Joe tritt hinter Matt in die Kirche ein, dann bei den McKays in der ersten Reihe
Joe lachte noch einmal leise auf, als Matt auf seinen Scherz einstieg. "In dem Falle sollte mein Geldbeutel beten lernen", sagte er noch kurz. Nein, er hatte ja damals das Pferd verkauft. Da war noch ein wenig Luft nach oben. Vor allem da er ja vorhatte, sich eine anständige Arbeit zu suchen. Sobald er die Kirche betrat, wurde er jedoch wieder erst, nahm erst einmal seinen Hut ab und schloss leise die Tür. Das Lied, das gesungen wurde, er hatte es schon einmal gehört. Die unterschiedlichsten Gottesdienste hatte er in den verschiedenen Gemeinden miterlebt auf seinem Weg hierher. Von welchen, die, was die Stimmung der Leute betraf, eher Beerdigungen glichen, bis hin zu fröhlichen Festen, was vermutlich auch das war, was der Reverend hier zu erreichen versuchte. Joe störte sich nicht groß daran, denn wieso sollte Gott nicht wollen, dass sie fröhlich waren? Er bemerkte aber auch, dass es dabei einigen anders ging. Durch die aber insgesamt recht lockere Stimmung, die so in der Kirche herrschte, kam er sich aber wenigstens weniger störend vor und Luisas Gesicht, dass er auf dem Weg zur Kirche noch zerknirscht vor Augen gehabt hatte, hellte sich in seinen Gedanken unwillkürlich auf. Er glaubte nicht daran, dass Gott ihm nicht verzeih, wenn er zu spät in der Kirche antanzte, sondern eher, dass es vor der Gemeinde unangenehm war. Und bestimmt war seine Familie jetzt auch in der Kirche, ganz sicher sogar. Ob sie wohl daran glaubten, dass er dasselbe tat? Joe war sich nicht ganz sicher, hatte er doch hin und wieder manche Traditionen hinterfragt. Er drängte seine Gedanken wieder in den Hintergrund und kehrte innerlich wieder zum Gottesdienst zurück. Erst wollte sich Joe einfach nur irgendwo einen Platz suchen, um sich dazuzustellen. Die meisten Leute kannte er hier ohnehin nicht. Nur den Zeitungsverleger, Mr. Malone erkannte er zwischen den Leuten. Joe bemerkte aber noch früh genug den freien Platz neben Matt. Noch einmal sah er sich kurz um, sah den Jungen noch einmal fragend an, bevor er dann leise nach vorne ging und sich zu den McKays stellte. Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen nickte er der Familie zu, sein Gesicht glättete sich jedoch sofort wieder, als er die vergleichsweise kühle Stimmung der McKays spürte. Für eine ausgiebige Begrüßung würde er sich später Zeit neben, in der Kirche wäre das wohl eher unpassend. Außerdem gehörten sie ja scheinbar nicht zu dem Teil der Gemeinde, der den Frohsinn des Liedes teilte. Trotzdem ließ Joe es sich nicht nehmen, leise mitzusingen. Wieso sollte er ein langes Gesicht machen, bloß weil die Leute neben ihm dasselbe taten? Hin und wieder schielte er aber dennoch durch die Reihe, weil es ihm trotz allem nicht ganz behagte.
Erin mit Jerry im Mittelgang, dann vorderste Reihe, linke Seite bei Eli, Clara und Randall. Terry vor der Gemeinde
Da letztendlich einer von ihnen den ersten Schritt wagen musste, wollten sie nicht gänzlich zu spät kommen oder hier bei der Kälte und dem Schnee anfrieren, ging Erin voraus, ließ Jerry wieder hinter sich und griff mit einem tiefen Durchatmen nach dem Türknauf. Sie ließ absichtlich Unhöflichkeit walten, indem sie nicht auf Mister Walthams noch auf Miss Hunters Antwort wartete. Aber sie wollte jetzt diesen unangenehmen Gang schnell hinter sich bringen. Zudem kreisten ihre Gedanken viel zu sehr um ihre eigenen Kinder, die ohne Aufsicht und sicherlich verloren in einer Kirchenbank saßen und um Terry, der gleich an seinem ersten Sonntag vor der Gemeinde ein schlechtes Bild von ihr bekam, um sich darüber Gedanken zu machen, was die beiden ihr eigentlich fremden Menschen von ihr hielten. Sie musste jetzt so schnell wie möglich ins Innere, um noch zu retten was zu retten war. Sofern das ging. Und so gesehen war ihre Jerry gegenüber angebotene Hilfe nicht so ganz frei von Eigennutz. Vielleicht war ihr Terry etwas wohlgesonnener, wenn er sah, dass sie sich um seinen Sohn gekümmert hatte, und womöglich deswegen zu spät kam. Sie hatte nicht wirklich daran gedacht Jerrys Hilfegesuch für sich auszunutzen. Nein, sie hatte im ersten Moment nur an Jeremiah gedacht, als er so völlig zerzaust im Gästehaus aufgetaucht war. Erst auf dem Weg zur Kirche war ihr der Gedanke gekommen, dass es nicht so gänzlich verkehrt war, dem Jungen ein bisschen zu helfen, um von sich abzulenken. Das Nützliche eben mit dem Praktischen verbinden. Die Verspätung würde dennoch eine reine Peinlichkeit für sie darstellen und sie würde sich gleich kaum hinter Jeremiah verstecken können. Am besten sie dachte jetzt schon über eine entsprechende Entschuldigung nach. Für Terry, aber auch für Eli, der gewiss alles andere als gut gelaunt über ihre Verspätung sein würde.
Mit all diesen Gedanken beschäftigt, öffnete sie die Tür und ließ das laute Orgelspiel, den Gesang und angenehm warme Luft entweichen, die ihre kalten Wangen sofort zum Kribbeln brachten und erst einmal jeden Gedanken an Flucht wieder zerschlug. Hier drinnen war Wärme und die tat gut und entsprechend eilig drängte sie Jerry nach drinnen und überließ es Miss Hunter und Mister Waltham zu folgen und die Tür wieder zu schließen. Sie hatte nicht vergessen, dass der Junge erst kürzlich schwer krank gewesen war und seinen Vater bei ihrem ersten Zusammentreffen die Sorgen geplagt hatten, ob der Junge überlebte. Für ihn war es bestimmt das Beste, wenn er rasch in Innere kam. Zumal er mit seiner dünnen Sommermütze nicht ausreichend geschützt war. Noch war sie nicht hinter das Geheimnis dieser Mütze gestoßen, nur dass sie Jerry sehr wichtig war. Er hatte sich nicht von der Idee abbringen lassen, sie mit in die Kirche zunehmen. Dabei war ihr anzusehen, dass er sie in starke Mitleidenschaft gezogen hatte. Da auch keine Zeit für ein Umziehen bestanden hatte, sah Jerry nicht unbedingt nach einem Jungen aus, der sonderlich viel Wert auf einen guten Eindruck legte. Einmal von den schmutzigen Hosen und Stiefeln abgesehen, prangte ein inzwischen zehn Zentimeter langer Spalt auf seinem Rücken, der durch die Bewegungen immer weiter auseinanderklaffte. Mit etwas Geduld würde sie das sicher genäht bekommen, aber den Ärger dafür konnte sie Jerry kaum abnehmen. Überraschend kümmerte es den Jungen wenig. Scheinbar war die Angst vor einer Strafe für das Fernbleiben vom Gottesdienst größer, als für seinen Aufzug. Nun, es blieb abzuwarten, was Terry nach dem Gottesdienst zu all dem zu sagen hatte. Im Moment war es ihre Aufgabe, den Jungen noch rechtzeitig in eine Kirchenbank zu schaffen und da Jerry vorhin in der Küche darüber gesprochen hatte, dass sein Vater ihn sehen musste, würde es ihr nicht erspart bleiben einen Platz in den vorderen Reihen zu suchen. Dabei schien Jerry vor ihr nach dem Betreten der Kirche der Mut zu verlassen. Er blieb nämlich einfach stehen und wollte nicht mehr weitergehen. Sie seufzte leise und schob mit sanften Druck in Jerrys Rücken, den Jungen vor sich her. Sie mussten da jetzt beide durch und so schwer es ihr selbst fiel, es gab kein Zurückweichen. Noch standen sie hinter der letzten Bankreihe und Erin nutzte den unbemerkten Moment dazu, über all die Anwesenden hinweg nach Eli und Clara zu suchen. Das war schwerer als gedacht, den ein Großteil der Gemeinde stand und sang ein Lied, während der andere Teil saß und sich sowohl im Stehen, als auch im Sitzen dem Lied verweigerte. Der Augenblick währte nur kurz, denn wohl durch die hinter ihr wieder schließende Tür oder auch durch den kurzen kalten Zug von draußen, sahen bereits einige missbilligend nach hinten und Erin versuchte ihren Blicken auszuweichen. Sollten sie doch denken was sie wollten. Sie entdeckte John, der ihr kurz zunickte und dann wohl seinen Blick auf Miss Hunter richtete, denn rasch war sie nicht mehr von Interesse. Das schmerzte überraschend. Sie sah leider genug bekannte Gesichter, die ihr nicht wohlwollend gesonnen waren, um die Schultern zu straffen und sich nicht anmerken zu lassen, dass sie innerlich vor Nervosität zitterte. Den Blick von Terry versuchte sie nicht zu suchen, sie sah nicht einmal auffällig nach vorne zu ihm und hoffte, er würde nicht allzu enttäuscht sein. Doch das Gerede über sie beide, musste sie nicht heute und hier entfachen. Für das beschwingte Lied, das gerade gesungen wurde, hatte Erin in ihrer ganzen Anspannung leider kaum ein Ohr übrig. Sie fühlte zwar die Melodie und empfand sie unbewusst, als heiter und schön, etwas, das dieser Kirche die ganze Zeit über gefehlt hatte, doch konnte sie ihr kaum folgen oder sie gar genießen. Stattdessen dirigierte sie Jerry wieder sanft nach vorne, vorbei an so manch einem biestigen Gesicht, in dem deutlich das Missfallen der ach so ehrbaren Frauen der Stadt geschrieben stand. Sie sah Köpfe, die sich zum Nachbarn drehten und wusste, dass dort gewiss ein paar böse Worte ausgetauscht wurden. Unterwegs raunte sie Jerry kurz ein "Müssen wir wirklich ganz nach vorne?" zu und erhielt ein festes Nicken. Der Junge hatte ihr bereits auf dem Weg zur Kirche erklärt, dass sein Platz immer vorne gewesen sei. Mit seiner Mutter. Und er wollte, dass sein Pa ihn dort auch sitzen sah und wusste, dass er da war. Dass er sich nicht mehr sorgen musste und wusste, dass er familiäre Unterstützung hatte. Die guten Absichten von Jerry hatten Erin zum Schmunzeln gebracht. Jeremiah war ein guter Junge, wenn man einmal von all seinem Unfug und seiner Unruhe absah und ihm hin und wieder auch einmal genauer zuhörte. Wenn er nur öfters erst einmal nachdachte, welche Auswirkungen seine Handlungen hatten, dann würde es sein Vater sicher leichter mit ihm haben und Jerry würde nicht ständig versuchen müssen, einen schlechten Eindruck zu revidieren. Doch alles was sie bisher von Jerry kennengelernt hatte, war nichts, was den Jungen ihr unsympathisch gemacht hätte. Im Gegenteil. Ohne zu zögern legte sie ihm daher eine Hand auf die Schulter und stand ihm so während dem Gang nach vorne bei. Terry konnte ruhig sehen, dass Jeremiah in guten Händen war. Sie selbst hatte nun drei Möglichkeiten, um den starrenden Blicken und folgenden missbilligenden Blicken zu entkommen - sie konnte unbekümmert zurückstarren, ihren Blick stur nach vorne gerichtet auf das Kreuz halten oder Beistand bei Terry suchen. Sie fühlte sich nicht mutig genug sich ihren Mitbürgern zu stellen, hielt das Starren Terry gegenüber für unhöflich und sehnte sich im Grunde nach seinem Beistand, und wenn es nur ein Blick war, ein Lächeln, ein Nicken, auch wenn sie fühlte, dass sie es nicht verdient hatte... Doch so sehr sie es auch zu leugnen versuchte, Terrys Anwesenheit war ihr im Moment der ganze Halt, um nicht einfach umzukehren und aus der Kirche zu laufen. Er gab ihr Ruhe zurück und den Mut. So sehr sie im ersten Augenblick versucht hatte Terrys Blick auszuweichen, so suchte sie ihn jetzt umso verzweifelter. Es war ihr im Moment egal, ob er über ihr Zuspätkommen verärgert war, denn mit seinem Anblick dort vorne, vor der Gemeinde, waren die Anwesenden völlig vergessen. So ungern sie in Erfahrung bringen wollte, was in seinem Kopf vor sich ging, sobald sie seinen Gesichtsausdruck studieren konnte, lächelte sie dennoch dem Reverend zaghaft zu und formte mit ihren Lippen ein stummes "Entschuldigung".
