sehr ruhigen, gefassten Eindruck.
Und dann schaute er sehr selbstsicher und freundlich von jedem zum anderen und fragte: »Also, dann auf zur Kirche.« Dabei drückte er dann, was nur Sarah mitbekam, ihre Hand ein wenig fester, so nach dem Motto: Reiss dich zusammen, Sarah ...
Sarah verfolgte den Wortwechsel der Erwachsenen aufmerksam, während ihre Augen zwischen ihnen hin und her huschten. Sie musterte den jeweiligen Sprecher eingehend, solange sie sich unbeobachtet glaubte, mied aber den Blickkontakt zu den Fremden. Vor allem die Frau mit den auffälligen Haaren schien ihrerseits ein gewisses Interesse zu haben, und das Mädchen begann sich unter ihrem Blick unwohl zu fühlen. Indem sie die Puppe fest an sich preßte, trat sie, noch immer an Erics Hand, ein Stück näher an diesen heran, so daß sie halb hinter ihm zu stehen kam und sich ein wenig vor dieser ungewollten Aufmerksamkeit geschützt fühlte. Als sie einen raschen Blick zu der Rothaarigen riskierte, sah die allerdings just mit einem nachdenklich wirkenden Gesicht auch zu ihr herüber, so daß sie rasch wieder wegschaute.
Überhaupt war ihr nicht ganz wohl zumute, solange sie mit Onkel Eric so nah bei all den großen, fremden Leuten stand. Sie schienen sich zu kennen und waren bestimmt ungehalten darüber, in ihrem Gespräch von dem neuen Bürger Camdens und dessen Nichte gestört worden zu sein. Der Mann jedenfalls sprach sie direkt an, vielleicht nicht einmal in einer entsprechenden Absicht, doch Sarah schienen sein Ton und seine Worte eine vage Andeutung von Gereiztheit zu enthalten. Verschreckt suchte sie noch etwas mehr Deckung hinter Erics Bein und schielte von dort aus vorsichtig zu den dreien hin, ohne ihren Blick nochmals bis zu deren Gesichtern zu heben. Sie wollte gewiß nicht, daß irgend jemand sich von ihr gestört fühlte oder sich gar mit einem Grund zum Grollen an ihr Gesicht erinnern würde. Trotzdem wurde sie das ungute Gefühl nicht los, sie habe einen schlechten Eindruck auf die Erwachsenen gemacht, vielleicht auch Onkel Eric enttäuscht, weil sie nun einmal zu nervös war, um die Zähne auseinander zu bekommen und mehr als ein, zwei piepsige Worte von sich zu geben.
Die zweite Frau war die einzige, die diesbezüglich ein wenig aus der Reihe fiel. Von ihr hatte Sarah keinen so eindeutigen Eindruck. Irritiert sah sie, wie die Fremde ihren Knicks nachahmte. Bei einer erwachsenen Frau war das in dieser Situation ungewöhnlich, soviel war ihr klar. Auch das Gekicher, das sie von sich gab, schien eher zu einem jungen Mädchen zu passen. Andererseits aber sprach sie wieder davon, wo sie arbeitete, worauf Onkel Eric gleich einfiel und Sarahs Hand drückte – um sie seiner Nähe zu versichern oder auch zu ermahnen, das war ihr nicht ganz klar. Es handelte sich also eindeutig um ein Erwachsenenthema, was die Frau da angesprochen hatte. Sarah war ein recht feinfühliges Kind und erfaßte sehr wohl den gewissen Unterton, der plötzlich in der Unterhaltung mitzuschwingen schien. Man sprach über etwas, das nicht für ihre Ohren bestimmt war. Gerade dieses Bewußtsein reizte aber wiederum ihre Neugier, weswegen sie dieser zweiten der fremden Frauen nun auch etwas mehr von ihrer Aufmerksamkeit widmete.
Verstohlen spähte sie in die Richtung, in welche die Sprecherin bei ihren letzten Worten gesehen hatte. Dort mußte offensichtlich etwas sein, von dem Onkel Eric sie fernhalten wollte. Die Frau arbeitete da – die Frage war nur, was sie arbeitete? Die einzigen Frauen, die sie kannte, welche einer bezahlten Tätigkeit nachgingen, waren Verkäuferinnen, Lehrerinnen, Näherinnen und Wäscherinnen. Auf Sarahs Gesicht zeichneten sich Neugier und gedankliche Anstrengung zugleich ab. Sie runzelte ihre kleine Stirn, vergaß vorübergehend ihre Vorsicht und spähte nun doch zum Gesicht der Frau hoch. Hätte man sie gefragt, sie hätte darauf getippt, daß diese eine Verkäuferin war. Die anderen Möglichkeiten schienen ihr nicht recht zur Persönlichkeit der Fremden zu passen. Sie erschien recht wortgewandt und selbstsicher, soweit man das von ihren wenigen Worten beurteilen konnte. Also war sie gewiß gewohnt, mit Käufern zu verhandeln. Wahrscheinlich verkaufte sie alle möglichen Haushaltswaren an die Hausfrauen des Ortes. War dem so, dann würde Sarah sie bestimmt noch sehen, wenn sie Onkel Eric beim Einkaufen begleitete. Dann konnte sie womöglich auch herausfinden, was an der Frau in aller Welt Onkel Eric so gefährlich finden mochte, daß sein Mündel davor geschützt werden mußte. Oder war es am Ende ein Laden, in dem man beim Verkaufen nicht richtig abwog, die Kunden betrog? Ein Ort der Sünde also, den Eric als ehemaliger Gesetzeshüter besonders verabscheuen mußte. Ja, das mochte wohl sein, überlegte sie sich, während sie an ihrer Unterlippe kaute.
Graham, Nevada und Bonnie, Eric und Sarah unterwegs Richtung Kirche
Bonnie schnitt ihrem Bruder eine Grimasse, als der sie als Hexe bezeichnete, ging aber ansonsten nicht weiter darauf ein. Der ängstliche Ausdruck der Kleinen veränderte sich auch bei Grahams Witzeleien nicht, doch sie hörte fürs Erste auf, sie anzustarren also ließ Bonnie es dabei bewenden. Auch die Entschuldigung, die der Mann wohl offenbar für nötig hielt ignorierte sie weitestgehend. Gab doch auch keinen Grund dafür, oder? Wie oft hatte sie selbst schon Leute aus den Augenwinkeln angestarrt? Obwohl sie selbst es nicht mochte, derartig beobachtet zu werden. Aber das kleine Mädchen schien ohnehin zu eingeschüchtert, um nach dem kurzen Blickkontakt weiter in Bonnies Richtung zu sehen. Auch recht. Stattdessen wandte sich die Aufmerksamkeit Miss Rose zu, die sich jetzt ebenfalls an dem Gespräch beteiligte. Ihr Tonfall ähnelte dem Grahams, als er Mr. Malone darauf hingewiesen hatte, dass sie allesamt Katholiken waren: Fast provozierend. Als wollte sie ihn dazu auffordern, irgendetwas verletzendes zu sagen. Doch Mr Malone blockte sie zwar ab, wollte wohl verhindern, dass die Sarah zu viel mitbekam, blieb aber absolut höflich. Bonnie verkniff sich ein Grinsen. Fehlte bloß noch, dass er der Kleinen die Ohren zuhielt.
„Also, dann auf zur Kirche.“ Es schien, als habe der neue Reverend geradezu auf Mr Malones Worte gewartet, denn in diesem Moment begann die Glocke der Kirche zu läuten und Camden Village zum Gottesdienst zu rufen. Da sie ohnehin alle auf dem Weg dahin waren, setzte sich die bunt zusammengewürfelte Gruppe langsam in Bewegung. Die Gelegenheit nutzend, knuffte Bonnie ihren Bruder in die Seite, als sie die Mainstreet entlang liefen. „Das war für die Hexe!“, teilte sie ihm grinsend mit. Mr Malones Worte darüber, dass sie alle an den selben Gott glaubten, nahm sie schweigend hin, in ihrer Wortkargheit Sarah ähnelnd, die den Mund noch gar nicht aufgemacht hatte. So wirklich hatte sie sich nie damit beschäftigt, was der Unterschied zwischen ihrem Glauben und dem der restlichen Stadtbewohner war. Es war ihr nur immer klar gewesen, dass sie als Katholiken schräg von der Seite angesehen wurden. Und das war alles. Die Kirchenglocken läuteten noch immer, als sie nach und nach auf weitere Leute trafen, die in die selbe Richtung unterwegs waren. Ob Michael und Grace auch zur Kirche gingen? Bonnie war nicht unbedingt erpicht darauf, ihre Eltern – und gerade Michael – schon am frühen Morgen zu sehen. Aber Michael würde doch bei den ganzen Leuten nichts versuchen oder? Der Sheriff würde da sein. Und Graham auch. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, wie um sich zu versichern, dass er tatsächlich da war und sie nicht allein lassen würde.
Arthur Waltham kommt in die Stadt. Vor dem Gästehaus.
Der leichte Wind trieb Schneeschwaden über die weisse Landschaft, die in unsteten Mustern über dem Boden kreiselten, wie ein sanfter Tanz, dessen einzige Beobachter ein paar Wildtiere waren, sowie ein Pferd und dessen Reiter. Der lange Mantel schirmte recht gut gegen den Wind ab und die dicke schicht Kleidung darunter hielt den Reiter warm, der den Kragen hochgeschlagen hatte, das Tuch vor Mund und Nase und den Hut tief ins Gesicht gezogen. Den Revolver unter dem Mantel und sein Quigley Gewehr in dem Futteral am Sattel hielt er die Waffen so warm wie es ging. Die Nacht in einem warmen Bett war angenehm gewesen, wenn das Bett auch nicht das beste gewesen war, so übertraf es doch deutlich das schlafen im freien bei dem Schweinewetter. Seid sechs Uhr in der Früh war er nun auf den Beinen oder besser im Sattel seines Pferdes und genoss mehr oder weniger die winterliche Landschaft Wyomings. Hier im Norden bot sich ein gar nicht mal so unterschiedliches Landschaftsbild zu Alabama, seiner eigentlichen Heimat, jedoch ein gänzlich anderes zu Texas oder Colorado wo er zuletzt gewesen war. Der Atem des Pferdes gab Wölkchen von sich, sein eigener nur kleine, da er ja durch das Tuch gefiltert war. So vermummt wirkte Arthur eher wie jene Leute die er normalerweise zu jagen pflegte, ein netter, kleiner, ironischer Touch. Hier zwischen St.Johns und den kleineren Orten hatte es Gerüchte gegeben über Ausschreitungen von Gesetzesbrechern. Der Reiter der ihm vor zwei Tagen entgegen gekommen war hatte einiges zu erzählen gehabt. Mr Walton und er hatten sich eine Weile unterhalten und Travis hatte Arthur einiges über die Schurken in der Gegend zu berichten gewusst. Ein gebildeter Mann der seine Artzpraxis in Camden aufgegeben hatte, weil ihm die Gegend einfach zu unsicher geworden war.
Eine unsichere Gegend war immer genau das was Arthur suchte, bot sie für seine Profession doch Arbeit. Entweder als Kopfgeldjäger, wenn er keine offizielle Anstellung bekam, oder eben als Sheriff oder Deputy, wenn die Gemeinde solche suchte und die nötigen Gelder hatte diese einzustellen. Vielleicht bot sich dort ja eine Gelegenheit wieder das zu tun wozu er sich einfach berufen fühlte und was er seid über 10 Jahren tat. Verbrecher suchen, stellen und verhaften oder direkt dem allumfassenden Urteil des Herrn überantworten, so wie sie es so oft bei den Rangern getan hatten. Wenn die Verbrecher überhand nahmen war es oftmals auch schlicht und ergreifend einfacher wenn man die Kerle einfach im Zuge der Verhaftung umlegte. Für die Bürger machte es wenig unterschied, die waren froh wenn die Bedrohung weg war und kümmerten sich selten um das wie, sofern es nicht im Ort passierte und nach willkür aussah. Das hatte er deutlich in Colorado erlebt. Jene die im Ort über die Stränge schlugen kassierten eine kleine Tracht Prügel, fanden ihren Arsch hinter Gittern wieder, schliefen ihren Rausch aus und die Sache war gegessen. Lustiger wurde es bei Flaschspielrn und Pferdedieben, wo man auch mal dazu übergehen musste den Verbrecher vor dem Mob zu schützen. Eine deutlich angespanntere Situation in der ein authoritäres Auftreten nötig war und man leider stellenweise nicht umhin kam genau jene mit Gewalt zu bedrohen die man ja eigentlich beschützen wollte. In der Hinsicht waren einfach zuviele Menschen wie Kinder. Alles wiederholte sich irgendwie.
Seine Patricia kam ihm in den Sinn. Zwölf Jahre war sie jetzt alt und es waren zwölf Jahre die Arthur nicht miterlebt hatte. Soviele verpasste gelegenheiten und Momente weil er nicht mit dem Tod seiner Frau klar gekommen war. Häufig plagten ihn Schuldgefühle aber im Moment war es nicht mehr zu ändern das seine eigene Tochter ihn für den ältesten Bruder hielt. Einen Bruder von dem sie nur ein altes Foto aus dem Bürgerkrieg hatte, das Arthur ihr einmal geschickt hatte, sowie ein weiteres aus Texas, in seiner Zeit als Ranger. Briefe waren alles was er und seine Tochter verband, Worte nur. Geteilte Erinnerungen die weder er noch sie gemeinsam erlebt hatten. Er sehnte sich danach sie einmal zu sehen, zu erleben wie gross sie geworden war, zu sehen zu was für einer hübschen, jungen, heranwachsenden Frau seine Patricia geworden war, aber noch war er innerlich nicht soweit. Besonders wenn sich herausstellen sollte das Patty ihrer Mutter ähnlich sehen würde, was vermutlich alte Wunden aufreissen würde. Nein, für den Moment war es einfach gut wie es war, zumindest unterm Strich. Am Ortsrand angekommen zog er das Tuch vom Mund und schob den Hut weiter nach hinten, so das man sein Gesicht sehen konnte. Hier wie ein Strassenräuber aufzutauchen war sicherlich nicht gerade eine gute Idee mit den Gerüchten aus dieser Gegend. Er passierte die Sheriffstation und ritt gemächlich über die Mainstreet, warf einen Blick in die Seitenstrassen und entdeckte die Menschenmenge, die sich vor der Kirche versammelt hatte. Richtig, es war ja Sonntag. Langsam lenkte er sein Pferd über die Main, schaute links und rechts. Ein Gemischtwarenladen, der aber recht vereinsamt wirkte, ein Arzt, von dem er wusste das er vereinsamt war, wenn auch aus anderen Gründen als er annahm, der obligatorische Saloon und ein Stück weiter ein Gästehaus. Da liess sich gewiss ein kleines Frühstück und irgendwas heisses zu trinken finden. Arthur hielt sein Pferd an, stieg aus dem Sattel und machte das Tier fest. Danach nahm er sein Gepäck von dem Pferd, zog die Quigley aus dem Holster schulterte das treue Gewehr, bevor er die kleine Stufe nahm, die zum Gästehaus führte. Mit richtig viel Glück gab es sogar ein Zimmer. Wenn nicht würde er sich was einfallen lassen müssen. Zur Not halt einfach eines der leerstehenden Häuser mieten. Alleine auf der Mainstreet hatte er zwei gesehen, die unbewohnt wirkten. Irgendwas würde sich schon finden, das tat es immer.
Thomas Whedon und Gabriel Marlowe am Bahnsteig beim Entfernen von der Kutsche, dann auf der Mainstreet
Gabriel wusste nicht, ob er sich vielleicht täuschte, aber irgendwie wirkte der Mann unsicher, der sein Gepäck trug. Aber auch wenn Gabriel es sich zur Aufgabe gemacht hatte, alleine schon wegen seiner Bücher, die Menschen genau zu beobachten, war er kein sonderlich guter Menschenkenner. Und dennoch glaubte Gabriel, dass es nun wohl auch mal gut war mit dem Thema, wer denn nun Schuld an seinem Sturz war und Mr. Whedon versicherte ihm dann ja auch, dass er es nun glaubte und annahm. Das dieser sich verstellte, bemerkte Gabriel nicht. Und so war auch er froh, dass sie schliesslich über etwas anderes redeten. Immerhin perzipieren Gabriel, dass sein Gegenüber, oder in diesem Fall der Mann neben ihm, keinerlei Ahnung hatte, wer Gabriel war und innerlich stiess Gabriel einen erholsamen, erleichterten Seufzer aus. Als Mr. Whedon dann sein Beileid aussprach, was Gabriel verstorbene Schwester anging, nickte Gabriel lediglich und dankend. Aber er wollte auch nicht weiter auf dieses Thema eingehen. Denn Gabriel trauerte schon noch sehr, war es doch erst einige Monate her und dennoch hatte er seine Halbschwester kaum gekannt, aber damals sofort in sein Herz geschlossen.