Jerry erging es derweil gänzlich anders. Jeder Schritt nach vorne wog seinem Empfinden nach Tonnen und so fühlten sich seine Beine auch an. Sie wollten ihm kaum noch gehorchen. Doch Miss Spencers Hand auf seiner Schulter sorgte mit sanfter Führung, dass er weiterging, obwohl er bereits wieder in Gedanken an Flucht dachte und diese für besser hielt, als sich seinem eigenen Fehlverhalten zu stellen. Er suchte nicht nach dem Blick von Vater und starrte lieber vor sich auf den Boden. Er war zu verlegen, zu sehr wusste er, dass er sich ungezogen aufgeführt hatte, um den Blick seines Vaters auszuhalten. Und erst der ganze Schmutz an ihm... die Leute sahen inzwischen alle her. Zumindest bildete sich Jerry das ein. Entsprechend unwohl fühlte er sich. Als Miss Spencer zu seiner Irritation einfach stehen blieb, als sie vorne angekommen waren, hob er ein wenig den Blick und sah die McKays. Rasch sah er wieder zur Seite, als Mr. McKay verurteilend an ihm hoch und runter blickte, streifte mit seinem Blick die Schuhe von Pa und schluckte. Er würde bestimmt froh sein, ihn wieder hier zu haben, aber er war bestimmt enttäuscht und böse. Er würde später sicherlich fuchsteufelswild sein und eine Strafpredigt halten, auf die Jerry wirklich gut verzichten konnte. Er wusste ja was er falsch gemacht hatte! Er hob wieder den Blick sah fragend zu Miss Spencer hoch, die merkwürdig entrückt nach vorne lächelte und sah zu seinem Pa. Lächelte der etwa zurück? Oh, er sollte sich unterstehen... Er sah noch einmal zu seiner Lehrerin, dann wieder zu seinem Pa und glaubte etwas zu sehen, was ihm gar nicht gefiel. Er war sich nicht sicher, aber er glaubte einen ähnlichen Ausdruck stets auf den Gesichtern seiner Eltern gesehen zu haben, wenn die beiden sich nach einem langen Arbeitstag seines Pas am Abend begrüßt hatten, oder sonntags in der Kirche, wenn Pa nach ihnen in der Bankreihe gesucht hatte... Doch rasch schluckte Jerry schwer und senkte seinen Blick, als Pas Augen plötzlich auf ihn ruhten und ließ sich nur bereitwillig von Miss Spencer neben Clara schieben. Diese hatte sie eben entdeckt und durch ein leises, erfreutes "Ma" zu ihrer Linken wieder Bewegung in Miss Spencer gebracht. Jerry hatte Clara und Eli entdeckt und ein ihm fremder Mann, der zwischen den beiden saß. Er grüßte leise, weil er nicht wusste, wen er vor sich hatte, und ließ dann verlegen die Beine baumeln, bis er bemerkte, dass Eli dasselbe tat und hielt die Beine still, den Blick gesenkt.
Inzwischen war das Lied verstummt und ein Raunen ging durch die Kirche. Eli zog dank seines schlechten Gewissens das Tuscheln auf sich und versuchte sich gegen die Bank gelehnt aufrecht hinzusetzen, um so das Loch in seiner Jacke zu verbergen, während Erin Haltung zu wahren versuchte, als sie sich neben Jerry in die Bank setzte. Ihr war bewusst, wem das Tuscheln in Wahrheit galt. Zumindest war Clara und Eli wohlauf, auch wenn ausgerechnet Randall bei ihnen saß. Wieso hatte sie nicht auch nur eine Sekunde lang daran gedacht, dass ihr Exmann die Gelegenheit die Kinder alleine in der Kirche anzutreffen, verstreichen ließ? Das war.. frustrierend. Und Erin fühlte sich kurz von der Situation überfordert. Doch nur kurz. Letztendlich war sie wohl im Augenblick das Gesprächsthema Nummer 1 und würde das gewiss nach der Kirch bleiben. So hatte sie keine Skrupel sich etwas nach vorne zu beugen und über Jerry und Clara hinweg Randall ungehalten zu zuzischen: "Was tust du um alles in der Welt hier?" Ihr war deutlich die ganze Ablehnung anzuhören und sie machte ein entsprechendes Gesicht. Das lag eher daran, dass sie durch Randalls Anwesenheit ihre Gelegenheit mit Terry nach dem Gottesdienst ungestört reden zu können schwinden sah. Und das machte sie richtig wütend. Eine Wut, die aus Enttäuschung geboren wurde.
John Erin mit Jerry im Mittelgang, dahinter Emily und Arthur
Die Orgel und das langsam in Schwung kommende Lied verschluckte das Geräusch der Kirchentür, so dass die Ankunft der Gorens und kurz darauf von Matthew Mckay mit einem fremden, jungen Man erst auffiel, als ein kalter Luftzug die Kirchengäste erfasste. Inzwischen war man die zuspät Kommenden gewohnt und man hob höchstens nur kurz den Blick und sah sich um. Doch als ein weiteres Mal ein kalter Luftzug durch die Kirche fegte und sich niemand daraufhin durch den Mittelgang oder an den Seiten nach einem Platz umsah, wandte John doch im Gesang den Kopf neugierig und erblickte Erin, die unschlüssig mit einem Jungen vor sich am Anfang des Ganges stand. Er kannte den Jungen vom Sehen und glaubte ihn dem Reverend zu ordnen zu können, jedenfalls nachdem was Eli ihm am Mittwoch gesagt hatte, wunderte sich aber über dessen Begleiterscheinung. Er hatte ihn nach den Worten des Reverends in der vorderen Bank vermutet. Er nickte Erin jedoch mit einem Lächeln zu, ehe er hinter ihr eine ihm genauso vertraute Gestalt erblickte, auf die er zustossen heute sehr gehofft hatte. Die Enttäuschung darüber Emily womöglich verpasst zu haben, sie irgendwo vor sich in den Kirchenbänken zu wissen, wich augenblicklich, als er die kleine Britin durch die Tür kommen sah. Den fremden Mann hinter ihr streifte er nur flüchtig mit dem Blick, maß ihm aber nicht seine ganze Aufmerksamkeit zu. Diese galt Emily, die sehr nervös und angespannt wirkte. Wie er sie kannte, war ihr das Zuspätkommen sicher furchtbar peinlich. Vor dem neuen Reverend, vor der Gemeinde und womöglich auch vor ihm. Unnd ihr fehlte einfach die Erfahrung von Erin diese Situation mit einer gewissen Ruhe und Würde zu tragen. Er sah seiner ehemaligen Geliebten hinter her, die mit dem Jungen neben sich nach vorne Schritt und entsprechende Blicke auf sich zog. Man hatte ihr nicht verziehen und noch immer spukte in den Köpfen der Bewohner das Vorurteil herum, sie wäre alleine an der Tragödie im Herbst schuld gewesen. Man sah es den Blicken an, dass sie alles andere waren, nur nicht beiläufig oder wohlgesonnen. Es war mutig von Erin hier noch leben zu wollen, hier ihr Zuhause zu sehen. Aber so kannte er Erin, so hatte er sie lieben gelernt. Und genauso schritt den Mittelgang herunter, sah weder nach Links noch nach Rechts, noch verlor sie ihre Haltung. Ja, es hatte tausend gute Gründe dafür gegeben, dass er sich letzten Sommer in diese Frau Hals über Kopf verliebt hatte. Sie hatte schlicht Klasse... Jeder Mann aus Camden Village, dem sie vielleicht als nächstes ihr Herz schenkte konnte sich jetzt schon glücklich wähnen. Er riss seinen Blick von Erins Rücken los und sah zurück an die Stelle, wo Emily noch immer stand und erste zaghafte Schritte über den Mittelgang wagte. Die Frau, der er nun sein Herz verschenkt hatte. Sie entlockte ihm keinen nachdenklichen Blick wie Erin soeben, sondern ein warmes Lächeln. Ihr Anblick tat gut und beruhigte John. Sie warhier, ihr ging es gut, sie hatte nicht vorgehabt die Kirche zu schwänzen oder gar ihm aus dem Weg zu gehen. Das war gut... Auch wenn Emily so komplett in allem das absolute Gegenteil von Erin war - er musste sie sich nur ansehen - Drall, aber voller weiblicher Rundungen, unerfahren in so gut wie allen Dingen, abgesehen vom Führen des Haushaltes, schüchtern und verunsichert - er liebte sie. Dazu war nicht erst der vergangene Montagabend nötig gewesen, um es herauszufinden. Dieser hatte nur komplettiert, was John gefehlt hatte, um sich völlig sicher zu sein. All das Flirten, das versteckte Spiel um Zuneigungen, die sie sich beide nicht zugestehen hatten können, weil sie so viel jünger und er ihr Arbeitgeber war, hatte ein Ende gefunden. Er durfte nun um sie werben. Sie hatte zugelassen, dass er ihr hatte zeigen dürfen, was nötig war, um eine Einheit zu bilden. Nicht nur wegen des Sexes, der völlig ungeplant geschehen war, sondern wegen ihrer Errettung. Die Sorge, die Verzweiflung darüber, noch eine Frau an verrückte Mörder zu verlieren hatte John die Augen gänzlich geöffnet. Er war sich noch nie so sicher gewesen, nachdem er Emily endlich wieder in den Armen gehalten hatte. Nur leider hatte er seit Tagen das untrügliche Gefühl Emily würde sich für das, was geschehen war schämen. Und zwar in Grund und Boden. Sie wich ihm aus, sie mied es mit ihm lange alleine zu sein, fand ständig Ausreden, um sich beschäftigt zu halten und damit ein Gespräch zu umgehen. Wie sollte er sich da vernünftig erklären und Emily seine Liebe gestehen? Er hatte doch gefühlt, wie bedingungslos sie ihm vertraute und folgte. Ihre Leidenschaft hatte jeden Zweifel beiseite gewischt... In diesem Punkt war es so viel einfacher mit Erin gewesen. Sie war eine erwachsene Frau mit Bedürfnissen, die sich selbstbewusst genommen hatte, was sie wollte ohne zu zögern und ohne nach Moral und Anstand zu verlangen. In dieser Beziehung musste Emily erst noch reifen. Und wenn John ehrlich zu sich selbst war, war das eine Sache, die ihn doch in den letzten beiden Tagen wieder über sein Vorhaben hatte grübeln lassen. Tat er das richtige? Wollte er tatsächlich eine solch unreife Frau an seiner Seite haben, die oftmals törrichter daher redete wie seine Tochter und sich gar oft genug, wie am Montag bewiesen, dümmer anstellte? Er brauchte eine Frau, eine richtige Frau, die ihm durch den Alltag half und zur Seite stand, er brauchte nicht noch eine Tochter, die es zu erziehen galt. Andererseits hatte er es sicher leichterer mit Emily, die er sich ziehen konnte, wie mit einer Frau von Erins Schlag, die wusste was sie wollte und entsprechend gegenhielt. Er konnte jederzeit auf den Tisch hauen und seinen Willen durchsetzen. Kein Zweifel. Aber andererseits mochte er selbstbewusste Frauen. Sehr sogar. Er hätte niemals seine Frau geheiratete oder die gleichen Absichten in Bezug auf Erin verfolgt, wenn er ein Mann wäre, der sich vor starken Frauen fürchtete. Er war um keinen Streit verlegen und auch um keine Diskussion. Er ließ sich durchaus gerne hin und wieder dominieren und nutzte schwache Momente, um die Dominanz zurückzuerobern. Würde er tatsächlich mit Emily glücklich werden können? Das erschien ihm keine leichter Frage. Doch Emily hatte so viel mehr zu bieten, was ihre fehlende Erfahrung ausglich, so dass John jedes Mal Antworten auf seine Zweifel fand. Sie war jung und dynamisch und hatte noch viele Jahre vor sich liegen, in denen sie lernen konnte. Er würde sie mit der Ehe in einen Stand erheben, der es ihr ermöglichte selbstbewusster und stärker durch die Welt zu laufen. Sie würde gewiss rasch ihre Schüchternheit ablegen und sobald sie erst einmal selbst eine Haushälterin zu befehligen hatte, würde sie vergessen, woher sie kam. Er liebte natürlich ihre schüchterne Art und ihr zurückhaltendes Wesen, glaubte aber hin und wieder genug Temperament durchblitzen gesehen zu haben, welches sie womöglich wegen ihrem Angstellten-Verhältnis zu zügeln versuchte. Doch genau das war es gewesen, das John es ermöglicht hatte sich so leicht in Emily zu verlieben. Ihre bestimmte Art ihm zu erklären, dass er sich in Bezug auf Alkohl daneben benahm und in vielen anderen Dingen gleich dazu. Sie war nicht zurückgewichen, sie hatte dagegen gehalten. Auch wenn ihr die Verlegenheit jedes Mal darüber anzusehen gewesen war.