Gabriel musste dann erneut lachen, als er die Worte des Gepäckträgers vernahm, als dieser meinte, San Francisco wäre dann wohl keine Reise wert. Doch bevor der Geiger antwortete, liess er den Mann erst einmal aussprechen und erzählen. Aus Georgia kam er. Gabriel nickte dann erst einmal. Das der Mann etwas verheimlichte, fiel Gabriel so gar nicht auf. Und das er seine Geburtsstadt nicht nannte, mochte vielleicht daran liegen, dass sie so klein war, dass man sie eh nicht kannte. »Georgia? Ah ja, ich kenne Naja, ich stamme tatsächlich aus San Francisco, wohne da also nicht nur und nein, ich finde die Stadt schon auf ihre Weise faszinierend, wenn vielleicht gegen Camden Village wirklich eher unpersönlich. Aber dort wird auch nicht so viel getratscht ...« Das war eigentlich in Hinsicht auf den Bekanntheitsgrad von Gabriel, schlicht gelogen. War er nicht gerade wegen der sehr anstrengenden Presse geflohen? »Ich war mal in Atlanta, der Stadt, die im Bürgerkrieg ja abgebrannt wurde. Aber ich muss sagen, die Bürger haben sie sehr schnell wieder aufgebaut. Respekt.« Gabriel hatte da tatsächlich mal ein Konzert gegeben. Aber er wollte nun nicht politisch werden, was den Krieg anging und so lenkte er schliesslich auch ab. Er deutete auf die ziemlich verlassende Mainstreet, auf der sie nun wandelten. »Lassen Sie mich raten, heute sind alle in der Kirche?« Die Kircheglocken hatten auchb gerade geläutet. »Na, dann komme ich ja fast perfekt. Aber ich kann schlecht mein Gepäck im Gästehaus lassen. Ich hoffe, das dort wieder ein Zimmer frei ist. Sagen Sie, Mr. Whedon, ist hier viel los momentan in Camden? Ich würde ja ungern im Saloon übernachten, aber wenn es nichts anderes gibt, werde ich es wohl müssen ...« Gabriel lachte leicht.
Er hoffte, dass die Überfälle der Indianer nachgelassen hatten, denn noch zu ungern erinnerte er sich an diesen Indianer, Kleiner Wolf, der ihn damals entführt hatte. Sicher nur eine Ausnahme, denn eigentlich waren die Indianer im Reservat doch friedlich?!
Thomas Whedon und Gabriel Marlowe am Bahnsteig beim Entfernen von der Kutsche, dann auf der Mainstreet
Es war Thomas nur Recht, dass sie das Thema verstorbene Schwestern nicht unnötig ausbauten. Zwar war Marys Tod schon eine Weile her und an sich hatte er es schon relativ gut verarbeitet, doch das hieß noch lange nicht, dass er vollkommen über die Sache hinweg war. Vermutlich würde er nie darüber hinweg kommen, dass seine Schwester erschossen worden war. Er hatte sie so sehr geliebt, weswegen ihr Tod ein großes Loch in seinem Leben hinterlassen hatte. Wenn er wenigstens seine älteste Schwester Rose in seiner Nähe gehabt hätte...Doch wo genau Rose lebte, wusste Thomas nicht mal. Er wusste nicht wie es ihr ging und ob sie überhaupt wusste, dass ihre Familie hingerichtet worden war...Ob sie sich wenigstens ab und an fragte wie es ihm ging? Oder hatte sie ihn und die Familie schon vollkommen vergessen? Diese Frage quälten Thomas von Zeit zu Zeit wirklich, doch gerade jetzt versuchte er nicht zu sehr über das, was seiner Familie widerfahren war, nachzudenken.
„Das liegt dann vermutlich daran, dass San Francisco größer ist als Camden. Oder täusche ich mich? Ich bin nicht sonderlich bewandert was Geografie betrifft. ...Ja und das ist der Nachteil von Camden. Gerüchte machen schnell die Runde. Doch wenn man sich nichts zu Schulden kommen lässt, dann hat man auch nichts zu befürchten“, dachte Thomas laut. Er war sich wirklich nicht sicher ob San Francisco wirklich größer war als Camden, doch irgendwie konnte er es sich gut vorstellen. San Francisco klang einfach nach einer großen Stadt, zumindest nach einer größeren als Camden. Sollte ihm in der Zukunft wieder die Reiselust packen, so würde er vielleicht doch einen Ausflug an die Westküste wagen und sich San Francisco ansehen. Bisher war er noch nicht vertraut mit der Westküste, weswegen eine solche Reise sicherlich viele neue Eindrücke mit sich bringen würde. „Wir mussten damals unser Haus neu aufbauen“, merkte Thomas an, der nun gar nicht darauf achtete was er da überhaupt sagte. Der Gepäckträger hatte so sehr darauf geachtet was er sagte und nun war er für einen Moment unachtsam geworden. Jetzt hatte er tatsächlich durchblicken lassen, dass er aus Atlanta kam. Die Erinnerung an die Zeit nach den Brand, hatte Thomas einfach unvorbereitet getroffen und plötzlich hatte er wieder die Bilder aus seiner Kindheit vor sich gehabt. Vor seinem inneren Auge sah der Dunkelhaarige wieder wie sein Vater und er zusammen geschuftet hatten um das Haus so schnell wie möglich wieder bewohnbar zu machen. All die Situationen in denen er dabei Schläge kassiert hatte, gingen ihn wieder durch den Kopf, sodass er sich gar nicht darauf konzentrieren konnte nicht zu verraten, dass er aus Atlanta kam...
Auf Gabriels Frage hin, zuckte Thomas mit den Schultern. Na ja, so gut es ging, wenn man einen schweren Koffer trug. „Kann gut sein. Ich bin nicht sonderlich gläubig und weiß daher nicht was genau vor sich geht“, gab Thomas leise zu. Innerlich stellte er sich bereits darauf ein, dass Mr Marlowe ihn nun seltsam ansehen würde. Es war schließlich nicht allzu normal so etwas zu äußern. Die meisten Leute, die Thomas kannte, waren ziemlich religiös, aber ihm fiel es schwer daran zu glauben, dass es einen Gott geben sollte, wenn in seinem Leben schon so viele ungerechte Dinge vorgefallen waren. Wo war der gutmütige Herr gewesen als diese Sachen passiert waren!? „Sie könnten Glück haben, Mr Marlowe. Durch die Wetterlage kommen zur Zeit nicht viele Reisende an. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie es vermeiden können in einem Saloon zu nächtigen, wenn Ihnen nicht der Sinn danach steht“, versicherte Thomas. Was daran so unzumutbar sein könnte in einem Saloon zu übernachten, da er persönlich es gerne tat, doch wie hieß es so schön? Jedem das Seine. „Wäre es anders, würde ich es auch nicht verstehen. Ich persönlich würde momentan jedenfalls nicht hier her reisen. Mein Sinn stünde da dann doch nach wärmeren Gegenden“, ergänzte der Gepäckträger nun. Die Wärme der Südstaaten fehlte ihm wirklich. Im Sommer war es zwar gelegentlich so heiß wie in der Hölle, doch er war damit aufgewachsen und hatte sich daran gewöhnt. Durch diesen Umstand kamen ihm die Sommer hier manchmal sogar etwas kühl vor, wenn er ehrlich war.
Und auch Gabriel war es sehr recht, nicht mehr über so persönliche, ja traurige Themen zu sprechen und der Mann wurde ihm seltsamerweise irgendwie immer sympathischer, Gabriel wusste nicht warum, aber es war einfach so. Und er lachte. »Ja, San Francisco ist ungefähr mindestens 10 Mal so groß wie Camden, vielleicht auch größer. Die Stadt ist voller Leben.« Ein wenig schaute der Musiker nun recht verträumt drein. Schliesslich ging es hier um seine Heimat. Aber er nahm sein Gegenüber dennoch sehr wohl wahr. Dies war vielleicht ein Mensch, der nicht viel wusste, weswegen Gabriel den Mann nicht abschätzend beäugte. Im Gegenteil. Gabriel, als Schriftsteller und Mensch, der noch seinen Platz auf dieser Welt suchte und allem sehr aufgeschlossen war, schaute Mr. Whedon interssiert an, ja neugierig, wie es Gabriels Art war. »Ach, Gerüchte sind leider Alltag, leider ...« seufzte Gabriel. »Man sollte versuchen über ihnen zu stehen, aber es kommt wohl leider immer darauf an, woraus sie bestehen und vor allem, welche Leute sie hören und annehmen ...«
Während Gabriel neben dem Gepäckträger entlang ging, seufzte er auf einmal schwer, liess es aber unkommentiert. Im Gegenteil. Gabriel horchte auf einmal auf, aber anders, als es Thomas vielleicht glaubte zu spüren. Er sprach auf einmal von einem Haus, dass er mit seinem Vater hatte wieder aufbauen müssen. Also in Atlanta. Oder was meinte er sonst? Nein, es war eindeutig, und nun tat es Gabriel leid, dass er wohl voll in ein Fettnäpfchen getreten war, als Gabriel den Neuaufbau von Atlanta erwähnt hatte und sein Gegenüber dann erwähnte, wie er mit seinem Vater das Haus hatte neu aufbauen hatte müssen.
Gabriel würde still. Dann schaute er vor sich und nur knapp zu dem Mann neben sich und murmelte: »Oh, Sie stammen aus Altanta, es tut mir leid, dass ... also ... was ihrer Familie da widerfahren war ...« Gabriel schluckte und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Er wiederholte es dann noch mal: »Wirklich, ich wusste ja nicht ..«
Ja, woher sollte Gabriel es auch wissen und da waren seine Zweifel dann auch schon fast fort, dennoch hatte er wohl etwas angesprochen, was seinem Gegenüber nicht so ganz angenehm war. Aber Gabriel hatte sich entschuldigt. Aber warum eigentlich? Woher sollte er denn wissen, dass der Mann aus Atlanta kam? Das er gesucht wurde, davon wusste Gabriel nun mal nichts.
Aber dann war Gabriel ja auf die Kirche gekommen und auch hier schien der Mann recht offen zu sein, was Gabriel nur freute. Er versuchte such so offen zu sein, wie er konnte und er schmunzelte, als Mr. Whedon meinte, dass er nicht sehr gläubig sei. Gabriel nickte verständnisvoll und fügte hinzu: »Keine Sorge, ich kann Sie verstehen, mir geht es ähnlich, ich bin auch nicht sonderlich gläubig ... Aber interessant, sie Stammen also aus Altlanta. Eine interessante Stadt ... und ich möchte mich noch einmal für meinen Fauxpas entschuldigen, aber ich wusste ja nicht, dass sie daher stammen, ... «
Und dann lachte Gsbriel offen. »Na, dann werden wir ... nein ich mal schauen, ob ich mein altes Gästezimmer bekomme ... naja, und wenn nicht, dann übernachte ich eben im Saloon ...« Gabriel lachte. »Und genau, ich sollte nicht zu wählerisch sein. Der Saloon hier ist sehr ... komfortabel ...«
Gabriel grinste in sich hinein, als er an die Nacht mit Megan denken musste. Aber er sagte nichts. Der Mann in seinem Alter wusste ja zum Glück überhaupt nicht, wer er war. Und dieser sprach dann von wärmeren Gegenden. »Oh ja, hier ist es schon sehr kalt ...« pflichtete Gabriel seinem Gegenüber zu. »Und Altlanta ist sicherlich wärmer ... wie auch San Francisco ....aber gehen wir, damit uns nicht sonst noch was abfriert ...«
Gabriel lächelte den Mann neben sich freundlich an und ging dann weiter die Mainstreet hinauf in Richtung Gästehaus.
„Da würde ich mich sicher verlaufen“, merkte Thomas an. Sein Orientierungssinn war nicht der Beste, weswegen er auf seinen Reisen auch um ein Haar in der Wildnis gestorben wäre. Natürlich würde er in einer Stadt nicht gleich das Leben verlieren, wenn er sich verirrte, doch trotzdem würde sich dadurch ein Umweg ergeben. Durch Umwege bekam man zwar die eine oder andere Ecke zu sehen, die man sonst nicht gesehen hätte, doch im Großen und Ganzen war es Thomas dann doch lieber, wenn er auf direkten Wege sein Ziel erreichte. Den neugierigen Blick von Gabriel bekam Thomas kaum mit, da er viel zu sehr damit war nach vorne zu starren und zu versuchen sich nicht zu sehr anmerken zu lassen wie sehr er innerlich verkrampfte. Er verkrampfte nicht aufgrund der Kälte, nein, er verkrampfte, weil ihm Marlowes Aussage über Gerüchte ein wenig traf. „Ja, es kommt wohl wirklich darauf an wer die Gerüchte aufschnappt“, sagte der Gepäckträger leise. Unwillkürlich hatte er sofort daran denken müssen welche Konsequenzen es haben könnte, wenn die falsche Person aufschnappte, dass er in Atlanta einen Mann getötet hatte. Man würde ihn inhaftieren, weil auf seinen Kopf Geld ausgesetzt war und ob er jemals wieder freigelassen werden würde, war auch fraglich. Alles würde davon abhängen wer sein Richter werden würde und wenn es zufällig jemand war, der Foster nahe gestanden hatte, konnte Thomas gleich davon ausgehen, dass er seinen Kopf ziemlich schnell in einer Schlinge wieder finden würde. Auf eine solche Erfahrung konnte er wirklich verzichten, denn auch wenn sein Leben ihm nicht immer viele Gründe zum Lachen gab, wollte Thomas noch eine ganze Weile am Leben bleiben.
Der Dunkelhaarige sah kurz zu dem Reisenden herüber nach dem dieser sich entschuldigt hatte. Gabriel machte auf Thomas einen ziemlich betroffenen Eindruck, was den Südstaatler beinahe zum Lachen brachte. Es tat Gabriel leid was seiner Familie zugestoßen war? Dabei wusste der Neuankömmling doch nicht mal was wirklich passiert war! Das sie ihr Haus wieder hatten aufbauen müssen war nun wirklich das kleinste Problem, das seine Familie gehabt hatte! „Sie müssen sich nicht entschuldigen. Mr Marlowe, Sie haben nicht wissen können, dass ich aus Atlanta stamme. Außerdem ist das schon ziemlich lange her. Ich habe es mittlerweile verkraftet und kann problemlos darüber sprechen“, versicherte Thomas nun. Natürlich entsprach das nicht ganz der Wahrheit, es belastete ihn schon sich an seinen Vater zu erinnern, aber die Tatsache, dass ihr Haus wieder aufgebaut werden hatte, stellte kein Problem für den Dunkelhaarigen dar. Dieser Zwischenfall gehörte nun einmal zu seinem Leben, da ließ sich nichts dran ändern. Außerdem waren sie noch vergleichsweise glimpflich davon gekommen. Andere Familie hatten im Feuer weitaus mehr verloren als die Whedons.
„Dann haben wir wohl eine weitere Gemeinsamkeit“, stellte Thomas mit einer Spur Erleichterung fest. Nicht viele Leute hätten seine Äußerung einfach so hingenommen. Für viele seiner Mitbürger wäre seine Ungläubigkeit dem Ende der Welt gleich gekommen, doch Gabriel schien der Sache vernünftiger gegenüber zu stehen. Gut so. Jetzt musste er sich wenigstens keinen stümpferhaften Bekehrungsversuch anhören. „Ist nicht jede Stadt auf ihre Weise interessant? ...Und machen Sie sich keine Sorgen, ich nehme es Ihnen nicht übel. Wirklich nicht“, versicherte Thomas und lächelte Gabriel freundlich an. Von seiner Seite aus gab es wirklich keinen Anlass sich nun erneut zu entschuldigen. Er hatte es nicht wissen können und zusätzlich hatte er auch nichts mit den Geschehnissen in Atlanta zu tun. Warum dann also zu Kreuze kriechen?
„Ich werde Ihnen die Daumen drücken, dass Sie Ihr Zimmer bekommen, Sir“, sagte Thomas, der sein Schritttempo für einen kurzen Moment ein wenig verlangsamte. Er hatte gespürt, dass er eine eisige Stelle erreicht hatte und da er nicht stürzen wollte, schritt der junge Mann langsam und bedacht über diese hinweg. Danach ging er in zuvorigen Tempo weiter. „Zumindest ist der Saloon hier zumutbarer als in manchen anderen Orten. Auf meinen Reisen habe ich in den einen oder anderen Saloon nächtigen müssen, in dem es ernsthafte Kakerlakenprobleme gab“, erzählte Thomas. Bei der Erinnerung an seine nächtlichen Parasitenjagdten, musste Thomas nun leise lachen. Damals hatte es ihn unglaublich verärgert, dass ihm so viel Geld abgeknöpft wurde für solche Löcher, doch nun erheiterte ihn die Erinnerung.