Bei diesen Gedanken wuchs das Lächeln in die Höhe und als Emily auf der Höhe seiner Bankreihe war, ließ er die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen, sondern griff rasch mit einem leisen "Hey", um Emily nicht zu erschrecken," nach ihr und zog sie neben sich, wobei er die kleine Beekman etwas zur Seite drängen musste. Man rückte gerne ein wenig und machte Emily neben John entsprechend Platz. "Ich hab sie schon gesucht," John hielt es zwar für falsch in der Öffentlichkeit so zu tun, als wären sie sich nach wie vor fremd, aber er nahm Rücksicht auf Emilys Ansehen, genauso wie auf all die Camdener, die noch an den letzten Gerüchten über ihn zu kauen hatten. "Ich dachte sie kämen nicht," raunte er weiter, während die Orgel langsam verstummte und man sich wieder setzte. Erin stand dadurch unmittelbar im Blickpunkt aller Kirchengäste, da sie ganz vorne an der ersten Reihe Halt gemacht hatte und sich mit dem Reverend ein stummes Blickduell lieferte... oder... war da mehr? John sah irritiert von Emily nach vorne und war sich nicht ganz sicher, was er da sah, schüttelte aber ein wenig den Kopf über sich selbst und konzentrierte sich gleich wieder auf Emily. Was ging es ihn an? Das Raunen in der Kirche wurde ein wenig lauter und unruhiger, was sicher am Gesprächsstoff über die Zuspätkommer lag, oder an Erin alleine. Sobald der Reverend wieder das Wort ergreifen würde, würde es auch in der Kirche wieder ruhiger werden. John wollte den Moment jedoch für sich selbst nutzen. "Können wir später reden?" Die Frage war sicher undiplomatisch und zum Scheitern an diesem Ort verdammt, aber sie plagte ihn nun schon die ganze Woche über und musste heraus.
Eric, Sarah & Selina eine Reihe vor den Freemans und Cassidy
Wie sich einige Minuten später herausstellte, waren Eric, Sarah und Selina längst nicht die letzten Nachzügler und lagen somit verhältnisweise wirklich noch gut in der Zeit. Ein wenig verwundert war die Schmiedin von der Familie, die nach ihnen eintraf. Sie hatte keinen der Vier vorher gesehen, doch jetzt war die falsche Zeit und der falsche Ort, um sich darüber Gedanken zu machen. Stattdessen lauschte Selina den Worten des Reverends, nachdem das erste Lied verklungen war. Das war ja etwas ganz anderes als das, was Hawkins zu bieten hatte. Vor allem aber war es bei Weiten besser. Hawkins Predigten waren immer äußerst anstrengend gewesen und hatten Selina mehr als einmal innerlich mit den Augen rollen lassen. Jede Woche dasselbe. Vorwürfe machen konnte sie sich auch alleine, da brauchte sie keinen griesgrämigen Reverend. Doch Mr. Stevenson fuhr eine ganz andere Schiene und würde damit viele Menschen besser erreichen als Hawkins. Allerdings würden auch ebenso viele Leute diesem neuen Stil mit gerümpfter Nase gegenüber stehen, es als zu locker und zu wenig gottesfürchtig ansehen. Ein kleiner Rundumblick zeigte der Schmiedin dann auch, dass die Gemeinde recht gespalten war, was ihre Reaktionen gegenüber dem neuen Reverend betraf. Ein paar lächelten und freuten sich, andere pressten verärgert die Lippen zusammen und bei wieder anderen konnte man bloß an einer kritisch verzogenen Falte zwischen den Augenbrauen erkennen, wie sehr sie den neuen Stil missbilligten. Das würde schwer für Stevenson werden, allerdings machte er auf Selina auch einen motivierten und unerschrockenen Eindruck, sodass sie hoffte, er würde sich nicht zu sehr von dem Geschwätz der Bürger beeinflussen lassen. Er war immerhin der Reverend. Wenn irgendjemand der Meinung war, die Predigten besser machen zu können, sollte er oder sie sich doch mal selbst dort vorne hinstellen.
Ihr Blick schweifte dann auch ab und mal kurz zu Eric und Sarah, da auch der Reverend öfters in diese Richtung blickte. Und als sie sich gesetzt hatten, hatte Eric seiner Nichte doch auch noch irgendetwas zugeflüstert, was Selina jedoch akustisch nicht verstanden hatte. Da er dabei jedoch nach vorne gezeigt hatte, ging es sicherlich um den Reverend. Ob sie sich kannten? Weder Eric und Sarah Malone, noch Reverend Stevenson waren sonderlich lange in Camden Village. Nun, vielleicht kannten sie sich auch von früher und wie der Zufall es so wollte, trafen sie sich in einem Kaff wie Camden wieder. Einmal traf Selinas Blick den von Eric, und sie lächelte sachte. Ihr Blick streifte vorsichtig an Sarah hinab, die doch einige Versuche startete, etwas von dort vorne zu sehen, die aufgrund ihrer Körpergröße allerdings wohl kaum von Erfolg gekrönt sein würden. Auch ihr lächelte die Schmiedin leicht zu, wendete ihre Aufmerksamkeit dann aber wieder nach vorne. Immerhin war der Vortrag des Reverends doch sehr interessant und vor allem nicht so niederschmetternd wie die Predigten seines Vorgängers.
Und dann kam das nächste Lied. Leider kannte Selina es nicht, doch das würde sie sicher nicht davon abhalten, es trotzdem mitzusingen. Die Melodie ging sofort ins Ohr und zumindest der Refrain war schnell gelernt. Allerdings fiel deutlich auf, dass im Vergleich zum vorherigen Lied weniger Stimmen dabei waren, was bei diesem schönen Lied sehr schade war. Der Schmiedin gefiel es und innerlich regte sie sich über die Leute auf, die dem Reverend und seiner neuen Art des Gottesdienstes keine Chance geben wollten und sich stattdessen lieber quer stellten. Ihr war das jedoch egal, sie sang einfach mit. Sie hatte weder eine besonders gute, noch eine besonders schlechte Stimme – für Abende am Lagerfeuer reichte es aus und sonst war die Kirche für die Schmiedin der einzige Anlass, überhaupt mal zu singen. Wobei da ja bisher auch viele Lieder nicht sonderlich motivierend gewesen waren, um sich großartige Mühe zu geben. Das war heute anders. Während des Liedes öffnete und schloss sich das Kirchenportal jedoch noch einige Male und weitere Nachzügler trafen ein. Bei Hawkins wäre das sicher einer Todesstrafe gleichgekommen und der alte Greis hätte sicher eine Sondereinlage in seine Predigt geschoben, um noch einmal auf das Höllenfeuer und die Sünden hinzuweisen… hoffentlich nahm Stevenson das alles etwas lockerer, auch wenn es natürlich einen gewissen Störfaktor darstellte. Aber Selina machte sicher niemandem einen Vorwurf, alle hatten sicher ihre Gründe, warum sie erst jetzt kamen. Und Hauptsache war doch sowieso, dass sie überhaupt da waren, oder? Also, Schwamm drüber und weitermachen, das war wohl die beste Devise. Sahen sicher einige Anwesende auch wieder anders, aber manchmal musste man die Meinung der Anderen eben einfach ignorieren.
Als das Lied verstummte brach ein gewisses Raunen in der Kirche aus und Selina zog dann doch etwas verwundert eine Augenbraue in die Höhe. Manchmal verstand sie wirklich nicht, was in manchen Köpfen ihrer Mitbürger vor sich ging. Sie könnte sofort zehn Dollar darauf verwetten, dass ein Großteil des Murmelns den Nachzüglern und dem ‚absurden‘ Predigtstil des neuen Reverends galt und sich über jene gerade schon das Maul zerrissen wurde. Und das, obwohl sie sich hier mitten in einer Predigt befanden. Die Schmiedin seufzte einmal leise und sah dann kurz zu Eric und Sarah rüber. „Da lagen wir ja noch richtig gut in der Zeit.“, murmelte sie den Beiden leise zu, natürlich mit scherzendem Unterton. Sie regte sich sicher nicht über die anderen auf, das musste sie schon oft genug machen und da konnte man ja wenigstens mal sonntags seine Ruhe haben. Sollte man meinen. Die Schmiedin lächelte tapfer, noch war der Tag ja nicht verloren, im Gegenteil. Ihr Blick streifte wieder den von Mr. Malone, als er erst seine Nichte und dann sie anlächelte, und Selina erwiderte das Lächeln fast ein wenig reflexartig, ohne so recht zu wissen, wieso. Naja gut, sie war schon immer ein recht offener Mensch gewesen. Aber normalerweise richtete selbst sie in der Kirche ihr Augenmerk eher nach vorne und nicht auf denjenigen, der neben ihr saß. Aus irgendeinem Grund war das heute anders und die Schmiedin legte kurz die Stirn in Falten, als sie nach vorne sah, ein wenig irritiert von sich selbst. Vielleicht sollte sie wirklich besser wieder Reverend Stevenson zuhören, bevor sie hier noch den Anschluss verpasste.
Terry vor der Gemeinde Matt u. Joe bei den McKay's erste Bankreihe, Erin u. Jeremiah bei Eli, Clara und Randall (Emily und Arthur treten nach ihnen ein.)
Terry hatte mit Gegenwind gerechnet und war nicht darüber überrascht, das viele Gottesdienstbesucher sich dem fröhlichen Singen nicht anschließen mochten. Sicherlich hatte Hawkins weit mehr auf das Gericht und Strafe Gottes abgestellt, denn auf die einfache Wahrheit, dass wer an Jesus Christus glaubte, frei war und nicht mehr unter dem Gericht stand. Ohne sein eigenes Singen der Bridge zu unterbrechen, nickte er unbewusst zufrieden, als er Matthew McKay gefolgt von einem ihm unbekannten jungen Mann die Kirche betrat und seinen Platz neben seinem Bruder wieder einnahm. Kurz nickte der Siebzehnjährige ihm zu und Terry war darüber erleichtert, obwohl er Jeremiah nicht in dessen Begleitung sehen konnte. Dennoch nahm er an, dass es seinem Sohn gut ginge, denn anderenfalls hätte Matthew sicherlich anders reagiert und sich nicht so ruhig verhalten. Auch Matthew ließ sich nicht auf den beschwingten Gospel ein und als Terry kurz das Gesicht dessen Eltern sah, wusste er auch warum. Nach dem, was Matthew und Jeremiah am Morgen berichtet hatten, war mit diesem nicht zu spaßen. Er würde vermutlich nicht vor einem Siebzehnjährigen Halt machen und diesen auf das Härteste bestrafen - bei jedem noch so winzigem Fehltritt. Terry erzog seinen Sohn sicherlich mit aller gebotenen Strenge, war aber weit davon entfernt, jede Kleinigkeit und jeden Fehlern mit dem Rohrstock zu ahnden. Andererseits erwartete man natürlich von einem Siebzehnjährigen mehr, als von einem Zehnjährigem und dem trug Mr. McKay sicherlich auch Rechnung, wenn auch in übertriebenem Maße. Aber trotz Strafe - die Schuld ist abgewaschen.. ein fröhlicher Tag.. "Oh happy day..." Terry sang noch ein letztes Mal den Refrain vor der Bridge, als sich die Kirchentür erneut öffnete und weitere Nachzügler eintraten.