„Wir sollten uns wirklich etwas sputen, sonst frieren wir hier noch fest“, scherzte Thomas nun. Er beschleunigte sein Tempo ein wenig, aber nicht so sehr, wie er es gerne getan hätte. Dafür war es dann am Ende doch zu glatt. In der Ferne tauchte nun das Dach des Gästehauses auf. Doch trotz allem hatten sie noch ein gutes Stück zurück zu legen. „Planen Sie lange hier zu bleiben?“, erkundigte sich der Gepäckträger um das Gespräch am Leben zu erhalten.
Thomas Whedon und Gabriel Marlowe kurz vor dem Gästehaus
Gabriel hatte verhalten gelacht, als der junge Mann neben ihm meinte, dass er sich wohl eher in der großen Stadt verlaufen würde. Gabriel hatte dann genickt, verständnisvoll, auch bezüglich der Äusserung, dass man aber so ja auch andere Ecken der Stadt kennen lernen würde. San Francisco war nun einmal Gabriel Heimat und er liebte seine Heimat, auch wenn er es am Anfang nicht sehr leicht gehabt hatte und momentan auch nicht. Verdammte Presse. Aber hier hin waren sie ihm nicht gefolgt und niemand wusste viel über Gabriels Privatleben. So auch nicht über Emma, seine leider inzwischen verstorbene Halbschwester. Das wäre auch nur ein zu großes Fressen für die Journalie gewesen.
Gabriel fiel dann auf, wie leise Mr. Whedon dann sich zum Thema Gerüchte äusserte. Aber er fand keinen Zusammenhang. Aber dafür kannte er den Mann ja auch kaum. Für einen Smalltalk unterhielten sie sich eh schon sehr intensiv, wie Gabriel fand, aber es störte ihn nicht. Er war ein Mensch, der gerne die Menschen kennen lernte, ja fast studierte, wie sich gaben, was sie erzählten. Gabriel war sehr weltoffen, was das anging, manchen "zu" weltoffen. Und davon zeugte u.a. sein in Gips gelegter Arm. Aber auch wenn Gabriel momentan geflohen war, er würde sich nicht den Mund verbieten lassen. Jetzt erst Recht nicht. Auch wenn sein Agent ihn bekniet hatte und Gabriel aufgezeigt hatte, dass dieser dadurch seine Karriere in Gefahr bringen konnte. Aber Gabriel wusste, dass er inzwischen so bekannt in den Großstädten war, dass er sich einiges herausnehmen konnte, und das, obwohl er doch wirklich bescheiden war und kaum Starallüren hatte, wie er hoffte. Aber Gabriel war sehr schlecht darin, sich selber zu beurteilen.
Als Mr. Whedon dann meinte, dass Gabriel sich nicht entschuldigen müsse, nickte Gabriel schweigsam, und so, dass er auch zeigte, dass er dem Mann glaubte, denn ja, Gabriel hatte es ja nicht wissen können. Manchmal kam er sich regelrecht weltfremd vor, auch wenn er von sich glaubte, weltoffen zu sein. Mr. Whedon meinte dann, dass er darüber hinweg sei und wieder nickte Gabriel. Ihm fielen plötzlich dennoch irgendwie die Worte. Und so schwieg er einfach. Und es war auch gut so, denn dann lächelte er leicht, als er Whedon von der Geimeinsam sprechen hörte, was den Glauben anging. Und Gabriel wusste nicht warum, aber auch dies liess er unkommentiert, es war für ihn fast ein wenig, als würden sich die beiden einfach gut verstehen. Vielleicht war das auch nur Einbildung. Aber eines genoß Gabriel dann doch sehr: Der Mann hatte keine Ahnung, wer Gabriel war. Ähnlich musste es wohl auch dem Gepäckträger ergehen, aber Gabriel wusste ja nichts von einem Mord und Steckbrief.
Und so antwortete der Mann aus der Großstadt schliesslich auf das weiter gesagte von Mr. Whedon: »Natürlich ist jede Stadt, jeder Ort, jedes Fleckchen auf seine Weise interessant. Besonders die Menschen eben. Oder die Gepflogenheiten.« Gabriel lachte über sich selber. Wie mochte er nur klingen? Aber es war Gabriel auch egal. Er mochte den Gepäckträger irgendwie. Ein hart arbeitende, der sicherlich mehr hatte in seinem Leben verkraften müssen, als manch anderer, zumindest glaubte Gabriel das einfach irgendwie.
Schliesslich aber kamen sie auf den Saloon und dass Whedon schon manche Saloons kennengelernt hatte und das dieser hier recht zumutbar war. Ja, das wusste Gabriel. Er hatte hier sein Date mit Megan gehabt und manchmal Jesse auf der Geige begleitet. Dennoch wäre ihm ein Zimmer im Gästehaus irgendwie lieber, warum, wusste er selber nicht. Aber als sie dann so über den Saloon sprachen, dachte Gabriel versonnen an Megan. Wie es ihr wohl ergangen war? Ob sie hier überhaupt noch lebte? Selbstverständlich würde er niemanden danach fragen.
Auch fragte er niemanden nach Li Yue, der Chinesin. Gabriel wusste, dass sie hier nicht mehr lebte. Er hatte ihr einen Brief geschickt, der unzustellbar zurückgekommen war.
»Danke, fürs Daumen drücken. Und ja, ich kenne den Saloon hier und ja, er ist wirklich in Ordnung ...« hatte Gabriel dann leicht versonnen über seine Lippen gebracht. Nun aber, als Mr. Whedon wegen der Glätte erst ein wenig langsamer wurde, schaute sich Gabriel interessiert um. Das Gästehaus war in Sichtweite, allerdings auch dieses andere Etablissement: "Queen of Hearts" - Das schrie ja förmlich danach, dass es ein Bordell war, sogar schon von außen. Gabriel hob leicht eine Augenbraue. Wieder musste er an Megan denken. Ob sie nun wohl dort arbeitete. Jedenfalls hatte sich hier ja einiges getan, seit seiner Abwesenheit.
Leicht abgelenkt von dem nicht viel jüngeren Mann, der meinte, dass sie sich beeilen sollten, nickte er nur und wurde auch schneller. Ja, es war schon verdammt kalt hier, aber Gabriel fror nicht wirklich in seinem teuren Fellmantel. Schliesslich kam die Frage auf, wie lange Gabriel sich denn hier aufhalten würde und prompt antwortete der Blonde: »Och, ich weiss noch nicht genau. Mal schaun.« Gabriel liess es sich offen. Seine Konzerte hatte er eh absagen müssen, denn mit einem gebrochenen Arm konnte er eh seine Geige nicht spielen. »Jedenfalls habe ich viel Zeit ...« meinte er nur leicht versonnen. Eben waren sie an einer Strasse vorbeigekommen, wo seine Schwester einst ein kleines Häusschen bewohnt hatte. Gabriel wurde ein wenig stiller, dennoch legte er einen Schritt vor, trotz seines Handicaps. »Und Sie? Müssen Sie heute noch lange arbeiten? Ich meine, der Zug fährt ja nicht ...« Gabriel spürte, dass er das Bedürfnis hatte, den Mann im Gästehaus auf einen Kaffee einzuladen. Einfach so. Vielleicht lag das daran, dass er hier eh kaum wen kannte, und wenn nur oberflächlich, außer eben Selina, der einst besten Freundin seiner Schwester und Megan ...
Thomas Whedon und Gabriel Marlowe vor dem Gästehaus
Das verhaltene Lachen seiner Begleitung nahm Thomas positiv auf. Ein Lachen war stets ein gutes Zeichen und gerade jetzt beruhigtes es ihn ein wenig. Insgeheim hatte sich der dunkelhaarige Mann aus Atlanta immer noch Sorgen gemacht, dass Gabriel durch den Sturz vielleicht doch größere Schmerzen hatte, als er zugeben wollte, doch diese Sorgen schienen unbegründet zu sein. So schlecht konnte es Gabriel nicht gehen, denn sonst hätte er sich nicht zu einem Lachen durchringen können. Es gab zwar immer noch die Möglichkeit, dass Mr Marlowe einfach ein guter Schauspieler war und ihn nicht beunruhigen wollte, doch diese Option kam Thomas nicht wirklich in den Sinn. Er ließ sich von dem Lachen einfach einlullen und verdrängte seine Sorgen so weit wie möglich in den Hintergrund.
Gabriel wurde schweigsam, als Thomas ihn versicherte, dass er sich nicht entschuldigen müsste. Wie dieses Schweigen zu deuten war, wusste der Gepäckträger nicht ganz, doch wenigstens schien Gabriel seine Worte wahrgenommen zu haben, denn er nickte. Fragte sich nur ob dieses Nicken bedeuten sollte, dass er verstanden hatte oder sich hatte überzeugen lassen, dass er wirklich keinen Fehler begannen hatte. Vielleicht ist er ja wie du. Vielleicht nickt er einfach nur um dir deinen Willen zu lassen und ist eigentlich ganz anderer Meinung. Bei diesem Gedanken musste Thomas schon beinahe den Kopf schütteln. Nein, dass konnte nicht sein. So schnell war niemand in dieser Hinsicht so merkwürdig wie er selbst. Der Reisende hatte sich vermutlich von ihn überzeugen lassen, dass alles in bester Ordnung war und das war es dann auch schon. Mehr steckte nicht dahinter und die Gedanken des Südstaatlers waren reine Überinterpretation. Ihr Gespräch schien nun ein wenig zum Erliegen zu kommen, doch daran störte sich der Gepäckträger nicht besonders. Ein Problem mit Stille hatte er noch nie gehabt. Auf seinen Reisen war er oft alleine gewesen und hatte zu niemanden ein Wort sagen können. Irgendwann gewöhnte man sich einfach an einen solchen Umstand. Bei Thomas war es sogar soweit gegangen, dass er sich schon beinahe geborgen fühlte, wenn es vollkommen still war. Beinahe so als würde nichts Schlimmes geschehen können, wenn es keine Geräusch um ihn herum gab. Blieb nur zu hoffen, dass sich der andere Mann mit der Stille auch so wohl fühlte wie er selbst, denn das Letzte was Thomas wollte war, dass sich der Neuankömmling unwohl fühlte oder ihn gar für unfreundlich hielt.
„Die Gepflogenheiten sind wirklich interessant. Mit der Ausdrucksweise ist es das Selbe. Ab und an begegnen einen auf Reisen doch ziemlich kuriose Wörter“, stellte Thomas fest als sie irgendwann wieder zu sprechen begannen. Bei dieser Aussage dachte der junge Mann nur zu einem sehr geringen Teil an die englische Sprache, er dachte dabei mehr an die Zeit in der er die Sprache der Sioux erlernt hatte. Jedes einzelne Wort war ihn so unglaublich fremd vorgekommen, dass er sich an manchen Tagen ernsthaft gefragt hatte ob er sich überhaupt noch in den Vereinigten Staaten befand oder ohne es zu merken in ein exotisches Land gereist war.
„Jeder Zeit wieder“, versicherte der Südstaatler aufrichtig und lächelte freundlich dabei. Er würde es wirklich immer wieder tun. Jemanden Glück zu wünschen und ihn gedanklich die Daumen zu drücken war nun wirklich kein großer Aufwand. Da es auch nichts kostete, wusste Thomas keinen Grund seinen Mitmenschen auf diese Weise keine Freunde zu bereiten. Es war doch immer wieder erfreulich jemanden lächeln zu sehen, da konnte man sich doch durchaus ein wenig Mühe geben und nett sein, auch wenn man seinen Weggefährten erst seit kurzem kannte.
Gabriels Reaktion auf das Bordell entging Thomas, doch aber auch wenn er die erhobene Augenbraue bemerkt hätte, hätte er vermutlich nichts gesagt. Es wäre ihm einfach vorgekommen als würde er seine Nase in etwas zu privates hineinstecken und Thomas hatte nicht vor Gabriel zu nahe zu treten. Ob man solche Orte gut hieß oder nicht, blieb jedem selbst überlassen. Thomas hatte nichts gegen Bordelle einzuwenden, auch wenn er diese nicht aufsuchte. Das Geld dafür hätte er durchaus gehabt, doch wozu sein beim Poker erzocktes Geld ausgeben, wenn er es gar nicht nötig hatte? Sollte er mal Lust auf eine Frau verspüren, würde er auch so eine junge Dame finden können, die kostenlos dazu bereit war das Bett mit ihm zu teilen, dass wusste der junge Mann aus Erfahrung zu genüge.
„In dem Fall, dass Sie sich dazu entschließen sollten länger zu bleiben und bei irgendetwas Hilfe brauchen, dann zögern Sie nicht, Mr Marlowe, ich stehe Ihnen immer zur Verfügung“, erklärte Thomas. Er hoffte, dass Gabriel verstehen würde, dass er nicht vor hatte sich aufzudrängen, sondern einfach versuchte freundlich zu sein, weil er einfach so erzogen worden war. Einen Lohn erwartete Thomas für seine Hilfe auch nicht. Gabriel schien ihm ein angenehmer Zeitgenosse zu sein und deswegen bot Thomas seine Hilfe an. Durch einen Gipsarm eingeschränkt zu sein, wenn man an einen neuen Ort zog, war sicher schon beschwerlich genug, da musste Gabriel nicht noch die Erfahrung machen, dass sich niemand für ihn interessierte und er hilflos ohne auch nur einen einzigen Freund da stand. „Nein, ich habe frei sobald ich Sie heil an Ihr Ziel gebracht habe. Ich bin nur wegen der Postkutsche zum Arbeiten eingeteilt worden, aber das ist nicht weiter schlimm. Durch die Bewegung kommt es einen dann doch ein wenig wärmer vor als es eigentlich ist“, erklärte Thomas freundlich. Es störte ihn wirklich nicht, dass er für einen einzigen Reisenden sein Zuhause hatte verlassen müssen. Er hatte sich die Stelle als Gepäckträger ausgesucht, dann würde er auch ohne zu klagen mit den Konsequenzen leben. Abgesehen davon gab es gerade auch nichts worüber er sich hätte beklagen können. Gabriels Gesellschaft war nun wirklich alles andere als ablehenswert.
Dann gelangten sie auch schon vor dem Gästehaus an. Am Ende war es dann also doch schneller gegangen als Thomas bei der Witterung vermutet hatte. Erfreut über diese Tatsache lächelte er. „Da wären wir. Sie haben Glück, Mr Marlowe, jetzt müssen Sie hier in Camden doch nicht erfrieren“, scherzte Thomas munter während er den Koffer kurz absetzte um Gabriel die Tür zu öffnen.
Thomas Whedon und Gabriel Marlowe vor dem Gästehaus
Gabriels Lachen war zwar verhalten, aber aufrichtig. Doch mehr und mehr versiegte auch dies und wich einer ziemlichen Erschöpfung, innerlich wie äusserlich. Die Reise hatte Wochen gedauert und auch wenn er die meiste Zeit mit dem Zug im Warmen gereist war, so war er jetzt tagelang in einer ungeheizten Kutsche unterwegs gewesen. Wirklich gut schlafen hatte er auch nicht können, wenn sie dann eine Unterkunft gefunden hatten. Und nun war Gabriel wieder an jenem Ort, an dem ihn fast mehr Negatives widerfahren war, als positives. Natürlich, hier hatte er seine Halbschwester getroffen und kennen gelernt, wenn auch eben viel zu kurz. Sie war hier umgekommen ... erschossen ... wenn wohl eher auch nicht absichtlich, aber immer noch konnte er sich keinen Reim machen, was sie mit dem berüchtigten Thunder zu schaffen gehabt hatte. Denn er hatte diesen verdammten Verbrecher damals als ihren Freund kennengelernt ... keiner hatte wohl in ihrem Umfeld geahnt, dass es sich um einen mehrfachen Mörder und Vergewaltiger gehandelt hatte. Wie nur konnte dies Emma entgangen sein? Aber Gabriel machte ihr im Nachhinein keine Vorwürfe. Er hatte den jungen Mann selber kennengelernt und er wirkte damals sehr freundlich, wenn auch still. Innerlich seufzte Gabriel.
Und dann war da noch die Sache, eher gesagt die Entführung durch den Indianer Kleiner Wolf ... Gabriel hatte, wenn er ehrlich gesagt, zeitweise schon ziemliche Todesängste ausgestanden. Hatte er eigentlich jemals wirklich mit jemanden darüber geredet? Wünschte er es eigentlich je? Und dann dachte er kurz an diese bezaubernde Chinesin, in die er sich verliebt hatte ... ach ja ... auch sie lebte hier nicht mehr ...
Gabriel lief neben dem anderen Jungen Mann die Mainstreet entlang, dort, wo der gröbste Schnee bei Seite geschaufelt war. Menschen trafen sie so gut wie gar nicht an, aber heute war Sonntag und die meisten waren in der Kirche.