Bereits auf den ersten Blick erkannte er Erin und Jeremiah im Eingang der Kirche stehen. Warum Erin die Tür nicht hinter sich schloss, erschloss sich Terry nicht sofort, so erleichtert war er, Jeremy zu sehen. Gesund und munter - und in guten Händen. Über den letzten Gedanken lächelte Terry innerlich, denn es war erstaunlich, wie vertraut sich dieses Bild der den schüchternen Jungen vor sich herschiebenden zielstrebig nach vorne marschierenden Lehrerin bereits anfühlte. Wenn das man kein Zeichen war... Noch konnte Terry nicht alle Einzelheiten erkennen, aber Erin zeigte sich offenbar von dem Gemurmel und den bösen Blicken, die sie traf unbeeindruckt. Erst als Erin mit Jeremiah fast in Höhe der ersten Bankreihe war, schien sie seinen Blick zu suchen und lächelte entschuldigend. "Oh, happy Day.." Terrys Herz machte einen Satz vor Freude, während er Erins Blick auffing und ihr ein Lächeln schenkte - eines das ausschließlich ihr galt und seine blauen Augen erreichte. Wow...was für eine Frau.. Terry setzte mit dem Singen kurz aus, als er in seinem Inneren den Eindruck wahrnahm, diese sei für ihn. In dem Augenblick in dem sich ihre Blicke tragen, wusste er, dass er ohne sie nicht mehr würde leben wollen. In ihrer Gegenwart fühlte er sich auf besondere Art und Weise wohl und das änderte sich auch nicht, als er nun Jeremiah genauer musterte. Der Junge war eindeutig verlegen und das in Anbetracht seiner schmutzigen Sache auch zu Rechte. Beinahe hätte Terry den Kopf geschüttelt über diese offensichtliche Ungehorsamkeit Jeremiahs, denn sich so schmutzig zu machen hatte er ihm nicht erlaubt. Dennoch war er so erleichtert, dass er ihn am Liebsten sofort in seine Arme geschlossen hätte - und Erin gleich mit. Mit einem letzten "Oh, happy Day!" beendete er das Lied und runzelte kurz die Stirn, als noch zwei weitere Nachzügler unmittelbar nach Erin kommend, auf frei Plätze rutschten. Dannoch richtete sich die Aufmerksamkeit nicht so sehr auf diese, denn auf Erin, die inzwischen bei ihren Kindern und Mr. Randall Platz genommen hatte und diesen offenbar ärgerlich anzischte. Offensichtlich freute sie sich nicht gerade, ihren Ex-Mann zu sehen - und das wiederum freute Terry mehr, als er zunächst wahrhaben wollte. Er war doch nicht eifersüchtig und schon gar nicht mißgönnte er Mr. Randall, die Nähe Erins, oder doch? Mr. Bowmann reagierte darauf mit Worten, die Terry nicht verstand und so wartete er noch einen Augenblick ab, bis die Kirchentür wieder zufiel und sich seine Zuhörer gesetzt hatten, bevor er das Wort an diese richtete.
"Bevor wir wirklich das Vaterunser gemeinsam singen, will ich noch einmal auf einen ganz wichtigen Punkt zu sprechen kommen. Falls Sie nun nämlich angenommen haben, seit Jesu Opfertod werde die Sünde nicht mehr bestraft.. nun, in dem Fall habe ich wohl eher schlechte Nachrichten. Dem ist nämlich nicht so." Terry räusperste sich und ließ diese Worte zunächst mal im Raum stehen, bevor er ein wenig nach vorne tretend weiter ausholte. "Wir haben eben gesungen, dass Jesus die Sünden abgewaschen hat - und das ist richtig, aber das bedeutet natürlich nicht, dass der Sünder straffrei bliebe - oder aber zukünftigt ungestraft sündigen darf. Sie wissen es Alle: Die kleinen Sünden straft der liebe Gott sofort - und bei den großen dauert es etwas länger. Fragen Sie mal die Gesetzeshüter unter uns - die werden wissen, wovon ich rede, nicht?" Selbstverständlich wollte Terry Niemanden kompromittieren und so warf er nur einen freundlichen, wohlwollenden Blick auf Mr. Clayton, bevor er fort fuhr. "Jesus ist das vollkommene Opfer - sein Blut floss für und reicht aus, um unsere Sünde abzuwaschen und dadurch ist jedem ein Neuanfang mit Gott möglich. Sie werden sich an die Räuber erinnern, die mit Jesus gekreuzigt wurden. Der Herr selbst hat dem Einen die Schuld vergeben, ihm zugesagt, dass er mit ihm in das Reich seines Vaters eingehen wird - aber hat er ihm die Strafe für seine Missetaten erlassen? Soweit bekannt ist, ist der Räuber nicht vom Kreuz gestiegen - sondern voller Schmerzen gestorben. Er wurde also bestraft - und welcher Vater würde denn sein Kind bei schuldhaftem Fehlverhalten ungestraft davon kommen lassen?" Diese Frage in den Raum stellend, warf Terry kurz einen liebevollen aber auch strengen Blick auf seinen Sohn, bevor er sich wieder der Gemeinde widmete. ". Nach Strafe jedoch kann Vergebung fleißen und ein Neuanfang ist möglich. Ich sehe meinen Sohn wieder an und denke nicht mehr an die Sünde, sondern daran, dass er mein Sohn ist, geliebt und wunderbar gemacht, oder? Sie alle kennen das Gefühl, wie neu geboren zu sein, wenn die Schuld nicht mehr drückt, weil man sich mit seinen Schuldigern ausgesprochen hat." In Terrys Stimme lag eine Spur von Herausforderung, denn er war sich sicher, dass die Meisten sehr genau wussten, wovon er sprach. "Sehen Sie - Gott ist eben auch Vater und doch ist er der Heilige Israels, vor dem wir die Knie beugen und rufen: heilig, heilig, heilig ist der Gott Zebaoth. Ihm, der die Sünde nicht erträgt, könnten wir nicht begegnen, reinigte uns nicht das Blut Jesu vom Schmutz der Sünde. Wer könnte vor ihm bestehen? Der Eine oder Andere mag sicher denken, er könne nicht kommen - das reinigende Blut Jesu nicht in Anspruch nehmen, zu sehr drückt die Schuld. - nein, das Blut Jesu reicht. Es erlässt nicht die Strafe und auch nicht die notwendigen Konsequenzen, so man sich an Gott oder Mitmenschen versündigt hat, aber er sieht nicht mehr den Schmutz der Sünde. Nein - er hat seine Arme weit ausgebreitet und wird sagen: Komm - so wie Du bist. Glauben Sie es ruhig: Er wird dem reuigen und gereinigten Menschen auf Augenhöhe begegnen und er wird sagen.. mein geliebtes Kind - wunderbar gemacht. Wenn wir jetzt das "Vaterunser" beten, lassen Sie uns das in der Gewissheit tun, dass wir zu Gott sagen dürfen Abba, lieber Vater und in dem sicheren Vertrauen darauf, dass er seinen Kindern zuhört. Ich möchte Sie dennoch bitten, dafür aufzustehen, so es Ihnen möglich ist." Während seiner Rede hatte Terry sich wieder ein Stück weit in den Altarraum zurückgezogen und wartete, bis sich die ersten Zuhörer erhoben hatten. "Vater unser, der Du bist im Himmel. Geheiligt werde Dein Name.."
Randall zwischen Eli u. Clara in der ersten Bankreihe, Jeremiah und Erin kommen dazu (Terry vor der Gemeinde und weitere Nachzügler treten ein
Bla, bla, bla.. was findet Erin bloss an dem? Amüsiert schüttelte Randall den Kopf, denn dieser Reverend erzählte seiner Ansicht nach Unsinn, den ihm hier Niemand abkaufen würde. Camden Village war ein Kaff und so stockkonservativ, dass man den Reverend vielleicht teeren und federn würde. Nicht, dass das schlimm wäre - nein, er wäre sicher froh, so man diesen Stevenson aus der Stadt jagte. Phantastisch - denn wird Erin eine starke Schulter brauchen - und voilà - schon bin ich am Zuge. Kurz wandte Randall den Kopf als dieser junge Bursche der Mckays in Begleitung zurück kam und sich still neben seinen Bruder stellte. Im Gegensatz zu Randall, der aufgestanden war und mit schöner Singstimme mitsang, sang die ganze Familie McKay nicht eine Zeile mit. Darüber konnte Randall nur den Kopf schütteln, denn ihm gefiel dieser beschwingte Gospel gut, wenn er auch den Text nicht glaubte. Der Reverend tat ja gerade so, als ob es das höchste Ziel seines Lebens wäre, vor Gott bestehen zu können! Den Kopf schüttelnd wandte er sich seinen Kindern zu. "Falls Ihr mögt - steht ruhig mit auf. Es ist ein fröhliches Lied, nicht wahr?" Obwohl er sich dem Inhalte der Worte des Reverends und auch dieses Gospels verschloss, verwehrte seinen Kindern nicht den Spaß daran - und Eli würde das vielleicht so gar gut tun, so schlecht, wie er lange still sitzen konnte. Erst als die letzten Worte verklangen bemerkte das Erin und Jeremiah in der gleichen Bankreihe, wie er neben Eli Platz nahmen. Na, das ist ja ein Herzchen. Innerlich schüttelte Randall den Kopf, denn Jeremiahs Hose und Schuhe waren schmutzig und die Jacke hatte einen Riss, den Randall zufällig entdeckte, als der Junge sich setze. Immerhin saß dieser still und baumelte nicht einmal mehr, mit den Beinen, nach dem ihn ein strenger Blick des Reverends traf. Randall war mit den Gedanken schon wieder, bei seinen Plänen für die nächsten Tage und warf Erin einen ärgerlichen Blick zu, als sie ihn so von der Seite anzischte. "Wie sieht es denn aus? Ich komme Vaterpflichten nach, gut, oder?" Sein Lächeln war fast boshaft, denn das war das, was Erin immer wieder von ihm eingefordert hatte. Aber statt, dass sie sich jetzt Freude, dass er nach langer Rede kurzer Sinn endlich dieser Forderung nachkam, zickte sie ihn an . Weiber! Mit einem Schütteln seines Kopfes deutete Randall an dass er jetzt nicht weiter mit ihr reden wollte. Anderenfalls wäre ihm die Aufmerksamkeit des Reverends und der Gemeinde sicher und das galte es unbedingt zu vermeiden. Niemand durfte sich im Nachhinein an ihn erinnern, so auffiel, dass seit seiner Ankunft und überstürzter Abreise viele wertvolle Gegenstände ihren Besitzer gewechselt hatten.
Selina, Sarah unf Eric eine Reihe vor den Freemans und Cassidy
Eric verfolgte den Gottesdienst weiter und verfolgte auch Terry erneute Rede über Gott und Jesus und lauschte dieser auch. Terry versuchte alle irgendwie anzusprechen und Eric fand es sehr gut, wie er es machte, auch wenn Eric sah und mitbekam, dass es nicht jeder hier guthiess. Warum, war Eric unklar. Er kannte die Predigten des alten Reverends nicht. Aber Eric wusste, dass Terry das schon hinbekommen würde. Und so lauschte er weiter dessen Predigt. Aber Eric schaute auch immer wieder zu Sarah, war er doch für sie verantwortlich. Und ihm entging nicht, dass Sarah wieder etwas unsicher war und dann doch immer wieder versuchte, ihren Kopf nach vorne zu recken, um etwas von dem Reverend mitzubekommen. Armes Ding, ja, du solltest noch wachsen dachte Eric. Aber so war das Leben nun mal. Sarah war nun mal noch jung und klein und konnte daher nicht so viel sehen, wie die erwachsenen. Und dabei bekam auch Eric nicht alles mit. Er lauschte einfach dem, was passierte, eben Terrys Rede. Das dieser zeitweise etwas abgelenkt war durch eine Frau, kam bei Eric nicht an, denn auch er sah nicht alles. Daher fragte er zwischendurch, als es gerade ging: »Alles klar, Sarah? Wenn du Fragen hast, stelle sie mir einfach, ok.?« Und dann lächelte er Sarah liebevoll zu. So liebevoll, als würde er ihr Vater sein.
Über Terrys Worte dachte Eric nicht viel nach. Er machte es gut, auch wenn Eric sah, dass einige Bürger wirklich verunsichert waren. Ja, Terry hatte es nicht einfach. Aber er machte es verdammt gut. Und so schaute Eric immer wieder zu Eric, versuchte ihm per Blick zu zeigen, wie gut er es machte. Aber Eric wollte auch bei Sarah sein, lächelte ihr zu. Drückte ab und an ihre Schulter, um Sarah zu zeigen, dass er für sie da war. Und dann begegnete er Selinas Blick. Sie lächelte ihn an und hatte sein Lächeln erwidert, wenn auch irgendwie unsicher oder scheu und dann doch irgendwie ... wissend oder auch nicht? Eric wusste es nicht, aber es war ihm auch egal. Es freute ihn einfach. Sie hatte ihn angelächelt, mit ihren schönen dunklen Augen ... Eric merkte, dass etwas mit ihm geschah, aber noch wusste er nicht genau, was, dabei ahnte er es, denn er war ja nicht dumm. Und so lächelte er ein wenig offener zurück, als Selina ihn auch anlächelte. Und Eric spürte, dass da etwas in ihm abging, etwas, was er nicht verstand. Er merkte aber, dass er diese Frau mochte. Aber nun musste er sich auf den Gottesdienst konzentrieren und auch auf Sarah. Diese schien aber teilweise auch abwesend, schaute immer wieder hinter sich, zu den Farbigen. Zu gerne hätte Eric Sarah etwas gefragt, aber dies ging nicht während des Gottesdienstes.
Und dann kam das "Vater unser" und Eric sprach dieses mit. Diesmal war sein Blick nur nach vorne gerichtet, aber in Gedanken war er bei Miss. Tucker ... Die Neuankömmlinge hatte Eric auch nur noch vage mitbekommen und als Selina dann meinte „Da lagen wir ja noch richtig gut in der Zeit.“ wusste er sofort, was sie meinte und mnickte einfach nur und lächelte. Ja, sie waren nicht ganz so spät gekommen, wie andere. Dabei war das Eric ziemlich egal, aber er sagte nicht. Er sah nur dieses Lächeln von Miss Tucker und er spürte, wie er es liebte und doch unsicher war, warum sein Bauch so kitzelte. Auch sonst bekam Eric nicht viel von denen mit, die zu spät kamen und auch nicht davon, was vorne bei Terry passierte. Eric merkte nur, dass er sich seltsam fühlte, wenn er Miss Tucker anschaute. Und so schaute er schnell zu Sarah und fragte: »Na du? Alles in Ordnung?« Erneut hielt er eine Hand sanft auf Sarahs Schulter um ihr zu zeigen, dass er für sie da war.
Terrys Rede nahm er dann zwar war und fand sie auch gut, aber ein wenig war er dann eben doch auch abgelenkt. Nicht böse gemeint. Aber Eric bekam dann auch so einiges andere nicht mit. Auf einmal musste er einfach an Miss Tucker denken ...
Vorderste Reihe Martha bei ihrer Familie, Terry vor der Gemeinde
Martha wusste nicht zu sagen wie lange sie bereits in der Kirche war. Wie lange bevor der Gottesdienst angefangen hatte, noch wie lange der Gottesdienst schon dauerte. Sie hatte sich in der Rolle der schweigsamen, demütigen Tochter ein befunden und gründlich über ihr Vergehen nachgedacht. Das würde Mutter und Vater sicher gefallen und sofern sie nach der Kirche ehrlich reuige Worte für ihr Verhalten fand, würden die beiden sicherlich gnädiger gestimmt sein. Natürlich nahm Martha nicht eine Sekunde lang an, dass ihre Worte etwas an dem Vorhaben ihres Vaters sie zu züchtigen ändern würde, aber vielleicht, mit viel Glück, würde er sie nicht mehr ganz so hart strafen, wie sie befürchtete, dass er plante. Sie musste nur auf ihre bandagierten Hände hinabblicken, um zu ahnen, was ihr bevorstand. Noch niemals hatte sie ihn so in Rage erlebt. Sie wusste, dass es daran lag, dass er sich nun auch noch von ihr betrogen fühlte. Von der Tochter, die er so gerne vorzeigte und mit deren guten Benehmen er stets ein wenig geprahlt hatte. Sie hatte ihn blamiert. Dass verstand Martha gut und sie wusste auch, dass sie ihre Strafe verdient hatte. Schlag für Schlag, auch wenn sie so schmerzhaft gewesen war und so furchtbar hart, ja fast schon brutal, wie nichts, dass sie jemals zuvor durch die Hand ihres Vaters oder ihrer Mutter zu erdulden gehabt hatte. Sie würde mit diesen zerschlagenen Händen kaum vernünftig arbeiten können und sie war sich sicher, dass dies ein Teil ihrer Strafe war. Sie wollte aber gar nicht daran denken wie sie später mit Schmerzen das Abendessen zubereiten musste. Nein, da fiel es ihr schon leichter in einem stummen Gebet Zuspruch und Trost bei Gott zu suchen. Natürlich entschuldigte sie sich in fast jedem stummen Satz für ihre Sünden und bat um Vergebung und suchte dann erst Rat. So bekam sie nur entfernt mit, wie sich die Kirche füllte, wie Matt aufstand und Vater sich setzte, Matt wieder kam und der Gottesdienst anfing. Ihre Neugier auf den neuen Reverend war merklich abgekühlt und sie fing rasch an nicht mehr zu wissen, wie sie länger ruhig sitzen sollte. Normalerweise war für sie das ausharren auf der Kirchenbank keine Kunst. Eine volle Stunde Gott näher sein zu können war für Martha keine Strafe, kein Muss oder Zwang. Sie war gerne in der Kirche und hatte all den Reverends, die diese Kirche vor Hawkins gesehen hatte, andächtig und interessiert gelauscht. Doch langsam fing sie an zu begreifen wie es für Ben hin und wieder sein musste, wenn er hier nach einer erst kürzlich erhaltenen Züchtigung sitzen musste, streng überwacht von Vater, der nach solchen Ereignissen nicht den kleinsten Fehler in der Öffentlichkeit duldete. Wie oft hatte sie sich in der Vergangenheit ihres kleinen Bruders geschämt, der unruhig auf der Bank hin und her gerutscht war und dafür mit Vater vor die Kirche hatte gehen müssen. Was die Leute da jedes Mal gedacht hatten, welche Blamage für Vater und Mutter... Wie wenig Verständnis hatte sie doch für seine Not gehabt, die nicht geringer geworden war, wenn Vater mit ihm zurückkehrte. Jetzt verstand sie. Und sie konnte dabei noch auf ihrem unverletzten Hinterteil sitzen und musste sich nur Sorgen über das Pochen und Brennen in ihren Händen machen, die sie ungestraft in ihrer Haltung verändern konnte. Ja noch. Sie wollte nicht an später denken... Es war schon ungerecht, wie ihre Eltern sie hin und wieder behandelten und behaupten es geschehe aus Liebe und zu ihrem Besten. Martha wollte das gerne glauben, glaubte es auch stets, wenn ihr Bestes zwar mit Schmerzen verbunden war, aber nicht mit bleibenden Schäden. Das, sie sah auf ihre Hände, war nicht fair gewesen, nicht einmal gerecht. Sie hatte für den Diebstahl natürlich die Stockhiebe verdient, mit nichts anderes hatte sie gerechnet, aber doch nicht damit, dass ihr die Hände zerfetzt wurden? Der ketzerische Gedanke über die elterliche Ungerechtigkeit war Martha nicht neu und in letzter Zeit war er immer öfters aufgetaucht. Nur hier in der Kirche war er ihr bislang nicht untergekommen. Sie schämte sich sogar dafür, dass es hier und jetzt passieren musste und war froh, dass ihre Eltern sehr angespannt den Worten von Reverend Stevenson lauschten und ihre Gedanken nicht erraten konnten, noch Zeit dafür hatten ihr Gesicht zu studieren. Der Reverend stellte sich anscheinend gerade vor und fand ein paar Worte zur Begrüßung, denen Martha kaum zuhörte, denn längst kämpfte sie wieder mit den Tränen, die ihr wegen den Schmerzen in die Augen traten, aber auch wegen der Verbitterung über ihre rachsüchtigen Eltern. Rasch legte sie die Hände, mit den Handflächen nach oben auf ihren Schoss. Das war besser, weil das Blut nicht in die Hände floss und pulsieren konnte. Zumindest verschaffte sie sich so ein wenig Erleichterung und konnte verhindern, dass sie weinend und schniefend neben Mutter saß. Sie versuchte sich anschließend auf Stevensons Worte zu konzentrieren, um sich abzulenken, doch die Schmerzen fingen wieder an und benebelten ihre Sinne. Es war ein furchtbarer Zustand, dem Martha am liebsten entflohen wäre. Doch ein Entkommen gab es nicht. Sie blinzelte erneut gegen die Tränen an und wagte nicht den geraden Rücken zu krümmen oder die Position zu wechseln, um es sich bequemer zu machen. Ja nichts tun, was Vater erregte, war der einzige Gedanke, der Martha beschäftigte. Entsprechend empfand sie das eingeleitete Lied als Segen, denn es gab die Möglichkeit sich für das Singen ein wenig in Position zu rücken und somit kam sie wohl ohne Rüge davon, wenn sie sich ein wenig im Sitzen bewegte. Sie sang jedoch nur halbherzig mit, denn wirklich Freude empfand sie heute nicht, um Gott zu gefallen. Sie linste nach Ben, der wie sie leider genau wusste, wohin es nach dem Gottesdienst ging und sie fragte sich, wie dies wohl auf sein Gemüt drücken mochte. Er war die Bedrohung durch den Schuppen sicherlich gewohnt, aber sie glaubte nicht, dass er deswegen der Sache gelassener entgegenblicken konnte, wie sie. Aber Ben verhielt sich nicht anders wie sie, angespannt, darauf bedacht nicht weiter aufzufallen. Nur zu gerne hätte sie ihn in ihre Arme genommen, um ihm ein wenig Trost zu spenden. Aber das Theater, das ihre Eltern deswegen veranstalten würden, war es ihr nicht wert. Nicht heute. Wieso Matt sich jedoch getraute nach draußen zu gehen, verstand sie nicht. Er hatte sich zwar zu Ben gebeugt und dem Jungen etwas zugeflüstert, aber bei den Eltern hatte er sich nicht abgemeldet. Das gab doch bestimmt später Ärger?
Das Lied ebnete wieder ab und Martha nutzte rasch die letzte Gelegenheit um sich bequemer zu setzten, die Hände entspannt in den Schoss zu legen und darüber nachzudenken, dass es eigentlich Blödsinn war, sich das Ende des Gottesdienstes herbei zu sehnen. Umso rascher kam es nur zu der unvermeidbaren Züchtigung. Nein, dann saß sie doch lieber hier, versuchte die Schmerzen zu erdulden und nach Worten zu suchen, mit denen sie bei Vater und Mutter hoffentlich Eindruck machte. Sie hatte es wohl bitter nötig. Auf einmal war Martha jedoch ganz bei der Sache. Der Reverend hatte eben etwas gesagt, das ihr Interesse weckte. Worte, die so anders waren. Anders als die von Reverend Hawkins. Keine Worte über den Übervater, der jedes Vergehen gerächt sehen wollte. Nein, er sprach tatsächlich davon einem Gott, der lieben konnte? Hatte sie das richtig verstanden? Bedeutete das nicht, dass ihre Eltern bislang auf einem Irrweg gegangen waren? Verwirrt blinzelte Martha ein paar Mal und fühlte sich von den nachfolgenden Worten fast ein wenig beschämt. Sie war ganz sicher nicht einer jener mutigen Menschen, die Stevenson getroffen hatte und die einen Neuanfang wagten. Sie war eine ängstliche kleine Pute, die nicht einmal wagte ihren Eltern ins Gesicht zu sagen, dass sie sie für grausam hielt. Die lieber damit zu leben angefangen hatte, sich zu arrangieren verstand und alles zu unterdrücken wusste, was nicht mit dem konform lief, was Mutter und Vater sich von ihr wünschten. Nur um Strafe zu entgehen.