Auch Gabriel störte es nicht, dass ihr Gespräch einen Moment innehielt. Eigentlich redete Gabriel gar nicht so viel. Ganz besonders nicht, wenn sein Gegenüber nicht mal wusste, wer er war. Was Gabriel innerlich sehr genoss. Manchmal hatte er seine Berühmtheit in vielen großen Städten wirklich satt. Aber hier war er zwar nicht inkognito, musste es aber auch gerade Mr. Whedon nicht auf die Nase binden.
Als sein der Mann dann das Thema mit den Gepflogenheiten aufnahm, schmunzelte Gabriel nur leicht und nickte, um zu zeigen, dass er meinte, was Mr. Whedon meinte. Aber er fügte nicht mehr hinzu. Nicht, weil er keine Lust hatte, sondern weil Gabriel einfach merkte, dass es dazu nicht viel zu sagen gab und er unendlich müde war. Die Wochenlange Tournee um Weihnachten und Neujahr zehrten nun doch an ihm und auch die Reise hier her und sein gebrochener Arm. Zum Glück hatte er im Gesicht nicht allzu viele Blessuren durch den Angriff erhalten und die wenigen waren inzwischen kaum mehr sichtbar, höchstens beim genaueren Hinsehen und wenn man Gabriel kannte.
Als Thomas Whedon dann versicherte, dass er Gabriel jederzeit gerne wieder helfen würde, lächelte der Mann aus San Francisco erneut, wenn diesmal eben nur eben auch sichtlich erschöpfter. Er sah nun auch, dass sie am Gästehaus angekommen waren, er wirkte trotz seines teuren und dicken Fellmantels sichtlich fröstelnd. »Ich danke Ihnen, Mr- Whedon, für ihr Angebot und Ihre Hilfe. Und Gabriel sah das überhaupt nicht als aufdringlich an. Und im Gegenteil. Gabriel strahlte fast ein wenig, wenn auch müde, als der junge Mann dann meinte, dass er eigentlich Zeit hätte »Und ja, es ist hier oben verdammt kalt ...« lachte Gabriel dann und stieg die Stufen langsam zum Gästehaus hoch. Er mochte den Humor des Mannes, der meinte, dass Gabriel Glück hätte und ja nun nicht erfrieren müsse würden.
»Gut, darf ich sie dann zu einem Kaffee oder etwas anderen einladen?« Erwartungsvoll aber nicht aufdringlich schaute er den Mann dann schliesslich an, während er schliesslich vor der Tür des Gästehauses angekommen war.
Aus den Fenstern des Gästehaus strählte warmes Licht nach außen und lud sogleich ein, sich ins Innere zu begeben. Gabriel nickte kurz dankend, als Thomas ihm freundlicherweise die Tür zum Gästehaus öffnete. Gabriel trat ein ... und so gleich genoß er auch die angenehme Wärme, die ihm entgegenschlug.
Es war ein Fehler gewesen einzuschlafen. Das spürte Lucy, als sie ruckartig aus dem Schlaf gerissen wurde. Verdammt! Immer noch müde blinzelte sie in die Schneeflocken. Der kurze Schlaf war nicht sonderlich erholsam gewesen. Wie lange war sie eingenickt? Offenbar hatte sie den gesamten Rückweg verschlafen-wie lang dieser auch immer gewesen sein mochte. Mit leichtem Schrecken stellte sie fest, dass sie sich bereits auf der Hauptstraße von Camden Village befanden. Sie zog den Kopf ein und versuchte sich so klein wie möglich zu machen, unter Decke und Mantel zu verschwinden. Sorgenvoll ließ sie den Blick über Häuser und die Straße gleiten. Was, wenn sie jemand erkannte? Sie musste so schnell wie möglich fort und in sichere Deckung gehen. Nur wohin? Außerdem war da immer noch der Hunger, der in ihrer Magengrube nagte. Und die Kälte, die Müdigkeit. Sie unterdrückte ein Gähnen. Jason schien von ihrem aufkommenden Unwohlsein nichts zu bemerken. Wie auch? Und es war ihr Recht so, hielt sie doch ein wenig gehetzt nach bekannten Gesichtern Ausschau. Wann war sie das letzte Mal hier gewesen? War schon genug Gras über die mehr oder weniger freundlichen Dinge gewachsen, welche die Walton-Gang in Camden Village verübt hatte? Lucy wollte es nicht darauf ankommen lassen, ob man ihr Gesicht im Notfall erkennen würde. Während sie sich mit einer Hand festhielt, tastete sie vorsichtig mit der anderen nach ihrer geschwollenen Lippe und Wange. Die Kälte, egal wie unangenehm sie auch sonst war, hatte die Schwellung ein wenig abklingen lassen. Dennoch fühlte es sich ein bisschen dumpf an und schmerzte. Es wurde Zeit, dass sie irgendwo unterkam und sich endlich, endlich nach längerer Zeit wieder ein wenig um sich kümmern konnte. Die letzten Tage hatten ihren Tribut gefordert und Lucy fühlte sich ein wenig verwahrlost. Auch wenn sie solche Unannehmlichkeiten gewohnt war-angenehm war es nicht. Sie schauderte.
Zu ihrer Beruhigung war nur wenig los auf den Straßen. Wo stecken die alle? Sie hatte ihr Zeitgefühl zwar nicht verloren, aber dennoch brauchte Lucy eine Weile, bis ihr in den Sinn kam, dass Sonntag war. Die Kirche-natürlich. Na dann betet mal alle schön, auf das es euch helfen möge! Es wäre unsinnig, womöglich gefährlich gewesen, Jason mitten auf der Straße anhalten zu lassen oder gar vom Pferd zu springen, nur um sich möglichst schnell ein Versteck zu suchen. Davon abgesehen, dass es unnötige Aufmerksamkeit erregt hätte. Sie wusste schließlich nicht, wer hinter den Gardinen lauerte, weil er die Kirche versäumte. Also wartete sie, mit immer größer werdender Ungeduld, bis das Pferd vor dem Saloon zum Stehen kam. Lucy warf einen schnellen Blick auf das Gebäude und ihr wurde einmal mehr klar, dass sie schnellst möglichst von hier fort musste. Es gab da so einige Bürger, denen sie nicht begegnen wollte.
Sie wartete kaum, sondern sprang noch vor Jason ein wenig umständlich aus dem Sattel. Ein rascher Blick nach rechts und links um sich zu vergewissern, dass zumindest niemand auf der Straße nach ihnen sah. Lucy hätte sich am liebsten sofort zwischen den Schatten der Häuser verkrochen, ohne ein Wort des Abschieds und des Dankes. Doch sie wusste, dass dieses Verhalten nicht gerade dazu beigetragen hätte, Jasons Misstrauen ihr gegenüber zu senken. Nicht, dass es ihr darauf angekommen wäre. Aber sie wusste nicht, ob er ihr nicht doch gefährlich werden und sie anschwärzen konnte. Er sah aus wie ein Mann mit einem viel zu guten Gedächtnis. Aber allzu lange wollte sie auch nicht in aller Öffentlichkeit verharren und so wandte sie sich recht schnell und ein wenig flapsig an ihn. "Besten Dank der Herr, wird Zeit für mich zu gehen." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und warf ein weiteres Mal einen Blick auf den Saloon. Lange Abschiede hielt Lucy für völlig überbewertet und sie spürte eine regelrechte Abneigung dagegen. Sie wusste nie, wie man sich richtig verabschiedete und so hielt sie sich auch jetzt eher kurz. "Sieht wohl aus, als würden sich unsre Wege hier trennen. Noch eine angenehme Zeit-" Ein "auf Wiedersehen" verkniff sie sich, denn das war eindeutig nicht in ihrem Sinne. So wenigen Leuten wie möglich zu begegnen, ihnen nicht im Gedächtnis zu bleiben und sie nicht wieder zu treffen-das war Luchs Devise bei neuen Bekanntschaften, die sie nicht einschätzen konnte. Da war es ihr dann auch egal, dass ihr Abschied sehr abrupt wirkte. Ohne ihn zu Wort kommen zu lassen nickte sie ihm zu und machte dann schnell, aber nicht zu schnell, um kein Aufsehen zu erregen, dass sie fort kam.