Die Nachzügler, die während Terrys Worten Tröpfchenweise in die Kirche kamen, beachtete Martha nicht weiter. Es stand ihr auch nicht zu. Mutter würde ungehalten werden, so sie ihren Kopf neugierig reckte und der ganzen Gemeinde vorführte, welch naseweise Kinder die McKays besaßen. Natürlich interessierte es sie brennend, wer so mutig oder gar dreist war so spät zu kommen, aber sie musste den Drang unterdrücken. Was ihr zur Abwechslung nicht schwer fiel, denn der Reverend sprach ungestört weiter und ihr gefiel jedes Wort besser als das zuvor. Worte, die ihren Eltern womöglich nicht passen würden, denn sie stellten ihre Erziehung in Frage. Nur kurz hob sie ein wenig den Blick und sah in das angespannte Gesicht ihrer Mutter und in ein verärgertes von Vater. Sie selbst sah rasch wieder zur Seite und musste doch ein klein wenig schmunzeln, als sie darüber nachdachte, wie es sein würde, wenn sie, Ben oder Matt ihre Eltern auf die Worte hin mit unbequemen Fragen zu Leibe rückten. Doch als sie sich fragte, ob ihre Eltern aus den Worten von Stevenson eine Lehre zogen, oder sie anhören würden, verschwand das Lächeln rasch wieder. Sicher nicht. Ihre Eltern hielten an den alten Wertbildern fest, die sie als Kinder selbst anerzogen bekommen hatten. So hatten sie die älteren Geschwister erzogen und würden nichts daran ändern. Schon gar nicht nur weil solch ein dahergelaufener Reverend die Meinung vertrat, dass Gott auch mal ein Fehlvergehen verzeihen konnte und nicht jedes Vergehen strafen musste. Martha, die bisher jedes Wort ihrer Eltern über Gott, Jesus, den Sünden, Bestrafung und Verfehlungen geglaubt hatte, fand Gefallen an Reverend Stevenson und hielt es dennoch für erschreckend wie schnell sie bereit war Altbekanntes, Vertrautes über Bord zu werfen. Womöglich war sie nur im Moment so offen für seine Worte, weil sie sehr gelegen kamen. Sie spendeten Trost in ihrer aussichtslosen Situation und boten ihr sogar einen Ausweg. Sie waren die Antwort auf ihre verzweifelten Fragen, die sie vorhin im Gebet an Gott gerichtet hatte. Ob sie allerdings den Mut aufbrachte ihren Vater mit dieser Hoffnung, die der Reverend in Martha pflanzte, entgegentreten zu können, wollte sie noch bezweifeln. Ihr Vater hielt es bestimmt für einen schlechten Witz, für Aufstand, für Widerstand, wenn sie ihn darum bat von weiterer Strafe abzusehen, denn er hatte sie doch schon bestraft und ihr Vergehen gesühnt. Zeit für die gepredigte Vergebung! Martha seufzte leise und unbedacht, als der Reverend erwähnte, dass seine Worte kein Freibrief für die Sünder unter ihnen war. Wo Strafe sein musste, hatte Strafe zu erfolgen, erst dann gab es Vergebung. Aber ihre Eltern vergaben nicht. Je nach Vergehen konnten sie nachtragend sein. Sehr sogar und Vater hatte deutlich gemacht, dass es für den Diebstahl, den Ungehorsam so schnell kein Verzeihen gab. Dass sie sich erst wieder Vertrauen erarbeiten musste. Das war doch verrückt? Hörten sie dem Reverend überhaupt noch zu? Hörten sie hin, verstanden sie was er sagte? Sie wollte daran glauben, hoffen, aber im Grunde wusste sie es besser. Komm - so wie Du bist... nein, das waren nicht ihre Eltern. Sie konnten sie nicht nehmen wie sie war, oder Matt oder Ben. Sie mussten sie verformen und biegen und brechen, bis sie so waren, wie sie sie wollten. Auch wenn das Gottes Worte sein sollten, die der Reverend eben ausgesprochen hatte, bevor er zum Vater unser überging, ihre Eltern würden sie nicht an sich heranlassen. Es war zum Verzweifeln....
Auf die Aufforderung hin stand sie mit der Gemeinde auf und sah verwundert, dass Matthew inzwischen wieder zurück war und sogar einen jungen Mann in seiner Begleitung hatte.....
Witashnah, Jethro und Taoya-te-duta bei Megan und Jesse in der Kirche rechts am Rand, vorletzte Reihe - Terry vor der Gemeinde
Natürlich verstand Witashnah kaum etwas von dem, was der Liedtext beinhaltete. Aber das war sicher auch nicht wichtig. Es war überhaupt schon irgendwie seltsam und auch ein wenig unheimlich, bei solch einer Zeremonie der Weißen anwesend zu sein. Bei den Menschen gab es natürlich auch zeremonielle Veranstaltungen. Und die waren in höchstem Maße spirituell. Aber anders als hier gab es da klare Regeln, wer wo zu sitzen und wer was zu machen hatte. Möglich, dass das hier aber auch so war und dass sie davon schlicht nichts mitbekommen und verstanden hatte.
Als alle Weißen dann plötzlich aufstanden, schaute die junge Lacota dann etwas irritiert, erhob sich dann aber ebenfalls. Sie wollte niemanden verärgern. Und das neue Lied was dann gesungen wurde, war auch gleich ganz anders. Es war eine viel eingängigere Melodie und der Text hatte einen einfachen Kehrreim. Witashnah traute sich zwar nicht, ihn mitzusingen und klatschen konnte sie mit ihrer verletzten Hand auch nicht, aber die Melodie summte sie dann doch leise mit.
Noch einmal schaute sie vorsichtig zu der hellhaarigen weißen Frau. Die hatte wirklich freundlich gelächelt und Witashnah hoffte, dass das nicht einfach nur gespielt war. Es wäre so schön, wenn ihr hier in der Stadt nicht nur bittere Ablehnung entgegen gebracht werden würde. Aber wirklich zu hoffen wagte sie dann doch nicht. So würde ihr eine weitere Enttäuschung erspart bleiben.
Der weiße Mann neben ihr, der Lacota gesprochen hatte, schien sich dann auch sehr über ihre Antwort gefreut zu haben. Die beiden waren ganz sicher ein Paar und Witashnah fragte sich, ob sie wohl so ähnlich zusammen lebten wie Jethro und sie. Immerhin schienen sie einander sehr zu mögen; ihre Augen zeigten es sehr deutlich. Witashnah lächelte leicht.
Das Lied ging dann zu Ende und alle setzten sich wieder. Und der Kirchenmann begann wieder zu sprechen. Witashnah versuchte seinen Worten zu folgen und diesmal gelang ihr das etwas besser. zumindest was die Worte anging. Den Inhalt dagegen verstand sie nicht. War da wer gestorben? Ein Mann, der sich für seine Freunde geopfert hatte? Das wäre tapfer gewesen. Viele Menschen des Volkes taten so etwas immer wieder im Kampf für ihre Lieben. Was sie aber nicht damit in Verbindung bringen konnte war die Idee, weshalb das etwas mit Strafe zu tun haben sollte. Sie seufzte leicht. Die Vorstellungen der Weißen waren schon seltsam. Kurz schaute sie zu ihrem Sohn, ob der mit den Worten etwas anfangen konnte. Taoya-te-duta schien den Worten zumindest zu folgen. Nun, vielleicht war das ja gut so. So konnte sie ihn hinterher einmal fragen, um was es denn eigentlich genau gegangen war.
Dann spürte sie aber, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Der weiße Mann. Es schien ihm irgendwie schlecht zu gehen. War ihm übel? Hatte er Schmerzen? Zumindest war er noch deutlich käsiger als schon üblich bei seinesgleichen. Natürlich hatte seine Gefährtin das bemerkt aber andere Leute hier schienen das noch nicht bemerkt zu haben.
Witashnah schwieg, achtete aber weiterhin auf das so freundliche Paar. Wenn sie Hilfe brauchen würden, würde sie sofort da sein. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie hätte helfen können.
Jerry bei Randall, Erin, Eli und Clara in der vordersten Bankreihe Terry vor der Gemeinde
Jerry fühlte sich nicht wirklich wohl auf seinem Platz. Obwohl er genau da angekommen war, wo er sein wollte. Im Blickpunkt seines Pas. Dennoch fühlte es sich nicht besonders gut an zu wissen, dass dessen Blick mit Sicherheit tadelnd, strafend oder schlicht enttäuscht auf ihn ruhte und er mehr oder weniger sich freiwillig der Beobachtung ausgeliefert hatte. Aber nicht nur deswegen wäre Jerry am liebsten wieder aus der Kirche gelaufen oder in einem Mauseloch verschwunden. Erheblich zu seinem Unwohlsein trugen nämlich auch Miss Spencer und der fremde Mann in der Bank ihren Anteil bei. Es war unschwer zu überhören, dass sie nicht erfreut über dessen Anwesenheit war und umgekehrt war deutlich ein wenig Angriffslaune zu verspüren. Er bekam gerade etwas mit, das ihn überhaupt nichts anging, dass verstand Jerry sehr gut und entsprechend wünschte er sich an einen anderen Ort. Zum Glück ersparte sich Miss Spencer eine Antwort und Jerry die Peinlichkeit weiterhin Zeuge von Streitigkeiten zu werden. Sie richtete sich wieder auf, um etwas angespannt nach vorne zu blicken. Auch wenn sich Jerry durch die Worte des Mannes sicher war, dass er gerade die Bekanntschaft von Elis und Claras Vater gemacht hatte, war er froh, dass Clara ihn sanft anstubste und ein "Das ist mein Pa, weißt du" zuraunte. Er nickte und rang sich ein kleines Lächeln ab. Clara hatte bereits von dessen Auftauchen in der Stadt berichtet. Clara plapperte sehr viel und ausgibig, manchmal fast zu viel für Jerry. Aber auf ihre Art war sie süss. Meine Güte... so was durfte er niemals laut zugeben. Schon gar nicht vor Eli oder Ben, die würden ihn auslachen und Eli hätte einen Grund ihn für den Rest seines Lebens zu verspotten. Trotzdem nahm er ihr das viele Geplapper nie krumm und bemühte sich sogar hin und wieder aufmerksam zu zuhören. Deswegen wusste er von Mr. Bowman, wie er hieß und dass Claras Eltern geschieden waren. Ein Umstand der ihn in Bezug auf seinen Pa und Miss Spencer doch nervös machte. Aber vielleicht wollte dieser Mr. Bowman ja seine Familie wieder zurückhaben? Da wäre er gleich ein paar Probleme auf einmal los.... "Wo warst du?", kam prompt die nächste Frage von Clara und riß Jerry aus seinen Gedanken. Der Junge verdrehte die Augen, als Clara auf seine schmutzige Hose deutete. Er wollte ihr gerade eine Antwort geben, als er spürte, wie Miss Spencer ihm die völlig vergessene Mütze vom Kopf zog und sie ihm mit einem mahnenden Blick auf Clara und ihn auf den Schoss legte. "Shht jetzt. Genug Ärger für einen Vormittag, Jerry. Hör deinen Pa lieber zu und du Clara lässt Jerry in Ruhe." Mehr sagte sie nicht und erwartete auch keien Zustimmung. Sie war wegen Randalls Anwesenheit gereizt und sie spürte die in den letzten Monaten vertraut gewordene Unruhe. Sie wollte dennoch nicht ihren Unmut an den Kindern auslassen. Zudem ergriff Terry wieder das Wort und Erin wollte zumindest später, sollte er sie vielleicht um ihre Meinung fragen, eine Antwort geben können. Auch war sie neugierig darauf ob sie erkennen würde in wie weit sie ihn inspiriert hatte. Sie hatte die Unterhaltung vom Montagabend noch nicht vergessen. Wie hätte sie auch können? Schließlich hatte auf dem kurzen Weg zu ihrem Dachzimmer ihr Herz gerast und dieses flatternde Gefühl im Bauch kein Ende gefunden... Das Gefühl kehrte gerade ein wenig zurück, als sie Terry ansah, und noch immer sein eben warmes Lächeln vor Augen hatte, dass sichtlich ihr alleine gegolten hatte. Oder hatte sie es sich nur eingebildet? Nein, da war etwas gewesen, ganz sicher... hatte er nicht sogar kurz mit dem Gesang gebrochen, ehe er wieder den Liedtext fortgeführt hatte? Ach was waren das doch für dumme Gedanken... Sie musste doch nur neben sich schauen, um tausende Gründe dafür zu finden, dass es keine gute Idee war, sich bereits jetzt schon wieder auf einen Mann einzulassen. Da saß Jerry, der ohne zu zögern ihr ins Gesicht sagte, dass sie unerwünscht im Haus war, aber dennoch ihren Versuch für ihn dazusein schamlos ausnutzte. Da war Eli, der schon wie bei John alles dran setzen würde, dass die Beziehung zu Grunde ging und letztendlich Randall... der alles mit seiner Anwesenheit schlimmer machte. Mit einem Kopf schütteln streifte ihr Blick Clara. Sie würde womöglich die einzige sein, die Terry und Jerry gleich dazu mit offenen Armen empfangen würde. Wie auch immer, sie war hier wegen des Gottesdienstes, nicht um sich über Randall den Kopf zu zerbrechen, aber wohl über Terry.. ein gefährliches Spiel... Sie räusperte sich auf einmal ohne Grund, fühlte sie sich doch ein wenig von Terry beobachtet, und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihr durchaus gefiel. Sie lächelte bereits wieder, als Terry das Wort ergriff und lauschte erwartungsvoll. Sie wurde nicht enttäuscht. Sie hatte Terry bereits vor gut zwei Wochen kennengelernt und dabei erkannt, dass sie es mit einem offenen, aufgeschlossenen und intelligenten Mann zu tun gehabt hatte. Und dasselbe bewies er ihr gerade wieder, als er der Gemeinde wohl gerade sehr vorsichtig, aber geschickt, ihr Weltbild, ihre Ordnung, ihren Glauben oder zumindest die Interpretation von Gott ins Wanken brachte, um Platz für Neues zu schaffen. Ihr entging natürlich nicht die versteckte Botschaft an Jerry, aber sie hatte sich fest vorgenommen zumindest ein gutes Wort für ihn bei seinem Vater einzulegen. Natürlich wusste sie nicht was genau vorgefallen war, aber es konnte sicher nicht schaden, wenn Terry erfuhr, dass der Junge mit Vernunft gehandelt hatte. Seine Strafe würde sie ihm natürlich nicht ersparen können. Aber das hatte sie Jerry ja zuvor erklärt.
Nach der leisen Rüge von Miss Spencer und dem strengen Blick seines Vaters wagte Jerry sich nicht mehr zu bewegen. Dass ihn Mister Bowman eindringlich musterte und Anstand an seinen schmutzigen Sachen nahm, bekam er schon nicht mehr mit, weil er seine Schuhspitzen so viel interessanter fand. Obwohl sein Pa bereits vor der Gemeinde wieder sprach, hielt Jerry den Blick noch immer gesenkt. Er glaubte zwar nicht jetzt noch in die Gefahr eines vernichtenden Blickes zu geraten, aber da ging er dann doch lieber kein Risiko ein. Schon gar nicht als er deutlich vernommen hatte, was Pa über die Bestrafung des Sohnes gesagt hatte. Sicher, er hatte Bezug auf Gott und Jesus genommen, aber Jerry hatte die Botschaft sehr wohl verstanden und ganz kurz war sein Magen so merkwürdig nach unten gesackt, wie im Sommer, wenn man von einem hohen Baum ins Wasser sprang und man das Gefühl hatte, man tauchte zu erst ein und sein Magen folgte mit Verspätung. Da machte dieses Gefühl spaß, heute war es eher unangenehm und ein Produkt seiner Ängste in Bezug auf das Später. Jerry hatte nicht vergessen, dass er erst am Montag für seinen Ungehorsam die Höchststrafe erhalten hatte. Und da hatte er nicht schon am Morgen mit Pa diskutiert oder hatte Schuld an der Totalrasur getragen. Da hatte er auch nur kurz vor Dr. Leigh Widerworte an den Tag gelegt und in Bezug auf seine Sicherheit und den Indianer nicht auf Pa gehört. Und er war von einem Baum gefallen... gut, das war schon schlimm gewesen. Aber dafür hatte er sich nicht vor Miss Spencer schlecht benommen, hatte auch nicht sturr und ungehorsam lieber mit Ben gespielt, als sofort zu den McKays zu laufen. Er hatte auch kein Fenster kaputt geschlagen und sich nicht Mr. McKay gegenüber frech benommen. Oh und er durfte gar nicht an die Krönung denken, als er vor der Kirche und vor Mr. McKay seinen Pa blamiert hatte und dann einfach weggelaufen war... ach du meine Güte... verflixt war das viel. So genau hatte sich Jerry seine Vergehen noch gar nicht überlegt gehabt. Da kam ja viel mehr zusammen als am Montag! Er schielte zu Miss Spencer und dann kurz nach vorne, doch von dort traf ihn nur wieder ein strenger Blick seines Pas, der es Jerry nicht ermöglichte zu erkennen, dass auch viel Liebe dahinter steckte. Dafür fürchtete er sich im Moment zu sehr. Es war wohl nicht viel Hoffnung dahinter, dass Miss Spencer für ihn die Sache wieder gerade bog. Ausgeschlossen... Jerry schluckte und versuchte zu verdrängen, was ihn später erwarten würde. Aber das war schwer. Er musste sich immer wieder fragen, ob er in der Lage war noch einmal die Höchststrafe auszuhalten. Und die Antwort war jedes Mal ein recht zittriges Nein. Vielleicht, so malte sich Jerry aus, gab es ja noch eine viel schlimmere Strafe! Er hatte sich ja auch viel schlimmer benommen als am Montag! Doch diese Aussicht gefiel dem Jungen überhaupt nicht. Aber den Worten seines Pas konnte er auch nicht wirklich folgen. Er bekam wie an jedem anderen Sonntag auch oder in der Schule das Kunststück nicht fertig den Worten länger zu folgen. Es war schon ohne die Angst vor dem Stock Woche für Woche schwer. Er verlor rasch den roten Faden und fragte sich, über was sein Pa überhaupt redete. Es klang für Jerry jedesmal so, als würde dasselbe Sonntag für Sonntag gepredigt werden. Obwohl er sich ja bemühte zu folgen und zu zuhören begann er sich jedesmal rasch zu langweilen. Er war dazu davon überzeugt, dass der Gottesdienst nicht für Kinder geschaffen worden war, sondern nur für die Erwachsenen. Nur dass die Erwachsenen das vergessen hätten. Es war doch die reinste Folter. Man saß viel zu eng auf den Bänken, die dazu noch unbequem waren. Manchmal war es zu kalt, trotz eines Ofens, die Orgelmusik viel zu laut und zu schrill, die Liedtexte kannte man kaum auswendig und sie abzulesen war eine Qual. Aufstehen, setzen, wieder aufstehen... und dann die lange Rede von Pa und komplizierte Zitate.. da konnte man sich doch als Kind nur langweilen und kaum ruhig sitzen? Ach ja und diese engen, kratzenden Anzüge erst, die man dafür auch noch anziehen musste...Jerry besah sich bei dem Gedanken die gute Sonntagshose noch einmal genauer, die sich so ungewollt in den Blickpunkt rückte. Er würde sie bestimmt zur Strafe selbst schrubben müssen. Das war schon viel Arbeit, wie Jerry inzwischen wusste. Für so eine Hose musste heißes Wasser gemacht und die Seifenlauge angerührt werden. Man verbrannte sich im Wasser die Hände und die Seife brannte in jeder kleinen Schürfwunde. Vom Schrubben bekam man müde Arme und Muskelkater am nächsten Tag. Und wenn man sie nicht sauber bekam hatte man den Salat. Dann gab es noch einmal Ärger oder man musste eben die Arbeit noch einmal machen. Oh Gott.. war das da etwa ein Loch? Jerry beugte sich etwas nach vorne. Nicht schon wieder. Den Pullover hatte sein Pa ihm ja noch verziehen, aber die gute Hose? Die konnte man kaum stopfen und ausbessern. Nur abschneiden und im Sommer tragen. Oder täuschte er sich nur? Er hob das Hosenbein etwas an, konnte aber wegen dem ganzen Schmutz am Knie nicht wirklich etwas erkennen. Möglich, dass er es sich nur eingebildet hatte. Aber er musste sicher gehen. Noch tiefer beugte sich Jerry nach vorne und sah tatsächlich ein Riss über dem Knie. Verflixt, wie war das passiert? Das gab nun mehr als Ärger.... Im selben Moment seiner Entdeckung rutschte ihm die Mütze samt dem Gesangsbuch vom Schoss, die in Bewegung geraten waren. Erschrocken, weil Jerry zu recht viel Lärm befürchtete, griff er viel zu hektisch nach Mütze und Buch und verlor durch die überdehnte Haltung das Gleichgewicht. Erin versuchte zwar noch nach Jerry zu greifen, doch er entglitt ihrer Hand. Zeitgleich mit der Aufforderung von Pa sich zu erheben, war ein dumpfes Dröhungen zu vernehmen, als das Buch auf dem Boden landete, gefolgt von Jerrys unsanften Auftreffen auf den Kirchenboden. Erin hatte Mühe nicht zu lachen, denn passend zu Jerry war die Situation in sich erheiternd und komisch. Sie wollte dennoch hoffen, dass er sich nicht weh getan hatte. Allerdings befürchtete Erin, dass Terry darüber alles andere als erheitert war, vor allem, da nach und nach die Leute verstummten und Unruhe entstand. Schon gar nicht als mitten in den Beginn des "Vater unser..."s von Jerry ein unerhörter Fluch zu hören war, mit dem er seinem Ärger über sein Missgeschick Ausdruck verlieh.... Erin hatte ihm gerade auf die Beine helfen wollen, erstarrte aber mitten in der Bewegung und sah den Jungen schockiert an.... Um sie herum herrschte bis auf ein Husten, ein Schniefen völlige Stille...
Witashnah, Jethro und Taoya-te-duta bei Megan und Jesse in der Kirche rechts am Rand, vorletzte Reihe - Terry vor der Gemeinde
Megan sang begeistert mit, wenn auch bei weitem nicht so laut wie der Hüne ein paar Reihen weiter vorne. Sie sah sich ebenso um, als die Tür sich noch zweimal öffnete, aber hauptsächlich um zu schauen wer da zu spät kam. Nur kurze Blicke auf die beiden Gruppen, nicht mehr. Die sympatische Schmiedin, mit einem unbekannten Mann und einem Mädchen und kurz darauf die Haushälterin des Sheriffs, mit der ehemaligen Lehrerin und einem weiteren, fremden Mann. Beide Gruppen verteilten sich in der Kirche. Miss Hunter setze sich neben den Sheriff, Selina vor die Freemans. Der Fremde Blonde neben die Tochter des Sheriffs.
Sie lauschte nach dem Gesang den Worten des Reverend, wenn auch lange nicht so intensiv wie sie es gewollt hätte, denn neben ihr passierten Dinge, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Sie spührte den festen Griff von Jesses Hand an ihrer Schulter. Das war kein Griff der Geborgenheit suchte, kein Griff der Zuneigung oder sonstewtas in dieser Richtung. Das war ein Griff der Halt suchte und die Blondine schaute zu ihrem Verlobten. Seine Unterlippe blutete und in seinen Augen standen Tränen. Auch glaubte Megan ein leichtes würgen zu sehen und zu hören. Auch Jesses Gesichtsfarbe sah im Moment wieder eher aus wie die Laken im heimischen Bett. Beunruhigt schaute sie zu Jesse und unterbrach ihren Gesang. Als er auch noch anfing nach Luft zu schnappen ergiff eine gewisse Panik die ehemalige Hure und sie drehte sich zu Jesse, legte einen Arm um ihn bugsierte ihn zurück auf die Kirchenbank. Sie hob seine Arme an, so das sein Brustkorb sich normal bewegen konnte. Seine Augen waren seltsam rot unterlaufen und seine Farbe wich mehr und mehr aus seinem Gesicht. Doch er schüttelte seinen Kopf, als wollte er Megan vermitteln, dass sie nun bloss bitte ruhig bleiben sollte. Netter Versuch aber leider völlig daneben gehend. Wie sollte sie ruhig bleiben wenn mit Jesse so offensichtlich etwas nicht stimmte.
Sie setzte sich neben Jesse, beugte ihn vor soweit es eben möglich war. "Tief Luft holen und Husten Schatz...komm Du kannst das...." Ihr trat ein Bild vor Augen, von einem Kunden in Cheyenne, der ganz ähnliche Anzeichen gezeigt hatte und den Abend nicht überlebt hatte und in ihr brach innerlich die blanke Panik aus. Aber jetzt hysterisch zu werden würde Jesse nicht helfen. Verdammt, warum war die Ärztin nicht da. Sie sah sich hilfesuchend nach Luka um. Er war Arzt. Vielleicht konnte er helfen. Irgendwo vorne gab es ein Geräusch, als wäre jemand gefallen, oder etwas und ein Fluch ertönte durch die, nach dem Gesang und der kurzen Ansprache des Reverends einkehrenden Stille. Nur das Husten von Jesse und ein entferntes Schniefen halten durch das Kirchenschiff. Megan schaute zu Jesse und wieder und wieder durch die Reihen, in der Hoffnung Luka ausfindig zu machen. Jesse ging es schlecht, sehr schlecht und sie hatte Angst um ihren Mann. So wie Jesse aussah wohl auch zurecht. "Husten, Luft holen... immer schön weiter..." sprach sie zu ihm und erhob sich wieder um besser nach Luka sehen zu können. Wo war er ?
Arthur mit Erin und Emily an der Kirchenpforte, dann auf der Sitzbank vor den Freemans
Das zu spät kommen wurde natürlich von der Gemeine bemerkt, besonders da die kleine Gruppe gerade ankam als der Reverend den Gesang einstellte und sich auf seine Rede vorbereitete. Errin ging weit nach vorne und die kleine Britin wurde fast schon gezogen, auf den Sitzplatz neben einem betagteren Mann. Arthur selber suchte sich lieber einen Platz weiter hinten und in der letzten Reihe, neben einem blonden Mädchen, war noch ein Sitzplatz frei. Da sie aber auch eine Krücke hatte, setzte sich Arthur eine Reihe weiter vorne hin, wo nur eine Familie sass. Ein dunkelhaariger Mann, eine Brünette Dame und wie Arthur annahm, die Tochter der beiden. Der Anblick Cassidys und selbst der des schwarzen Mädchens erinnerte ihn wieder kurz an seine eigene Tochter und er atmete leise tief durch, bevor im vorbeigehen kurz zu Cassidy schaute und vor ihr Platz nahm, neben Mr. Malone. Gerade rechtzeitig, bevor der Reverend sprach.