cf: Backcountry, der Wald Lucy und Jason auf Black Jase. Lucy verschwindet
Erleichtert atmete Jason auf, als er die Hauptstraße erreichte. Bereits nach wenigen Minuten Ritt erkannte er den Saloon auf der Mainstreet an dem für diesem so typischen Schild. Es schneite in kleinen Flocken leise vor sich hin und die Kälte schien jetzt gefühlt wirklich durch jede noch so dicht gewebte Faser zu dringen. Fröstelnd zog Jason den Kragen seiner Jacke hoch und richtete den Schal, so dass von seinen Gesichtszügen nicht mehr viel zu sehen war. Für ihn wurde es höchste Zeit ins Warme zu kommen und so war er nicht weiter verärgert, als Pete noch vor ihm aus dem Sattel glitt und vom Pferd sprang. In seinen Bewegungen war dieser umständlicher als nötig, so dass Blackjase sich veranlasst sah, einem Schenkel weichend zur Seite zu treten. "Jepp." Jason stimmte Pete zu, denn da dieser es eilig zu haben schien, trennten sich ihre Wege tatsächlich. Jason nämlich verspürte weder Lust länger in der Kälte zu verweilen, noch sich weiter mit diesem Burschen zu befassen. "Werde ich wohl haben." Bitterer Sarkasmus schwang in Jasons Stimme mit, denn er meinte in Petes Worten reine Ironie zu spüren. Der Lümmel wusste doch genau, dass er ein schmerzendes Knie und einen hartnäckigen Husten mit sich herum schleppte! Mit Abschiedsworten hielt Jason sich gar nicht auf, sondern schwang sich aus dem Sattel. Ein Stöhnen war unüberhörbar, als er sein Körpergewicht zunächst auf dem rechten Bein hatte. Ein scharfer Schmerz unterhalb der Kniescheibe ließ ihn aufkeuchen, bevor er den linken Fuß auf den Boden bekam. Das Knie würde er sich wohl in Ruhe einmal ansehen müssen und vielleicht konnte man im Saloon essigsaure Tonerde herstellen - das war oft hilfreich. Während er sich gegen den Schmerz beim Gehen wappnete, verschwand Pete bereits aus seinem Leben - genauso plötzlich, wie er hineingeraten war. Achselzuckend legte Jason den Zügel seines Pferdes locker über den Zaun vor dem Saloon. Es waren nur zwei, drei Holzstufen, die er zu überwinden hatte, aber diese Schritte ließen ich schon vor Schmerzen stöhnen. Sein geprellte Knie schmerzte jedes Mal so er es beugte und Gewicht auf den entsprechenden Fuß aufnahm, so dass er sich oben ankommend zunächst gegen die geschlossene Tür des Saloons lehnte. Sein trockener Husten quälte ihn erneut, so dass er erst einmal zu Atem kommen musste, bis er dann kräftig und von drinnen wohl deutlich hörbar, gegen die Tür hämmerte. Hoffentlich öffnete ihm Jemand! Anderenfalls würde man wohl einen erforenen Mann vor der Tür dem Sheriff erklären müssen...
"Ja, das war es wirklich." Matt bestätigte Rebeccahs Worte mit einem ernsten Nicken, denn vermutlich hatte er es Nevada zu verdanken, dass Jake von ihm abgelassen hatte. "Gerne wieder, Rebeccah." Matts lächelte kurz, denn in seinen Augen war diese Entschuldigung schon nötig gewesen. Anderenfalls hätte Jake Rebeccah wohl nicht einer solchen für wert empfunden, aber - und das wäre viel trauriger - sie sich auch nicht. Rebeccah sollte Recht behalten, denn sie kamen wirklich nur langsam voran. Immer noch standen Menschen zusammen und Matt konnte es ihnen nicht verdenken, denn Jake schien sich nun ein anderes Opfer für seine Aggression auserkoren zu haben. Graham würde sicherlich damit fertig werden, so dass er der Versuchung widerstand, sich noch einmal umzudrehen. Dem wütenden Jake den Rücken zuzudrehen, löste zwar Gänsehaut auf seinem Rücken aus, aber das Gefühl, gebraucht zu werden und der Wunsch, das von Rebeccah in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen, war weit stärker. "Leider kann ich nicht alle Unbillen der Welt von Dir fernhalten, aber ich tue gerne, was ich kann. Außerdem - die verdiente Backpfeife war es wert, oder?" Matt lachte, denn er musste vor sich selber schon zugeben, dass er diesem Jake diese Klatsche von Herzen gönnte. Verdient ist verdient. Nur kurz grüßte er mit einem Nicken seines Kopfes Miss Tucker, die Begleitung eines Fremden und seiner Tochter die Kirche verlassen hatte. Sie waren zwar vor ihnen gegangen, aber weil Rebeccah langsamer ging, als üblich, würden diese Drei sie bald überholt haben. Matt war fast erleichtert, als er an seinem Elternhaus vorbei kommend, das laute Weinen seines Bruders vernahm. Dieses schnitt ihm zwar ins Herz und am Liebsten hätte er gewartet, bis Ben nach dieser Züchtigung aus dem Schuppen käme, um ihn tröstend in die Arme zu nehmen, aber dies bedeutete auch, dass seine Eltern nicht so bald fertig sein würden- und er noch immer vor ihnen im Gästehaus ankommen würde. Rebeccah gegenüber äußerte er sich nicht dazu, denn er wollte weder schlecht über Ben noch schlecht über seinen Vater sprechen, obwohl er dessen Züchtigung fürchten gelernt hatte. Noch hatte er ihm keinen Anlass gegeben, ihn erfahren zu lassen, was härtere Strafen bedeuten mochten. So er darüber nachdachte, waren die Hiebe mit dem Rasierleder oder der Rute bereits fast grausam gewesen, so dass eine Steigerung kaum mehr möglich schien. Matt war sich jedoch sicher, dass für ihn der gestrichene Nachmittag oder das Verbot eines Ausrittes ebenso als schmerzhafte Strafe empfunden werden würde. Ausprobieren wollte er das jedoch nicht. "Ich schätze im Gästehaus wird es auch recht voll sein und.. na, ja - sag' mir gerne Bescheid, wenn es Dir zu viel wird, ja?" Sanft sah Matt auf die mit ihm gehende Rebeccah herab und hätte sich doch am Liebsten selber geohrfeigt. Das war doch die ganz falsche Frage! Er hatte doch nach ganz Anderem fragen wollen! Was war nur los mit ihm? Als ob er sonst ein Problem damit hätte, direkt zu sagen, was er wollte. Bereits als sie die Mainstreet erreichten wurde Matt bewusst, dass er so zurückhaltend war, weil er Rebeccah in keinster Weise verärgern oder beschämen wollte. Bei den meisten Menschen hatte er dahingehend kaum Skrupel, aber bei Rebeccah kam sogar noch die Angst dazu, er könne sie versehentlich von sich stoßen. Das wollte er nun wirklich nicht und doch würde er das Risiko eingehen müssen, denn erstens würde er sonst nie herausfinden, ob er für sie mehr war, als ein flüchtiger Bekannter und Gedanken lesen konnte sie schließlich auch nicht. "Vielleicht erschrecke ich Dich damit, aber.. meinst Du, Du hast Lust, nach dem Essen noch mit mir ein bisschen spazieren zu gehen? Also nur, wenn Dein Fuß es wieder zulässt.." Matt errötete, denn plötzlich fühlte er sich von seiner eigenen Frage beschämt. Wie konnte er nur?! Sie hatte doch Schmerzen - da konnte er sie doch mit so einer Frage nur überfordern! "Weißt Du - es ist.. ich will wirklich gerne Zeit mit Dir verbringen - und ..na, ja - ich würde Dir gerne einen weiteren Freund von mir vorstellen - einen auf vier Beinen." Matt schmunzelte, denn Shy Boy war weniger Freund, als eben ein gutes Reitpferd - und doch waren sie irgendwo Partner. Im Stillen wunderte er sich allerdings schon darüber, dass ihm dieser Wunsch wirklich ernst wahr, denn sie zu seinem Pferd mit zunehmen, ihr dieses zu zeigen - das bedeutete sehr wohl, dass sie ihm sehr wichtig war - und vor Allem war ihm wohl wichtig, dass sie einen großen Teil seines Lebens kennen lernte und mit ihm teilte. Während er Rebeccah vorsichtig unterstützend die Mainstreet hinunterführte und immer wieder darauf achtete, dass sie nicht noch mit dem gesunden Fuß über Schneewehen stolperte, wurde er sich ihre Nähe sehr bewusst, so dass er noch einmal kurz innehielt und fast zärtlich in ihr Gesicht sah. Dieses wirkte auf ihn verändert und Rebeccah schien plötzlich von innen zu strahlen. Ob das an ihm lag, wusste er nicht zu sagen und war wohl auch vermessen, dies anzunehmen, aber er wusste, dass er für sie - und nur für sie - , bereit wäre, seinen bisherigen Lebensstil komplett aufzugeben, wenn sie nur für ihn wäre.