".. Die kleinen Sünden straft der liebe Gott sofort - und bei den großen dauert es etwas länger. Fragen Sie mal die Gesetzeshüter unter uns - die werden wissen, wovon ich rede, nicht?" Arthur lächelte und nickte deutlich mit dem Kopf. Auch wenn er das nicht mit Jesus oder gar Gott in zusammenhang brachte. Die Sünder bestrafte der Arm des Gesetzes und je nach Staat und County unterschiedlich. Lynchjustiz, Selbstjustiz oder reguläre Verhaftungen. Das Repertoire war gross. Er brauchte da nur an die Rangerzeit denken, die noch nicht so lange zurück lag und bei der die Ranger wirklich hne Gnade hatten vorgehen müssen um Ordnung zu schaffen. Ganze Banden hatten er und seine Kollegen einfach über den Haufen geschossen. Schnell, einfach und endgültige Lösung. Banden von dutzenden von Männern zu verhaften war pure Zeitvergeudung. Die anderen Mitglieder würde eh nur kommen und die Kameraden befreien, zumindest wenn sie einen Funken Ehre im Leib hatten. Im viel der Blick auf, den der Reverend bei dem Wort Gesetzeshüter auf eine Person warf, die in der Gemeinde sass. Wenn er das richtig gesehen hatte, der betagtere Herr neben der sympatischen Britin. Arti machte sich eine mentale Notiz für später. Erin hatte ja empfohlen direkt mit dem Sheriff zu sprechen und wenn das der Mann war, würde das die Suche ganz gepflegt vereinfachen. Der Rest der Rede des Reverend, verlor sich ein wenig in Arthurs Gedanken, aber was er unterbewusst mitbekam gefiel ihm. Der Reverend schien ein weiser und gerechter Schäfer zu sein. Ein sympatischer Zug.
Die Leute um ihn herum erhoben sich und Arthur tat es ihnen gleich. "Vater unser, der Du bist im Himmel. Geheiligt werde Dein Name.." began der Reverend doch weit kam er nicht. Irgendwo vorne viel etwas auf den Boden und ein vernehmlicher Fluch klang durch das Kirchenschiff. Der Fluch einer kindlichen Stimme und er reckte ein wenig den Hals um zu sehen was da vor sich ging.
Witashnah, Jethro und Taoya-te-duta bei Megan und Jesse in der Kirche rechts am Rand, vorletzte Reihe - Terry vor der Gemeinde
Der Gottesdienst war in vollen Gange, und doch kamen immer wieder ein paar neue Gäste hinzu. Sicher war das Wetter daran schuld, überlegte Jethro und auch wenn er einige Stadtbewohner in den Nachzüglern erkannte gab es doch fremde Gesichter, die Jethro flüchtig mit seinem Blick streifte und sich dann wieder auf den Reverend konzentrierte. Jethro war viele Gottesmänner gewohnt und hatte sich selbst sein eigenes Bild von Gott aus deren Worte geformt. So kam ihm Stevensons Rede weder ungelegen noch gelegen. Noch musste er sie auf schärfste kritisieren noch hieß er sie anstandslos für gut. Er hielt es jedoch für einen cleveren Schachzug auf die vorgetragene Weise den Stadtbewohnern das neue Gesicht der Kirche zu präsentieren. Die Zeit würde erst mit sich bringen müssen, in wie weit diese Gemeinde einen jungen, offenen Mann wie Stevenson Willkommen hieß. Er sah ein paar Mal kurz zu Witashnah und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, als er in ihrem Gesicht so etwas wie Skepsis und Unverständnis zu erkennen glaubte. Für sie waren die Worte des Reverends sicher schwer zu verstehen. Vielleicht konnte er ihr später sogar das eine oder andere davon erklären, wenn sie es denn wollte und daran interessiert war.
Erneut wurde ein zweites Lied angestimmt. Fröhlicher und beschwingter, als das erste und Jethro hielt es für eine gute Idee, dass der Reverend sie dazu aufstehen ließ. Man war auch im Sitzen dazu angetan mitzuwippen und sich von der Melodie tragen zu lassen. Wieder kamen ein paar Zuspätkommende dazu. Eine junge Frau in Begleitung eines Jungen in stark ramponiertem Zustand. Die neue Lehrerin. Oder besser gesagt, die alte neu, wenn er es richtig verstanden hatte. Jacob hatte ihm davon erzählt und er hatte sich fest vorgenommen sie einmal aufzusuchen um zu prüfen, wie sie zu Jacobs Herkunft stand. Vielleicht hatte es der Junge absofort ein wenig leichter, als unter Hawkins. Eine kleine, runde Frau trippelte über den Gang und wurde vom Sheriff in die Bank gezogen, was Jethro kurz lächeln ließ, denn die Szene war eindeutig. Der letzte der dazu kam war ein Mann wohl etwas jünger als Jethro selbst, blond, gepflegt und doch mit wildem Charme behaftet. Ein Fremder, da war sich Jethro ganz sicher. Vielleicht ein möglicher Kunde in ihrem Haus. Jethro sah wieder nach vorne und sang mit. Wenn auch ein wenig vorsichtig, weil ihm das Lied nicht vertraut war. Erst als die Melodie verstummte und sie gebeten wurden wieder Platz zunehmen, bemerkte Jethro, dass Harding und Foster gar nicht aufgestanden waren. Auch Witashnah sah zu ihnen und Jacob wurde ein wenig unruhig. Was kein Wunder war. Der Pianospieler wirkte unnatürlich weiß und schien keine Luft mehr zu bekommen. Er japste danach wie ein Fisch auf dem Trockenen. Während vorne der Reverend noch einmal seine Worte aufgriff, um seine Gemeinde von dem Irrglauben abzubringen, dass er ihnen mit seinen Worten einen Freibrief für das ungestrafte sündigen gegeben hatte, kämpfte Miss Foster um Hardings Gesundheit. Jethro war nahe dran die Augen zu verdrehen und um Ruhe zu bitten. Schließlich war das hier ein Gottesdienst. Ein bisschen mehr Ernst und Konzentration konnte er da von seinen Mitgängern erwarten. Schließlich war Harding ein gestandener Mann, der gewohnt sein sollte es hart zu nehmen, aber da sich Miss Foster scheinbar aufzuregen begann, nahm Jethro an, dass es ernster zu nehmen war, als er dachte. Ungeachtet der Tatsache, das aufgrund eines laut vernehmlichen RUMS von vorne und einem unangebrachten Fluch aus Kindermunde in der Kirche die Gemeinde verstummte, beugte sich Jethro an Witashnah vorbei zu Miss Foster. Diese versuchte gerade Harding zu beruhigen, damit er wieder Luft bekam. "Kann man ihnen helfen, Miss Foster," fragte er so leise, um nicht weiter aufzufallen. Aber in die Stille hinein war Hardings Japsen und sein eigenes Flüstern nur schwer zu verbergen. Einige Leute sahen bereits nicht mehr nach vorne, sondern zu ihnen herum. "Vielleicht hilft frische Luft? Ich könnte ihnen auch helfen Mr. Harding zur Klinik zu bringen?", bot Jethro an, der eingesehen hatte, dass angesichts Hardings Verhalten ein Notfall vorlag und nicht eine Störung des Gottesdienstes. Der hatte nun hinten anzustehen angesichts des Mannes in Not.
Witashnah, Jethro und Taoya-te-duta bei Megan und Jesse in der Kirche rechts am Rand, vorletzte Reihe - Terry vor der Gemeinde
Es war Jesse furchtbar unangenehm, dass er hier gerade so etwas wie einen Schwächeanfall hatte. Er war doch erst 30 Jahre alt und eigentlich bester Gesundheit. Naja, gut, er hatte die letzte Woche mit hohem Fieber im Bett verbracht und auch unter dem Alkoholentzug zu leiden, oder unter was auch immer. Jesse fühlte sich aber einfach auf einmal schlecht und er selber wusste ja den Grund nicht mal. Schon gar nicht wollte er Aufsehen erregen. Dank Megan, die dann entsetzt mitbekam, das es ihm schlecht ging, saß er auch schon wieder auf der Bank und Megan half ihm dann, seine Arme nach vorne zu bewegen, damit er besser Luft bekam. Und es half und auch all das, was sie sagte, wie er ruhig Luft holen solle. Jesse machte alles, was Megan ihm riet und es würde ihm auch schnell besser werden, wenn er sich nicht so krampfte, blos nicht aufzufallen. Es war doch heute so ein wichtiger Tag in Megans Leben. Niemand hatte sie aus der Kirche geworfen. Und so befolgte Jesse einfach Megans Hilfe, tat, was sie meinte, was gut tat und es half dann auch. Jesse bekam wieder Luft, auch wenn ihm immer noch ziemlich schlecht war und seine Brust sich anfühlte, als würde eine Dampflog darüber gefahren sein. Aber Jesse kämpfte gegen all diese schlechten Gefühle und Schmerzen an. Immer wieder hustete er dann aber doch, allerdings sehr leise, denn er wollte wirklich den Gottesdienst nicht stören. Das war wirklich nicht seine Absicht. Im Gegenteil. Aber er spürte auch, dass er hier einfach raus wollte, musste. Natürlich bekam er nicht mehr alles mit, was sonst so noch geschah. Außer, dass die Stimmung in der Kirche sehr angespannt war. Das war eben so. Kein Wunder bei den offenen Worten des neuen Reverend. Der schien hier einigen die Gedanken durchzuwirbeln und das war auch gut so. Der Mann und dessen Worte gefielen Jesse. Dennoch musste Jesse zugeben, dass er wohl irgendwie niemals wirklich an Gott oder Jesus glauben würde, dass war einfach nicht seine Welt.
Am Rande bekam Jesse dann auch den Blick der Lakota mit und dann auch den von Hayway, der dann auch seine Hilfe anbot. Aber als erstes dachte Jesse an Megan. Es tat ihm so leid, dass er ihr gerade voll den doch angenehmen Gottesdienst versaute. Aber er hatte das ja nicht mit Absicht getan.
Zumindest beruhigte er sich dann langsam. Er hustete immer wieder, schnappte nach Luft, tat dies aber sehr leise, um möglichst nicht aufzufallen. »Geht schon wieder ... « murmelte er dann, schaute auf den Boden unter seinen Füssen und wünschte sich einfach nur an einen anderen Ort. So gut er konnte, versuchte er Megan dann anzulächeln, um sie zu beruhigen, denn es tat ihm nun wirklich leid, um sie. Als dann Mr. Hayway seine Hilfe anbot, hob Jesse dankend, aber auch abwehrend, seine Hand. »Geht schon, irgendwie, danke ...«
Jesse riss sich dann mächtig zusammen. Er war ja schliesslich ein gestandener Mann, also, was fiel ihm nur ein, solche Schwäche zu zeigen? Tja, aber Jesse war nun mal auch nicht perfekt und hatte sich das nicht ausgesucht. Aber es war passiert. Schliesslich hob er eine Hand, um Megan zu signalisieren, dass es ihm schon besser ging, was auch der Wahrheit entsprach. Langsam atmete er langsamer und auch wenn er noch blass im Gesicht war. Er spürte nur, dass er nur noch eines wollte: Weg hier und ganz viel Whiskey trinken. Denn sein Entzug war noch längst nicht vorbei. Aber er wollte auch Megan nicht beunruhigen. Wie also sollte er sie dazu bewegen, dass sie hier blieb, er aber ging? Das er und Megan hier eh Aussenweiter waren, war Jesse egal. Jesse hatte einen guten Grund, die Kirche zu verlassen. Da es ihm einfach nicht gut ging. Andere kamen zu spät. Sogar, der Sohn des Reverend selber, auch wenn es Jesse gar nicht mehr mitbekam. Auch nicht, was sich vorne ereignete, was wohl alle in der Kirche mitbekamen. Nur gut, dass dies hier niemand mitbekam, ausser Hayway und seiner indianischen Familie oder wie auch immer sie zu einander standen. Also versuchte Jesse diese alle noch schwach anzulächeln und meinte erneut: »Sorry, ist schon alles ok, danke für die .. Hilfe ... Mr. Hayway, aber geht schon ...« Auch Witashnah schenkte Jesse kurz ein Lächeln, bevor er dann zu Megan flüsterte: »es geht wirklich wieder, meine Blume. Alles ok.« Er nickte, auch wenn er noch blass war, aber er schien langsam wieder zu Kräften zu kommen. Dann aber schaute er Megan an und flüsterte: »Ich möchte aber dennoch die Kirche verlassen. Frag mich bitte nicht warum. Aber es geht schon. Aber bitte tue mir einen Gefallen. Bleib hier. Ich warte dann zu Hause auf dich, ok? Bitte?« Sein Blick war sehr flehendlich und er hoffte, dass Megan ihn liess und vor allem verstand. Denn wenn sie es nicht gutheissen würde, Jesse würde bleiben. Aber sehr still.